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Full text of "Zweites bischöfliches Wort an die Protestanten Deutschlands : zunächst an diejenigen meiner Diöcese, über die zwischen uns bestehenden Controverspunkte"

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Jniritra  btfd|Bfad)f0  Wort 


an 


bie  $rotefianten  3)eutf$tanb3, 

5ttttäd)ft  an  ökjftttgm  meiner  Diöcefe, 
ü6cr  bie 

jtoifdjett  mt$  Befte^enben  Kontroöer^unfte 
Dr.  &ontab  Sötartttt, 

»iföof  »ort  «Paberbotn. 


^aberfcorn, 

SSetlag  &ott  ftetbittcmb  @^ömttg^. 
1866. 


Dem  fi)ettrett 

%ltxw  htx  ttyrnmrötgen  piSctfc  Pabtrborn 

in  IjetjUdjer  Sieöe 

genribmet. 


V  a  r  ro  0  r  t. 


feinem  „Bifäöflidjen  Sorte"  (einem  Sorte  nicfyt  be8 
2lngriff8,  fonbern  ber  Berti;  eibigung  gegen  ben  Angriff),  ba8 
fo  oiele  anbere  tfyeilSmigtooIIenbe,  tljeils  audj  toofyltoollenbe  Sorte 
Ijeroorgerufen  I)at,  muß  id^  je£t  nodj  ein  3to  etteö  Sort  nadj* 
fenben.  £)er  3*»^/  bem  id)  bienen  tooflte,  ift  ju  grog  unb  fettig, 
als  bag  ic^  micfy  ntdjt  Ijier  befonberS  erinnern  laffen  füllte  an  bie 
SDfaljmung  be8  2tyoftel8:  insta  opportune  importune  —  „Ijalte 
bamit  an,  e8  fei  gelegen  ober  ungelegen"*).  2)er  göttlidje 
©tifter  be8  (£Ijriftentfyum$  Ijat  feinen  Sitten,  bag  alle  23e=» 
fenner  feines  Samens  (SinS  fein  fotten,  $u  beutlidj  au8= 
gefprodjen.  Unb  toer  baljer  jur  Bereinigung  ober  Siebert>er= 
einigung  ber  getrennten  Triften  nidjt  alles  Beiträgt,  toaS  er 
bagu  beitragen  fann,  follte  toenigjknS  fein  2lufljeben8  machen 
toon  feinem  (Sljriftentlmme  unb  nodj  oiel  tt)eniger  oon  feiner 
djriftlidjen  Siebe.  ÜDiefe  forbert  nun  einmal  Bereinigung, 
fie  forbert  ben  grieben,  nicfyt  ben  fatfdjen  ober  ben  bloßen 
©djeinfrieben,  fonbern  ben  ächten  unb  regten,  ber  nur  in  ber 
Sal^eit  ju  finben  ift.  S)enn  „bie  Safyr§eit"  fagt  (SfyriftuS,, 
„toirb  (£udj  frei  machen".  Unb  toer  bafyer  für  bie  Saljrljett 
arbeitet,  toer  Ui  ben  getrennten  Triften  Borurt^eile  ju  fyeben, 
irrige  Slnfidjten  ju  berichtigen,  ättißoerftänbniffe  aufklären 
fucfyt,  nur  ber  arbeitet  aud?  für  ben  ^rieben.  Unb  bag 
DiefeS  ber  alleinige  «Bn^ct,  ber  mir  bei  meinem  erften  fotooljl, 

*)  2.  Ximotfc.  4,  2. 


6  SSotwort. 

lote  bei  biefem  meinem  fetten  Sorte  bie  gebet  geleitet  fyat, 
ba«  bezeugt  mir  mein  ©etoiffen.  3n  biefem  guten  SBetoußtfein 
^aSe  idj  alle  läfternben  unb  oerläfternben  SKeben  ruljug  über 
micfy  ergeben  laffen  unb  werbe  e8  audj  ferner.  3d)  toußte  fc&on 
lange,  baß  bei  mannen  Sftenfdjen  bte  SBa^ett  §aß  erzeugt, 
unb  baß  man  überhaupt  jutn  grieben  nur  burdj  $ampf  ge= 
langen  fönne. 

Raffet  (Sud)  baljer,  geliebte  proteftantifcfye  greunbe,  burcfy 
feie  polternben  (Sdjmäfys  unb  Säftermorte ,  toomit  man  meine 
reblicfyen  2Ibftd()ten  fo  entfefcltdfj  oerbädfytigt  fyat,  in  (Surem 
guten  Vertrauen  $u  mir  nidfyt  beirren.  Vertrauet  meiner  efyr= 
Ctdjen  SBerfidfyerung,  baß  nur  £iebe,  unb  ntdjtS  aU  £iebe  mtdj 
gebrängt  unb  getrieben  fyat,  gerabe  fo  ju  <£nd)  ju  reben,  toie 
tdj  e$  getrau;  unb  baß  idj  mi<fy  überhaupt  fo  gefinnt  toeiß, 
baß  tdj  efyer  2llle$  über  midlj  ergeben  laffen  tooflte,  efye  icfy  bie 
£iebe,  biefeS  erfte  unb  größte  djrtftlidje  ®ebot,  burd)  trgenb 
einen  geberftridj  ober  irgenb  ein  SBort  toiffentlidj  oerlefcten  foHte. 

55on  foldfy'  einem  Vertrauen  befeett,  nefymt,  geliebte  greunbe, 
biefe  ©cfyrtft  in  bie  §anb  unb  lefet  fie;  aber  lefet  fie  nidjt 
ettoa  nur  tl;eit=  ober  ftücftoeife,  fonbern  lefet  fie  ganj,  oon  2ln= 
fang  bis  ju  (Snbe.  £efet  unb  prüfet.  Sefet  mit  Unparteilich 
feit,  lote  e$  (Suer  allein  toürbig  ift,  unb  prüfet  mit  Sorgfalt. 
Sttefyr  oerlange  td)  oon  (Sud)  nid)t.  3d)  I)abe  $u  oiele  ebte 
<See(en  unter  (Sucb,  fennen  gelernt  —  unb  bereu,  bie  id)  nid)t 
fenne,  ift  getoiß  eine  nod)  toeit  größere  3a^  — >  a^  ba§  ^ 
nid)t,  toenn  3I)r  f  o  bie  (Sud)  getoibmete  ©d)rift  tefet,  mir  ba= 
tjon  für  ben  obengenannten  frönen  unb  ^eiligen  ^totd  eine  gute 
SBirfung  oerfpredjen  foHte.  Unb  ©ott  gebe,  baß  id)  in  biefer 
Hoffnung  mid)  md)t  taufte! 


(Srftes  (Seforädj. 


„2*erad)te  nur  Vernunft  unb  SBtffenfdjaft" 
„S)e8  9ftenf<I>en  afler^ödjfle  Äraft". 

(®oet$e.) 

(Es  war  in  ber  erften  ©ätfte  beS  munberfdjönen  @ep* 
tember*9ftonatS  beS  legten  Qal)reS,  wo  i$  auf  einem  gräf- 
ltdjen  ©äjloffe  einen  längft  rerfprodjenen  SBefuäj  abftattete. 
£)aS  ©djlofj,  baS  id),  um  nid)t  inbiScret  §u  erfdjeinen, 
mit  einem  erbtdjteten  tarnen  ©djlojg  6teinfelS  nennen 
tüiE,  l)at  eine  atteriiebfte  Sage:  nadj  ber  einen  <5eite  §in 
ein  wol)lbeftanbener  fdjattenreidjer  2Mb,  nad)  ber  ent* 
gegengefegten  ©eite  tjerrtidje  (Härten  unb  Bareinlagen, 
unb  in  weiterer  gerne  wieber  watbgefrönte  Sinken,  ah* 
wed)felnb  mit  anmutigen  Steuern  unb  reidjen  $aum* 
wiefen,  furj  alle  Sfteige  eines  angenehmen  länbtiäjen  2luf* 
entljalteS  fo  na§e,  als  nur  mögltdj  beifammen.  Wliv  war 
biefer  länblidje  Slufentljatt  boppelt  angenehm;  benn  er  biente 
mir  gugleitf)  §ur  (Srljolung  unb  iljrer  füllte  idj  midj  bamaU 
gerabe  feljr  bebürftig.  2)aS  größte  $el)agen  aber  empfanb 
id)  im  uugeftörten  gemütljlidjen  Umgänge  mit  bem  eblen 
^öefiger  beS  Sd)loffeS ,  ben  id)  mit  einem  ebenfalls  erbidj* 
teten  Warnen  ben  ©rafen  QnltuS  nennen  will.  2tn  tym, 
tarn  man  in  äöafjrfiett  fagen,  ift  jeber  3ott  ein  ©beimann, 


8  @rfte§  @efpräd&. 

aber  in  be3  äöorteS  befter  SBebeutung.  ©tue  äfyt  beutffye 
unb  fern^aft  tüd&ttgc  9ktur,  ein  fefteS  galten  auf  bk 
ererbten  ©runbfäfce  von  9^ed^t  unb  @§re,  ein  männlt$ 
gefegtes,  biebereä  unb  gerabes  2öefen  in  $erbinbung  mit 
einer  aufnötigen  grömmigfeit,  einer  t)er§tidjen,  oft  mit 
Opfern  betätigten  ^eilna^me  an  ben  ^ntereffen  ber  % 
$irdje,  fo  tme  eine  eble,  felbft  burcf)  Unban!  ntdjt  surüdfc 
geftojgene  SBo^It^ätigfeit  gegen  2trme  unb  *ftotl)letbenbe, 
folclje  ©igenfdjaften  unb  Nörglige  geirfmen  tyn  au3  unb 
umgeben  feinen  ererbten  2lbet  ber  (Murt  mit  bem  no<§ 
f djönern  erworbenen  2Ibel,  bm  2lbel  be£  §er§en3  unb  ber 
d)riftlidjen  £ugenb.  Unb  je  me^r  man  tyn  lennen  lernt, 
befto  met)r  lernt  man  biefe  $or§üge  an  iljm  fd)ätsen. 
2öenigften3  fann  i§  von  mir  felbft  fagen,  baft  meine  23er* 
e^rung  gegen  ifyn  burd)  bm  nähern  Umgang,  bm  i<$  mit 
\i)m  gepflogen,  efjer  %u*,  als  abgenommen  §aU}  unb  ber 
3^enf$enfenner  roeifc,  wa§  bamit  gefagt  ift.  greilid),  roo 
2iä)t  ift,  ba  ift  in  ber  Siegel  autf)  ©djatten,  unb  neben 
biefen  leudjtenben  ^orgügen  ftefjt  man  einige,  mie  foE  iä) 
fagen?  unangenehm  auffattenbe  ©igen&eiten  ober  Sßunber* 
lieferten.  Unter  anberem  ift  ®raf  QuliuS  bei  feinem 
fonftigen  ftreng  firdjltdjen  ©inne  unb  feiner  großen  $er* 
etjrung  für  bk  religiöfen  Drben  im  allgemeinen  bofy  hin 
attju  großer  SBerounberer  ber  ©efettfd&aft  gefu,  ober  mk 
er  ftdj  felbft  au3§ubrüden  pflegt,  „unferer  heutigen  Qefui* 
ten",  über  bereu  Sßirfen  unb  Stiftungen  er  trielmet)r  ft$ 
mitunter  fe^r  unbillige,  ja  ungeredjte  Urteile  erlaubt. 
Q^re  ^rebigten  j.  $8.  menben  fid)  feiner  Meinung  nadj 
ptriel  an  bm  $erftanb  unb  §u  roemg  an*  §erg,  er  finbet 
fte  überhaupt  §u  üernunftmäfng  unb  mit  §erbei§ief)ung 
von  invkl  ^ernunftgrünben  bemeifenb.    „2Bo§u",  rief  er 


@rfteä  ©eipräcf).  9 

tineä  £ageS,  als  er  fo  red&t  ins  geuer  fam,  aus,  „mop 
btefeS  ewige  SDemonftriren?  $on  benen,  bie  bie  ^rebigten 
befugen,  barf  man  olmelnn  annehmen,  ba$  fie  einfach 
glauben  unb  für  fie  finb  alfo  alle  berartige  SBeweife  rein* 
weg  überflüffig.  Qa,  fufjr  er  fort,  unb  wären  fie  für  fie  audj 
nur  überflüffig !  316er,  inbem  fie  etwaige  gweifel  bef eiligen 
ober  iljnen  vorbeugen  follen,  regen  fie  hei  ben  guten  gu* 
Ijörem  manchmal  nodj  Sweifel  an,  unb  wie  man  §u  fagen 
pflegt,  ba&  ein  üftarr  meljr  fragen  fann,  als  ge^n  ©efdjeibte 
beantworten  tonnen,  fo  finb  bie  ($eifier  be3  $weifelS  fewfc 
ter  herbeigerufen,  als  wieber  verbannt.  Qdj  wenigstens 
fül)le,  fo  oft  iä)  berartige  ^rebigten  anhöre,  ein  gewiffeS 
äftijsbelwgen,  unb  gelje,  wenn  id)  fie  gehört  fyabe,  meift 
gan§  unerbaut  unb  lalt  aus  ber  $ir<$e  wieber  heraus." 
darüber  fam  es  benu  §wifd)en  uns  oft  §u  allerl;anb  (£x? 
örterungen.  Qdj  fud)te,  wenn  er  an  ben  eblen  Dxbenä* 
männern  fo  feine  üble  2anne  auslief,  il)m  begreifltdj  §u 
madjen,  wie  feine  Urteile  t^eils  fdjief  unb  einfeitig,  t^eils 
gerabep  unrtdjjtig  feien,  wie  er  nid)t  alle  äftenfdjen  gerabe 
immer  nadj  fid)  beurteilen  muffe,  xoie  baS jenige,  was  ifjm 
mifcfäEig,  von  oielen  Zubern  mit  vollem  SöeifaE  aufge* 
nommen  werbe  unb  iljrem  ©lauben  pr  ©tätfung  biene, 
wie  not^wenbig  es  fynt  p  £age  fei,  fetbft  bie  anerkann- 
ten religiöfen  $ernunftwaljrl)eiten,  ba  fie  t)on  fo  fielen 
verworfen  werben,  immer  unb  immer  wieber  in  Erinnerung 
ju  bringen,  wie  man  in  ^erfennung  unb  3Jtif3ad)tung  ber 
wirflidjen  ^erbienfte  tiefer  OrbenSmänner  nid;t  mit  ben 
abgefagteften  geinben  unfrer  $trdje  §anb  in  feanb  geljen 
bürfe,  unb  was  bergleidjen  ^orftellungen  mel>r  finb.  2Mft 
gelang  eS  mir,  feine  launigte  nnb  grillenhafte  aJtijpmmuug 
baburdj  gu  befd)wid)tigen ,  id)  überrebete  ifm  wenigftenS, 


10  ®rfies  ©efprädj. 

wenn  i§  ifyn  anfy  nid^t  twllfommen  überzeugte  unb  unfre 
SDiSpute  nahmen  gewölmlidj  einen  Reitern  unb  fd)er$aften 
Ausgang,  fo  baß  ba3  Vergnügen  unfereS  Sufammenfein^ 
burd)  foldje  Eigenheiten  unb  2öunberltdjMten  nifyt  im 
ßeringften  geftört  p  werben  pflegte.  2113  bie  anfänglid) 
feftgefe|te  grift  meinet  2lufentl)alte3  auf  befagtem  Sdjloffe 
beinahe  Derftridjen  war  unb  td)  fdjon  bie  Vorbereitungen 
p  meiner  Stbreife  traf,  warb  bem  (trafen  ber  Vefud)  zweier 
Qugenb*  nnb  ©tubieti^reunbe  angemelbet.  @ie  finb  iljm 
Don  mütterlicher  &tik  Ijer  nod)  entfernt  üerwanbt,  unb 
ba  bk  jugenblidje  freunbfd)aftlid)e  2kU  hi$  in$  fpätere 
2llter  ungefd)roäd)t  nnb  ununterbrochen  unter  einanber  fort* 
beftanben,  fanb  ein  öfterer  wedrfelfeitiger  Verfeljr  unter 
ifjnen  \tatt  Dbgletd)  bie  beiben  angemelbeten  ©äfie  23rü* 
ber  nnb  i^rem  religiöfen  Vefenntuiffe  nadj  Uibt  $rote^ 
\tankn  finb,  fo  finb  fte  bod)  in  iljren  ©eftnnungen  unb 
befonber3  in  il)rer  religiöfen  £)enlweife  fidj  einanber  feljr 
unälmlidj.  SDer  eine  t)on  iljnen,  benid)§ofratl)2nfreb 
nennen  will,  $äl)lt  &u  bm  fogenannten  frommen  im  ßanbe, 
iljm  ift  bie  Religion  wirflidj  eine  §er§en£fad)e  unb  audj 
in  ben  gewöhnlichen  Unterhaltungen  lenft  er  gern  ba$ 
<$efpräd)  auf  fie  l)in,  wobei  fidj  benn  fretlidj  §eigt,  ba$ 
feine  religiöfen  begriffe  unb  ©rfenntniffe  oft  nid)t  eUn 
fo  !lar  unb  georbnet  finb,  al£  fein  Qntereffe  für  Religion 
warm  unb  lebenbig  ift.  Vielleicht  bürfte  man  ifyn  feiner 
religiöfen  %)inh  unb  ©inne^weife  nad)  am  ridjtigften  mit 
ben  Scannern  ber  „$reu^ettung"  Dergleichen:  baffelbe 
bringenbe  religiöfe  23ebürfm{3,  biefelbe  pofitioe  religiöfe 
Sfiidjtung,  biefelben  religiöfen  (Srunbanfdjauungen,  audj  un? 
gefäljr  biefelbe  2lnfd)auung3weife  t  atljoltfdjer  Sel)ren  unb  ®in* 
ridjtungen,  nur  ba$  bie  üerftedten  Singriffe  auf  bk  fatl)olifd)e 


@rfte§  ®efpräd).  11 

Mvfye,  bk  baä  genannte  SBlatt  fid;  mitunter  erlaubt,  ü)tn  §ödjft 
pmiber  finb  unb  baß  feine  2lnerfennung  tatljolifdjen  2Be^ 
fenS,  mo  fte  ftattftnbet,  eljrltd&er  unb  aufrichtiger  erfdjeint. 
2)er  Slnbere,  feinem  Stange  unb  Zitd  nadj  ßommer^ 
c  i  e  n  *  9t  a  1 1; ,  §etgt  fic^  meljr  als  SBelt*  unb  Lebemann.  @r 
ift  fein  Gegner  ber  djrtftlidjen  Religion,  aber  er  mü  fte 
prifdjen  bk  trier  dauern  einer  $trd)e  eingefd)loffen  tröffen 
unb  überhaupt  betrautet  er  fte  mefyr,  tdj  mödjte  fagen, 
aU  eine  SXrt  Irpei,  bie  man  nur  mit  2öibernrillen  §u  fid) 
nimmt,  wenn  man  fid)  fd)led)t  beftnbet,  als  ^Rot^anfer, 
woran  man  in  ben  ©türmen  beS  £eben3  ftdj  antTammert, 
unb  menn'3  l)odj  fotnmt  t)teHetdöt  auc^  nodj  aU  %lofyhe* 
f)df  §ur  Regierung  ber  Staaten  unb  $ur  Leitung  ber 
menfdjtidjen  ©efeßfdjaft;  benn,  wa$  ben  legten  $unft  be^ 
trifft,  fdjeinen  feine  SKfaftdjten  nod)  f  djraanfenb ,  tnbem  tlmt 
mandjmal  aud;  rootyl  ba$  Qbeal  eine3  <&taate$  ofjne  Sftelt* 
gion  r>orfd)roebt.  SKufjerljalb  biefer  Trensen  ernennt  er  bie 
Religion  nidöt  an,  unb  nrill  er  wentgftenS  oon  tl)r  nidjt 
gerebet  tröffen.  UebrigenS  gehört  er  §u  benjenigen  $ro* 
teftanten,  bie  bk  2lug3burgifd)e  (Sonfeffton  unb  ba$  %xi* 
bentinif^e  ©laubenSbefenntnifj  fo  giemlid)  auf  gletdje  Sinte 
[teilen,  unb  für  rceldje  bie  confeffionetten  Hnterfd^iebe  fo 
gut  tote  gar  nidjt  eyifttren.  gefte  religiöfe  ^rinetpien  unb 
©runbfäge  §at  er  überhaupt  nid&t,  er  neigt  fid)  balb  biefer 
balb  einer  anbern  religiöfen  Shtftdjt  §u,  ift  alfo,  xotö  man 
fo  nennt,  in  ber  Religion  ein  ©fleftifer  unb,  roaS  bk 
göttlid)e  2©al;rrjeit  be3  (Sl)riftentljum§  betrifft,  fo  läjgt  er 
fte  meljr  nur  auf  ftdj  berufen,  als  ba$  er  fte  entraeber 
entfd)ieben  betannte  ober  fte  gerabe§u  leugnete.  60  unge^ 
fä^r  fyattt  tdj  mir  nad)  ben  @d)ilberungen  meinet  gräfttdjen 
©aftfreunbes  feine  beiben  Vettern  üorgefteHt,  unb  fo  (ernte 


12  @rftcö  ©efprätf). 

id)  fte  fpäter  aud)  au3  eigener  ^Beobachtung  lernten:  benn 
bie  Sitte  be3  (trafen,  ba%  id)  bodj  meine  Greife  bis  ju 
beren  2ftifunft  t«erfd)ieben  möd)ter  voaxb  attju  bringenb 
unb  liebevoll  au^gefprodjen,  als  bajs  id)  il)r  l)ätte  roiber= 
fielen  fönnen.  3dj  »erroeilte  nad)  ber  Stnftmft  ber  beiben 
(Säfte  no$  solle  ad^t  £age  auf  ©dtfofc  ©tehtfelS,  t)er* 
lehrte  aber  roälirenb  biefer  Seit  mit  ber  ©efeEfd^aft  nur 
in  ben  fpäten  !!ftadjmittag3*  ober  5lbenbftunben;  benn  bie 
^ebingung,  bafc  id)  bie  übrige  3wt  be<3  £age£  jur  freien 
Verfügung  behielt,  l;atte  man  mir  pgeftanben.  SBir  fan* 
ben  uns  jebeSmal  am  fpäten  Nachmittage  um  bie  feftgefefcte 
©tunbe,  unter  einer  mädjtig  großen  alten  ßidje  pfammen 
unb  fagen  l)ier  auf  mofylangebradjten  artigen  9tuf)eplä£en 
in  aller  ®emütl)lid)f:eit  p  traulichen  Unterhaltungen  ein* 
anber  gegenüber.  S)afj  biefe  Unterhaltungen  fidj  nid)t 
aufs  ($eUet  ber  Sßolttif  üerloren,  mar  mein  Sßerbienft; 
benn  „ein  politifd)  2kb,  ein  garftig  Sieb",  ba$  mar  nun 
mal  aud)  mein  £eibroort,  worüber  i§  meinem  Bereiten 
gräflichen  greunbe  gegenüber  mid)  tr>ieberr)olt  unummunben 
erflärt  l)atte ;  ba%  aber  in  biefe  Unterhaltungen  bk  $ldU 
gion  hineingezogen  mürbe,  mar  ba§  $erbienft  be§  §ofratl; 
2llfreb,  ber  gleid)  am  erften  2lbenbe  unfereS  3ufammen" 
fein^,  nad)bem  mir  bie  übli<$en  ©rüge  gemedjfelt  unb  ba& 
©efpräd)  fidj  lange  genug  in  leeren  2lEgetnetnt)etten  Ijerum* 
beraegt  fyatte,  bk  fonberbaren  2öorte  an  mtdj  richtete: 
Credo,  quia  absurdum  est  (id)  glaube,  roeirs  unoer* 
nünftig).  Qdj  fdjenfte  ben  SBorten  anfangt  feine  meitere 
$ead)tung,  fuljr  trielme^r  fort,  bk  früheren  gleichgültigen 
©efprädie  meiter  auSgufpinnen,  morüber  befonberS  ber 
ßommercien^atl)  feljr  r-ergnügt  fdjten.  2113  aber  ßofratl) 
Sllfreb  nad)  ber  erften  eingetretenen  $aufe  bie  befagten 


®tfteS  ®efprad).  13 

2Borte,  nrieber  ju  mir  Inngemenbet,  mit  einem  genriffen  feter* 
lidjen  9ladjbrutfe  nrieberl)otte,  glaubte  id)  nid)t  mel)r  auäroei* 
d)en  ju  dürfen  unb  fo  entfpann  fid)  sroifdjen  un3  ein  ©efpräd), 
beffen  Verlauf  unb  mefentlidjen  Snljalt  id)  meinen  lieben 
Sefem  nadjfieljenb  fo  treu  als  möglich  mitteilen  trntt. 

Sie  fe£en  mir,  geehrter  §err  £ofratl),  etroaS  fe§r 
ftarf  p,  ermieberte  idj  nadj  einem  furjen  Söefinnen;  par 
laffen  3§re  Söorte  aud)  einen  ©inn  §u,  ben  idj  mir  rooljl 
gefallen  laffen  fann ;  unb  in  biefem  Sinne  gebraust  finbe 
idj  fie  ober  ärjnlid^e  2lu3brüde  autf)  fdjon  bei  ben  altern 
firdjltdjen  ©djriftfiellem.  9tur  fürdjte  idj,  @ie  motten  bie 
Sßorte  nidjt  in  iljrem  guten,  fonbern  in  i^rem  fcfyledjten 
©inne  r»erftanben  miffen.  „@r!lären  @ie  fid)",  oerfe|te  er 
Ijafttg  „über  ba$,  ma3  (Sie  ben  guten  unb  fd)ledjten  Sinn 
meiner  Sßorte  nennen,  bodj  etwaä  beutltdjer.  Qdj  l)offe, 
ba%  mir  uns  bod)  nodj  t>erftänbigen  merben."  £)er 
gute  6inn  Qljrer  Söorte,  fuljr  idj  weitet  fort,  ift  fdjnett 
au^gefprodjen.  8$  fe£e  ucmtlid)  t-orauS,  ba$  <Sie  mit 
bem  Credo  ba$  djrtftltdje  Credo  meinen  unb  Qljre  2öorte 
lann  man  bann  als  eine  etxvaä  ftarfe  $e§eidjnung  beä 
©ebanfenS  nehmen:  bie  2Bal)rljeiten  be3  djrifttidjen  @lau^ 
benS  finb  ber  menfdjlidjen  Vernunft  unjugänglidj ,  uner* 
fapdj,  anftößig,  ja  fie  finb  für  fie  ein  magres  ®reuj, 
fie  erfdjeinett  iljr,  wie  bie  1)1.  6d>rift  fid)  aulbrürft, 
als  eine  S^otfjett;  aber  gerabe  in  bem,  raa3  menfdjlid? 
Utxafytet,  tl)öridjt  ift,  ernennt  ber  ©&rijt  mit  bem  3luge 
be$  Glaubens  eine  erhabene,  göttlidje  %&eityeit  %lef)men 
<&ie  Q^re  SBorte:  „ic^  glaube  e%,  meileS  unt-ernünfttg"  in 
biedern  ©inne,  fo  fyabe  ify  bagegen  nid)t  ba3  SJUnbefte  $u 
erinnern.  2)enn  tdj  für  meinen  %$eil  mürbe  eine  gött* 
lidje  Offenbarung  (unb  in  ber  djriftltdjen  Offenbarung  er* 


14  ©rfteS  ©efpräd). 

fennen  wir  habe  bod)  bk  oollenbete  göttliche  Offenbarung) 
fofem  fte  mir  md)tS  offenbarte,  als  was  id)  ol;nel)in  mit 
meiner  Vernunft  erretdjen  fönnte,  für  ein,  wenn  nid;t 
überflüffigeS,  bod)  feljr  wenig  banfenSwertljeS  ©efdjenf 
galten,  unb  betreffenb  bk  2lnmafjung  ber  fogenannten 
sJtotionaliften ,  meldte  nadj  2lnweifung  itjreS  ©rojspapa 
tat  bk  ©eljetmniff  e  ber  djriftlidjen  Offenbarung  in  (au* 
ter  Vernunftwaljrljeiten  auflöfen  unb  bk  gange  geoffen* 
barte  Religion  „innerhalb  ber  ©renken  ber  reinen  Ver* 
nunft"  bannen  motten,  fo  mürbe  man  fte,  märe  bk  @a$e 
nidjt  all^uernft,  nur  l)öd)ftenS  belächeln  können.  Qd)  nmne 
eS,  mit  ber  menfdjlidjen  Vernunft  ©öfcenbienft  treiben, 
menu  man  fie  als  baS  3Jiaag  aufteilt,  wonad)  alle  SDinge, 
bk  im  §immel  unb  auf  @rben  finb,  fotten  gemeffeu  wer- 
ben. £)iefe  anmajglidje  Vergötterung  ber  Vernunft  fü()rt. 
Sulcfet  §ur  puren  Unoernunft,  gleidjwie  bie  gteifjeit,  ote 
Uimn  Qügel  bulben  roitt,  ftdj  in  $nedjtfdjaft  oerwanbett. 
„£)er  SJienfd)  ift  nid&t  geboren,  frei  p  fein",  fagt  ber 
£>id)ter;  b.  $.  feine  greiljeit,  als  bie  greifjett  eines  ©e* 
idjöpfeS,  Ijat  ü)re  gemiefenen  ©renken,  unb  wenn  fie  biefe 
überleitet,  wirb  fie  unfrei;  unb  ebenf owenig  ift  ber 
sJJ*enfd)  geboren,  mit  feiner  befdjränften  Vernunft  OTeS, 
was  im  §immel  unb  auf  @rben  ift,  auS^umeffen  unb  §u 
ergrünben  unb  wenn  er  fiel)  mit  feiner  Vernunft  über  bk 
il)r  oon  ©Ott  gefegten  ©renken  tottfü^n  hinauswagt  unb 
gleidifam  nadj  ©ottgletd)l)eit  ftrebt:  fo  ift  er  auf  bzm 
beften  3öege,  in  feiner  angemaßten  ©ottglei$l)eit  ein  Wart 
Sil  werben.  S)ic  maffenljaften  Veweife  bafür  liefert  uns  bk 
©efd)id)te  ber  $l)ilofopl)ie,  wo  man  fo  oft  bie  6t)fteme  ber 
2llleS*2Bifferet  in  bk  6pfteme  ber  9lidjtS*2öifferei 
auslaufen  fie^t,  bie  leefften,  l)immelftürmenben,  pofitioeu 


©rfteä  ®efprätf>.  15 

Behauptungen  in  bk  flägli^fte  unb  erbärmiid)fte  3«jeifel* 
fu$t,  in  einen  Smeifel,  ber  fogar  an  feinem  eigenen 
£)afein  zweifelt,  ö  glauben  6ie  mir,  lieber  §err  §of= 
ratt),  jene  eitle  Anmaßung,  beren  graeite^  Söort  immer 
ba§  Söort  Vernunft  ift,  momit  fte,  wie  mit  einem  leisten 
ßaubermorte  ba3  SSunber  unb  ba3  ©efjeimnifj  bannt,  bk 
ftdj  auf'3  f)of)e  $ferb  fefet  unb  mit  oeräd)tlid)em  M\ä  auf 
2Itte3  £)erabfte£)t ,  §u  bem  mir  übrigen  SDlenfdjenfmber 
mit  ben  3Jienf$en  aller  3al)rl)unberte  in  Bereljrung  $ft* 
auffegen  —  bie  ift  mir  unter  Ottern,  roa3  mir  mibrig  ift, 
am  meiften  guraiber;  unb  idj  bin  gar  oft  oerfudjt,  unfern 
mobernen  Slftermeifen  gornig  bie  2öorte  eüteS  älteren 
magren  2Beifen  pgurufen:  „bringt  bodj  menigftenS,  roenn 
ifyr  über  fo  ernfte  unb  erhabene  2>tnge,  nrie  bie  ©e^ 
fjetmniffe  ber  djrtftlid&en  Religion  ftnb,  oerljanbeln  raottt, 
ben  Slnftanb,  bie  äöürbe  unb  btn  (Srnft  mit,  womit  biefe 
SDinge  beljanbett  fein  motten.  Hftit  euren  l)iugeroorfenen 
Ijalben  SBorten,  mit  eurer  oornelmten  $l)ilofopljenmiene 
unb  eurem  ßopffdjütteln,  mit  euren  fd)aaleu  unb  letäjtfer* 
fertigen  2öi|en  ober  6ä)er§en  finb  foXdtje  ©ai^en  nidjt  ah* 
getfjan.  Ql)r,  bk  tl)r  bk  Vernunft  unb  Söiffenfdjaft  attein 
gepachtet  Ijaben  roottt,  unb  bk  tyx  eudfj  in  atte  ©eljetm* 
niffe  einzubringen  anmaßt,  erflärt  mir  bodj,  menn  iljr'S 
fönnt,  nur  bk  eud)  ring^umgebenben  ©el)eimniffe  ber 
vJtotur,  erflärt  mir  j.  SB.  ba$,  ma3  fyx  (Steftricität,  9Jtag* 
neti£mu3  ober  ©altmniSmuS  u.  f.  tu.  nennt,  ober  erflärt 
mir  baä  organif^e  2ehenf  bie  munberbare  Söe^felmirfung 
gmif^en  ©eele  unb  £etb;  benn  bloße  Sßorte  ober  tarnen 
finb  bod)  nod)  fein  (Mären  ober  Begreifen,  ©inb  mä) 
aber  biefe  £)inge,  bk  eud)  fo  vox  Singen  liegen,  unerflär* 
lid)e  Mttfd,  mie  tonnt  i§r  eu^  oermeffen,  über  bie  ml 


16  @rftes  ®efpräd&. 

erhabneren,  göttlichen  SDinge  abjufpredjen  ober  ©Ott  ®e- 
fefce  twrpfdjretben  unb  tlim  ju  fagen,  was  er  euä)  offen- 
baren fott  ober  nid)t ;  was  ifyx  il)m  glauben  unb  was  iljr 
tym  nifyt  glauben  wollt"!  $ur$,  £err  £ofratl),  Qljr  2öi* 
berwille  gegen  bm  Nationalismus,  biefen  mobernen  ©ö|en* 
bienft  ber  Vernunft,  fann  gewifc  nic^t  größer  fein,  als  ber 
meinige  ift;  unb  wenn  baljer  burdj  3$re  oben  genannten 
äöorte  „credo,  quia  absurdum  est"  über  il)n  baS  2>er- 
werfungSurtljeil  au^gefprodjen  fein  foll,  fo  hin  tdj  ber 
(Srfte,  ber  fie  gan§  aufrichtig  unterfd;reibt.  3$  gelje  triel* 
letcfjt  in  biefem  fünfte  nod)  weiter  als  @ie,  unb  erachte 
baS  Unergrünbliäje  unb  Unbegreifliche  ber  ©laubenSwa^r* 
Reiten  ntdjt  nur  für  etwas  3uläffigeS,  fonbern  audj  für 
etxoa$  feljr  9tti£lidjeS  unb  NotljwenbigeS.  Unb  warum? 
SBeil  erftenS  biefeS  Unergrünblic^e  unb  Unbegreifliche  in 
bm  Glaubenslehren  bem  ©lauben  felbft  fein  SSerbienft 
üerleiljt.  2)enn  baS  §u  glauben,  was  man  gleidjfam  mit 
$ugen  fielit  unb  mit  ßänben  greifen  fann,  baS  ift  bodj 
waljrlidj  nichts  SBefonbereS.  „6elig  finb",  fagt  unfer  £ei= 
lanb,  „bie  ntdjt  fefyen  unb  bod)  glauben."  Unb  in  biefem 
©inne  wenbet  fel)r  paffenb  ber  Jjl.  granj  von  ©aleS  auf 
ben  ©lauben  bk  SBorte  beS  Ijoljen  Siebes  an:  „kleine 
SBraut  ift  fdjwar^,  aber  fdjön."  2)er  djriftliäje  ©laube 
ift  „fd)war§",  nctmltd)  bunfel;  benn  o  wie  bunfel  unb 
unbegreiflich  finb  ni$t  biefe  ©eljeimniff  e :  ein  ©ott  als 
$tnb  in  2öinbeln  gefüllt;  ein  ©ott,  am  ßreuje  fterbenb, 
unb  o  wie  fdjön  finb  nid)t  $ugleid)  biefe  ©e^eimniffe;  wen 
rührte  nid)t  eine  foldje  2kU,  wem  erweiterte  ftdj  nidjt  baS 
§er§  beim  ©ebanfen,  bajs  er  fo  twn  ©ott  geliebt  werbe! 
Unb  wk  fd)ön  unb  ljer§erl)ebenb  ift  es  nidjt,  foldje  ©e* 
Ijetmniffe  §u  glauben!   Seitens  finb  foldje  Unbegreiflich 


@rftc§  ©efprädj.  17 

feiten  be^  ©lau&enS  für  unl  nüfcitdj,  weil  es  für  un§ 
nüfeüä)  ift,  gebemütf)tgt  §u  werben.    Qa,  wenn  e$  etoa^ 
$ügtirf)ei  unb  £etlfame3  für  un3  giebt,  fo  ift  e3  biefe3. 
(grleud^tet    §u   werben,   ift    gut,   aber   gebemütlngt   ju 
werben,    ift  für    un3  nod)    beffer,    all    erleuchtet   §u 
werben,  benn  bte  fdjlimmfte  unb    gefä&rltdjfte   28unbe, 
bk   bk    ©ünbe    uns    gefä)lagen   fjat,    ift    ber    ©tolj. 
2öir  finb  t)on  SRatur  immer  geneigt,    um§  ju  ergeben; 
immer  motten  mir  ba3  Qod;  ber  luctorität,   burdj  bte 
unfere   6eele   geleitet  raerben  fott,    von  un3   abwerfen 
unb  um  felbft  Stuctorität  fein;  unfere  Vernunft  will  fidj 
t)on  nidjts  leiten  laffen,  aU  oon  i^rem  eigenen  Stdjte, 
unfer  SSitte  will  feinem  ©efe|e  folgen,  als  bem  ©efe|e 
feiner  Neigungen.    S)a3  alfo  ift  unfere  ÄranQeit;  unfere 
beiben  geiftigen  §auptoermögen,  unfre  Vernunft  unb  unfer 
Söiffe  finb  franf  burdj  ben  ©totj,  burdj  bk  ©udjt,  ftd) 
ftolj  §u  ergeben ;  unb  fie  fönnen  nur  geseilt  werben,  wenn 
fie  gebemüt^igt  werben,  b.  I).  menn  fie  ftdj  einer  leeren 
Sieget,  menn  fie  ftdj  ©ott  unterraerfen.    Qdj  untermerfe 
aber  ©ott  meinen  2öillen,  wenn  id)  tlme,  mal  er  will, 
eben  weit  er  el  witt,  wenn  e3  meinen  Neigungen  audj 
nodj  fo  entgegengefe^t  ift,  unb  tdj  untermerfe  ©ott  meine 
Vernunft,  menn  i§  glaube,  wa3  er  fagt,  eben  roeil  er 
e3  fagt,  wenn  e3  an  ftd)  mir  audj  nod)  fo  wenig  glaub* 
würbig  unb  meinen  menfdjlidjen  Gegriffen  nod)  fo  wenig 
entfpredjenb  ift.    Unb  je  fernerer  unb  mefjr  entgegenge* 
fegt  meinen  Neigungen  ba^jenige  ift,  wa$  tdj  nadj  bem 
Sitten  ©otteS  tfme,    unfc  je  unglaubwürbiger  ba^jenige 
ift,  was  t$  auf  ba§  Söort  ©otteS  fyn  glaube,  befto  doH* 
ftänbiger  ift  meine  Unterwerfung,  befto  größer  alfo  meine 
$erbemütf)igung  unb  ba§  Opfer,  ba$  id)  ©ott  barbringe. 

3»eite§  &if#öflic&e§  SOBort.  2 


18  @tjfc§  ©efpräd). 

£)ie  §1.  ©$rift  nennt  bie  9ftenfrf)roerbung  be3  ©olme3  ©ot= 
te£  eine  ©elbftentäußerung,  gletdjfam  eine  ^ernicfjtung 
feiner  felbft.  tiefem  gang  unbegreiflichen  SiebeSafte 
©otteä  mn^  bodj  aud)  oon  meiner  ©eite  etvoa§  entfpre* 
cf)en,  wa^  roie  ein  Opfer 'ausfielt;  ein  vernieteter  ©ott 
unb  ©efdjöpfe,  bie  ftolj  i^r  §aupt  ergeben,  fümmt  nie  unb 
in  ©migfeit  ntdjt  gufammen.  IXnb  l)ätte  ba^er  ber  menfcft* 
geworbene  ©Ott  un3  nidjt  fdjraere,  nnfern  natürlichen 
Neigungen  ganj  entgegengefe^te  3)mge  in  tlmn  befohlen 
unb  f)ätte  er  un3  nxdjt  ebenfo  große,  ferner  ju  glaubenbe 
ober  unglaubroürbige  £)inge  §u  glauben  gelehrt :  fo  mü^te 
man  münfdjen,  bajs  er  e3  getrau  liaben  möchte,  bamit  wir 
arme  3Jlenf$en  boä)  fein  Dpfer  mit  einem  einigermaßen 
entfpred)enben  Dpfer  erraiebem  unb  fo  für  feine  £iehe  in 
etwa  un§  banfbar  bezeigen  ftmnten. 

©nblidj  erfdjeint  mir  brütend  ba$  Ueberoernünftige 
unb  Unbegreifliche  unferer  f)auptfäd)lid)ften  djrtftlidjen  ©lau= 
ben3let)ren  gerabegu  aU  etwas  üftotljraenbigeS ,  aU  etxoaä, 
wa§>  iä)  mir  baoon  fä)ledjtl)in  nifyt  megbenfen  !ann.  &enn 
ber  l)auptfäcpcl)fte©egenftanb,  momit  fic§  biefe  ©taubert^^ 
lehren  befaffen,  ift  ©ott,  unb  mären  ba^ex  bie  ©laubeu3- 
lehren  für  un£  begreiflich,  fo  märe  eß  aud)  ©ott.  2tber 
ein  begreiflicher  ©ott  ift  fein  unermeßlicher,  fein  eraiger, 
unenblid)  mächtiger,  unenbltdj  gütiger  unb  unenblid)  weu 
fer  ©ott,  b.  %  überhaupt  fein  ©ott.  Sßill  man  baljer 
ben  <$riftlidjen  ©ott  nid)t  gerabeju  in  einen  ©ö§en  unb 
ben  d)riftlid)en  ©otte^bienft  in  ©ö^enbienft  oermanbeln, 
fo  ift  bie  notl)raenbige  golge,  ba$  man  bie  gorberung  ber 
$ernünftigfeit  ober  SSernunftmäßigfeit  ber  geoffenbarten 
2öal>rl)eiten  als  eine  unoernünf tige ,  unfinnige  gorberung 
von  felbft  aufgeben  muß. 


©rfteS  ©efpräd).  l9 

£ofrat§  SXIfrcb  §atte  mit  Slufmerffamfeit  unb  fdjein* 
Borer  $efrtebigung  bis  baljin  micl)  angehört,  aber  burcrj 
$8lid  unk  ©eberbe  festen  er  ausbeuten,  bafs  er  erwartete, 
id)  würbe  über  bte  Ba^e,  bie  üjm  fo  am  §er§en  lag,  noä)  roei* 
ter  fortfahren  unb  tdfj  mürbe  barüber  nod)  (Stärkeres  nnb 
(SinftfmeibenbereS  fagen,  unb  als  iä)  baljer  l)ier  inne  rjielt, 
entgegnete  er  naä)  einigem  23eftnnen:  „£)en  platten  unb 
groben  Nationalismus  f)ahen  6ie,  lieber  §err  £Hf<§of, 
red)t  gut  t)erurt§etlt:  rate  fteljt  eS  aber  mit  bem  glatten 
unb  feinen  aus?  3$  menigftenS  iann  mid)  leiber  no$ 
immer  ntdjt  beS  $erbadjteS  erwehren  (religiöfer  Itnterridjt 
unb  Seetüre  Ijaben  üjn  in  mir  angeregt  unb  midj  baxin 
beftärft),  ba§  @ie,  Äatrjolifen,  in  ben  fingen  ber  Religion 
mit  ber  Vernunft  eben  fo  tnel  SJUpraudj  treiben,  roie  mit 
ber  greirjett  beS  SßillenS.  @ie  lehren  eine  ©rbfünbe  unb  fte 
lehren  aurf)  roieber  feine ;  fte  lehren  fte  bem  &ä)eine  nadj 
unb  lieben  fie  ber  £§at  nad)  voiebex  auf.  £)enn  ^ebt  man 
bie  ©rbfünbe  baburd)  nid)t  tl)atfäd)lid)  auf,  ba$  man, 
wie  auf  ber  einen  <Seite  bem  2ötllen  beS  gefallenen  Wen* 
fd)en  nod)  bie  3ttad)t  ber  2Bal)t  (nämlid)  ber  2M)l  gtm* 
ferjen  gut  unb  böfe),  fo  auf  ber  anbern  &eite  ber  Vernunft 
nodj  bie  gäljigMt  leerer  (Srfefmtnifj  lägt?  S^ein,  ba  lobe 
id^  mir  bod)  meinen  erjrlidjen  Sutljer,  ber  mit  bem  fatljo* 
lifd)en  <5emi*9tationafiSmuS  ebenfo  grünblid)  aufräumt,  wie 
mit  bem  f atljolifdjen  6emi^elagianiSmuS.  (£r  läßt  (£uä) 
$atrjolifen  euren  freien  Söttten  unb  nimmt  fidj  bafür  bie 
©nabe;  er  lägt  eud)  eure  gange  ^ernunftweiSrjeit 
unb  nimmt  ftdj  bafür  bie  SBeiSljeit  ober  trielmel)r  bie 
Srjorrjeit  beS  ©laubenS.  tlnb  ba§  id)  Qrjnen  nur  gleich 
mein  offenes  $ef  enntnifj  ablege :  id>  hin  gegen  bie  f onftigen 
SSorjüge  beS  $atrjoliciSmuS  genug  ni$tS  weniger  als  bliub 

2* 


20  @rfte§  ®efaräd&. 

unb  t)or  einem  eljrlidjen  Remter  beffelben  nelmte  \§ 
immer  nod)  meinen  ßut  ab,  aber  fein  entfefcltdjeS  $oc$en 
auf  äöitfen3*$reiljeit  unb  Vernunft  werbe  id)  i^m  nie  unb 
nimmermehr  Derben.  3Jlein  SofungSroort  ift:  entroeber 
SCHeS  ober  $iiö)tä ;  entroeber  benenne  man  e^rlidö  im  (Seifte 
Supers  unb  unferer  frjmboltfdjen  SBüdjer:  ber  natürliche 
9ttenfd)  t-ermag  in  23e§iel)ung  auf  feine  fjityere  SebenSauf* 
gäbe  gar  nichts,  aus  feiner  burc!)  unb  burd)  üerberbten 
üftatur  fproffen  ntdjts  als  S)ifteln  unb  Stowen,  aus  feinem 
natürlichen  bitten  nichts,  als  ©ünbe  unb  SBerfeljrtljett, 
aus  feiner  natürlichen  Vernunft  nichts,  als  Qrrt^um  unb 
£üge,  fur§  ber  natürliche  9ttenf<$  ift  in  $e§ief)ung  auf  bk 
leeren  Sttnge  nidjts,  als  ein  „$lo|  ober  ©teut,"  —  ober 
aber  man  rebe  mir  ntdjt  meljr  r»on  einem  abfoluten  @r? 
löfungS^ebürfnifr  3)en  natürlichen  Söitten  mit  ber  ©nabe, 
bie  natürliche  Vernunft  mit  bem  übernatürlichen  ©lauben 
jufammenfoppetn,  fjetfjt  in  meinen  Singen  mdjts,  als 
(SfjrtftuS  unb  23elial  üerbinben  wollen!  £)ie  natürliche 
Vernunft  weife  man  mit  intern  @r!ennen  bal)in,  wofjin 
fie  gehört;  biefe  äöelt  ber  finnlidjen  ©rfdjeinungen  unb 
Erfahrungen,  baS  gange  ©ebtet  ber  3^atur  unb  it)rer  ©e* 
fe|e,  baS  bürgerliche,  politifdje,  fociale  £eben,  baS  ift  bie 
SDomäne,  wo  fie  fdjalten  unb  malten  mag;  in  ben  2)in* 
gen  ber  Religion  aber  ift  fie  ntdjt  ftimmberecljtigt.  3eber 
6<$ritt,  ben  fie  auf  biefem  ©ebiete  tlmt,  i^t  ein  gel)ltritt. 
Dber  was  ift  bk  ©ef$td)te  ber  Sßltflofoplne  wofjl  anbereS, 
als  eine  ©efd)idjte  itjrer  $erirrungen,  unb  melier  SBerirrun* 
gen?  ber  aEermonftröfeften,  bk  man  ftdj  benten  iann.  ©ine 
©tftmifäjertn,  aus  beren  £aumelfet<$e  fidj  bk  arme  2ftenf<#* 
l)eit  nun  fc^on  feit  3al)rl)unberten  unb  Qalirtauf  enben  ben  £ob 
getrunfen,  §at  es  bodj  naäjgerabe  r-erbient,  baft  i&r  baS§anb^ 


@rfte§  ©efprätf)  21 

werf  gelegt  roerbe.  2tlfo  nur  fein  Stebäugetn  mit  biefer,  roie 
foE  itf)  fagen,  eigentlichen  „babi;Ionifd)en  5)irne."  lieber* 
all,  roo  ]k  in  Slbft^t  auf  bie  religiöfen  £>inge  t^re  £änbe 
ins  ©piel  ftecft,  jebeSmat  ift  ba  eine  üDlifjge&urt  geroifj, 
unb  roaS  midj  betrifft,  fo  finb  mir  ^rebiger  ober  ©eift* 
üd)e,  bie  am  gtüljenben  Dfen  fielen  unb  im  ©djroeifje 
i^reS  2IngeftdjtS  förperltd^e^  23rot  bacfen,  taufenbmal  lieber, 
als  fol<#e,  bk  burd)  il)re  Sßernünfteleien,  il)r  $t)ilofoprjiren 
ober  ©pecutiren  baS  geiftige  23rot  ber  9ftenfd)l)eit,  idj 
meine  ben  äjriftlidjen  (Glauben,  §erfe§en  unb  t>erfälfd)en. 
©eljen  ©ie,  §err  $ifd)of,  ba  fyaben  ©te  mein  offenes  unb 
runbeS  SBefenntnijs,  ben  Haxen  unb  magren  ©inn  meinet: 
„credo,  quia  absurdum  est." 

©oldje  §ergen^^rgie§ungen  l)atte  idj  natürlich  nid)t 
erroartet  unb  bie  heiben  anberen  greunbe  fd)ienen  baburdj 
ebenfalls  etgentrjümlid)  afficirt.  Unferem  eblen  Söirtt), 
(trafen  QutiuS,  leuchteten  einige  2Me  t-or  greube  bie  fingen, 
ba  ilmt  mandjeS,  roaS  ber  §ofratl)  l)ier  aufwerte,  roie  aus 
ber  ©eele  gefprocfjen  feinen,  roaS  meine  £efer,  bie  fiel)  an 
feine  obenangebeuteten  Söunbertidtfeiten  erinnern,  geroifc 
nidjt  rounbem  roirb.  2)od)  mar  er  im  ©runbe  feines 
§er§enS  ein  p  gläubiger  unb  treuer  ©olm  ber  $ird)e, 
als  baß  er,  roo  er  fal),  bajs  eS  fidj  l)ier  um  einen  con* 
feffionellen  ßontrooerS^unft  Ijanbelte,  feinen  SBeifatt  nid)t 
prücfgeljalten  fyätte.  £)er  ßommercien^atl)  bagegen  fdjien 
felir  t-erbriefelid)  unb  madjte  einigemal  feinem  3JUJ3t»ergnügen 
in  gerben  SBorten  Suft.  Söaren  irjm  ja,  roie  roir  roiffen, 
religiöfe  Unterhaltungen  überhaupt  proiber:  unb  nun  gar 
foldje  $eben,  rooburd),  roie  er  baS  eine  2M  über  baS 
anbere  3M  unrotEig  ausrief,  ber  gefunbeu  Vernunft  tn& 
2lngeftdjt  gefd)tagen  roerbe! 


22  @rfte§  ©efprädj. 

3$  bagegen  faßte  mtdj  fönett  wieber  unb  Jagte:  3<ij 
weiß  3^re  Offenheit  unb  greimüt^igfeit  f  £err  §ofrat§, 
fefjr  *u  fc§ä|en  unb  bin  3ßnen  bafür  banfbar.  §ätten 
bodj  3^re  äöorte  OTe  §ören  fönnen,  bte  entweber  bte 
wahren  Meinungen  3§rer  Reformatoren,  was  ba3  23er* 
^ältntjs  ber  Vernunft  §ur  Religion  unb  Offenbarung  be* 
trifft,  feige  unb  une^rltdj  t>ertufdjen,  ober  bk  ftdj  barüber 
in  ganzer  Unwiffen^eit  befinben.  £)ie  erfteren  könnten 
fidj  an  Q^rer  (Styrltdjfett  unb  gretmüt^igfeit  .ein  $etfpiel 
nehmen  unb  bk  festeren  würben  barüber  waljrfdjeinlidj 
fe^r  üerwunbert  ben  $opf  Rütteln.  „Sinb  wir  bod)  hi$* 
i)ex,"  würben  fie  fagen,  „ber  Meinung  gewefen,  unfre  Re* 
formatoren  fyätten  ber  2Mt  ein  neue3  £idjt  angefleht,  fie 
Ratten  bk  mittelalterliche  ginfterniß  verbannt  unb  S5er= 
nunft  unb  Sffiiffenfdjaft  wteber  p  Gs^ren  gebracht,  unb  be& 
5alb  eben  ber  li<$tfdjeuen  fatljoltf<$en  $irdje  ben  %i$bt* 
Ijanbfdjufj  Eingeworfen,  unb  jefet  muffen  mir  l)ören,  ba% 
biefe  unfre  bi^erige  Meinung  nidjtä,  aU  ein  Ijolber  Qrr* 
t^um  fei,  unb  ba$  nidjt  bie  Reformatoren  gegen  bk 
fat^olifd^e  jftrdje,  fonbern  baß  umgefe^rt  bie  fat&olifdje 
tirdje  gegen  bk  Reformatoren  bk  Rechte  ber  greift, 
ber  Vernunft  unb  SBtffenfdjaft  vertreten." 

2)anfbar,  alfo,  fuljr  itf)  fort,  bin  i<$  3^nen,  §err 
§o\xati),  für  3^re  offenen  unb  eljrltäjen  Steuerungen. 
2ludj  ben  3Jlut§  f  womit  (Sie  ftdj  fo  füfjn  bem  «Strome 
ber  SageSmeinung  entgegen  werfen  unb  unfern  ftoljen 
2öortfül)rern,  bie  vox  (auter  ©erebe  t)on  Vernunft  nidjt 
pr  Vernunft  fommen,  ben  ürieg  §u  erflären  wagen,  !ann 
xü)  nidjt  anberS,  als  feljr  fdjä§en  unb  eljren.  2fa  3ftän* 
nern,  bkf  burcl)  £ob  unb  %abel  ber  9flenge  nic^t  beirrt, 
offen  unb  mannhaft  für  t^re  XXeberjeugung  einfielen,  an 


@ftc§  ©efprädj.  23 

folgen  djarafterüollen  Männern  Ijaben  wir  in  unferer  t>er* 
fajroommenen  Seit  umtjrtiä)  feinen  Ueberftufj,  unb  überall, 
too  idj  einem  berfeiben  begegne,  brücfe  idj  iljm  doU  $er* 
efyrung  bie  §anb. 

Qm  ttebrigen  aber  ift  eine  Offenheit  nnb  greünütljig* 
feit  ber  anbern  mertf)  unb  fo  ungern  ify  Qfmen  ba^er 
auaj  nriberfpreäje,  fo  bin  idj  bodj  eben  um  ber  Offenheit 
willen  ba$n  gelungen.  Qu  Q^ren  2tu3taffungen  über 
bie  Vernunft  felje  tdj  nur  bk  Hebertreibungen  eine3  mtfc 
serftanbenen  frommen  @ifer3  unb  im  tarnen  berfeiben  9deli* 
gion,  wofür  ©ie  eifern,  muß  idj  bagegen  feieriidj  proteftiren. 

3)ie  Vernunft  überfeinen  unb  fte  §u  feljr  ergeben, 
ift  »om  S3öfen  unb  fie  unter fd)ä|en  ober  trieimet)r  in 
2Ibftd)t  auf  bie  l)öl)ern  göttlidjen  S)inge  ganj  unb  gar 
wegläugnen,  ift  wieber  t)om  $öfen.  Qm  erftem  gaUe  t>er* 
göttlidjt  man  ben  3ftenfdjen,  im  ^wetten  gatte  entmenfdjt  nnb 
t)ertljiert  man  ttm ;  benn  was  anberl  mad)t  ben  3ftenfdjen 
§um  9ftenfdjen,  at3  feine  göttliche  (Sbenbitbtidjfett ,  unb 
worin  anbers  befielt  feine  göttliche  @benbitbltd)feit,  aU  in 
feiner  Vernunft  unb  2Bitten3freil)eit?  3)ie  2öitfen3freiEjett 
aber  murgelt  wieber  in  ber  Vernunft.  ©prtdjt  man  iljm 
bafjer  biefe  ah,  fo  t>at  man  ben  3ftenfdjen  im  2ftenfd)en 
grünbltd)  ruinirt.  SBefen,  bereu  ©innen  unb  £rad)ten 
nur  <5tanh  unb  bk  nidjt  anberS  können,  als  auf  ber  (Srbe 
frieden,  foldje  Söefen  nenne  itf)  feine  9Jtenfdjen. 

©ie  fönnen  mit  ber  Slnerfennung  ber  Vernunft 
als  einer  Jjöfjern  ©rfenntnifefraft  be3  3Jtenfd)en  abfotute 
@rlöfung3*  *8ebürftigfeit  ni^t  reimen,  unb  ity 
fann  mit  ber  SBerfennung  ber  Vernunft  als  einer  Rollern 
ßrfenntniftfraft  bk  ©rlöfung^fä  big  feit  beS  3Jlen* 
fdjen   nidjt   reimen.     @m  „$to§  unb  ein  6tem"  fann 


24  ©rfteS  ©efpräc$. 

nidjt  erlöft  werben.  3$  weiß  e£,  lieber  £err  §ofratl), 
«Sie  lieben  bie  Religion  unb  Sie  glauben,  bafj  burä)  2In* 
fixten,  wie  Sie  fte  eben  geäußert,  t§r  gebient  werbe; 
aber  laffen  Sie  es  ntidfj  auSfpreäjen,  foldje  Slnfidjten  sielen 
folgerest  gerabe  auf  bie  3etftörung  aller  Religion,  nidjt 
nur  ber  natürlichen  ober  ber  fogenannten  $ernunftreligion, 
fonbern  aud)  ber  geoffenbarten. 

§ofratl).  9hm,  ba  fagen  Sie  mir  bod)  tiwa§  feljr 
$eue3. 

3$.  Slber  etwas  feljr  SBalireS;  unb  man  !ann  e£  ba§u 
nod)  mit  Rauben  greifen;  benn  gibt  e£  im  gefallenen 
3ftenfdjen  aud)  nidjt  einmal  meljr  einen  gunfen  leerer 
©rfenntntß,  unb  aud)  nidjt  einmal  meljr  bie  gäljigfeit  ju 
foldjer  ©rfenntmfj ,  »erhält  er  ftd)  oielmeljr  gegen  ba£ 
§öl)ere,  ®öttlidje  nur  tote  „ein  $lo§  ober  Stein":  bann 
fefje  ic^  erftltdj  nidjt,  wo§u  iljm  eine  göttliche  Offenbarung 
überhaupt  nod)  etwa  nu|e.  @r  l)ört  ja  bann  tfjre  $er* 
fünbigung  nur  mit  bem  förperltdjen  Dljre,  nidjt  mit  bem 
Dljre  feiner  Seele;  xoa§  er  Ijört,  ftnb  Söorte  unb  nidjts 
als  2Borte,  b.  I).  ein  leerer  Schall,  für  iljn  oljne  Sinn 
unb  $erftanb.  S)ie  Siebe  ©otteS  beS  SBaterS,  bie  ©nabe 
Qefu  ßljrifti,  bk  ©emeinfdjaft  beS  ^eiligen  ©eifieS,  ba£ 
ewige  Seben,  bie  einfüge  Slnfdjauung  ©otteS  t)on  2lngeftd)t 
§u  2Ingeftd)t,  alles  baS  ftnb  für  iljn  2öorte,  bte  in  tym 
audj  nidjt  ben  fdjwädjften  28ieberljall  finben  unb  wobei 
er  fiel)  ebenfo  wenig  etwas  üorftellen  fann,  wie  ber  ißlinb* 
geborne  beim  Söorte  garbe.  Sie  feljen  alfo,  §err  £of* 
ratfj,  mit  weldjem  Sftedjte  ber  1)1.  2luguftinuS  fagt:  „2Bir 
würben  gar  nidjt  glauben  fönnen,  wenn  wir  feine  t>er* 
nünftige  Seele  Ijätten"*);  benn  m$t  an  bloße  Söorte 

*)  Epist.  120  ad  Consent,  n.  3. 


@rfte§  @efpräc§.  25 

foß  man  glauben,  fonbern  an  bie  2Bal)rf)eiten,  bie  burc!) 
bk  Sßorte  besetd^net  werben,  unb  für  bie  man  alfo  wenig* 
fien3  ek  ^erftänbniß  fjaben  muß. 

Qlber  gtt)eiten3  aucf)  nod)  au3  einem  anberen  ©runbe 
fü^rt  Qt;re  Stnfidjt  t)on  ber  in  bm  fingen  ber  Religion 
ftotfblinben  Vernunft  §ur  2luf!)ebung  aller  geoffenbarten 
Religion.  £)enn  ntdjt  bason  §u  reben,  bajs,  um  an  eine 
(übernatürliche)  Offenbarung  ©otteS  §u  glauben,  tcfj  t>or* 
fjer  bodj  erft  ernannt  l)aben  muß,  baß  e£  einen  ©Ott  gebe, 
baf)  biefer  ®ott  überaus  roaljrfjaftia,  fei,  —  wie  fann  id> 
oljne  iien  ©ebrauc^  meiner  Vernunft  bk  roa^re  Offen* 
barung  überhaupt  twn  ber  fatfdjen  nur  unterfäjeiben? 
Unb  behaupten,  ba§  eine  foldje  Untertreibung  unb  alfo 
autf)  eine  Prüfung  ber  ^enn^ei^en  einer  magren  Offen* 
barung  nidjt  notl)wenbig  fei,  märe  bodj  ein  IjeHer  %3af)n* 
finn,  ba  idj  ja  bann  bie  Träumereien  unb  $orfpiegelungen 
be3  erften  beften  $etrüger3  unb  Sügenpropljeten,  ber  fidj 
einen  göttlichen  ©efanbten  nennt,  ebenfo  auf  £reue  unb 
Glauben  In'nneljmen  müßte,  vok  ba$  SBort  ©&rtfti  unb  ber 
magren  ^ropljeten  unb  mithin  bm  SBefenner  be3  3<Stam 
mit  bem  Kenner  be3  @t>angelium3  auf  gleidje  Stute 
ließen  müßte. 

«Sie  feiert,  ofjne  $ernunftgebraud)  gel)t  e3  nun  mal 
audj  in  ben  fingen  ber  Religion  nidjt  unb  wenn  man 
benfelben  §ier  ausließt,  r-ernidjtet  man  bk  Religion  unb 
madjt  audj  bk  befte  unb  oollfommenfte  Offenbarung  ju 
einer  unnüfcen  unb  wertljlofen  ©adje.  Qdj  weiß  e3  wollig 
ba3  £id)t  ber  Vernunft  ftraljlt  im  gefallenen  3ftenfd)en 
nid)t  meljr  in  feinem  reinen  unb  ungetrübten  ©lange;  unb 
iä)  will  bk  großen  $erirrungen,  in  bie  fie  fidj  famolu" 
auf  bm  rein  p!)itofopl)ifd)en,  wie  auf  bem  religiöfen  ®e* 


26  ©rfteä  ©efprädj. 

biete  im  Saufe  ber  3^  verloren  §atf  niä)t  megläugnen : 
mag  aber  aud)  ba3  Sidjt  ber  Vernunft  burdfj  ben  <5iinben* 
fall  in  mir  nodj  fo  fe^r  getrübt  fein,  fo  ift  t§>  botf)  nid&t  gan& 
unb  gar  au3getöfd(jt,  fo  ba$  ify  in  $ejug  auf  bie  l)öt>em  gött* 
liefen  £)inge,  tdj  mödjjte  fagen,  ftotf bltnb  wäre ;  unb  mögen 
aud)  bie  $ertrrungen  ber  Vernunft  auf  retigtöfem  ©ebiete 
nad)  2Iu3roei3  ber  ©efdjidfjte  nod)  fo  grojs  unb  trielfälttg  fein, 
fo  ftnb  biefe  Ujre  Nennungen  bod)  ntdjt  bie  nottjroenbige 
unb  unt)ermeiblid)e  golge  ifjreS  ©ebraud(j3,  fonbern  vkU 
meljr  bie  gotge  tfjreS  üermetbüd&en  3Jttf$brau<$3.  £)er 
Hpoftel  $autu3,  beffen  Autorität  6ie  bodj)  genug  ntd)t 
anfechten  werben,  fagt  nid&t,  bafj  bie  Vernunft  (unb  er 
I;at  natürltdj  eben  bk  gefallene  Vernunft  im  2luge)  oon 
®ott,  feinem  £>afein  unb  feinen  ©tgenfdjaften  gar  nichts 
meljr  erfennen  fönne;  er  fagt  aber  wot)l,  bafj  ba$  „Un* 
fidfjtbare  an  ©ott  feit  (£rfd>affung  ber  Sßelt  in  ben  er* 
fdmffenen  fingen  fennbar  unb  ftdjtbar"  fei,  unb  bafj  bk 
Reiben,  bie  ©ott  nid)t  erfennen  „feine  ©ntfdmtbigung 
fjaben."*)  3)arau3  folgt  bod>  moljl  nid)t,  bafj  tdj  bk 
Vernunft  in  reltgiöfen  fingen  nidjjt  gebrauten  f olle;  vkU 
meljr  folgt  baxaus,  ba$  idjj  fie  gebrauten  foff,  roenn  aud^ 
mit  $orfi$t  unb  mit  ^Bead^tung  ber  t()r  gefegten  ©renken. 

„@ie  werben  aber  bod)  mot)l  nidjt,"  fiel  ber  §ofratl) 
f)ier  ein,  „bem  SIpoftct  $aulu3  3§re  femi-rationaliftifd^en 
2tnftd?ten  unterfd)ieben  motten!" 

8$.  x28a3  mufj  td)  benn  biefen  ungereimten  $or* 
wurf  aus  Q^rem  9ftunbe,  §err  §ofra#,  nun  tjeute  fd&on 
§um  jmeiten  3Me  Ijören?  2öo  ift  benn  in  meinen  ge* 
äußerten  2faft<$ten  audj  nur  eine  ©pur  üon  9tattonali3mui3? 


*)  mm.  1,20. 


@rfte§  ©efprädj.  27 

3)  er  £ofratr>  3$  roiff  ©ie  ja  audj  ttidjt  gerabe 
§u  einem  completen  Üiationaltften  ftempeln,  rooüor  midj) 
©ott  bewahre,  —  aber  eine  ©pur  von  $lationaliämn$ 
finbe  idj  allerbutcjS  in  bem,  roaS  6ie  eben  üou  Prüfung 
einer  Offenbarung  mittelft  be3  ©ebraucr)e3  ber  Vernunft 
geäußert.  ®enn  roemt  icr)  mittelft  metner  Vernunft  eine 
göttliche  Offenbarung  foH  prüfen  fönnen,  fo  fteffe  iü)  ja 
meine  Vernunft  von  t)orn  herein  über  bie  Offenbarung. 

Qdj.  ©ine  fettfame  Schlußfolgerung,  bie  Qlmen,  ©err 
§ofratl),  nur  mögltcr),  toeil  6ie  mi<§  gan$  unb  gar  miß- 
üerftanben.  8dj  *)a&e  n^^  gefagt,  bajs  man  bie  2Iu3fprücr)e 
einer  afö  wixiliä)  errannten  göttlichen  Offenbarung  nodj 
prüfen  unb  erft  von  biefer  Prüfung  ben  Glauben  an  biefe 
2Iu3fprüd)e  abhängig  madjen  folle  ober  audj  nur  bürfe; 
benn  ba$  märe  freilidj  ebenfo  freoellmft  aU  lädjerlid);  tdj 
fyahe  nur  gefagt:  ba%  man  prüfen  muffe,  ob  überhaupt 
bk  £rjatfadje  einer  Offenbarung  vorliege,  m.  a.  SB.,  ob 
ba^jenige,  wa$  ftd)  aU  göttliche  Offenbarung  antunbtgt, 
aud)  wirflid)  eine  foldje  fei.  @ine  foldje  Prüfung  ift  aber 
nid)t  eine  Prüfung  be£  göttlichen  ©laubem?  an  ftd),  b.  t). 
ber  oon  ©Ott  geoffenbarten  ©lauben^roatjrrjeiten,  fonbern 
fie  ift  eine  bem  ©lauben  uorauSgerjenbe  Prüfung,  e$  ift 
t)ie  Prüfung,  ob  ©ort  fid)  geoffenbaret  rjat  ober  nid)t,  atfo 
Ue  Prüfung  einer  rjiftorifdjen  &fjatfadje. 

£)  e  r  §  o  f  r  a  1 1).  Slber  t)on  bem  Ausfall  biefer  $rü= 
fung  f)ängt  e§>  bann  bod)  ab,  ob  (Sie  an  bie  Offenbarung 
glauben  werben  ober  ttidjt ;  unb  btö  rjeifjt  bodj,  in  meine 
©pracr)e  überfegt,  ttid)iso  anbere3,  als  ben  djriftltdjen  ©lauben 
%vl  einem  ©rgebntfj  einer  l)tftorifdt)^pf)tlofopf)ifdt)en  gorfdjuttg 
machen.  @3  ift  bann  bod)  immer  bie  Vernunft,  bie 
ftdj  gleidjfam  in  ben  ©lauben  liineittpbilofoprn'rt  unb  bie 


28  @rfteö  ©efpräd). 

©nabe,  bte  boä)  naä)  ber  §1.  ©cfjrift  ben  ©lauben  in 
uns  Ijeroorbringt,  geljt  babei  gan§  unb  gar  leer  aus. 

3$.  9Ucf)tS  weniger  als  biefeS,  §err  §ofratf).  ©ie 
werfen  autf)  Ijier  toieber  allerlei  burdjeinanber.  $>af$.  tcfj 
bie  wirflidjen  2luSfprüä)e  einer  wahren  göttlichen  _  Dff en^ 
barung,  nadjbem  iß)  fte  als  eine  göttttdje  Offenbarung  er* 
fannt,  erft  nocf)  ber  Prüfung  meiner  Vernunft  unterwerfen 
bürfe,  l)abe  id)  ja  eben  fcfjon  in  2lbrebe  geftettt.  Sobald 
ify  mitf)  überzeugt  Ijabe :  ©ott  fpridjt  ober  Ijat  gefproä)en, 
l)ört  alles  klügeln  unb  Vernünfteln  auf,  unb  es  tritt. bann 
trielmeljr  für  mid)  bie  unabweisttdje  Sßfltdjt  ein,  auf 
bie  Sluctorität  beS  allwal)rl)aftigen  ©otteS  l)in  feinen 
2luSfprüd)en,  mögen  fie  mir  annehmbar  ober  niä)t  an* 
neljmbar,  begreiflidj  ober  nid)t  begreiflich  fein,  micf)  unbe* 
bingt  §u  unterwerfen.  £)iefes  fefte,  entfdjiebene  gürwaljr* 
galten  beffen,  was  ©Ott  geoffenbart  Ijat,  auf  bie  bloße 
luftorität  ©otteS  l)tn,  ba§  ift  eUxi  ber  ©laube,  unb  iljtt 
bewirft  in  mir  aEerbingS  bie  (übernatürliche)  ©nabe, 
wenn  auäj  nicfjt  ol)ne  mtdj,  ba  icf>  ja  aud)  oermöge  meines 
freien  SBillenS  ber  ©nabe  wiberftetjen  fann.  §ier  alfo 
!ann  bod)  t)on  einem  „ftdj  in  bm  ©tauben  ^ineinpljilo* 
fopfyiren",  wie  Bie  eS  nennen,  waljrtid)  nid)t  bie  9ftebe 
fein.  (StwaS  SlnbereS  ift  eS  mit  ber  llebergeugung  ober 
ber  ©ewißljeit,  bajä  fid)  ©ott  geoffenbaret.  3^  &Mer 
Uebergeugung  ober  ©eroif^eit  gelange  td)  ober  fann  id) 
gelangen,  wenn  idj  bie  $enn§eid)en  einer  magren  Offen* 
barung,  bie-  mit  ber  Dffenbarnng  in  Verbinbung  fteljenben 
übernatürlichen  £fjatfadjen,  Söeiffagungen  unb  SBunber, 
fur§,  bie  t)on  ben  ©otteS geteerten  fogenannten  9ftotioe  ber 
©taubwürbigfeit  ber  Offenbarung  einer  reblidjen 
Prüfung  unterteile.    2luf  eine  foldje  Prüfung  weifet  ber 


@rfte§  ©efprädj.  29 

Urheber  ber  djriftüdjen  Offenbarung  felbft  §tn,  er  weift 
^in  auf  bie  SBeiffagungen  ber  $rop§eten,  fonrie  auf  bk 
oon  xfym  felbft  getoirften  SSunber.  Unb  mal  eben  bie 
<$rtflltdje  Offenbarung  betrifft  (unb  um  biefe  Ijanbett  e0 
ftä)  für  uns  boä)  nur),  fo  brauet  fte  ftdj  oor  einer  fol= 
djen  Prüfung  toal)rltci)  ntc^t  ju  fürdjten,  fte  fürchtet  ftd) 
tttd&t  oor  ben  $rüfenben,  aber  oor  ben  Md(jt#rüfenben 
ober  ben  unrebtidj  $rüfenben,  b.  I).  oor  benjenigen,  bie 
enttoeber  gar  lein  religiöfeS  Qntereffe  Ijaben  unb  e£  alfo 
gar  mä)t  ber  üDlülje  toertl)  galten,  eine  fo  gro£e  gefdjidjt* 
lidje  £fjatfa$e,  rate  bie  djrtftlt^e  Offenbarung  tft,  audj  nur 
in^  Singe  §u  faffen  ober  bk,  bantit  fte  in  iljrem  6ünben= 
genuffe  nid)t  geftört  werben,  mit  Eingenommenheit  unb  $e* 
fangenr)eit  gegen  bie  djriftlidje  Religion  gu  tljrer  Prüfung 
herantreten;  fur§,  bie  djrtftttäje  Religion  fürchtet  ftd)  ntdjt 
oor  ber  Vernunft,  tool)l  aber  oor  ber  Unoemunft. 

-  £)er£ofratl).  £)emnadj  galten  <&k  boäj  toenig* 
ftenä  bie  Uebergeugung  oon  ber  2Safyrl)eit  ber  äjriftlidjen 
Offenbarung  für  ba$  notl)toenbige  (Srgebnifj  ber  oernünfti* 
gen  Prüfung  ober  Unterfudmng,  toobei  e3  ber  §ütfe  gött= 
li$er  ©nabe  ntdjt  bebarf. 

3  dj.  $<§  Ijalte  bk  llebergeugung  oon  ber  äöaljrljeit 
ber  djjrifUtd&en  Offenbarung  für  ba3  notl)toenbige  Ergeb- 
nis einer  reblidjen  Prüfung;  unb  ba$  Sßort  rebticj 
brücft  aus  bm  guten,  treuen  unb  e^rtidjen  SBiEen,  unb 
toenn  e£  ftc$  um  £)tnge  be§  fettes  Ijanbelt,  ift  ein  fold&er 
Bitte  bebingt  oon  ber  göttlichen  ©nabe.  Unb  idj  behaupte 
alfo,  jeber,  ber  bk  d)riftltä)e  Offenbarung  mit  rebltdjem 
SöiHen,  alfo  unterftüfet  oon  ber  göttlichen  ©nabe,  prüft, 
lommt  notfjtoenbig  §ur  Slnerfennung  oon  ber  göttlichen 
28aljrl)eit  berfelben. 


30  @rfte§  ©efpräcfc. 

©ofratf).  3(5  fc^cr  6ie  §aben  immer  eine  hinter* 
t§ür  Bereit,  moburdfj  Sie,  menn  man  ©ie  feftyalten  will, 
Einern  mieber  burdjfclj  lüpfen.  $fy  möä)te  ober  bodj  gerne 
t)on  3§nen  ben  23emeii3  §ören  für  Q^re  Se&auptuttg,  bie 
2lnerfennung  ber  göttlid&en  Söa^r^eit  ber  ^riftli^en  Offen* 
barung  fei  ba§  notljmenbige  ©rgebnifj  einer  reblirfjen  $rü* 
fung  berfetben  nnb  bie  ^i^tanerfennnng  be£  Triften* 
iljumS  als  einer  göttti^en  Offenbarung  fei  mrf)t3  als 
tlntjerftanb. 

Qdj.  liefen  $emei3  muß  i<$  Qfmen  fdjulbig  Wihen 
hi$  §um  nädjften  2Me;  jefct  mürbe  eine  grünblidje  (£r* 
.  örterung  biefeS  fünftes  un3  p  weit  führen.  SDie  «Sonne 
gef)t  unter  unb  unfre  betben  greunbe,  fe^e  idjj,  ftnb  nidjt 
geneigt,  un3  länger  ruijig  pp^ören.  3$  märe  aufrieben, 
menn  idj  jefct  nur  ba3  bei  3$nen  errei<$t,  baß  ®ie  uns 
$atf)olifen  fünftig^in  nid&t  me^r  6emi^ationatiften 
unb  bie  Vernunft,  ba3  befte  nattirlidje  ®efd)enf,  baä  un£ 
©ott  gegeben,  nidjt  meljr  eine  „Babtjfomfdje  £)irne"  nennen 
mottten.  &ie  menftpdje  Vernunft  ift  feine  Göttin,  fie  ift 
aber  auä)  feine  „£)irne  be3  ©atan."  „Qfjr  merbet  mie 
©ott  fein,  erfennenb  baä  ©ute  unb  ba$  SBöfe,"  fagte  bie 
©erlange  im  ^arabiefe;  fie  fagt  aber  burä)  be£  S)t$ter0 
3Jlunb  auä)  ba£  anbere  Söort: 

„$erarf)te  nur  Vernunft  unb  SBiffenfdfjaft, 
£)e3  Steffen  atterljöd&jte  traft, 
Saß  nur  in  23lenb*  unb  gaubenoerfen, 
3)tdj  t)on  bem  Sügengeift  beftärfen, 
6o  §aU  tdfj  ®itf)  fd&on  unbebingt/'*) 
9Jlöcfjten  @ie,  §err  £>ofratl),  an  biefeS  28ort  manchmal 
ftdjj  erinnern!    Unb  bamit  für  btefeS  Wtal  $ott  befohlen! 

*)  ©i5%'§  ftauffc  I. 


„®u  weifet,  wie  toiel  e8  un8  ÜTJü^e  gemalt, 
„33i§  wir  e3  §afcen  fo  Weit  ge&radpt, 
„2In  £errn  (Sljriflum  ntdjt  ju  glauben  tne$r, 
„Stfie'S  tljut  ba8  große  $öbeK£eer." 

(®oet§e.) 

U9ir  Ratten  un3  am  anbern  £age  laum  mteber  p* 
fammengefunben  unb  unter  ber  fdjattenreiclien  alten  beulten 
@id)e  unfre  geftrigen  @t|e  eingenommen,  at3  mid)  §ofratl> 
Sllfreb  auäj  gleiäj  an  bie  am  vorigen  Sage  übernommene 
©d)ulb  erinnerte.  „2Bo  finb  benn  nun/'  rebete  er  midj  an, 
„bie  gellen  unb  Haren  ®rünbe,  bie  nadj  Qtyrem  geftrigen 
2Iu3brucfe  ben  rebtidien  gorfäjer  gur  SInerfennung  ber 
©öttltcltfeit  ber  äjrifttidjen  Religion  unb  ber  ©ottljeit  i§re£ 
©tifterS  nötigen  foHen?  $)a£  üDtittei  gu  fennen,  moburdj 
man  auf  einmal  alle  Sftidjt  *  ©Triften  ober  alle  $mar  ge* 
tauften  aber  ungläubigen  Triften  in  maljre  ©laubige  unb 
entfäjiebne  ©rjriften  umroanbeln  tonnte,  märe  für  midj  un* 
enbti$  mel)r  mertl),  als  alle  leiblichen  lXnioerfat^§eilmittel 
ber  SBelt  gu  kennen."  „Söenn  ©ie  mir,  §err  §ofrat§," 
erraieberte  \&),  „alle  biefe  SfHdjt* Triften  ober  biefe  getauft 
im  ungläubigen  ©rjriften  in  rebltcfje  3ftenfd)en  ummanbeln 
unb  fie  gu  mir  in  bie  ©dfjule  fielen,  bann  werbe  idj  fie 
auä)  balb  in  gläubige  Triften  ummanbeln;  natürlich,  mas 


32  grcettes  ©efprädj. 

tct)  fetbft  nidjt  fann,  ba£  fann  bie  göttliche  ®nabe."  „2tlfo 
laffen  <Ste  l)ören,"  entgegnete  er,  „nur,  warum  tdj  @ie 
bitte,  uerfdjonen  ©ie  midj  babei  mit  bem  Kauberwetfd) 
unfrer  heutigen  fogenannten  $Pofopl)en;6pradje,  über- 
haupt mit  aßen  l)od)ftingenben  ©$tag*  unb  Kraftworten, 
woson  i$  ein  abgefagter  geinb  bin;  reben  ©ie  ^u  mir 
in  ber  (Spraye,  bie  iä)  t>on  Qugenb  auf  gelernt,  in  ber 
ftaren  unb  magren  ©prarije,  bie  ben  ^ebanfen  nidjt  t)er* 
l)üllt,  fonbem  enthüllt."  „£)iefe  gorberung  &u  erfüllen/' 
antwortete  xäj,  „wirb  mir  ein  £eid)te<§  fein;  benn  ein  un- 
rebliäjeS  2öort=  unb  $l;rafenfptel,  wie  e3  leiber  täglidj 
mel)r  überljanb  nimmt,  ift  mir  fdjon  längft  suwiber."  „Unb 
mir,"  fiel  ber  ßommercten^atl)  l)ier  ein,  „ift  fdjon  längft 
@uer  gan$e3  £)i3putiren  über  foldje  Materien  pwiber;"  er 
fprang  babei  t)on  feinem  6i|e  auf,  um  ftdj  rafd)  §u  ent^ 
fernen,  unb  nur  mit  äugerfter  2Jlül)e  gelang  e3  (trafen 
3ulut3,  iljn  prü(f§ul)alten. 

„2llfo,  §err  SBifdjof,"  fagte  in  einem  l;alb  ernften, 
^alb  tronifdjen  £one  §ofratl)  Sllfreb,  §u  mir  ijingewanbt, 
„jeigen  @ie  un3  jejjt  bk  ©tärfe  Q^rer  Vernunft *2lrgu* 
mente,  tdj  will  gern  unterliegen  unb  mein  $erwerfung^ 
urteil  über  bie  Vernunft  jurücf  nehmen,  wenn  <Sk  mir 
nur  biefen  Ijalb  gläubigen,  l)alb  ungläubigen  trüber  gu  einem 
ächten  gläubigen  ©Triften  maäjen.  9tel)men  6ie  e3  aber 
ja  mit  biefer  Aufgabe  nid^t  all§u  leidjt;  bennf  wie  6ie 
feljen,  ift  er  fein  greunb  t)on  c^riftlic^-retigiöfen  $efprädjen; 
aber  er  ift  beffco  meljr  greunb  oon  antidjriftlidjer  ßeftüre; 
idj  \af)  ii)n  nodj  jüngft  mit  bem  berüchtigten  ^tenan'fdjen 
„Seben  Sefu"  befcljäfttgt."  ©er  Vorwurf  be3  $ruber3 
festen  -ben  trüber  feljr  §u  treffen;  idj  wollte  aber  ein  hiU 
tere3  Entgegnen  unb  überhaupt  alle  weitem  unangenehmen 


^raeites  ©efpräd&.  33 

2Bedjfelreben  mit  einem  3Me  abfdmeiben  unb  naljm  beS* 
ijalb  l)ter,  jeber  @egenäu|3erung  guoorfommenb,  gleidj  ba$ 
SBort  urtb  fagte:  „SBotfte  tä)  in  meinem  $emei^$erfal)* 
ren  für  bie  ®öttltd)feit  unfrer1  ^eiligen  Religion  einiger* 
maften  fdjulgeredjt  §u  Serie  geljen,  fo  müjgte  id)  erft  bie 
gefdjidjtlidjen  ®runblagen  ber  djriftltdjen  Religion  ftdjern, 
b.  I).  i$  mü&te  geigen ,  ba%  ®&riftu3,  ber  Stifter  unfrer 
Religion,  gerabe  fo  gelebt,  gelehrt  unb  geljanbelt  §at,  wie 
mir  e£  in  ben  trier  (hangelten  oer^etdjnet  finben.  Stelrt 
btefeS  feft,  fielet  alfo  bie  2led^t^ett  unb  ©laubmürbigfeit 
unfrer  ©oangelien  feft,  fo  folgt  atteS  Slnbere  mie  t)on 
felbft.  £)enn  menn  ba3  ber  leibhaftige  ©&riftu§  tft,  ben 
mir  in  ben  ©oangelien  mirfen  unb  malten  feljen,  fo  ge* 
Ijört  ber  äufjerfle  ®rab  oon  SBerblenbung  bap,  menn  man 
in  ilmt  nidjt  mit  ben  Slpofteln  ben*  raaljren  ©efanbten 
$otte3,  menn  man  ntdjt  ben  magren  Solm  ®otte3  in  iljm 
erfennt." 

„2Bie  fo?"  fiel  ber  @ommeräen=9tatl)  §ter  mit  einer 
t§m  fonfi  ntdjt  eigenen  Sebliaftigfeit  ein,  inbem  er  midj 
»ermunbert  anfal). 

Sie  Saä)e  ift  fe§r  einfadj,  entgegnete  tdj.  £)enn, 
um  liier  pnädjft  an  etma3  gleiäj  in  bie  2lugen  Springen* 
be3  &u  erinnern,  erfdjemt  benn  nidjt  <£ljriftu$  in  ben  @oan* 
gelien  gerabe  fo,  mie  i§n  bie  altteftamentltdjen  ^ropljeten 
fo  triele  Qal)rl)unberte  t>orl)er  angefünbigt  unb  betrieben 
laben?  Seine  Slbftammung  oon  SDatrib,  feine  (Murt  t)on 
einer  Qungfrau,  fein  Se^ren  unb  SBunbermirfen,  feine 
mannigfaltigen  Sdjtdfale  unb  Seiben,  fein  SBerratl)  burd) 
einen  £ifd)genof[en,  feine  £obe3art  unb  feine  2luf  erfielmng : 
atte^  biefeS  ift  genau  unb  bis  auf  bie  einjelnften  lim* 
ftänbe- oon  ben  $rop!jeten  t>orau3gefagt.  ©ine  foldje  ooll* 

Stocite«  6ii$öfli$e8  SBort.  3 


34  Broeiteö  ©efpräd). 

fommene  Harmonie  gtüifc^en  2Beiffagung  unb  Erfüllung 
aber  fann  bod)  unmöglich  bloßer  3wfatt  fein;  unb  fie 
fann  ebenfomentg  t)on  ©^rifiu^  feibft  (als  bloßem  9ften- 
f$en)  ober  oon  feinen  greunben  unb  3JU%lfern  abjidjt* 
lid)  unb  fünftlidj  ju  Söege  gebraut  fein.  5Denn  beS  Wim* 
fd&en  ©eburt  fo  wenig,  rote  feine  SobeSart  liegt  in  feiner 
eigenen  jQanb*,  DZiemanb  fann  ftdj  $orfarjren  geben,  bie 
er  nid)t  l)at,  9liemanb  jtdj  feine  9ftutter  ober  feine  ©e* 
burt^ftätte  feibft  auSroäl)len.  Unb  überhaupt  finb  bie 
menfä)ltd)en  £ebenSgefd)i(fe  lein  ©eroebe,  roas  ber  Wlen\d) 
feibft  mit  eigener  ober  alleiniger  Qanb  roebte.  Sftterfen* 
nung  unb  $erfennung,  görberung  unb  Hemmung  unfern 
©trebenS,  bie  ©unft  ober  Ungunft  ber  ©rofcen  unb  @in* 
ftufcreiäjen,  bie  Neigung  ober  Abneigung  ber  üJttenge,  baS 
Söoljlroou'en  ober  baS  äftifcroollen  ber  @in§elnen,  unb  wie 
fiele  anbre  Umfiänbe,  bie  unfern  ßebenSgang  unb  unfre 
©djitffale  beftimmen:  alles  biefeS  roanbelt  auf  unb  nieber, 
olme  baf$  mir  es  feft^alten  fönnen,  fo  menig  als  ©onne, 
%Jlonb  unb  6terne,  unb  eS  liegt  alles  biefeS  fo  menig  in 
unfrer  eigenen  §anb,  als  in  ber  freien  §anb  ber  jenigen, 
mit  benen  mir  in  SBerürjrung  fommen.  £)ie  Reiben  appel* 
lirten  baljer  nodj  an  bie  3ftad?t  eines  unerklärlichen  bltn* 
ben  ©dritffals,  ba^  fie  baS  gatum  nannten;  unfere  neuem 
S)t<$ter  unb  Sftomanfdjreiber,  bie  ben  Warnen  ©otteS  nt$t 
gern  über  tl)re  Sippen  bringen,  fingen  unb  fagen,  baS 
©eroebe  unferS  SebenS  fei  pfammengeraoben  aus  greiljeit 
unb  S^ot^menbigfeit;  ber  df)riftlid)e  Genfer  fagt,  olme 
©otteS  SBitten  fällt  audj  fein  £>aar  oon  unferm  Raupte 
IXnb  eS  gibt  bafyex,  wa$  bie  oben  gebaute  Harmonie  %wv 
fdjen  Sßeiffagung  unb  Erfüllung  im  Zehen  (grifft  betrifft, 
nur  ein  ©ntroeber  —  Ober.  @ntro  eb  er  finb  alle  Söeiffagun* 


3roeite§  ©ejprädj.  35 

gen  beS  alten  %eftamente£  rein  erbietet,  b.  f).  fte  erjfttrten  t>or 
(grifft  fteit  ™  oeK  altteftamentlicfyen  6$riften  überhaupt 
nifyt,  fonbern  ftnb  erft  fpäter  von  ben  Triften  in  biefelben 
eingefdjroärgt  roorben,  nnb  bi3  §u  einer  folgen  abgefdmiad:* 
ten  unb  Iäd)erlidjen  $el)auptung  —  abgefdjmacft  nnb 
iädjerlidj,  ba  ja  bie  Quben,  al3  23eroal)rer  i^rer  MI. 
$üd)er,  ben  Triften  bei  ber  fraglichen  @infd)tt)är§ung  \)äU 
ten  greunbfdjaft3=£>tenfte  leiften  muffen  —  Ijaben  ftäj  boäj 
felbft  bie  leibenfä)aftlidjften  (Gegner  unferer  Religion  no$ 
nidjt  t-erftiegen.  Dber  aber  Qefu3  (£ljrtftu3  ift  nrirfliä) 
ber,  mofür  er  in  ben  SBeiffagungen,  bie  in  ü)tn  erfüllt 
finb,  im  oorauS  t>on  ®ott  erflärt  ift,  ber  oerJjeijsene  9ftef* 
fiaS,  ber  maljre  $efanbte  nnb  §ugleidj  ber  roafjre  ©ol)n 
(Sottet.  2In  biefem  (Sntroeber  —  Dber,  £err  ßommercien* 
Sftatl),  ift  nidjt  tjorbeijnfommen,  man  mag  ftdj  aufteilen, 
mie  man  will.  Uu§äl)lige  finb  nadj  2tn3mei3  ber  ®e* 
fdjidjte  in  ben  erften  djrtftlidjen  3^^en  nrirHtäj  burä)  btefe 
blofje  ^Betrachtung  §nm  (Glauben  an  @ljrifiu3  Ijütgebrcmgt 
roorben,  nnb  bie  mmriberfte^üdje  SQevoeMxaft  biefe3  2Irgu* 
mente3  l)at  au§  nadj  fo  trielen  Qafjrlmnberten  nodj  burdj 
feine  ©opl)ifiif  nnr  bie  minbefte  ©inbnge  erlitten.  Unb 
boti)  ift  biefe£  nnr  nod)  ein3  r-on  tnelen  Argumenten. 

©ommercien^atl).  <Ste  tlmn  ja,  als  ob  ©ie  ber 
unnnberftef)lidjen  ^eroeisgrünbe  bie  §üEe  nnb  güHe  fyätten ! 

3$.  OTerbingä  Ijabe  idj  beren  me^r,  aU  Qlmeu 
räelleidjt  lieb  ift,  nnb  als  idj  Qfmen  jefct  entnricteln  fann. 
$>amit  Bie  aber  bodj  feljen,  bafc  e3  mir  roemgfienS  nidjt 
an  gutem  SBiEen  fe^lt,  xoxU  idj  Sfjnen  nodj  gleidj  ein  paar 
redji  frappante  nennen. 

(Stehen  6ie  nämlid),  fuljr  td)  fort,  mit  nur  ein  roenig 
Sfafmerf  famfett  bie  trier  ©oangelien  burd) ;  meld)'  ein  $ilb 

3* 


36  3«mteä  (Mpräd). 

ber  $erfönltd)fett  Qefu  (grifft  fteUt  fttf)  3§nen  bar?  ©in 
SBilb  »ort  fo  au3nel)menber  ©djönljeit  unb  Söotffommenljeü, 
bag  man  in  ber  ganzen  ©efcjjidfjte  ber  2Renf<$$ett  feinet 
gleiten  t>ergeben3  fudjt.  2öa3  ftnb  hiermit  üergftdjen  bie 
gefetertften  Sßeifen  be3  alten  §eibentlmm<3,  ein  Solon  §.  SB. 
unb  ein  SofrateS,  roaä  ftnb  bagegen  bie  größten  $ropljeten 
unb  ^eiligen  be£  alten  SteftamenteS ,  ein  9ftofej8  unb  ein 
ßftaä,  unb  wie  unenblidj  fielen  fogar  bie  djrtftltdjen  §etü* 
gen  nod)  bagegen  ab !  £ier  ftnb  überall  £iä)t  unb  Statten 
genttfdjt,  unb  audj  bie  größten  ^eiligen  Ratten  Urfadje, 
täglid)  §u  ©ott  p  flehen:  §err  vergib  uns  unfere  <Stf)uL 
ben.  2Bo  ftnb  aber  bie  ©Ratten  int  ftltlidjen  Sehen  Qefu? 
2ln  fdfjarf  finnigen  Singen,  bie  biefeS  Sehen  heohafyteten, 
fehlte  es  nidjjt,  ba  ja  im  (Soangelium  fo  oft  mieber^olt 
wirb:  „@ie  beobadjteten  üjn,"  nämlid)  fie  beobarf)teten  t&n, 
um  eben  foldje  ©djatten  an  tym  ju  entbeden;  unb  einzelne 
2ftenfd(jen  unb  gange  3ttenfd)enmaffen  ober  ^arteten,  modjj* 
ten  fie  fonft  nodj  fo  feljr  mit  einanber  uneinig  fein,  gegen 
tyn  waren  fie  einig,  fie  heohafyteten  üjn  einzeln,  fie  be* 
obacfjteten  iljn  §ufammen  unb  mit  trieten  Singen,  unb  in 
melden  Situationen  beobadjteten  fie  tfjn?  8k  ben  üerfdjie* 
benften  unb  üermüMtften,  in  benen  fidj  nur  ein  9ftenf<$ 
beftnben  fann,  im  $erfe^r  mit  beut  gutmütigen  l)arm* 
lofen  SSoßc,  ba$  il)m  in  bie  SBüfte  nadfotefjt  unb  t>ott 
SBernmnberung  feiner  £eljrroei3l)eit  Sage  lang  feinen  2Bor* 
ten  laufdjt,  unb  im  Sßextefyx  mit  58ojff3t>erfitf)rertt  ober 
^oülaufmieglern;  im  SSerfeljr  mit  erklärten  geinben  unb 
im  SSexfefyx  mit  falfdjjen  greunben  unb  Sdjmeidjlern,  mit 
^artl)er§igen  unb  abergläubifdjen  $§arifäern  unb  mit  ab- 
gefeimten  ungläubigen  Sabbucäern,  mit  reumütigen  QbU* 
nern  unb  Sünbern  unb  mit  flogen  ©elbftgered^ten,  mit 


Broeites  @efpräc§.  37 

Derf$mi|ten  £ofleuten  unb  mit  einfältigen  -ftat^anaels* 
6eefen,N  in  ber  £auptftabt,  bem  3Jltttelpunfte  ber  jübifdjen 
Nation,  unb  in  ben  abgeriebenen  ©egenben  ©atiläaS, 
im  Tempel  §u  Qerufalem  unb  in  ber  ©tjnagoge  von 
(Sapljamaum,  am  £if$e  ber  Steigen  unb  auf  ber  2In* 
flagebanf  vov  bem  l)ol)en  Viatty,  an  ber  $al)re  geliebter 
unb  Beweinter  lobten  unb  bei  ber  feierlichen  §oc^eit  gu 
Sana.  HeBeraK  umlauerten  tfjn  f einbüße  <5päl)er,  unb 
was  IjaBen  fie  benn,  tdj  tüiE  nidjt  fagen,  6ünbl)afte3, 
fonbern  nur  3Rangell)aftel  unb  (£djattenl)afte<3  an  il)m  er* 
fpäljet?  2öo  auä)  nur  ein  unpaffenbeS,  ober  ein  oerlege* 
nel  2öort,  wo  auä)  nur  eine  einige  ^aftlofigfeit  ober 
Ttnfä)icf  licp  eit !  £)te  uerfänglidjen  gragen,  bie  man  an  ifin 
fiettte,  waren  oft  ber  2lrt,  ba§  man  eine  gefdjicfte  unoer* 
fängliäje  Söfung  audj  l)eute  nodj  für  gerabeju  unmöglich 
galten  möchte,  §.  23.  bie  einft  t)on  ^Ijarifäern  unb  §ero* 
bianern  an  fyn  gerichtete  grage:  oB  e§>  erlauBt  fei,  bem 
$aifer  3in3  §u  geben,  antwortete  er  ja,  fo  Branbmarfte 
man  tyn  at3  einen  $eräd)ter  be3  3ftofe3,  al3  einen  geinb  ber 
fRecf)te  unb  greüjeiten  be3  auSerwälitten  $olfe3  ©otteS; 
anttoortete  er  nein,  fo  Branbmarfte  man  ilm  als  einen 
Stufwiegier  unb  getnb  be3  JlaiferS.  £ier  atfo,  fäjeint  e3, 
IjaBe  er  notlimenbig  gefangen  werben  muffen,  unb  boäj 
warb  er  nid)t  gefangen,  er  fprad)  nur  ein  Söort  nnb  baä 
9ße§  ber  2lrgtift  mar  gerriffen.  2ltfo  nie  weber  ein  2Bort 
nod)  eine  §anbtung,  bie  audj  nur  wie  ein  ©chatten  au$* 
gefel)en  l)ätte;  melmeljr  immer  biefelBe  fittlic^e  SSürbe  unb 
£ot;eit,  berfelBe  Slbet  ber  (gefinnung,  biefelBe  unerfd)ütter= 
lid)e  9tu§e  unb  (Mfte3gegenwart,  in  allem  Sfteben  unb 
iganbeln  biefelBe  Sauterfeit,  —  immer  fein  23enel)men, 
eBenfo  weit  entfernt  von  niebriger  ©emein^eit,  wie  von 


38  3roette§  ©efaräd). 

ftoljcr  Selbfterl)ebung,  immer  biefetbe  Unermübltdjfeit  im 
2Bo&Ü$un  bei  ^erfennung  unb  Unbanf,  berfelbe  gretmutlj 
gegen  bie  ©roßen,  biefetbe  §erabtaffung  §u  ben  ©äjroadjen 
unb  ©ermgen,  bie  unvergleichliche  2Jtifd)ung  üou  ©elbft* 
beraußtfetn  unb  $efdjeibenljeit,  t)on  9Jtttbe  unb  «Strenge, 
öou  igerjenSroeidjljett  unb  6eelenftärfe,  von  ©üte  gegen 
bie  3ftenf$en  unb  t>on  @ifer  für  bie  göttliche  @l)re,  ba3 
unübertreffliche  dufter  ber  S)emut&,  6anftmutt)  unb  einer 
unbeweglichen  unb  audj  im  £obe  nidjt  befiegten  £iebe. 

üur$,  raenn  bie  £ugenb  unb  ipeiligfeit  ^ter  auf  @r* 
ben  perfönlid)  erfdjiene,  tonnte  fte  nidjt  anber3  erfdjetnen. 
SBäre  biefe  £eiligleit  eine  bloß  menfd&lidje ,  fo  müßte  fte 
ftdj  bo$  roenigftenä  bei  bem  einen  ober  anbern  ber  un* 
galligen  Millionen  9ftenfd)en,  bie  feit  2ttmm  gelebt,  nrieber* 
ftnben;  fte  fhtbet  ftdj  aber  bei  feinem,  abfolut  hei  feinem 
roieber,  unb  xdj  begreife  baljer  redjt  gut  jenes  2öort  eine3 
großen,  berühmten  3ttanne3,*)  ber  auf  feine  an  einen  $er* 
trauten  gerichtete  unb  von  biefem  nidjt  beantwortete  grage, 
„mer  (SljrtftuS  fei/'  jelbft  jbie  SIntmort  gab:  „Qdj  fyahe 
äJienfdjen  genug  fennen  gelernt,  um  §u  triff  en,  baß  ber 
fein  bloßer  9ttenfd>"  Unb  wüßten  <5ie,  meine  Ferren, 
fuljr  iä)  fort,  melletä)t  eine  anbere  2lnttoort?  Xlnb  roenn 
nun  gar  biefer  übermenfcpdje  Zeitige  unb  biefer  „©djönfie 
aller  2ftenfdjenrmber"  auSbrücftiäj  unb  nrieberfjoit  felbft 
erflctrt,  er  fei  met)r,  als  ein  üDlenfdj,  er  fei  nidjt  aüetn  ber 
ma^re  ©efanbte  ©otteS,  fonbern  er  fei  aud)  bem  $ater 
gleidj  unb  ebenfo  wie  er  magrer  ©ott,  unb  roenn  er  bie* 
fe3  $efenntniß  mit  feinem  £obe  befiegelt:  für  mid)  gibt 
e3  ba  wiebex  nur  ein  ^ntmeber  —  Dber.  ©nitoeber  er  ift 


0  Napoleon  I. 


3toeite§  ®efarädj.  39 

ein  ©otteäläfterer  unb  Söalmfinni^er ,  ober  er  ift  wal)* 
rer  ©ort.  5Dte  erftere  2Innal)me  tft  nad)  bem  23ilbe,  bas 
bte  ©oangetien  twn  il)tn  entwerfen,  unmögltd)  unb  e£ 
bleibt  baljer  wieber  nidjt3  übrig,  aU  bie  leitete  2tnna§me : 
<St)riftu3  ift  ber  waljre  ©efanbte  ©otteS,  ©&riflu$  tft  felbft 
wahrer  ©ott.  Slber  aU  ob  er  bem  Unglauben,  ben  er  mit 
ber  ewigen  Verwerfung  bebroljt,  jebe  SluSfhtdjt  l)abe  vex* 
fperren  wollen,  brüdt  er  bem  ©lauben  an  feine  ©ottljett 
nodj  ein  neues  ©teget  auf,  ba$  ©iegel  feiner  §ablreid)en 
Söunber  unb  ^Beifügungen. 

„Slber  mit  ben  2Bunbern,"  fiel  mir  ber  (£  o  m  m  e  r  c  i  en  * 
9tatlj  in  bie  $ebe,  „bitte  idj,  Derfdjonen  <Ste  midj  bodj. 
lieber  ben  5öunbergtauben ,  meine  id),  mären  mir  bod? 
a,tüdttdj  l)inweg,  unb  e3  ift  mir  jebeSmal  wie  ein  &ti§ 
ins  §erj,  fo  oft  idj  btefeS  SSort  auäfpredjen  pre.  Söunber 
ftnb  gut,  um  bie  Sftenge  gu  f irren;  für  ben  aufgeflattert 
eyifttren  fte  einfadj  nid)t ;  benn  fie  ftnb  nad)  meinem  £)a* 
fürljalten  erftenS  unmöglid),  unb  wären  fie  mögltdj,  fo 
wären  fie  §wetten3  als  foldje  nidjt  erlennbar.  Sie  ftnb 
unmöglich,  weil  fie  gegen  bie  unumftöfcltdje  Drbnung  ber 
9ktur,  bie  ©ott  felbft  feftgeftellt,  verflogen  unb  weil  alfo 
©ott  burd?  feine  SBunber  bie  t)on  ü)m  felbft  für  ewig 
feftgefe^te  Sftaturorbnung  umflogen,  mithin  gegen  ftdj  felbft 
Ijanbetn  mü&te.  SBären  aber  audj  Sßunber  möglid),  fo 
wäre  e£  mir  nidjt  möglich,  fie  als  foldje  ju  erfennen; 
benn  um  fie  als  SBunber  gu  ernennen,  als  3öerfe  ober 
Xfjatfa<$en,  bie  aus  natürlichen  llrfadjen  ftdj  fdjledjtym 
nidjt  erflären  laffen,  mü$te  idj  ja  alle  bie  verborgenen 
Gräfte  ber  9latur  unb  bte  ^unbertertet  gäben  ir)re^  Qu* 
fammenljangeS  unb  il)reS  wedifelfeitigen  SBirfenS  unb 
©egenwtrfenS  erft  genau  !ennen.    (Sine  foldje  @rfenntni§ 


40  BroeiteS  @efpräc§. 

mirb  ftdj  aber  wofyl  fein  oernünftiger  2flenfdj  gutrauen; 
benn  „ins  Snnere  ber  Statur  bringt  fein  erfdwffener  ©eift." 
Qd)  txmrbe  alfo  aud),  wenn  ein  2öunber  vorläge,  immer 
ntdjt  fagen  fönnen:  biefeS  ift  mirftid)  ein  Söunber,  l)ier 
ift  ttrirflid)  ber  ginger  ©otteS,  unb  ba§  SBunber  verlöre 
alfo  feinen  Sraed." 

3  d).  £)ie  beiben  Unmöglid)feiten,  §err  Gommercien* 
$latf)f  bie  6ie  mir  eben  genannt,  eyiftiren  nnr  in  Qfjrer 
©inbttbung  ober  trielmeljr  in  ber  (Sinbilbung  iljrer  @r* 
finber;  benn  id)  meifc,  ©ie  Ijaben  fie  nidjt  erfunben;  nnb 
©ie  werben  e3  mir  baljer  aud)  um  fo  roemger  verargen, 
menn  idj  biefe  beiben  großen  Itnmöglidtfeiten  §mei  grofje 
Sädjerlidjfetten  nenne. 

Qdj  nenne  e3  erftenS  eine  £äd)erlid)feit,  ba$  ber  aEU 
mäßige  ©Ott,  ber  burdj  ein  bloßem  Sßort  Jgimmel  unb 
@rbe  erfd)affen  unb  bte  Statur,  il)re  ©efefce  unb  t^re  Drb* 
nung  felbft  gemadjt  l)at,  burd)  bie  ©efefce,  bie  er  ber  üfta* 
tur  oorgejeidjnet,  ftdj  felbft  bie  §änbe  gebunben  fyaben 
folle,  fo  ba£  er,  aufcer  aller  lebenbigen  $8e§ieljung  $ur  Statur 
unb  pr  SBelt,  nie  in  beren  Srieb*  unb  Sftäberroerf  mefjr 
eingreifen,  nie  bie  Sßirffamfeit  ber  gefd)öpflidjen  ober  na* 
türlidjen  Urfad)en  überbieten  ober  i^re  Un§ulängttd)feiten 
burd)  feine  unmittelbare  unb  l)öd)fte  $raft  erfe|en,  alfo 
auü)  nie  baä  ©ebet  ber  SBebrängten,  bie  pnberingenb  p 
ifym  aufbliden,  meljr  erhören  fönne,  fonbem  nrie  ein  ädjter 
©pifuräer  bort  hinter  bie  SBolfen  in  feinen  frönen  §im* 
mel  gebannt  unb  nrie  burdj  eine  unburdjbringltdje  Bretter* 
manb  oon  ber  SÖBelt,  auf  ber  bie  armen  ättenfdjenftnber 
ftdj  Ijerumtummeln ,  ah*  unb  losgetrennt,  forglofe  unb 
glüdltdje  £age  feiere.  2öer  ba$  mit  feiner  SSorfteUung 
üon  einem  lebenbigen,  perfönli^en,  ftets  mirfenben  unb 


ßroeites  ©efprädj.  41 

allmächtigen  ©ott  unb  feiner  Sßorferjung  Bereinigen  fann, 
ber  mag  e§.  $ü)  beneibe  tyn  barum  nidjt.  ©r  ftettt  ftdj 
in  ber  Srjat  feinen  lebenbigen  ©ott,  fonbem  nnr  einen 
@ö|en  oor.  Söitt  man  aber  bodj  einmal  ben  lebenbigen 
unb  perfönttcrjen  ©ott  §u  einem  blofcen  ©ö£en  rjerabmür* 
bigen,  warum  treibt!  man  benn  ein  fo  rjeud)lerifdje3  $er* 
ftecfenSfpiel  unb  fagt  e§>  niä)t  lieber  offen  unb  erjrtidj  i)er* 
au3 :  mir  glauben  einfadj  nidjt  an  einen  lebenbigen  ©Ott, 
an  einen  allmächtigen  Töpfer  §imme(3  unb  ber  ©rbe; 
unfer  ©Ott  ift  bie  Statut,  unfer  ©ott  ift  bie  emtge  uner= 
fdjaffene Materie,  „ba$  ©in  unb  ba$  SM,"  ba$  nadj  notrj* 
menbigen  unb  unraanbelbaren  ©efe^en  Sitten,  roa$  ift,  au£ 
fidj  gebiert  unb  2We3  in  feinen  Hbgrunb  roieber  oer* 
ftf)tingt; 

„©eburt  unb  ©rab, 

©in  emige^  9fteer, 

©in  mec^felnb  2öeben,| 

©in  glür)enb  Seben,"*) 
$>a3  ift  unfer  ©Ott  unb  mir  felbft  finb  unfer  ©ott, 
unb  aufjer  biefem  ©ott  gibt  e%  leinen.  Unb  unfer  ©otte3* 
bienft  ift  „fiatt  ©Ott  ben  £)recf  §u  preifen."  ©ine  foldje 
Sprache  märe  menigftenS  boä)  nod)  erjrlitf),  ftatt  bafc  bie 
©egner  unb  Raffer  ber  $riftliä)en  Religion,  natürlich  um 
bie  ©djmadjen  nictjt  gu  ärgern,  ben  ©lauben  an  einen 
perfönlidjen  ©ott  in  Sßorten  rjeud)e(n,  aber  in  ber  %$at 
tfm  aufgeben  unb  fernicrjten ! 

21m  munberliä)ften  babei  ift  no$  bie  Unterteilung, 
ba$  SBunber  fei  gegen  bie  einmal  feftgefe|te  Drbnung  ber 
Statur.    2)enn  mo  fte^t  benn  getrieben,  bofs  baä  2Bun* 


*)  ^aiift.  I.  X^ciX. 


42  3roette§  ©efpräcfj. 

ber  gegen  bie  ^atur  fei?  über  uttb  aufjer  ber  3Ratur 
unb  ber  natürltdjen  Urfadjen  woljt;  aber  bodfj  nidfjt  ba* 
gegen.  §etlte  ein  Strjt  burdj  frinftüdje  TOttel,  woburä) 
er  ber  9ßatur  ju  £ülfe  fam,  ben  Traufen,  ber  naä)  bem 
gewöhnlichen  Saufe  ber  £)inge  olme  btefe  fünfUtdje  £>ütfe 
unrettbar  verloren  war;  fyoA,  er  baburd)  etwa  bie  ©efefce, 
wonadfj  ber  beftimmte  $rattQett3proce§  fonft  ftdj  oerläuft, 
geänbert  ober  üewidjtet;'  werben  nicljt  biefelben  ©efe^e 
nodj  fortan  einen  Traufen  berfelben  2Irt,  bem  man  nidjt 
§u  §ülfe  fommt,  unfehlbar  bem  gewiffen  £obe  ^ufü^ren? 
Unb  wo  ift  alfo  Ijier  bk  ^enberung  ober  2lufl)ebung  ber 
•iftaturgefe|e?  Unb  wirb  bk  <&a$t  baburc^  trielleidjt  eine 
anbere,  bafj  \tatt  be3  menfdjltdjen  2Ir§te3  ©Ott  felbft  m* 
mittelbar  ins  Mittel  tritt,  unb  ba$  er,  jwar  ntdjt  burdf? 
frembe  fimflltdje  ober  ber  Statur  entlehnte  Mittel,  wollt 
aber  burd)  feinen  eignen  attmäd)ttgen  SBilleu,  ber,  fo  oft 
e£  itjm  gefällt,  audfj  burdf)  ftdj  felbft  unb  aMn  ttmn  fann, 
was  er  fonft  bur<$  anbre  untergeorbnete  Urfacfjen  tfyut, 
bem  Traufen  bie  ©efunbfjett,  bem  lobten  ba$  Seben  wie* 
ber  gibt? 

Bk  fe^en,  §err  ©ommercien^atlj,  ba%  23ort  „läc^er^ 
lid)"  ift  für  einen  ©inwanb,  wk  «Sie  üjn  gegen  bk  3ftög^ 
üdjfeit  be£  SSunberS  ergeben,  witflidj  nid)t  $u  ftarf. 

Unb  ber  jweite  ©inwanb,  bk  angebliche  Unerfennbar^ 
feit  eines  SßunberS,  üerbient  eine  foldje  Sßegeidfjnung  ge* 
wife  mdjt  minber,  namentlich  in  2Ibftcf)t  auf  bk  3Bunber 
unfern  £etlanbeS,  auf  bie  es  boclj  babei  fjauptfädjlid)  ab* 
gefeiert  ift.  2ftan  fann  gewifj  nodj  lange  warten,  bis  es 
gelingen  wirb,  aud)  wenn  alle  uns  bis  jefct  nod(j  oerbor* 
genen  geheimen  5Ratur!räfte  aufgebest  fein  werben,  etwa 
mittelfi  biefer  injwif^en  entbeeften  9laturfräfte  $ranf&eiten 


3roeite§  ®ejprädj.  43 

in  ber  gerne  burdj  ein  blo&eä  SBort  ju  feilen  ober  mir!- 
lid^  STobte  tmeber  lebenbig  ju  madjen;  unb  iä)  nej)tne  fei- 
nen luffanb,  benjenigen,  ber  an  ein  etroaige3  ninftige3 
(gelingen  einer  folgen  Operation  im  ©rnfte  glauben  mödjte, 
für  reif  inä  Qrrenl)au3  §u  erklären. 

,$$>  lenktet!  feijt  —  9tun  lägt  ftdj  mirflirf)  hoffen, 

3)aJ3,  wenn  rotr  au3  triel  Imnbert  Stoffen 

£>urdj  äftifdjung  —  benn  auf  3Jltf<$ung  fommt  e§  an  — 

$)en  3Jlenf(^etiftoff  gemädjlidj  compontren, 

Qu  einen  Kolben  oerlutiren, 

IXnb  ü)tt  gehörig  col)obtren, 

©o  ift  ba£  2öer!  im  Stillen  abgetan, 

@3  toirb!  bie  ältaffe  regt  fiä)  flarer! 

£>te  Ueberjeugung  wahrer,  wahrer! 

2Ba3  man  an  ber  ^atur  ©eljeimnifjoolleä  prte3, 

£>a3  toagen  mir  oerftänbig  p  probiren, 

Unb  wa$  fie  fonft  organifiren  lieg, 

25a3  laffen  mir  f rrjftaHtfiren"  *) 

3)tefe  Qronie,  fie  mirb  aud)  bann  noäj  i^r  9ledt)t  be= 
Raupten,  menn  alle  bie  fjunbert  unb  taufenb  9taturfräfte,  hk 
un£  jefct  etma  nod?  »erborgen  finb,  fünftig  raerben  auf- 
gebest fein. 

©te  fe^en  alfo,  §err  @ommeräen-9tat§,  burdj  atte 
Qljre  munberfdjeuen  $rotefte  laffe  itf)  mtäj  im  glauben 
an  bie  roirftidje  SBemeiSfraft  be£  2öunber3  ntd^t  im  min- 
beften  beirren,  unb  Ijätte  (£l)riftu3  aud)  nur  du  einziges 
ermiefenes  SBunber  oottbrad)t  (er  l)at  bereu  aber  nadj  bem 
33erid)te  ber  (hangelten  §al)lretd)e  unb  gan§   offenbare 


*)  ©oetfyf«  gaufl.  iL  2$. 


44  Weites  ©efaräd&. 

voUhxafyt,  unb  er  §at  fte  äße  nid^t  etwa  als  ©<$aujhi<fe 
jur  Befriebigung  ber  9teugierbe  eines  fdjaulufttgen  ^öbelS 
ober  pr  Unterhaltung  eines  üorwigtgen  unb  nafewetfen 
£erobeS,  fonbern  aus  bem  ebelften  Beweggrunbe,  auS 
Zieht  unb  Barml)er§igfeit  gegen  fRot^leibenbe  unb  ju  bem 
3wecfe  feiner  Beglaubigung  oottbrad)t),  unb  Ijätte  er  bie* 
feS  einige  Sßunber  baju  oollbraäjt,  um  fi$  baburdj  als  wa§* 
ren  ©efanbten  unb  als  magren  ©olm  Lottes  ju  tegiümiren, 
(was  idj  fd)on  eben  fagte,  unb  was  nad)  ben  eben  genannten 
Berichten  ebenfalls  nid^t  getäugnet  werben  fann) :  fo  mürbe 
feine  2ftad)t  ber  SBelt  miä)  abgalten  bürfen,  oor  iljm  nie* 
berjufallen  unb  il)m  als  meinem  §eilanbe  unb  meinem 
®otte  p  ^ulbigen;  benn  biefe  Anerfenmmg  unb  £ulbi* 
gung  bann  nodj  »erjagen,  fyiefee  ebenfo  triel,  als  es  für 
möglid)  galten,  ©ott,  ber  eigentliche  Urheber  beS  28unberS, 
fönne  feiner  §eilig!eit  ungeachtet  einem  Betrüger,  ber  ©ott 
läftert  unb  feine  üMtmenfdjen  in  einer  ifjrer  wtdjttgfiett 
Angelegenheiten  in  bie  Qrre  fül)rt,  gur  Ausführung  feines 
Betruges  nod)  feinen  ©dm£  ©erleiden. 

Bon  ben  Söeiffagungen  (grifft  will  itf)  Ijier  gar  niä)t 
reben;  fte  finb  aber  ebenfalls  wa§r  unb  unzweifelhaft,  er 
weiffagt  ben  Berratl)  beS  SubaS  unb  bie  Berläugnung 
beS  $etruS,  er  fdjaut  ben  Sftenfcfjen  in  il)r  inneres  §erj 
unb  üerfünbet  iljnen  iljre  ge^eimften  ©ebanfen,  er  fagt 
feine  eigne  $reu§igung  unb  feine  Auferfteljung,  er  fagt 
genau  unb  bis  auf  bie  eingelnften  Umftänbe  bie  fdjrecflidje 
3erftörung  ^erufalemS  oorauS.  Alle  biefe  Sßetffagungeti 
erfüllten  ftdj  bucpäbltä) ,  unb  eine  feiner  SMffagungen, 
bie  SBeiffagung  ber  fortwäljrenben  Befämpfung  unb  ber 
fortwäljrenben  ©Haltung  feiner  $trcf)e,  ftel)t  unS  in  fyxex 
Erfüllung  nod)  tagtäglich  oor  Augen.    Unb  es  wäre  eine 


3tueite§  ©efprädj.  45 

einzige  ernüefene  SSeiffagung,  §.  23.  bk  lefetcre,  bereu  fc 
füttung  tüir  noäj  ror  un3  fe^en  unb  bte  man  ofyne  SSer* 
ftodt^ett  niä)t  roegftreiten  tann,  allein  fdjon  genügenb,  tljtt 
aU  ben  aünriffenben  §er§en*  unb  9üerenerforfä)er,  aU  ben 
$ömg  ber  ,3eüen,  ta§  al£  ben  magren  ©ott  gu  er^ 
feunen. 

SDer  gute  (£ommercien*$at§  f$ien  roeber  meinen  Soor* 
ten  redjt  sujuftimmen,  nodj  i^nen  nriberfpredjen  §u  wollen. 
£)a3  ©efprää)  ftotfte  ba^er  einige  Sütgenblicfe,  bis  e£  ©raf 
Quliu^,  ber  bi3§er  ruljig,  bod)  fe§r  aufmerffam  §ugef)ört, 
roieber  in  ben  ®ang  braute.  „SRur  @in3/'  fagte  er,  „raun* 
bert  midj,  lieber  §err  Söifäjof ,  ba§  <&u  nämlidj  mit  feiner 
©ilbe  ber  £e§re  @I)riftt  erwähnt,  ba  ja  bod)  biefe,  fomel 
ify  midj  erinnere,  unter  ben  23etoet3grünben  für  feine  gött* 
üdje  ©enbung  unb  Söürbe  geroörjnlidj  an  erfter  ©tette  ge* 
nannt  §u  werben  pflegt." 

Qdj  l)a6e  ber  £e§re  ^rifti,  ernrieberte  id),  biätyx  ge* 
füffentüd)  ni$t  erwctfmt,  unb  pjar,  wenn  tdj  gan§  auf* 
ridjtig  fein  fotf,  um  nid)t  £ofratI)  Sllfreb  neuen  SMafc  §u 
geben,  midj  aU  <Semi=9tationaltften  p  t)erbäd)tigen. 

§ofrat§  2Ufreb.  3$  t?erftel)e  nidjt,  ma^  biefer 
Vorwurf  §ier  foH? 

Qd).  £>efto  beffer,  wenn  meine  gurd)t  ungegrünbet 
ifi.  3)enn  tdj  fürdjtete,  wenn  tdj  aus  ber  $efd)affenf)eit 
ber  Sefjre  (grifft  §u  fünften  ber  ©öttlidjfeit  feiner  Sfteli* 
gion  ©dtfujsfolgerungen  sieben  würbe,  motten  6ie,  nad> 
Q^rer  5lrt  gu  benfen,  gleid)  lieber  mit  bem  2lu3ruf  bei 
ber  §anb  fein:  „®a  fie^t  man'3  ja,  bk  göttliche  Se^re 
@§riftt  wirb  bod)  wieber  vor  ben  9ttdjterfiul)t  ber  menfd)* 
lidjen  Vernunft  geforbert,  al$  ob  bie  menfdtftdje  Vernunft 
ben  $rüfftein  ber  ©öttltc^feit  ober  Ungötttidjfeit  einer 


46  3 weitet  ©efjnätf). 

angeblichen  Offenbarung  in  fttf)  felbft  beftfce.    5Daß  bei 
ber  Sßermenbung  ber  £el)re  ßfjrifti  als  eines  ^Beweismittels 
für  bie  ©öttticftfeit  ber  d&riftlidjen  Religion  eine  gen)iffe 
$orfid)t  notl)menbig  fei,  befenne  icf)  gern.  £)enn  ba  unfre 
natürliche  ©otteSerfenntmfj  audj  im  günftigften  galle  immer 
nod)  unooEtommen  unb  mangelhaft  ift ,  fo  märe  e3  oer* 
meffen  p  fagen,  biefe  ober  jene  angebliche  Offenbarung  ift 
roirflicf)  unb  muß  eine  göttliche  Offenbarung  fein,  meil 
irjre  £el)ren  mirfticr;  ©otteS  mürbig  ftnb.    2öir  fönnen 
erjer  fagen,  maS  ©otteS  ntdjt  mürbig  fei,  als  raaS  ©otteS 
mürbig  fei.    3$  mürbe  §.  $.  fein  SBebenfen  tragen,  eine 
Serjre,  bie  uns  ©Ott  als  ein  unoolIfommeneS,  gebrechliches, 
üeränberttdjeS,  ben  menfdjlidjen  Qrrungen  unb  £eibenfd)af* 
ten  untermorfeneS  SBefen  üorftettte,  für  eine  ungöttlidje 
£erjre  gu  erklären,  meil  mir  mittelft  unfrer  bloßen  Vernunft 
ernennen,  bafc  beriet  ©djmäcrjen  unb  Mängel  ©ort  nifyt 
eigen  fein  fönnen;  td)  mürbe  beSgleidjen  eine  angebliche 
OffenbarungSlel)re,  bie  gegen  baS  ©efefe,  baS  ©ott  in  unfer 
©emiffen  getrieben,  ßtyebrud),  SMnetb,  £reuloftgfeit  unb 
bergl.  gemattete,  fofort  als  falfd)  unb  ungöttlid;  §urücf* 
meifen,  meil  ©ott  fid)  felbft  nic^t  miberfpred)en  fann.  £)aS 
umgeferjrte  ^ßerfaljren  bagegen,  aus  bem  @l)arafter  einer 
angeblichen  OffenbarungSleljre  pofittoe  Folgerungen  für 
tljten  mirflic^en  göttlichen  Urfprung  §u  jte^en,  ift  aus  bem 
eben  angegebenen  ©runbe  ungleich  mißlicher.    ©teid)mol)t 
Un  id)   nid)t  geneigt,   auf  biefeS   Argument  ganj  unb 
gar  ju  t»er§id)ten,  unb  idj  barf  eS  Ijier  um  fo  poer* 
ficr>tlid)er  herausgeben,  ba  ja  bem  fogar  unfer  lieber  ^err 
ipofratrj  nidjt  ju  miberfpredjen  fd)eint.  $)enn  geftattet  aud) 
nxdjt   gteidj  jebe  einzelne   Sefyre  beS  ßrjriftentt)umS  ben 
©dtfufs  auf  feinen  göttlichen  Urfprung,  fo  bodj  ber  C^arafter 


3roeite§  ®efpräd).  47 

ber  ©efammtljeit  ber  djriftlidjen  Seiten  unb  ber  3ufam* 
menbang  berfelben  unter  ftdj..  Um  miäj  nid)t  bem  oben 
gebauten  Vorwurfe  auSpfefcen,  null  i<$  ben  £§etf  ber 
djriftlidjen  ©taubenSlefjren,  bie  ftdj  unmittelbar  unb 
au3fd&lief$li<§  auf  ©Ott  begießen,  Ijier  gan§  aujger  Betraft 
laffen,  —  obgleich  e3  für  jeben,  ber  fel)en  roiff,  llar  am 
£age  liegt,  ba%  Sitten,  toa£  ftdj  jemals  bie  Sßeifeften  unter 
ben  9ftenfd)en  auf  eigene  §anb  oott  ©ott  gebaut  unb  ba% 
felbft,  wa$  bie  gottbegeifterten  $ropf)eten  be^  alten  $un* 
be£  oon  ©ott  gelehrt,  gegen  bk  würbtgen  unb  erl)a* 
benen  ^orftellungen  r-on  ©ott,  mie  fie  un£  ba§  ©fjrtflen* 
t§um  entroidett,  ftdj  nur  roie  ba3  Satten  eines  $inbe3 
aufnimmt.  Slber  einen  Sßunft,  ber  ftd)  ebenfalls  auf  bk 
djriftltd&e  ©tauben^leljre  begießt  unb  an  ben  ftd)  ber  3ftafc 
ftab  einer  oernunft*  unb  erfaljrung^mäßigen  Prüfung  aller* 
bingS  anlegen  lä'jgt,  mujs  iä)  bod)  fykx  nod)  raie  im  SBor* 
übergeben  berühren,  £>ie  djrtflltdje  ßeljre  nämlid)  Ijat  ba£ 
Sßerbienft,  un3  bm  9Jlenfdjen  fennen  §u  lehren,  ben 
9Jlenfd)en,  tote  er  ift,  in  feiner  SSürbe  auf  ber  einen  ©eite 
unb  in  feinem  abfalle  von  biefer  Sßürbe  auf  ber  anbern, 
in  feiner  @rl)abenljeit,  mie  in  feiner  ©mtebrigung,  in  feiner 
urfprünglidjen  ©röfte  unb  ©djönljeit,  wk  in  feinem  gegen* 
roärtigen  (Henbe.  Man  hübet  fid)  trieHeidjt  ein:  e£  fei 
biefeS  eine  feljr  letdjte  Aufgabe,  ba  ja  ber  SJlenfd)  ftdj 
felbft  ber  na'djfte  ©egenftanb  be£  ©rfennenS  fei,  —  aber 
feine  $l)tlofopl)ie  ober  Möge  menfd)lid)e  SßeiSfjett  Ijatte 
biefe  Aufgabe  gelöfet;  fie  Ijatte  immer  nur  bk  eine  6eite 
bes  menf^lidjen  SBefenS  auf  Soften  ber  anbern  IjerauS* 
gehoben  -unb  babuxti)  ftd)  in  augenfällige  2Siberfprüd)e 
oernridelt  unb  Behauptungen  aufgeteilt,  bie  bie  ©rfaljrung 
felbft  jeben  Slugenblid  Sügen  ftraft.    Unb  Diejenigen,  bk 


48  groeiteS  ©efprädj. 

nodj  jegt,  mitten  im  Sidjte  be^  (£l)rijientl)uml,  cor  biefem 
ßidjte  il)re  Säugen  jufd^lteften  unb  bie  Seiten  bei  Triften* 
tlmml  oornelim  ober  feinbfelig  ignoriren,  bitten  i^rert 
greoel  fogletd(j  bamit,  bafc  ilmen  unter  ber  §anb  ber 
iftenfdj  entmeber  §u  einem  ©otte  b.  §.  ©ögen  f)inaufge* 
fdjraubt  ober  $um  Spiere  Ijeruntergewürbigt  wirb.  Unb 
ber  berühmte  $alfal  §at  ba^er  ooEfommen  Sftedfjt,  wenn 
er  fagt,  baburdfj  allein  fdjon  erweif  e  fidfj  bie  cfjriftltdje 
Seljre  all  göttlich ,  bafc  fte,  mal  nodfj  feiner  $fjtto* 
fopljie  ober  9ttenfd()enweill)eit  gelungen,  bal  ©eljeumtifi  bei 
menfd(jlitf)en  Sßefenl  erhoffen;  benn  bie  wal)re  2Jlenfd(jen* 
erfenntnifc  unb  bie  wal)re  ©ottelerfenntnife  ge^en  immer 
mit  einanber  §anb  in  §anb ;  bie  eine  ift  immer  bebingt 
von  ber  anbern. 

£)al  alfo  märe  fo  dn  Sßunft,  mo  audf)  bie  dfjriftlidfje 
®laubenlleljre,  ungea^tet  i^rer  fonfttgen  unergrünb* 
lid&en  unb  unbegreiflidfjen  ©el)etmniffe,  bodf)  uufrer  t)er* 
nunft*  unb  erfaljrunglmäfeigen  Prüfung  §ugänglid(j  märe. 
Mittelbar  mirb  aber  bie  innere  äöaljrfjeit  ber  äjrift* 
lidjen  ©laubenllel)re  auäj  burdfj  bie  djriftlidje  Sittenlehre 
bestätigt.  S)iefe  legiere  ent§iel)t  fidfj  nämlidfj  unfrer  $rü* 
fung  weniger,  all  bie  erftere;  ben  Sßrüfftein  berfelben  6e* 
ftgen  mir  eben  im  9latur  gefege,  bal  ©Ott  unoertilgltdf)  in 
unfer  £er$  gefdfjrteben  unb  bal  burdfj  fein  anberel  ©efeg, 
weldfjel  göttlidfjen  Urfprungl  fein  mitt,  aufgehoben,  mol)l 
aber  erhoben  unb  vtxilöxt  werben  fann.  £)er  ©lanj  ber 
dfjriftlidfjen  (Sittenlehre  leudfjtet  aber  fo  $etf,  ba$  fidf)  il)m 
audf)  ba^  Höbe  Sluge  ntd&t  werf  fliegen  fann;  unb  in  ber 
Sljat  laffen  audfj  bk  erflärteften  getnbe  be§  ßljriftentlmml, 
fo  tjtel  Sötberfprudfj  fie  aucfj  gegen  bk  gefjeimnifjöotfett 
dfjriftlicfjen  ©laubenlwa^r^eiten  ergeben,  bod&  ber  dfjrtftlidfjen 


3n>eite§  @efprä#.  49 

Sittenlehre,  il)rer  9teinl)eit,  <5d)önl)ett  unb  $oEfommenl)eit, 
DoEtfommen  ii)x  Sftedjt  wiberfaljren ,  fte  wagen  wenigstens 
nidjt,  äxoa  einige  ©$eufale  aufgenommen,  fte  öffentlich 
anzugreifen,  wenn  fte  audj  im  ©eljeimen  bagegen  nodj  fo 
feljr  erbittert  fein  mögen.  @tne  Ziehe  (Sottet,  bie  OTeS 
-auf  ilm  jjinbegieljt  unb  fidj  gan§  axi  if)n  In'ngibt,  bk 
Lottes  l>öd)fte  3ttajeftät  über  OTeS  eljrt,  bie  ©otteS  Ijödjfter 
2BeiSl)eit  ftdj  bereitwillig  überlädt,  bie  ©otteS  pd)fter 
Wlafyt  ftd)  bemütlng  unterwirft,  bk  auf  ©otteS  l)ödjfte 
©üte  unbebingt  oertraut,  bie  ©otteS  ^eilige  ©eredjttgfett 
allein  furztet,  bie  ©otteS  ewige  (Seligfett  mit  9ftutl)  er* 
ftrebt  unb  mit  ffnblidjer  guoerfidjt  Iwfft;  —  unb  biefe 
Siebe  ©otteS,  bie  fid)  von  ©Ott  überleitet  auf  Sitte,' bie 
©otteS  23ilb  an  ftd)  tragen  unb  bie  baljer  wteber  nur  in 
©ott  unb  um  ©otteS  willen  geliebt  werben ;  eine  2)emutl), 
bie  ftd)  felbft  üergiftt  unb  mit  ber  regten  §anb  ©uteS 
tl)ut,  olme  ba$  bie  lirite  eS  weife,  \a  bie  nad)  bem  Beifall 
ber  3ftenfdjen  unb  nad)  ber  2ld)tung  ber  2öelt  fo  wenig 
Jjafdjt,  ba$  fie  es  aud)  r>erad)tet,  oon  ber  Söelt  veraltet 
p  werben;  eine  Sanftmut^,  bk  ben  ©d)lag,  ben  fie  auf 
bie  redete  Söange  erhält,  mit  ber  £tnreidjung  aud)  ber 
anbern  SBange  erwiebert;  eine  Sßerfölmlidjf eit,  bk  bie  er- 
fahrenen Unbilben  fdjnell  unb  elje  nodj  bie  ©onne  unter- 
teilt, vergibt  unb  bem  SSeletbiger  glü^enbe  $ol)len  aufs 
§aupt  ftreut;  eine  ©eredjtigfeit,  bk  ^iemanbem  was  fdjul* 
big  bleibt,  unb  felbft  lieber  taufenbmal  Unredjt  leibet, 
als  ein  einiges  SM  Unrecht  tlmt;  eine  $eufd)l)eit  unb 
§er§enSrein^eit,  für  bie  audj  jeber  leife  unreine  ©ebanfe 
ein  2lbfdjeu  ift,  bk  als  fianbeSmäfcige  niemals  bie  ©ren^e 
beS  ©eftatteten  überidjrettet  ober  als  l)öljere  jungfräuliche 
Steinzeit  im  fierblidjen  Seibe  baS  £eben  ber  @ngel  nafy 

3toeitc8  6if<$öfK<$e§  2Bort.  4 


50  3w>eto§  ©efpräd&. 

aljmt,  eine  TOfcigMt  unb  @elbftbel)errfd)ung,  bk  nid^t  %u* 
frieben  bei  verbotenen  $ergnügenl  ftd)  $u  enthalten,  oft 
aud^  ba$  erlaubte  ftdj  »erjagt,  ober  bie  auf  eiuer  nodj< 
f)öl)ern  Stufe  iljr  ein§igel  Vergnügen  bariu  ftnbet,  ber 
ftnnliä)en  Vergnügen  §u  entbehren,  eine  Liberalität,  ®üte 
unb  3ftenfä)enfreunblid)feit  ,  bk  fidj  befonberl  gegenüber 
bm  Ernten,  ©ülflofen  unb  $erlaffenen  erroeifet  unb  beut 
9Md)ften  ni$t  blol  mit  Eingegebenen  2llmofen,  fonbern 
m<§  ©rforbern  ber  Umftänbe  aud)  auf  Soften  itjrer  $e* 
cfuemlidjf ät,  it)rer  gretljett  unb  iljrel  Sebenl  bient;  l)ierp 
no$  bk  früher  unb  felbft  üou  ben  größten  menfd)lid)en 
Söeifen  üerfannte,  je|t  rokbex  anerkannte  Söürbe  bei 
2öeibel,  bal  rviebex  anerkannte  3Jtenfdjenreä)t  bei  6clat»eu 
ober  bei  geroöljnlicljfien  Arbeiter!  unb  $neä)tel,  bk  ©eilig* 
feit  ber  @l)e  unb  ber  gamilie,  ba§  um  Ottern  unb  Mnber^ 
um  §errfd)aften  unb  £>ienftboten  gefdjlungene  23anb  roedj= 
felfeitiger  Siebe,  ber  liebeoollen  gürforge  oon  ber  einen, 
ber  liebeootten  banfbaren  ©rmieberung  unb  £reue  von, 
ber  anbern  Buk:  wer  erfennt  unb  berounbert  nidjt  bie 
6<$önl)eit,   Sfteinljett  unb   $ottfommenl)eit   einel   folgert 
<5ittengefe§el?    Unb  ift  mol)l  baä  2öort  ©djeufal  ein 
gu  (tarier  9tame  für  ben,  ber  au$  ein  foldjel  @ittengefe| 
nod)  begeifern  fann?   Offenbar  rurjen  aber  biefe  Leeren 
bei  äjriftlidjen  6ittengefe^el  auf   bem  ©runbe  ber  ge* 
Ijeimnigt-ollen  Leeren  be^  djriftlidjen  ©laubenl,  unb  fie 
jrfnreben  olme  biefe  Ijattlol  in  ber  Suft.    ©ie  werben  m 
ber  l)eil.  <£d)rift  überhaupt  ntdjt  abgeriffen  für  fiä)  unb 
getrennt  von  ben  SSa^r^eiten  be^  ©laubenl  oorgetragen. 
fonbern  immer  nur  im  engften  Sufammen^ange  mit  biefen 
unb  gtei^fam   nur   all   praftifdje  Folgerungen  baraul, 
^Jlärjme  man  §.  23.  aul  ber  djriftlidfjen  Religion  Innmeg, 


gwetteS  ©ejprädj.  51 

bie  Mfommenljeiten  ©otteS,  bie  Siebe  be3  $ater3,  bie 
3ftenfd)tt)erbung  be$  ©olmeS,  ben  in  ben  roatjren  ©laubigen 
waltenben  unb  nrirfenben  §eü.  ©eift,  alfo  ba$  ^e^re  SDogma 
t)on  ber  göttlichen  SDreieinigfeit,  wo  tyätte  bie  maljre  djrifU 
lid)e  9läd)ftenliebe  nod)  ein  $or*  unb  Sttufterbilb,  wo  ^ätte 
fie  nod)  3Jtotio  unb  Stü&e?  @3  folgt  alfo,  ba&  idj  bem 
SBaumetfter,  ber  ein  fo  l)errlicl)e3  Räumer!  ftttlidjen  £eben£ 
aufgeführt  l)at,  nidjt  fagen  barf,  bafc  er  einen  fd&te^teu 
©runb  gelegt ;  trietmeljr  mufj  id)  au£  ber  offenbaren  ©d)ön* 
J^eit  beffen,  roaS  fid)  mir  §eigt,  notljroenbig  fdjltegen ,  bie^ 
felbe  2ßei3l)eit  Ijabe  mit  bem  23auroerfe  audj  ba3  gunba* 
ment  in  lieber einftimmung  gebracht,  raenn  id)  aud)  biefe3 
gunbament  feiner  geftigtett  unb  £)auerl)aftigfeit  nad)  mdjt 
fefyen  unb  an  ftd)  nic^t  beurtl;eilen  Jann,  ob  e3  mirflic^ 
t)on  ©ott  felbft  gelegt  fei.  Unb  idj  nrieberfjole  aud)  l)ier 
mieber  mein  früheres  ©ntroeber  —  Dber;  entmeber 
man  mufe  felbft  bie  djriftlidje  Sittenlehre  »erroerfen,  fie 
in  i^rer  6d)önl)eit  unb  §eitig!eit  antaften,  alfo  ein  ©djeufal 
fein,  ober  man  muj3  aud)  bie  d)riftlidje  ©lauben3lel)re,  alfo 
baä  gange  leibhaftige  @l)rifientl)um  als  göttlid)  anerfennen. 
@ine  brüte  3Köglidtfeit  ift  nic^t  benfbar. 

Qdj  könnte,  um  mein  Argument,  ba§  id)  aus  ber 
ßetjre  Gl)rtfti  ju  ©unften  feiner  göttlichen  ©enbung  unb 
SBürbe  ableite,  nod)  tiwaä  mel;r  auSgufdjmüden ,  nod)  an 
t>erfdjiebene  anbere  Umftänbe  erinnern ;  idj  könnte  erinnern 
an  bk  innere  eingeborne  ßraft,  womit  fie  olme  bie  $utf)<xt 
menfdjlidjer  23erebtfamfett  unb  überhaupt  olme  alle  menfdj* 
lidje  £ülf£mittel,  bk  ja  befannttidj  itjren  erften  SSerfünbigern 
ntd)t  §u  ©ebote  ftanben,  ftdt>  bie  Sßelt  eroberte;  id)  fönnte 
erinnern  an  bie  2Jlenge  ber  gürften  unb  ©emaltl)aber,  mie 
ber  ftotgen  ©ele^rten  unb  Reifen,  bie  anfangs  %  nriber* 


52  fettes  ©efpräd^  - 

ftrebt  unb  bann,  burdj  i^re  fülle  innere  3fladjt  bedungen, 
bemütljig  ba3  £aupt  unter  fie  gebeugt,  an  bk  jal)llofen 
3D^ärtt)rer,  bie  il)r  23lut  für  fie  üerfpri^t,  an  alle  bk  fyh 
benmüt^igen  Opfer  ber  Selbftüertäugnung  unb  @ntfagung, 
bie  bie  Sftenfrf^eit  tyi  gebraut  unb  an  ben  innern  grieben, 
ben  fie  bafür  von  tyv  ^urücfempfangen,  an  bie  3Jtaffe  üon 
SBeifpielen  l)elbenmütl)iger  Stugenb  unb  übermenfdijlidjjer 
^eiligfeit,  bie  fie  nidjt  allein  in  ben  erften,  fonbern  in 
ollen  Qaljr^unberten  f)eroorgebra<$t,  an  ba$  regelmäßige 
2tufbtüljen  unb  ben  ^luffdfjnmng  ber  Nationen,  wo  fie  an^ 
erfannt,  an  ben  regelmäßigen  Verfall  berjenigen,  mo  fie 
sertoorfen  raarb,  —  furj  an  bie  gan§  neue  ©äjöpfmtg,  bk 
fie  f)eroorgebrad)t,  eine  ©djöpfung,  bie  in  i^rer  2irt  fogar 
noä)  l)öl)er  fteljt,  aU  bk  erfte  6djöpfung,  fo  ba%  wenn  ©Ott 
ber  Urheber  ber  erften  ©tf)öpfung  niä)t  §ugleidj  ber  Ur- 
heber biefer  feiten  6d)öpfung  ift,  er  Urfadfje  fyätte,  ben 
Urheber  biefer  feiten  ju  beneiben:  an  alle  biefe  SDinge 
fönnte  id)  erinnern.  2htdj  baran  fönnte  i§  erinnern,  bafy 
eine  adf)tsel)nl)unbertjäl)rige  unb  oft  nodj  fe§r  parteiifdi 
feinbfelige  ©rforfdjung  unb  SDurdtjforfdjung  biefer  £e§re 
il)r  nod)  immer  nidjts  §at  angaben  fönnen.  3Jlan  jeige 
mir  bie  pl)ilofopl)ifdje  ober  bloß  menfdjlidje  £el)re,  bk  eine 
foldje  $robe  beftanben  l)at.  $ielmel)r  Jjat  fyier  immer, 
raa3  ber  Vorgänger  aufbaute,  ber  üftadjfolger  mieber  meber 
geriffen,  ber  oon  bem  barauf  golgenben  nrieberum  bes 
Qrrtlmmg  überführt  nmrbe:  alfo  überall  Qrrt^um,  S^wm 
recljt3  unb  Qrrtljum  lutfö,  üiellei^t  vermengt  mit  einigen 
Stöxnfyen  2öal)rl)eit ;  nur  ber  djriftltdjen  £el)re,  iljrer  ©lau^ 
benSleljre  fo  toentg,  raie  il;rer  (Sittenlehre  ift  U$  \e%i 
ein  ^rrtljum  nodj  nadjgenriefen  morben;  benn  baä  $8e= 
müfyen  nafemeifer  9Jlenfdjen,  fie  an  biefer  ober  jener  ©teile 


3n>eite§  ©efpräd^.  53 

tintZ  SrrtfmwJ  §u  überführen,  ^at  fitf)  nod)  jebeSmal  in 
£>unft  unb  Hiebet  aufgelöst,  unb  i$re  SKa^r^eit  ift  am 
jeber  SSefämpfung  nod)  immer  ftegreicf)  unb  mkl  neuem 
®lange  hervorgegangen.  SlHeS  (jat  fi$  in  ber  SBelt  ge* 
änbert  unb  änbert  fitf)  täglid),  nur  fie  allein  tjat  ftcf)  nidjt 
geänbert,  audj  nod)  in  feinem  Qota;  menfdjlic&e  SBerfe 
unb  Stnftalten,  bie  für  eine  ewige  ©auer  gegrünbet  fdjie* 
nen,  finb  oft  fur§e  3eit  nadj  ifjrer  ©rünbung  wieber  in 
edmtt  unb  6taub  verfallen;  für  aüe3  einft  9ftäd)tige, 
(Sroße,  Slü^enbe,  roa$  einen  nur  menfcpdjen  Urfprung, 
IjatU,  tarn  hi$  je|t  immer  nod)  ein  le^ter  £ag;  alles 
3Md)tige,  fo  mäd)tig  e3  fdjien,  wtd)  immer  einer  no$ 
großem  9ftadjt,  ber  unwiberftefylidjen  Wlafyt  ber  3e^- 

ttnb  warum  ift  nun  bie  <$riftlid)e  £e^re  ba§  (Sinnige 
in  ber  SBelt,  roa$  biefer  unwiberftel)lid)en  9ftad)t  aHeitt 
wiberftanben  §atf  xoa$  mitten  im  ©trome  be3  2öed)fel3 
unb  ber  SSeränberung  ber  $)inge  allein  fidj  nidjt  t)erän^ 
bert,  wa3  alles  Slnbere  in  ber  2ßelt  überlebt,  fid)  aber 
felbft  nidjt  überlebt  l>at,  t>ielmel)r  überall,  wo  fie  aufge* 
nommen  wirb,  jefct  nod)  ebenfo  jugenbltdj  frifdj  unb  fräftig 
wirft,  wie  am  erften  £age  iljrer  SSerfünbigung? 

3dj>  frage  ©ie,  meine  Ferren,  ift  benn  SItteS  ba$ 
ttid&ts? 

@nblidj  erlaube  idj  mir,  nod)  an  einen  gang  fleinen, 
aber  wie  mir  fd)eint,  bodj  nidjt  gang  unwichtigen  Weben* 
umftanb  p  erinnern;  er  betrifft  bie  eigentümliche  2irt, 
wie  ßljriftuS  feine  Se^ren  oorträgt  unb  mitteilt,  ©ie 
©laubenlge^eimniffe,  bie  er  le§rt,  man  mag  fonft  barüber 
benfen,  roie  man  will,  finb  jebenfaEte  SDinge,  fo  groß  unb 
ergaben,  ba%  fie  gleidjfam  £immel  unb  @rbe  in  Bewegung 
fe|en  unb  bie  fittlidjen  £el)ren,  bie  er  oerfünbigt,  fäen, 


54  3«>eite§  ©efpräd). 

tüte  mir  eben  gehört,  in  ben  @rf)ooJ3  her  9ftenfd$eit  eine 
grojse,  unermeßliche  <5aat  au£  unb  finb  etroaS  fo  <Sdjöne£ 
unb  SBottlommene^  baft  etnml  Spötterei  unb  $oflfomme  = 
ttere£  nid)t  gebaut  toerben  fann. 

Unb  roie  trägt  er  nun  biefe  feine  rjoljen,  gleid)fam 
§immel  unb  @rbe  au3  ben  Engeln  ^ebenben  Seljren  unb 
SMjrrjetten  t)or?  @troa  nadj  2Irt  menfdjlidfjer  SBeifen  mit 
ftofyem  Sftebefdmxud:  unb  mit  bem  $omp  menfdjltcrjer  iöe* 
rebt^amf eit  ?  3m  ©egentfjeU,  über  ba<3  ©röfjte  unb§öd)fte, 
maS  e3  gibt,  fprid;t  er  fo  einfad)  unb  fafjlidj,  bafe  e3  ein 
$inb  t>erftet)t,  er  fpridjt  von  jenen  ®lauben3gel;eimniffen 
fo  ungezwungen,  ungetunftelt  unb  natürlich,  aU  ob  er  in 
tlmen  geboren  märe,  unb  von  jenen  großen  fittlidjen  Sei;* 
ren,  als  ob  fie  fid)  gan§  üou  felbft  t>erftänben.  2)iefe 
<£infa$l)eit  unb  gafjlidjfeit  feinet  Vortrages,  biefe  $opu^ 
(arität  im  ebelften  unb  rjödjften  Sinne  be£  SöorteS  ift  ganj 
unnad)al)mltdj.  SJlan  §at  gefagt,  bas  befte  $u<$  fei  ba$* 
jenige,  ba$  fo  getrieben,  baß  Qeber,  ^er  e3  lefe,  glaube, 
baß  er  es  audj  l)abe  fdjretben  !önnen:  unb  e3  gibt  hin 
23ud)  in  ber  2öelt,  raaS  in  biefer  £inftd)t  ber  Seljre  Qefu 
ben  9fang  ftreitig  machte,  bm  Supern  ber  vm  ©oangelien, 
worin  biefe  £et)re  auf  gewidmet  ift.  Man  rjat  gefagt,  ber 
©ipfel  ber  ihtnft  fei,  ba$  ©djroere  unb  ®ro&e  leidet  be> 
^anbeln,  unb  biefe  gorberung  fjat  ©r)riftu§  mit  unüber* 
troffener  unb  unübertrefflicher  9Mfterfdjaft  erfüllt.  ®a$, 
was  er  Iet)rt,  ift  ba3  benfbar  ©roßte  unb  6d)roerfte,  unb 
ebenfo  groß  ift  bk  Setdjttgtat,  ga&lidtfett  unb  ©infadjrjeit, 
womit  er  eS  letjrt. 

3$  benfe,  meine  Ferren,  <Sie  Ijaben  an  bem  ©e^ 

ogten  genug.    QebeS  einzelne  ber  genannten  $eroei3ftücfe 

reidjt  Irin,  bk  ©  ott^eit  Qefu  ßtjrtfti  bamit  *u  betoeifen: 


3n>ette§  (Sefprädj.  55 

bie  in  if)tn  erfüllten  2Mffagungen  be3  alten  23unbe<3 ,  bie 
.§eiligfeit  feinet  £eben3,  feine  ©elbftbefenntniffe,  feine  2Bun^ 
ber  unb  Söeiffagungen,  feine  fielen  unb  feine  ßeljrroeife. 
Unb  wenn  ftdj  nnn  alle  biefe  einzelnen  $eroei3ftüd:e  gu* 
famment-ereinigen,  fo  fann  baburd)  tl)re  33eraei^fraft  woljl 
üerftärft,  aber  nimmermehr  gefd)toädjt  roerben ;  unb  meine, 
$*)nen,  £>err  §ofratf),  fo  mißfällige  $el)aur»tung,  ba$  ber 
teblidje  gorfdjer  §ur  Anerkennung  ber  göttlichen  2Sal)rl)eit 
be£  (£l)riftentl;um3  unb  ber  ©ottljeit  it)re^  ©tifterä  gerabe^u 
genötigt  roerbe,  wieberljole  idj  rjier  mit  aller  3w>erftdjt. 
Wlan  fagt  fo  oft,  ber  (Glaube,  nämlid)  ber  ©laube  an 
€l)rifiu3,  fei  fdjroer,  unb  felbft  ber  Slpoftel  fagt,  ber  ©laube 
fei  nidjt  Sebermann^  ©adie;  man  iann  aber  aud)  umge* 
fel)rt  fagen,  nid)t  gu  glauben,  fei  audj  ferner  unb  man 
muffe  fiel;  gleidjfam  3)lül)e  geben  unb  ®ematt  anraenben, 
um  be3  ($lauben3  ftcf)  ju  erwehren.  Qdj  roerbe  hierbei 
an  jene  SBorte  in  pet  „altern  ©cenen  aus  bem  3al)r^ 
marft^fefte  ju  PunberSweiler"  hei  ©oetlje  erinnert,  bit 
i)kx  vooty  angebracht  fein  bürften: 

„£)u  roeißt,  wie  fiel  e3  un^  9Mlje  gemalt, 

23i3  mir  e3  l)aben  fo  raeit  gebraut, 

2ln  £errn  (Sljriftum  nid&t  §u  glauben  me§r, 

2Ste'3  t^ut  ba$  große  $öbel*§eer. 

2öir  l)aben  enbltdj  erfunben  fing, 

Sie  SSibel  fei  ein  föled&teS  $ud&, 

Hub  fei  im  ©runbe  nidjt  mel)r  baran, 

2113  an  ben  ßinbern  §aimon. 

SDarob  mir  benn  nun  jubiliren, 

Unb  IjeralidjeS  TOletb  fpüren 

Mt  ben  armen  @d)elmen=§aufen, 

:2)ie  nodj  §u  unferm  £err*©ott  laufen, 


56  ßroeiteg  ©efpräcfc. 

2lber  nrir  motten  fte  halb  belehren, 

Unb  §um  Unglauben  fte  beeren, 

Unb  laffen  fte  fidj  'roa  nid^t  toeifen, 

60  fotten  fie  alle  Teufel  jerreißen." 

OTerliebft,  unterbradf)  miä)  §ter  $raf  SuliuS,  bent 
ba3  Singe  vor  greube  ftralilte.  Qa  rooljl,  erroieberte  id), 
aEerliebft,  £err  ©raf.  Unb  idj  roünfdfjte,  baß  audj  <&k 
niemals  vergeffen  raollten,  rate  ein  tuafjrfjaft  reblidljeio  unb 
vernünftige^  gorfdfjen  o&ne  große  SD^lü^e  an  bm  ©lauben 
mdfjt  vorbei  fommen  fann,  unb  wie  man  im  Qntereffe  ber 
<$riftlid(jen  Religion  nidfjt  bk  Vernunft,  tvolil  aber  bie 
Unvernunft  §u  fürdfjten  Ijat.  23efonber3  aber  tvünfdfjte 
idj,  motten  btefeS  3#re  beiben  greunbe  ^ter  bebenden, 
freiließ  jeber  von  ilmen  in  einem  anbern  (Sinne.  Qa, 
meine  §erren,  idj  mieber^ole  e8,  gebraust  man  raal)rl)aft 
feine  Vernunft,  fo  muß  man  gletdftfam  ©eroalt  anroenben, 
um  an  @I)riftu3  nidfjt  gu  glauben.  3ftan  !ann  rool)l  ©taufr 
aufregen  unb  in  bk  £öl)e  roerfen,  um  nur  fagen  gu  fön* 
nenf  ba%  man  bie  ©onne  nid^t  felje,  unb  biefeS  ift  mfy 
ben  SBorten  be<3  fjl.  2lugujttnu3  ba3  Unterfangen  SDer* 
jenigen,  meldte  (S^riftuS,  bie  6onne  ber  Söa^rljett,  6e* 
fämvfen.  Slber  auslösen  ober  verftnftem  roirb  man  biefe 
geiftige  6onne  nidfjt  —  bafür  ift  fd)on  geforgt;  ftdfj  felbft 
verftnftem,  inbem  man  fidfj  von  ber  6onne  roegroenbet 
unb  fjinter  allerlei  Slbgefdfjmadftljeiten ,  roie  hinter  einer 
bieten  unburdjbringüdfjen  Üftauer  fidjj  verfdfjan^t,  ba3  ftc^t 
natürlich  bem  ©ingeinen  frei. 

(£ommercien*9tatl).  3a,  roenn  man  3fynen,  §err 
23i?djof,  3$re  ^rämiffen  §ugibt,  bann  mögen  Sie  roo§l 
$le<§t  §aben ;  roie  aber,  mm  man  auf  einmal  bem  gaffe 
ben  $oben  auflägt  unb  mit  ber  Sled^eit  unb  ©laub* 


ßroeiieä  ®efprädj.  57 

mürbigfeit  ber  (hangelten  bie  ganje  rjiftorifdje  Sßa^r^eit 
ber  $efd)idjte  Qefu  (Srjrifti  in  bie  £uft  fprengt? 

Qd)/  £>a3  nenne  id)  eben,  §err  ßommercien^atl),, 
bal  ®eroaltanroenben  nnb  ba£  ftd^  Sßerfdjangen  Ijinter  21b* 
gefd)madtl)eiten.  £)te  genügen  tonangebenben  ©egner  be£ 
©^riftent^um^ ,  (Strauß,  9ftenan  unb  ©enoffen,  finb  ge= 
fdjeibt  genug,  nm  ein^uferjen,  bafj,  roenn  man  bie  in'ftorifdje 
SSalirljeit  be3  @l)riftentl)um3  §ugibt,  man  bei  gefunbem  $er* 
ftanbe  an  ber  2lnerfennung  ber  göttlichen  2©afyrf)eit  be3  &§xu 
ftentl)um3  nidjt  oorbei  fommen  fann ;  unb  ba$  bk  frühem 
üblichen  rattonaliftifdjen  @rtBrung3roeifen,  j.^ö.  berSSunber 
(grifft,  bodj  etroal  §u  lädjerltcl)  finb :  fie  machen  ftd)  barjer  bk 
<&aü)e  leichter;  fie  nennen  bie  gange  rounberbare  ®efd)id)te 
be§  @l)riftentl)um3,  ba$  £ebzn  Qefu,  roie  e3  bk  oier  (£üan= 
gelien  un3  barftetten,  für  einen  Vornan  unb  fdjütten  alfo 
baä  $inb  mit  bem  53abe  aus.  2)a3  <Sd)limmfte  bei  ber 
&aä)t  ift  aber,  bafj  fie  baburdj  ben  gefunben  9Jlenfdjen* 
oerftanb,  für  ben  fie  ja,  fo  ju  eifern  fdjeinen,  eben  fo  fe^jr 
in  bie  ^nge  bringen,  roie  bie  früljem  orbinären  Sfta* 
tionaliften.  ©ie  fe|en  nur  an  bk  stelle  ber  einen  2lb* 
gefdmtadtljeit  bk  anbere,  furg  fie  brausen  ©eroalt,  unbr 
inbem  fie  nad)  Syrern  SluSbrude  bem  gaffe  ben  93oben 
auflagen,  fdjlagen  fie  ber  ©ef^i^te  in3  2lngefid)t. 

(Sommercien  =  9iatl).    2öie  fo? 

Qdj.  Qdj  roill  meinen  2Iu3bru(f  ganj  roörtlidj  t>er* 
ftanben  roiffen ;  roenn  man  bk  ®efdjid)te  be3  @oangelium£ 
oerroirft,  muß  man  Ottern,  roaS  ®efd)id)te  rjetgt,  ben  $rieg. 
erflären.  @3  gibt  fein  ®ef<$idtt^bu$ ,  beffen  2ledjtl)eit  fo 
oon  greunb  unb  getnb,  mit  fo  bir»lomatifd)er  (Senautg* 
feit,  burd)  fo  öffentlidje  Urtunben  unb  fo  gleich  oon  2tn* 
fang  bezeugt  unb  verbürgt  roäre.   Unb  mal  bk  ®laub* 


i58  groeiteä  ©efpräd&. 

würbigfeit  ber  Sßerfaffer  biefer  Schriften  betrifft  (fie 
waren  Augenzeugen  ober  ©<$üter  r>on  Augenzeugen  beffen, 
voaä  fie  fdjriftlidfj  aufge^eidmet,  unb  t)on  i^rer  @l)rttd)feit, 
Unbefangenheit  unb  2Baljrl)eit3liebe  gibt  jeber  ©a(3,  ben 
fie  getrieben,  ä^gnig),  fo  fann  ebenfalls  fein  anberer 
®efd(jtd)t3fd)reiber  bie  $robe  mit  ilmen  befielen.  3)en 
2)etail*S8eroei3  bafür  merben  (Sie  fyter  von  mir  nid)t  t»er= 
langen.  @3  tonnte  aud)  nur  eine  Sßieberliolung  beffen 
fein,  roa3  hierüber  oon  ben  tüdjtigften  unb  oorurtfjeiü* 
freieften  gorfdfjern  fd)on  Imnbertmal  gefagt,  aber  hi$  jegt 
nod)  nid)t  miberlegt  ift.  SDenn  audf)  bk  eben  genannten 
neueften  Gegner  be£  @l)riftentl)um3  fämpfen  gegen  bie 
l)tftorifd)e  2öal?rl)eit  beffelben  nid)t  mit  gefd^ii^tli^en  ©rün* 
ben,  bie  bod)  rjier  allein  mafegebenb  finb,  fonbern  mit  ben 
ßuftftreidfjen  ir)rer  leeren  (Sinbtlbungen.  $on  Allem,  mas 
fie  fagen,  ift  be3  Rubels  ton  immer  nur:  e<3  fann  nidljt  fo 
gefd)e§en  fein;  benn  e%  merben  lu'er  Söunber  ergäbt,  unb 
3öunber  finb  nidjt  möglidfj.  Söenu  bieä  feine  mittfürUc^e 
(^etoattt^at  unb  Unvernunft  ift ,  fo  gibt  e3  feine.  Unb 
audj  hierbei  bleibt  e§>  nod)  nifyt  einmal.  £)enn  gefegt 
-audf),  bk  vkx  ©oangelien  wären  nidjt  ba  ober  mären  nidjt 
ädf)t  ober  glaubroürbig,  fo  ift  bod)  nodf)  bie  Apoftelgefdjidjte 
ha  unb  fo  finb  bodfj  nodfj  bie  Briefe  ber  Apoftel  ba',  benn 
bie  Aecfjtljett  biefer  ©Triften,  menigften£  ber  meiften  biefer 
6d)riften,  roirb  felbft  von  ben  blinbeften  (Gegnern  ber 
dfjriftlidjen  Religion  nidjt  angefaßten.  Unb  ift  benn  ber 
€l)riftu3  ber  Apoftelgefd)id()te  unb  biefer  anbern  neu* 
teftamentlidjen  ©Triften  etma  ein  Ruberer,  ai3  ber  ber 
trier  ©tmngelien?  begegnen  mir  nid)t  audfj  tjier  faft  bei 
jebem  ©d&ritt  au3brüdlid)en  ober  r»erf$miegenen  £in* 
Reifungen   auf  ba$  Uebernatürlidje  feinet  2eben3   unb 


3roeite§  ®efprädj.  59 

feiner  ©efdfjtdfjte,  baä  man  in  ben  (hangelten  oertrirft  unb 
wegen  bejfen  man  bie  @oangelien  fetbft  t)ernrirft:  fein 
armes,  befdjeibneS,  niebrigeS  Sebcn,  fein  BeftänbigeS  28ol)l* 
fym  unb  feine  beftänbtge  Verfennung  unb  Slnfeinbung 
von  Seiten  mifjrootfenber  unb  unbanfbarer  Timern,  fein 
fortroäljrenbeS  $reu§tragen  unb  bie  unbefteglidjje  ®ebulb, 
womit  er  e3  trug,  feine  Verklärung  unb  feine  eudjariftifdje 
Dpferfeier,  fein  fdfjmadjo  oller  %ob  am  trenne,  feine  Stuf* 
erfte^ung  unb  Himmelfahrt,  furj  l)ier  unb  bort  biefelben 
übernatürlid&en  S£l)atfadjen  unb  biefelben  übermenfd)lidf)en 
£ugenben,  biefelben  blinben  üerfolgung^fü^tigen  g-einbe 
unb  biefelbe  begeifterte  Ziehe  unb  2lnl)ängliä)Mt  fetner 
jünger,  alfo  Ijier  unb  bort  ber  nämlidfje  ©rjriftu^.  £)a3 
SBunberbare  unb  ®öttlid(je  feinet  SebenS  unb  SöirfenS 
§ätte  man  ba^er  nodj)  immer  nid)t  toeggef^afft,  toenu  man 
audj  bie  ©oangelien  toeggefdjjafft  l)at  tlnb  l)ätte  man  enblidj 
fogar  audlj  nod)  biefe  le|tern  23eftanbtl)etle  ber  1)1.  6d)rift, 
bie  2lpoftelgefd)td(jte  unb  bie  apoftolifdfjen  Briefe  roeggefd^afft, 
fo  Ija'tte  man  ba<§  gange  $ätl)fel  felbft  aud)  bamit  nod) 
ntdfjt  gelöfet  3)ie  SBunber,  bie  man  §ur  Vorbertl)üre 
I)inau3tt)eifet,  mürbe  man  genötigt  fein,  §ur  §intertl)ür 
mieber  ^ereinplaffen ;  benn  o^ne  Söunber  gel)t  es  nun 
mal  beim  (£l)riftentl)um  burdjauS  nidfjt  ab.  (Sin  2ßunber 
tft  feine  erfte  (Sntftel)ung  unb  Verbreitung,  ein  Sßunber 
ift  ba§  9Jtartr)rium  fo  trieler  Staufenbe  von  9ftartt)rern, 
ein  Söunber  bie  übermenfd)lidje  §eilig!eit  be3  ja^llofen 
leeres  c^rtftlid^er  gelben  ober  Heiligen. 

@ommercten*9tatl).  @3  ba'udfjt  mir,  Herr  Vtfdfjof, 
6ie  bürften  S^ren  ©egnern  rooljl  feine  ©opfjtfttf  vor* 
merfen,  ba  @ie  felbft  baoon  nidrt  raenig  angeftedt  fd)einen; 
benn  tdj)  felje,  OTeS  triff en  ©te  ja  §u  Ottern  ju  madjen 


60  Bweiteä  ©efarädj. 

unb  e3  für  ^ren  3weä  p  aerwertljen.  gdj  will  wetten, 
an  plaufiblen  $rünben  wirb  t§>  iglmen  audj  für  ba3  l)ier 
®efagte  gewi§  wieber  ntd&t  fehlen;  —  iä)  bin  aber  je|t  p 
abgefpannt,  um  S^nen  auf  biefem  Gebiete  weiter  p  folgen. 
Unb  bin  ify  bodj  einmal  bap  t>erurt§eilt,  nod)  ferner 
foldje  Materien  t)er^anbeln  p  ijören,  fo  bitte  tdfj,  wenig* 
ften3  mid)  jefct  bamit  p  nerfdjonen }  benn  für  je§t  bebarf 
iü)  ber  Sftulje  unb  ber  @rl)olung. 

Qd).  Saftig  will  id)  kirnen,  §err  ©ommercien^at^ 
gewift  nidjt  werben.  3$  gönne  Qljnen  bie  gewünfd)te 
9tul)e  t)on  £erjen:  aber  üergeffen  ©ie  aud>  nid^t:  „e3  ift 
fd)wer,  gegen  btn  ©tadjel  p  fdilagen"  unb  gefetten  ©ie 
fiä)  nur  nidjt  ber  ©efettfdjaft  ber  jenigen  p,  bie  fid&  ein* 
anber  felbft  gefielen  muffen: 

„$)vl  wetfjt,  wie  triel  e£  uns  2Jlül)e  gemalt, 

„33iS  wir  e£  Ijaben  fo  weit  gebraut, 

„2ln  §errn  @l)riftum  nid^t  p  glauben  meljr, 

„2öie'3  tfcut  bal  grofee  pbet^eer." 
Unb  hiermit  benn  für  bie^mal  ©Ott  befohlen  1 


2)ritte$  ®eforäd|. 

m  Xeött  ein  grojjer  <£&bflcu3 
3fttt  feinen  @<$uli>ertoanbten: 
„Nil  luce  obscurius," 
3o  tooljU  —  für  Dbfcuranten. 
(@oet$e.) 

ptefelmal  ergriff  gegen  OTer  ©rroarten  perft  ber 
(£ommercie'n*9tatl)  baä  SBort,  gleidj  al3  ob  er  burdj 
biefeS  beljenbe,  freiwillige  Söieberaufneljmen  unferer  geftrigen 
religiösen  Unterhaltung  fein  früheres  Unrecht  l)abe  füfynen 
ober  t>ielmel)r  ben  Vorwurf  religiöfer  ®leiä)gültigfeit,  wo* 
bur$  ii)n  £ag3  §uoor  fein  trüber  etn>a$  nnfanft  getrof* 
fen,  auf  eine  redjt  eclatante  Söeife  §abe  £ügen  ftrafen 
moEen.  2Sa3  @ie  geftern,  begann  er  in  aller  9tul)e  unb 
<Maffenljett,  ju  mir  tyutgeroenbet,  auf  meine  ©inwenbungen 
gegen  ben  2öunberbett)ei3  entgegnet,  fyabe  tdj  ^eute  faft  ben 
gangen  £ag  mit  mir  herumgetragen  unb  \§  madje  Q^nen 
ba$  Kompliment,  ba%  mehrere  meiner  SBebenfen  baburdj 
mirfftdj  gehoben  finb.  hingegen  §aU  idj  aber  nodj  ben 
men  unb  anberen  ©intoanb  in  petto  behalten,  unb  wenn 
6xe  mir  erlauben,  nenne  idj  3$nen  l)ier  gleidj  nod)  einen, 
roie  mir  fdjetnt,  fel;r  mistigen.  2Benn  nämiid)  Damals  §u 
@l)rtfti  3eiten  pr  $efräftigung  feiner  Se^re  äöunber  ge* 
f(§el)en  finb,  warum  gefdjaljen  @te  nidjt  gu  gletdjem  Qvotd 


62  drittes  ©efpräc§. 

audj)  in  ber  golge§eit,  ja  warum  gefd&eljen  ©ie  md)t  ju 
bem  nämlidjen  Swecf  e  nodj  tagtägltd^  ?  Qft  betm  bie  £anb,  bü 
bamate  biefe  2Bunber  gewirft,  je^t  t)ieEei<§t  abgefür§t  obet 
ftnb  bie  Beeten  ber  jefct  Sebenben,  bie  burcfj  fotd)e  SBunbet 
ptn  (Glauben  fo  leidet  befeljrt  werben  f  önnten,  in  ben  2lugeti 
<$otte3  etwa  weniger  wertl)?  3^  hüte,  löfen  @ie  mir  rtut 
nodfj  biefe3  @me  Sftätljfel,  bann  werbe  tcr)  ©ie  audfj  mit  feinen 
weiteren  ©inwenbungen  me§r  ju  behelligen  wagen. 

„£)iefer  3§r  (Sinwanb,  §err  @ommercien*9tatlj,  ifl 
ebenfalls  nicf)t  neu",  erwieberte  ic&.  £)enn,  mie  ber  £>tdfj; 
ter  fagt: 

„2öer  fann  was  3)umme3,  wer  wa$  Flügel  benfen, 
„£)a3  nid)t  bie  $orwelt  fcf)on  gebadet?" 
216er  aud^  bie  Antwort  barauf  blieb  bie  „$orwelf 
nidjt  fd^ulbig;  unb  voaä  fie  burd)  ben  Wlunb  ber  älterer 
$ircrjenlel)rer  barauf  geantwortet,  ift  felbft  r)eute ,  tro| 
unferer  faft  franfljaften  ©ud^t  ju  neuern,  nodfj  immer  nicfy 
veraltet.  ©Ott,  fagte  man,  Ijanbelt  immer  mit  Söei^ett, 
wenn  er  rjanbelt,  unb  er  wirft  baljer  aud)  feine  Söunber 
ni$t  olme  2Bei3l)eit;  er  wirft  fie  nie  olme  einen  Ijinrei* 
tfjenben  ©runb,  bamit  fie  niä)t,  wie  bie  großen  3Bunbet 
ber  Statur,  ganj  alltägliä)  werben,  wie  biefe  unbead)te1 
bleiben  unb  julefct  fid)  felbft  aufgeben.  '£>a3  $flän§cf)en 
begießt  man  worjl  mit  Gaffer,  aber  nidfjt  mel)r  ben  23aum. 
Unb  aud)  ba£  @l)riftentl)um  war  anfänglich  nur  ein  gartet 
^ßflän^en,  ^eroorgefpro^t  au£  einem  ©enfforne  unb  el 
beburfte  balier  ju  feiner  SBefeftigung  ber  9ted(jl)ülfe  burdjj 
ein  wunberbareS  ^Begießen ,  ^war  nicfjt  an  ftd),  boä)  um 
ber  6d()wad)l)ett  berer  Witten,  für  bie  e$  gepflanzt  war; 
nad)bem  e%  aber  einmal  ein  23aum  geworben,  unb  §war  ein 
23aum,  unter  beffen  Steigen  bie  $ögel  be3  £immei3  niften, 


drittes  ©efprädj.  63- 

it)Oj«  noäj  eine  fol<$e  beftänbige  $ftad$ülfe,  bie  wol)l  oft 
meniger  eine  ©tüfce  für  bie  ©djroadfjljeit,  als  eine  ©on^ 
ceffton  für  bie  Soweit  märe?  SDie  l)eEe  9ttittag«3fonne 
fteljt  audj  ba3  fdjroä'djfte  2luge;  um  fie  nidjt  gu  fe^enf 
mug  e£  ftdj  ratbernrillig  t)or  tyr  oerfdjliegen.  IXnb  ba& 
bie  mibernrillige  SBo^^ett  felbft  burd)  offenbare  SBunber 
uidrjt  befetyrt  roirb,  geigen  bte  $l)artfäer  be£  @oangelium3 
bod)  tiav  genug,  fie  fetten  bie  SBunber  (grifft  unb  miß? 
beuteten  fie. 

tiefer  erften  Slntraort  auf  ben  gebauten  ©inroanb1 
fügte  man  bann  auä)  rool)l  no<$  eine  jroeite  bei.  @3  ifi 
nidjt  fo,  fu^r  man  fort,  toie  i^r  Krittler  unb  groeifler 
un3  glauben  madjen  toottt;  —  bie  Duelle  ber  Söunber 
mag  in  ber  verbreiteten  $ird)e  fparfamer  fliegen,  nrie  in 
ber  erft  entfieljenben,  aber  fie  fliegt  barin  nodj  immer  (unb 
audj  bie$  fjatte  tyx  göttlicher  ©tifter  oorau^gefagt).  Man 
nrieS  bemnad)  bie  Krittler  unb  3rowffe*  auf  galjlreidje  im 
tarnen  ßljrifti  gefdjeljene  £eufel£au3tretbungen  tyn  unb- 
nannte  bie  S^gen,  t)or  bereu  2lugen  fie  gefdjeljen;  2Iugu* 
ftinu0  im  oierten  Qaljrlmnberte  wieä  auf  bie  Sßunber  lun, 
bie  fid)  hei  llebertragung  ber  Seiber  ber  1)1.  ©eroafiu^- 
unb  $rotafiu3  ereignet,  unb  roie  Diele  fonftige  fel>r  glaub* 
mürbige  Sßunberberidjte  finb  un3  nid)t  aus  ber  altem  Seit 
aufbewahrt  raorben? 

Qd)  §toeifle  aber,  §err  ßommeräenratl),  bafc  biefe 
Seridjte  oor  Qljrem  $id)terftufyle  ®nabe  finben.  2)enn. 
fo  glaubnmrbig  bezeugt  biefe  Söunber  ber  altern  unb  fpä* 
tem  S^ten  aud)  immerhin  fein  mögen  unb  fo  feljr  fie 
jeber  oorurt^eil^freien  Prüfung  ftilm  ins  äfageftdjt  feljen 
fönnen  (bie  Strenge,  momit  bie  SSunber  ber  ^eiligen  bei 
i^rem  (SanonifationSproceg  unterfudjt  merben,  ift  faft  fpridj* 


64  SDrittcö  ©efprädj. 

mörtlidj  geworben),  fo  glaubroürbig  bezeugt,  rate  bte 
2Bunber  be3  (£t)angelium3,  finb  fte  bodj  nidjt,  unb 
wenn  man  biefe  läugnet,  wirb  man  um  fo  weniger  jene 
anerf  ernten.  $)ef#aß>,  unb  weil  tdj  felbftrebenb  üor  Qrjren 
2tugen  fein  weitläufiges  3eu9enr)erPr  üorne^men  tann, 
will  td)  raegen  biefeS  fünftes  nidjt  raeiter  in  «Sie  bringen. 
SDefto  angelegener  aber  empfehle  idj  3r)rer  Veadjtung  ba3 
britte  2Bort,  roaS  bie  älteren  Server  ber  $ird)e  auf  jenen 
€inraanb  erwieberten,  unb  um  fo  meljr,  ba  Qlmen  l)ier 
gletdjfam  mit  <5dm)ars  auf  2Bei§  gebient  nrirb.  Unb  ba§ 
märe?  fiel  ber  (Sommercien=9tatrj  rjter  lebhaft  ein. 

3$.  @ben  baffelbe,  raorauf  idj  fdjon  geftern  anfpielte, 
als  ify  ^Imen  baä  Söunber  ber  Verbreitung  unb  ba£ 
2Bunber  ber  (Spaltung  beS  (Sl)riftentl)um3  nannte. 
£)enn  baS  finb  2)inge,  bie  §u  beurteilen  es  nidjt  nötl)ig 
ift,  bafj  man  mutante  <&tubwn  in  ben  „Elften  ber  ^eiligen" 
madje  unb  etma  bk  guten  Vollanbiften  burä)ftöbere  — 
fonbem  bie  jeber  fetjen  fann,  ber  fie  ferjen  rcill.  £)te  Söun^ 
ber  beS  ©tmngeltumS  finb  für  uns  uergangen  unb  bie 
SBunber  ber  2lpoftel,  fo  wie  ber  fpäteren  apoftolifdjen  unb 
^eiligen  Männer  finb  für  uns  vergangen,  infofern  nämlidj 
t>er gangen,  als  mir  fie  nidjt  merjr  mit  eigenen  äugen, 
fonbem  nur  mit  bm  äugen  anberer,  wenn  audj  nod)  fo 
glaubwürbiger  S^gen  ferjen:  aber  bk  ebengenannten 
2öunber,  baS  Söunber  ber  Verbreitung  unb  ba$  SBunber 
ber  (Spaltung  beS  ßrjriftentrjumS,  biefe  ferjen  mir  als  uns 
nodj  gegenwärtig ;  unb  in  biefer  £inftd)t  finb  mir  fogar 
üor  ben  Slpofteln  unb  ben  erften  Jüngern  (Srjriftt  beoor^ 
pgt;  fie  farjen  nur  ba$&Un  (grifft,  beS  §aupteS,  mir 
ferjen  baS  Seben  feines  gangen  SeibeS;  baS  gan§e®emälbe 
beS  ßebenS  ber  $ir$e  feit  ad)t§elm  Qabjrrjunberten  ift  oor 


SDritteä  ©efpräd).  65 

unfern  Singen  aufgerollt;  unb  jene  (Stelle  be^  1)1.  2lugus 
ftinuS,  bie  idj  nodj  biefer  Stage  las,  gilt  nodj  metyr  für 
unfere,  ate  für  feine  ßeit  „Qdj  üerweife  eudj  [e%t  ni$t, 
fagte  er  feinen  3eitgenoffen ,  auf  bte  SDinge,  bte  bamats 
im  ßanbe  3ubäa  gefcfyaljen  unb  oon  ben  bamals  Sebenben 
als  gegenwärtig  gefelien  werben  fonnten,  auf  C^rifti  wun* 
bare  ©eburt  von  einer  Jungfrau,  auf  fein  Reiben,  feine 
2luferftel)ung  unb  Himmelfahrt,  bwä  Ijaben  fie  gefel)en, 
flber  il)r  fönnt  es  nidjt  meljr  feljen.  9lein,  nidjt  was 
eudj  als  vergangen  ergäbt,  ober  als  §ufunftig  t>orauSt>er* 
fünbigt,  fonbern  tuelmeljr,  was  eudj  als  gegenwärtig  ge* 
$eigt  wirb ,  baS  möget  tyx  je£t  betrauten  unb  bei  eufy  er* 

wägen Ql)r  §abt  nidjt  gefeljen,  was  Ijinftd)tltdj  ber 

menfdjlidjen  ©eburt  (£l)rifti  twrljergefagt  unb  erfüllt  wor* 
ben  ift:  „<&iex)e  eine  Jungfrau  wirb  empfangen  unb  einen 
6o§n  gebären"  —  aber  iljr  feljet  nunmeljr  als  erfüllt, 
was  ©ott  bem  Slbraljam  gefagt:  ,$n  beinern  Namen  wer* 
ben  gefegnet  werben  alle  ©efdjteäjter  ber  @rbe".  Qljr  l>abt 
nid)t  gefeiert,  was  t)on  ben  SBunberwerfen  @l)rifti  »orauS* 
gefagt  ift:  „kommet  unb  flauet  bie  Söerfe  beS  £errn, 
wetäje  SBunber  er  gewirft  auf  @rben"*),  aber  i^r  fel)t  erfüllt 
jenes  weiffagenbe  Söort:  „$egel)re  von  mir  unb  idj  werbe 
bir  bie  SBölf er  jum  (Srbtljeil  geben/'**)  3&r  ^abt  ni$t  ge* 
fe§en,  was  twrljer  gefagt  unb  erfüllt  ift  §tnft<$tltd)  beS  2eU 
benS  ©fjrifH:  ,,©ie  Ijaben  meine  §änbe  unb  güfce  burä)- 
bo^rt,  miäj  angebaut  unb  betrautet,  meine  Kleiber  unter 
ftdj  üertfjeilt  unb  baS  £ooS  geworfen  über  mein  ©ewanb;" 
aber  tl)r  feljt  erfüllt,  was  an  berfelben  ©teile  ber  §1. 
Sdjrift  oor^ergefagt  ift:    „@s  xoexben  fidj  erinnern  unö 


*)  $i.  45,  9.    **)  $f.  2,  8. 
SroeiteS  bij$öfU#e3  SBott. 


66  2>ritte§  ©efaräd). 

pm  $errn  gurütffel)ren  atte  (Snben  ber  @rbe  unb  anbeten 
t)or  feinem  2Ingefid)te  alle  ®efdjleä)ter  ber  Reiben."  *)  $fjr 
i)abt  nid)t  gefeiert ,  roaS  t)infidjtüd)  feiner  Stuferfteljung 
porljergefagt  nnb  erfüllt  ift:  „Qä)  fdjlief  unb  fan!  in  tie* 
fen  ©d)laf  unb  ftanb  lieber  auf,  benn  ber  §err  naljm 
mtcl)  auf;"**)  aber  ifyr  feilet  feine  $irdje,  von  ber  tbin^ 
falls  t>orl)ergefagt  unb  erfüllt  ift:  „£err,  mein  ©ott,  §u 
£)ir  werben  bie  Reiben  fommen  vom  äufcerften  @nbe  ber 
@rbe  unb  fte  werben  fagen:  waljrfjaft  trügerifdje  ©öfeen 
tjaben  unfere  Väter  t>erel)rt."  SDtefc  alfo  müfct  tyx  feljen 
(it)r  möget  eS  wollen  ober  ntdjt),   unb  es  wol)l  bei  eud) 

erwägen 2öir  geigen  eud)  bk  einen,  wie  bie  anbern 

Söeiffagungen  als  erfüllt,  mir  tonnen  fie  eudj  aber  habe 
nid)t  als  erfüllt  üor  Slugen  [teilen,  ba  eS  ni$t  in 
unferer  3flad)t  ftefyt,  baS  Vergangene  in  bie  (Gegenwart 
§urücf*  unb  eud)  §ur  2lnfdjauung  üorjufüljren."***)  ©o 
alfo  ber  1)1.  2luguftinuS.  Hub  iä)  wiebertjole,  £err  (Sonu 
mercien^atl),  biefe  frönen  Sßorte,  fie  paffen  nodjj  me^r 
auf  unfere  Seit,  bie  feitbem  mieber  fo  trieler  Qaljrtmnberte 
©rfafyrung  hinter  fiel)  fyat,  als  auf  bie  gtit  beS  tjetligeu 
$irdjenlet)rerS  felbft.  2)ie  Vefefyrung  ber  SBelt  gum  (£l)ri* 
ftenttmme  unb  bie  (Spaltung  beS  ßljriftentlmmS  ift  ein 
Söunber,  was  jeber  nod)  als  gegenwärtig  feigen  fann  unb 
bie  VeweiSfraft  biefeS  2BunberS  ift  um  fo  ftärfer,  als  eS 
pgleid),  mie  uns  bk  ebengenannte  ©teile  beS  1)1.  Slugu* 
ftinuS  geigt,  eine  erfüllte  SSeiffagung,  ober  trielmef)r  bie 
Erfüllung  einer  Sfteitje  t>on  SBeiffagungen  ift. 

£)er  ©ommercien^atl).    <Sie  fdjeinen  mir  aber, 
£err  2Hfd)of,   bie  Sfterfmung  olme  ben  2Birtf)  ju  madjen. 


*)  $f.  21,  28.     **)  $f.  3r  6.     ***)  Augustin.  de  fide  C.  IV. 


SDritteS  ©efprätf).  67 

Wlit  Mögen  Behauptungen  Iaffe  iä)  micr)  ni^t  abfpeifem 
6ie  fpred[)en  von  einem  augenf älligen  2öunber;  tct)  fann 
t)on  mirxIeiber  nidfjt  fagen,  bafc  idj  baä  augenfällige 
SBunber  fet)e.  £enn  ba§  ba3  (Srjriftentfmm,  bei  feinen  fo 
vielen  frönen  unb  l)errlid)en  Seiten,  fidfj,  au$  olme  über*" 
natürtid&eä  Eingreifen  ©otteS,  auf  ber  SBelt  verbreiten, 
befeftigen  unb  ftdfj  bi3  jur  ©tunbe  ertjalten  fonnte,  ba& 
fdfjeint  mir  bodj  nidfjt  aU  etma$  tinmögtidjeS. 

3$.  @3  fdfjeint  Qrjnen  tvoljl  nur  be£t)alb  nidljt  al& 
ettvaS  ttnmöglidfjeS,  weit  @ie  über  bie  (natürlid^e)  3Jtög= 
lidjfett  ober  ttnmö'glid)feit  biefer  %rjatfacr)e  nocr)  nict)t  ge* 
t)örig  nacr)gebacr)t  tjaben.  ^gegenwärtigen  6ie  fid)  bodj 
nur  ein  paar  Slugenblide  bie  llmftänbe,  bie  hei  biefer 
grage  in  Betraft  kommen,  vergegenwärtigen  Sie  fidj  bett 
Sufianb,  in  bem  ba$  @t)riftentrjum  bie  menf<pd(je  ©efett* 
fc^aft  vorfanb,  bie  üftatur  unb  Befdjaffentjeit  biefer  9telU 
gton  feflift,  bie  Mittel  unb  2Ber%euge,  woburdlj  fte  ver* 
breitet  warb.  Qcr)  fage,  vergegenwärtigen  ©ie  fid^ 
ba$  2We3,  benn  ©ie  tjaben  nidfjt  nöttjig,  barüber  erft  vott 
mir  belehrt  gu  werben;  ba3  jenige,  wovon  bie  redfjte  $ru* 
fung  unb  bie  @ntf Reibung  unferer  grage  abtjängt,  ift 
Qtjnen  gewift  fo  gut  berannt,  wie  mir  unb  Bie  brauchen 
ftdj  an  ba3  Qr)nen  bereits  Berannte  tjier  nur  ju  erinnern. 

@3  finb  nidfjt  etwa  nur  ernfie  $trä)enväter  ober  Äft* 
$enf$riftftetter,  bie  un3  ben  ftttlidfjen  ober  unfütlicrjett 
guftanb  ber  bamaligen  3ftenfd)t)eit  gefä)ilbert,  —  benn 
biefe  fönnte  man  uns  allenfatt3  aU  ju  fdf)wargfer)eni> 
ober  als  part^eitf<$  verbädfjtigen ;  nein,  §u  biefen  brausen 
mir  tjier  glucflid&erweife  nidfjt  in  bie  ©dmle  §u  get)en;  gleid)* 
geitige  r)eibnif$e  ©d&riftfteHer  felbft  unb  gwar  foldje,  bit 
Bie  von  Qugenb  auf  f ernten  unb  getefen  r)aben:  ein  Dmh 


68  drittes  @eft>rä$. 

ein  £ora§,  ein  SacituS  u.  a.  fagen  uns  genug  unb  meljr 
als  uns  §u  roiffen  nöt^ig  ift,  um  uns  oon  bem  $fu§le 
ftttltdjer  $etfommenl)ett  ber  bamaligen  Qeit  eine  unge* 
fftfjre  Vorftellung  ju  madjen.  Tlan  fagt  von  btefer  Seit 
trielleidjt  alles,  roemt  man  fagt:  man  fdjämte  fid)  über 
nichts  mefjr  als  batüber,  baß  man  ftd)  noefj  fdjämte.  2ßaS 
bie  ©tttlidjfeit  ober  Unftttltdjfeit  ber  bamaligen  ßett  im 
engern  ©inne  betrifft,  fo  läßt  fte  ftdj  ntdjt  fdjredftidjet 
fdjilbern,  als  es  vom  1)1.  $auluS  im  erften  Kapitel  feines 
Briefes  an  bie  Körner  gefd)et)en  ift;  -—  rooljlgemerft  ein  $efc 
genoffe  f treibt  bk§>  an  3eitgenoffen,  unb  von  einer  lieber- 
tretbung  fann  baljer  feine  Sftebe  fein.  Unb  o^ne^in  mie 
fann  man  fidj  über  biefe  fittli^e  Versilberung  rounbern, 
ba  ja  Unäud)t  unb  2öoEuft  mit  bem  ©ö|enbienfte  felbft 
fo  gan§  unb  gar  oerrooben  mar !  £>ie  £abfudjt,  ein 
jmeiteS  &auptlafter ,  mar-  fo  verbreitet  unb  fo  unmäßig 
groß,  baß  man  fprtdjmörtlid?  oon  einem  „Ijetligen  £eiß; 
junger  nadj  ®olb"  fprad);  unb  maS  enblidj  baS  britte 
^auptlafter,  ben  @tol$  ober  bk  £of  fartfj  beS  SebenS  be^ 
trifft,  fo  erinnere  man  ftdj  nur,  wie  bie  (Großen  unb  $or^ 
nehmen  bie  9ftenfdjenredjte  einer  Un§al)l  oon  2ftenfdjen  (ber 
(Btiaven)  gerabe§u  mit  $üßen  traten  ober  vielmehr  biefe 
3flenfd)enred)te  im  Sßrincip  gar  nid)t  anerfannten,  unb  nrie 
bie  ©roßten  oon  biefen  ©roßen,  bie  Könige  unb  $atfer, 
<$ott  gerabe§u  oom  SEIjnme  p  ftoßen  unb  ftdj  felbft  auf 
benfelben  p  ergeben  ftdj  anmaßten.  Unb  biefe  brei  gräß- 
lid)en  Saftet,  2Bolluft,  £abfud)t  unb  <Stol$,  erftredten  ftdj 
nidjt  etwa  bloS  auf  einzelne  Qnbitribuen  ober  einzelne 
klaffen  oon  9flenfdjen,  fonbern  bie  üütaffen  maren  baoon 
angefteef t  unb  bie  ganje  menf djlidje  $ef  ellfdjaft  &ttdj  nur  einem 
großen   geiftigen   £a§aretl);   bie   ©efunben   bilbeten   bk 


2)ritte§  ©efpräd&.  69' 

SluSnafmte    von  ber   Sfteget  unb  gang   ©efunbe  gab  e& 
gar  nidjt. 

IXnb"  mit  biefem  rauften  3uftanbe  ftttltd^er  SBerwilbe^ 
rung,  worin  ba3  (Srjriftentljum  bie  batnalige  3flenfd)rjeit 
antraf,  t)ergletd)en  6ie  nun,  igerr  @ommercten*9ftatl) ,  bie 
Statur  unb  SBefäjaffenljeit  biefer  Religion  felbft:  fann  man 
ftdj  größere  ®egenfä($e  benfen?  £>ie  SRenf^^eit  war  prj 
Sfjier^eit  Ijerabgefunfen,  unb  ba3  @l>riftentl)um  madjte  bar* 
auf  Slnfprudj,  bicfe  Sljierljeit  ber  Sttenfdjljeit  wieber  §ur 
©ottctynitdfjfeit  §u  ergeben.  Qu  baä  wilbe  unb  raufte  ®e* 
tüntmel  unb  ©ewirr  fdjrecfliäjer  £eibenfä)aften  tönten  auf 
einmal,  wie  eine  23otfä)aft  be3  Fimmels,  bie  SBorte  be3 
griebewl,  bie  Söorte  ber  a$t  (Seligfeiten  hinein:  „©elig 
bie  Sinnen  im  ®eifte,  benn  fie  roerben  ba$  @rbreiä)  be* 
ftfcen;  feiig  bie  reinen  £>er3en3  finb,  benn  fie  werben  ©Ott 
aufbauen  u.  f.  w."  Sllfo  gleidjfam  an  wilbe  23eftien  bringt  auf 
einmal  ber  ütuf,  ba$  fie  reine  friebliebenbe  @ngel  werben 
foEen.  ©ie  follen  auf  einmal  Sitten  Raffen,  wa$  fie  Uä* 
§er  geliebt  unb  alles  lieben,  voaä  fie  bisher  gefaßt,  kliert 
ifjren  bisherigen  ßeibenfrfjaften  unb  5ßer!el)rtl)eiten  roirb 
ber  $rieg  erklärt,  unb  biefer  $rieg  ift  ein  ®rieg  auf  £eben 
unb  £ob.  £>enn  auf  ein  Unterrjanbeln  ober  ein  $onu 
promig  lägt  fid)  bie  neue  Religion  ni($t  ein.  <Sie  fagt: 
eutroeber  2WeS  ober  üftiäjtS;  benn  wer  mir  nidjt  OTe£ 
gibt,  gibt  mir  9ttd)tS.  £>em  ©toljen  fagt  fie:  wenn  bvt 
m<$t  wie  ein  ßinb  wirft,  fannft  bn  ins  £immelreid)  nidjt 
eingeben;  bem  ©einigen  unb  §abfüd)tigen  fagt  fie:  eS  ift 
leidster,  ba%  ein  ßameet  burd)  ein  9ßabetörjr  geljt,  als  ba$ 
ein  9fleidt)er  in  baS  igimmelretd)  eingebt;  bem  SöoIIüftling- 
fagt  fie:  wenn  bn  bix  nityt  ba$  eine  2luge,  baS  bid)  ärgert 
ausreiße^  wirft  bn  mit  beiben  Slugen  in'S  pllifdje  geuer 


70  SDritteä  ©efpräd&. 

$eljen;  bem  ©imtenmenfdjen  unb  2öeid)ling  fprtd^t  fie  nur 
t)onSelbftt>erleugnung,  Selbftabtöbtung  unb  ßteujtragung. 
2Ba3  werben  bie  wilben,  t>erl)ärteten  Setbenfdjaften  auf 
biefe  ©pradje  er  mtbern,  wie  werben  fie,  bk  fonft  gegen  jebe 
Sßorftellung  fo  taub  geblieben  biefe  gorberungen  be£  @oan= 
geliumä  aufnehmen?  Wati)  bem  natürlid)en  £aufe  ber&tnge 
(benn  bie  üftatur  nimmt  ober  jieljt  nur  ba3  ©leiere  an 
unb  bal  @ntgegengefe£te  ftöfji  fie  oon  fidj),  nur  mit  wiber* 
willigem  %xo%  ober  mit  faltem  Spott  unb  §o^n. 

Unb  §u  biefen  ftrengen  unb  burdj  iljre  Strenge  ba$ 
rerberbte  menfdjltdje  £>er§  fo  abftogenben  gorberungen 
be3  djriftltdjen  Sittengefe^eS  nehmen  Sie,  £err  (Sommer* 
cien*9tat$,  nod)  Inn^u  ben  anbem  £(jeU  ber  djriftlidjen 
Religion,  bie  djriftlidjen  Glaubenslehren,  auf  benen  bie 
d)riftli$en  Sittenlehren  ru^en.  SDte  leibigen  Sftationalifien, 
in  bereu  ©Triften  Sie  fid&  fo  fleißig  umgefel)en  fyahen, 
wieberljolen  oljne  Unterlag :  biefe  djriftlidjen  Glaubens* 
lehren  feien  mc§t  allein  ein  teuj,  fonbern  audj  gerabe* 
p  eine  23eleibtgung  für  ben  menfdjlidjen  $erftanb.  @in 
©ott,  ber  als  ütnb  in  ber  Grippe  liege,  unb  wie  ein  ge* 
tneiner  SSerbredjer  an'S  $reuj  gef plagen  fei,  ein  ©eftor* 
bener,  ber  üou  ben  lobten  auferfter)er  unb  ber  burdj  feine 
Sluferfte^ung  ben  Gläubigen  iljre  eigene  einfüge  2lufer* 
fteljung  üerbürgen  wolle,  biefe  unb  älmlidje  £)inge,  bie 
baS  ßljriftentlmm  lerjre  f  feien  wiberfinnig,  abgefd)tnatft 
unb  gerabegu  unglaublidj. 

Unb  wenn  nun  bodj  jene  Sittenlehren,  fo  unbeugfam 
ftreng  unb  wie  mit  einem  i$weifdfjnetbigen  Sdjwerbte  ein* 
fdjneibenb  in  bie  £er§en,  Geljör  unb  Slnna^me  fanben, 
uidjt  etwa  nur  hei  einzelnen  ^Beoor§ugten,  fonbern  bei  gan* 
gen  SJlaffen  unb  Nationen  unb  ebenfalls,  gleiäjfam  urplöfclidj, 


drittes  ©efprädj.  71 

jene  Deformation  ober  Umwanblung  bewirken,  wie  wir  fie 
auä  ber  (Sefdjidjte  f  ernten;  unb  wenn  ebenfo  auf  ber  anberu 
Seite  jette,  wie  man  fagt,  fo  unglaublichen  ®lauben^ 
lehren  bemtodj  geglaubt  würben,  ebenfalte  nidjt  etwa  nur 
t)on  unerleudjteten  ober  ungebilbeten  3Jlenf($en,  fonbem  t>on 
ben  erleudjtetften,  gebttbetften  unb  gelehrteren  gorfdjern; 
nidjt  etwa  nur  in  bunflen  «Sdjlupfwinfeln  ober  in  rollen, 
uncultiüirten  £anbftrid)en,  fonbem  in  ben  ^rooinjen  unb 
Säubern,  bie  bie  cultitrirteften  waren ;  nidjt  t>on  @in$elnen, 
fonbem  von  ganzen  SSötfem  unb  Nationen;  unb  wenn 
biefe  unglaublichen  ®lauben3lel)ren  fo  feft  unb  ftanbfjaft 
geglaubt  würben  unb  nod)  geglaubt  werben,  bafj  mau 
jebeS  einzelne  Sota  biefer  ßeljren  ntcrjt  allein  mit  feiner 
<©anb,  fonbem  audj  mit  feinem  $lute  unterzeichnet  unb 
el)er  bie  au3gefud)teften  £obe£qualen  erträgt,  aU  ba$ 
man  anä)  nur  ein  ^ünftdjen  baoon  aufgiebt:  fagen  Sie 
mir,  §err  ßommercien^atl),  eljrltd)  bie  feanb  auf£  §er§, 
ift  ba$  woljl  bem  natürlichen  ®ange  ber  £)inge  gemäjB? 
SDafj  bie  ßerjren  be3  33lam,  bie  jeber  Suft  unb  Seiben* 
f$aft  beä  menfdjltdjen  £er§en3  fdjmeidjelten  unb  bie  no$ 
obenbreiu  mit  ber  (Gewalt  be$  @d)werbte3  oerfünbigt  wur* 
ben,  fo  rafdje  unb  ausgebeizte  Eroberungen  matten  — 
ba$  begreife  id);  unb  Ratten  bie  Seljren  eine3  $lato  unb 
eines  SlriftoteleS,  bie  wenigstens  bem  Sßerftanbe  unb  bem 
•§er§en  beS  9ftenfcl;en  fein  ungewöhnlich  Opfer  jumutl)e* 
ten,  ftdt)  in  rafä)em  Siegesfluge  ber  gangen  gebitbeten  2Mt 
bemächtigt,  fo  würbe  ity  aud)  baS  begreifen;  baf$  aber  ba§ 
<£l)rifientl}um,  ba3  nidjtS  in  ber  Söelt  für  fidj,  aber  Sitten 
-gegen  ft$  l)atte,  unb  baä  man  balb  mit  gfeuer  unb  Sdjwerbt, 
fcalb  mit  Spott  unb  §oI)n  §u  r>emidjten  fucfjte,  bod)  fo 
unauf^altfam  alle  3ttädjte  ber  2Belt  bezwang  unb  fo  eilig 


72  {Drittes  ©efpräd). 

vom  gangen  ©rbfreife  $efi£  ergriff:  ba3  begreife,  wer  e£ 
fann,  id)  fann  e3  ntdjt.  Unb  —  was  ju  allem  bem  nodj 
f)ingufommt  —  bie  Mittel  unb  bie  2Berfjeuge,  bie  gur 
Verbreitung  beS  (SljriftentljumS  angewenbet  würben,  waren, 
menfd)li$  betrachtet,  bie  fä)ledjtefien  unb  untauglichen, 
bie  nur  angewanbt  werben  fonnten.  Sie  waren  ba£ 
®egentl)eil  von  bem,  was  fonft  in  ber  SBelt  in  ber  Siegel 
ben  2luSfcl)lag  gibt:  bie  Unanfeljnlidjfeit,  bie  Unbeholfen* 
Ijeit,  bie  2trmutl)  unb  -iftiebrigfeit  jwölf  armer  gifdjer. 

3n  ber  £fjat,  §err  (£ommercien*$Ml),  id)  !ann  nidjt 
anberS,  idj  fann  nur  ba§  2öort  beS  großen  2luguftinu£ 
wieberljolen :  bie  $efel)rung  ber  2öelt  §um  ßfjriftentlmm 
o^ne  Sßunber  wäre  felbft  baS  größte  SBunber.  llnb  ba$* 
felbe  fann  idj  aucf)  nur  von  ber  fortwäl)renben  (Spaltung 
beS  (SljrtftentlmmS  fagen.  Qa,  baß  ber  £l)ron  (grifft  alle 
Sßeäjfelfälle  unb  Stürme  ber  Qeit  überbauert  l)at  unb  bafc 
er,  wäfyrenb  alle  anberen  £l)rone  ber  2Mt,  bie  feitbem 
errichtet  worben,  längft  zertrümmert  finb,  nod)  aufregt 
fteljt,  obgleich  ftdj  bod)  Sitten  gegen  tfm  t)erfd)woren  unb 
von  ber  erften  $eit  feinet  ©rridjtung  bis  auf  ben  l)eutt= 
gen  £ag,  alle  2Mcl)te  ber  Söelt  unb  ber  Unterwelt  an  ilmt 
ftd)  serfudjt,  bie  xofye  Barbarei  unb  bie  abgefeimte  (Sitriti* 
fation,  bie  offene  brutale  ©ewalt  unb  baS  Ijinterliftige 
9iänfefpiel  biplomatifdjer  Qntrigue  ober  bureaufratijdjer 
Söittfüljr,  bie  falfdje  2Biffenfdjaft  unb  bie  mtfjoerftanbene 
greift,  baS  Qntereffe  ber  Qnbuftrie  unb  ber  fogenannte 
gortfd)ritt,  !ur§  Sitten  unb  2WeS ;  —  unb  bafe  wie  in  ge* 
fdjloffener  $l)alany  ftd)  um  biefen  2l)ron  nodj  2We3  ?d)aart, 
wa$  nur  irgenb  an  wahrer  ©rö§e,  an  wahrer  Stugenb 
unb  QnteHigenj  te  ber  SBelt  voxfyanben  ift  jeben  Singen* 
blicf  bereit,  bafür  ®ut  unb  $lut  einpfe^en,  bafj  ftd)  immer 


3)ritte§  ©eforäcfc.  7a 

nodj  Sftifltonen  t)or  biefen  £l)ron  nieberwerfen  unb  (Sl)rifiu£ 
ol«  tyren  l)immlifdjen  $önig  anbeten  unb  ü)m  eine  Sßer* 
efcrung  unb  Siebe  wibmen,  womit  fonft  ntdjtä  Dergltdjen 
werben  fann:  ba§,  §err  ßommercien  *  $tait),  erflärewie* 
ber,  wer  es  olme  SBunber  erflären  fann;  iä)  fann  e3  nidjt 
greitid)  fönnte  idj  Ijier  audj  nodj  auf  anbete  ebenfo 
Ijanbgreiflidje  £)inge  l)inweifen,  auf  bie  augenfälligen 
geifiigen  SBunber  übermenfdjlidjer  Stugenben  unb  einer 
übermenftölidjen  §eiligfeit,  bie  ba3  ßljrtftentljum  au3  fei* 
nem  fruchtbaren  ©djooße  Ijeroor  gebraut  Ejat  unb  nodj 
immer  l)eroorbringt,  —  unb  für  midj  finb  biefe  geiftigen 
2öunber  nid)t  geringer,  fonbern  eljer  nodj  größer,  al£ 
bie  Sßunber  be3  @t)angeltum3 ,  mie  fie  benn  audj  fdjon 
von  ben  älteften  $riftlid)en  Apologeten  aU  ein  äugen* 
fälliges  Argument  für  bie  ©öttlidjfeit  ber  djriftlidjen  Sfte* 
(tgion  r»erwenbet  worben  finb :  aber  idj  felje  worauf ,  roa% 
®ie  mir  l)ter  gletdj  wieber  Alle3  entgegenhalten  werben, 
um  ftdj  an  biefem  Argumente  uorbeiguarbeiten.  ©ie  wer* 
hen  mir  fagen,  raaljre  £ugenb  unb  §eiltgfeit  fei  bodj  mdjtS, 
wa^  man  mit  ben  Augen  fer)en  fönne,  fonbern  nur  ©Ott 
allein,  ber  §ergen*  unb  fjflter cn* @rf or f d&cr,  fönne  fie  feljen; 
fie  fei  me^r  etwas  QnnereS,  als  etma§  in  bie  äußere  @r* 
fd^einung  SretenbeS;  es  ^anbete  ftdj  babei  weniger  um 
ba$  2Sa§,  als  um  baS  2öie  ber  menfdjlid)en  §anblungen, 
mel)r  um  bie  innere  ©efinnung,  als  um  bie  äußere  %i)at, 
me\)x  um  bie  9fleinl)eit  unb  Sauterf  eit  ber  innern  Abfluten 
unb  $eweggrünbe,  als  um  nodj  fo  große  unb  lieroifdj 
idjeinenbe  äußere  tugenb^afte  ober  ^eilige  Saaten  — 
unb  um  Q^nen  alle  biefe  SSorwänbe  ober  AuSflüdjte  ab* 
pfdjnetben,  müßte  idj  §u  weit  ausholen  unb  in  p  wiU 


74  ©rittcS  ©efpräc^. 

läufige  Erörterungen  midfj  einlaffen ;  beöJ)alb  nrill  tdfj  lieber 
auf  bie^  Argument  einfad)  uer^djten. 

@ommercien*9fiatl).  2öie  ©ie  ftd)  bo<$  auf  Qtjre 
Seute  üerfteljen! 

£>of  ratl).  215er  tuenn  idf)  midfj  red)t  erinnere,  Ijaben 
Sie,  §err  SHfdjjof,  geftern  wie  im  Vorübergehen  aud^  ba£ 
Dflartprium  williger  ^Blut^eugen  (grifft  erwähnt;  Sie 
wollen  bodfj  roofjl  nidfjt  audfj  auf  biefen  Söeroeilgrunb 
»ersten? 

8$.  SMefeS  Martyrium  ift  nur  bie  übermenfdfj- 
lidjje  ©eiligfeit  in  einer  befonbern  Erfd)einung3sgorm; 
aber  biefe  befonbere  ErfdfjeinungS  *  gorm  ber  ©eiligfeit 
lägt  freütd)  bk  befürd&teten  21u3reben  unb  21ulflüdf)te 
unferel  greunbel,  iü)  meine  ein  Unterfdjieben  unreiner 
Slbfid^ten  unb  SBeroeggrünbe,  unter  aEen  anbern  am  roenigften 
§u;  unb  infofern  mödfjte  idjj  aUerbing^  auf  bm  $eroei$* 
grunb  bei  Martyrium!  autf)  unferm  greunbe  gegenüber 
<&mitf)t  legen. 

Eommercien*9iatl).  3$  fe^e  aber  nidfjt,  wie,  um 
in  Qljrer  Spraye  §u  reben,  bei  biefer  Erfdfjeinungl* 
form  ber  ©eiltgfeit,  bem  üUlartprium,  unreine  21b* 
fixten  unb  ^otioe  weniger  pläfftg  fein  fottten,  all  bei 
allen  anbern! 

8  dfj.  Söeil  Qeber,  ber  eine  (äufcerlidfje)  gute  %$at  in 
unreiner  21bftdf)t  ober  aul  unreinem  23eroeggrunbe  üoII* 
bringt,  biefe  gute  £§at  nur  all  Mittel  jur  Erlangung 
irgenb  einel  irbifd)en  @>ute$  t)ollbringt,  unb  roeil  ber 
Uftartyrer  hin  l)öf)erel  trbifdfjel  ®ut  erlangen  fcxnn,  all 
baljenige  ift,  mal  er  Eingibt;  benn  ift  aud),  wie  ber  SDidfjter 
fagt,  baä  2tUn  nid^t  „ber  (Mter  fyofyfttä",  fo  ift  el  boef) 
£er  trbifdfjen  ©üter  rjödjftel. 


drittes  ©eft>räd&.  75 

(£ommercien*$ftatfj.  £at  bentt  aber  nifyt  blinber 
Ißarteigetft  unb  fanatifdjer  @ifer  auclj  fdfjon  Imnberte  unb  tau* 
fenbe  in  ben  £ob  hineingetrieben;  unb  fjat  benn  ein  fold&er 
blinber  ganati3mu3  wol)l  etroaä  mit  ber  £eiligfeit  §u 
fdfjaffen?  llnb  felbft  angenommen,  ba$  §u  bem  gefeierten 
Martyrium  ber  fogenannten  SBlutjeugen  ßljriftt  nichts  von 
1ftul)mfud(jt,  ©tol§,  ©itelfeit  unb  äfmlidfjen  unreinen  3Jlo- 
ttoen  mttgewirft  fyahe,  fonbern  ba§  biefe  SBlutgeugen 
im  reinen  ®efül)l  einer  $Pflid)t  i^r  2eben  geopfert:  wa$ 
folgt  benn  baxanä  für  bie  Uebernatürlidjfeit  ober  ©öttlidc)^ 
feit  ber  Religion,  für  bie  fie  biefe  Dpfer  gebraut?  kennen 
mir  bodj  auä)  Reiben,  einen  9Jluäu3  ©cäoola,  einen 
SfteguluS  u.  21,  bie  für'S  $aterlanb  ober  für  ein  gegebene^ 
SBort  fxdj  geopfert,  unb  fterben  nidfjt  nod)  täglidfj  Saufenbe, 
€l)rifien  wie  9tfdf)tdjriften,  auf  bem  @ä)ladjtfetbe  ben  %ob 
für  $önig  unb  SBaterlanb,  olme  bafj  e§>  Qemanbem  ein* 
fällt,  hierbei  an  ein  igereingreifen  ober  an  ein  TOtnrirfen 
übernatürlicher  göttlicher  Gräfte  §u  benfen?  Söarum  muffen 
benn  gerabe  foläje  übernatürliche  göttliche  Gräfte  §um 
3Jlartt)rium  mitgewirft  Imben?  Qdj  bitte,  antworten  ©ie 
mir  auf  biefe  grage,  —  aber  nur  feine  weitläufigen  @r* 
örterungen,  wooon  i($,  nrie  Bie  wiffen,  fein  greunb  bin, 
<tud)  nichts,  woburä)  ba£  £er§  beftod&en  ober  baä  ®efül)l 
erregt  wirb,  benn  auf  micl)  machen  foldfje  gefül)l*  ober, 
J^erjerregenbe  Argumente  ntc^t  ben  minbeften  ©inbrud. 

®raf  3uliu3.  9tun  ba$  nenne  ify  bodfj,  um  mtc^ 
tiefet  gemeinen  2lu£brucf3  §u  bebienen,  Qemanbem  gerabegu 
ba$  Keffer  an  bie  äefyle  fegen.  3$  meine  bodfj,  über 
ein  weitläufiges  2lu3fpinnen  ber  Materien  hätten  wir  unä 
hi$  jegt  oon  ©eiten  be3  23ifdjof3  nod)  ntcljt  gu  beflagen 
öel;abt;  unb  bann,  meine  idfj,  ift  bo$  bie  Religion  nid)t 


76  drittes  ©efpräd). 

blo3  für  ben  falten  $erftanb  baf  fonbem  fie  nimmt  ben 
gangen  2ftenfd)en,  alfo  auti)  fein  ®efül)l  unb  §er§  in  2ln* 
fprudfj.  Ober  finb  ba3  trietteid)t  Ql)re  ®ebanfen  unb  %t* 
fül)le,  bie  ber  SDidjter  gerabe  nidjt  ben  fauberften  $er* 
fönen  in  ben  3flunb  legt: 

„$a3  drallem  ift  bei  mir  verloren, 
@3  frabbelt  rooljl  mir  um  bie  Dfiren, 
allein  jum  bergen  bringt  e3  ntd^t." .... 
„©pridfj  ni^t  rom  §er§en!   £>a3  ift  eitel, 
@tn  leberner  oerfdjrumpfter  Beutel, 
$>a§  pa$t  $)ix  etyx  §u  ®eft$t"*) 
3dj).    $ul)ig,  rul)ig,  lieber  ©err  ©raf;  hleihen  wir 
bei  ber    ©adfje.     Qnfofern   fidfj    bie  gorberung   unfere& 
greunbe^  erfüllen  läßt  werbe  i$  fie  gern  erfüllen;  benn 
überflüfftgen  SSortaufmanb  ju  madfjen,   mar  nie  meine 
$affion,  unb  um  bloße  ®efüjperregungen  ift  e3  mir  audfr 
nicljt  ju  tl)un,  tdf)  weiß  rool)l,  ba^  man  mit  bem  $er* 
ftanbe  benft  unb  nitf)t  mit  bem  ©efüi)l.    6ie  aber,  §err 
ßommercien^atl),  erfudfje  id(j,  fidö  maloon  einem  9Jtartgrer 
erft  eine  redete  SBorftellung  ju  madfjen,  efje  ©ie  über  ba& 
Martyrium  ober  über  beffen  23eroei3fraft  fo  furjmeg  ben 
©tab  bredfjen.    2Ba3  ift  ein  Märtyrer,  wie  er  un$  in  ber 
©efdjidjte  ber  $ir$e  entgegentritt?    @3  fei  Qljnen  nidfjt 
unangenehm,  ba^  idfj  ©te  l)ier  nodjj  einmal  auf  ben  gzofyn 
SluguftinuS  oerroeife;  er  lebte  ber  eigentlichen  ^ölüt^ejeit 
be3  9Jtartt)rutm3  näljer,  al3  mir,  unb  e3  fehlte  if)tn  roeber 
an  $erftanb,  nodjj  an  gutem  SSitten,  baffelbe,  fo  wie  e£ 
fiel)  gebührt,  pmürbigen.  SDerfelbe  t>ergleid)t  irgenbrao  **) 


*)  ©oetfje'3  gauft.    II.  %§. 

**)  De  corrept.  et  gratia  cap.  XII. 


^Drittes  ®efaräc§.  77 

$>en  SJlartarer  in  feinen  Qualen  mit  2lbam  in  feiner 
parabicfifd^en  fRu^e.  2Mdje  ^ontrafte !  Qm  parabiefifdfjen 
Slbam  ijerrfdfjte  bie  1)1  Siebe  wie  eine  frieblidje  igerrtn, 
olme  ben  Söiberftanb  irgenb  melier  ßeibenf^aften  (benn 
vov  bem  f$affe  gab  e3  im  2Jlenfdjen  nodfj  feine  Seiben- 
fdjaften),  unb  audfj  im  2ftartnrer  ijerrfdjjte  bte  Siebe,  aber 
beunruhigt  burdf)  Seibenfdjaften  unb  beläfttgt   mit  bem 
<$etmdjte  eines  fterblid)en  Seibe3,  fie  §errfd)t  §mar  audj 
in  i^m  nrie  eine  §errin  unb  Königin,  aber  über  rebettifdfje 
Untertanen,  bie  tyx  Qod)  nur  mit  SBiberftreben  tragen. 
Slbam  fdSJroimmt  in  einem  (Strom  oon  Söonnen  unb  @r* 
3öj$lidjfeiten ,  unb  audlj  bem  2ftartnrer  bietet  man  biefe 
Sßonnen  unb  @rgö|lidj!:eiten,  bodfj  mit  bem  Unterfd&tebe, 
ba%  bie  @rgö|li(^!eiten ,  bie  2Ibam  genießt,  tyn  einlaben 
gur  $eraal)rung  ber  ®eredf)tigfeit  unb  baß  bie  @rgö|li$* 
feiten,  bie  man  bem  3Jlart»rer  bietet,  tlm  t)om  $fabe  ber 
®ered()tigfeit  ablenken  fotten.  2ftan  fagt  ju  iljm,  roaS  ber 
SBerfudjjer  einft  gutn  £etlanbe  fagte:  „SDieS  We$  mitf  idj 
S)tr  geben,  i<$  miE  £)ir  geben  Seben,  §ettli$e  2Bo^lfa§rt, 
greujeit,  ©dj)u£,  Remter  unb  ©Ejreuftellen ,  —  roenn  SDu 
nur  ben  lebenbigen  ®ott  abfdjraörft."    £)em  parabteftfdfjen 
2lbam  üer^eigt  ©ott  ©üter  unb  bem  Märtyrer  »erzeigt 
er  fie,    aber  Slbam  beft^t  gleid&fam  fdljon  roirflidf),  was 
tl;m  oer^eijsen  xoixb,  ber  3Jlarti;rer  bagegen  befi|t  e%  nur 
in  ber  Hoffnung,  unb  inbeffen  feufet  er  unter  ©dljmerjen 
unb  Dualen.   2tbam  l)at  ntdjjtS  §u  fürd&ten,  xoenn  er  niäjt 
fünbigt,  ber  3Rartorer  l)at  Me3  §u  fürdjten,  menn  er  ni$t 
fünbigt.  $n  Slbam  fpridjjt  $ott ;   „bu  nrirft  fterben,  wenn 
bu  fünbigeft"  unb  jum  Märtyrer  fpridjjt  er;    „ftirb,  auf 
bafy  bu  ntd&t  fünbigeft."    Qn  Slbam  fpridjjt  er;    „xoenn 
bn  mdfjt  befjarrlidfj  bift,  nrirb  ber  %ob  beine  ©träfe  fein/' 


78  3>ritte§  ©efaräc§. 

unb  jum  Märtyrer  fpritf)t  er:  „her  Stob  wirb  bie  golge- 
beiner  23e^arrttä)Jeit  fein."  2lbam  wirb  gteidjfam  mit 
(Gewalt  t)on  ber  ©ünbe  §urücf  gehalten,  ber  Märtyrer 
wirb  gleid&fam  mit  (Gewalt  §ur  6ünbe  fortgeriffen,  — 
unb  bo$,  o  Söunber,  ruft  ber  1)1.  £ef)rer  aus,  biefer 
Slbam,  ungeadfjtet  e3  ü)m  fo  wenig  Wlüfye  foftet,  ntdfjt 
p  fünbigen,  fünbigt  bod(j,  unb  biefer  Märtyrer,  un* 
geartet  e^  ttjm  fo  triel  9Jtül)e  foftet,  ntdfjt  ju  fünbigen, 
fünbigt  nityt,  ungeadjjtet  bte  2Mt  i§m  fdimeidjett 
mit  ttirer  Suft  unb  tyn  bebrollt  mit  iljren  Dualen,  unb 
ungeadfjtet  fie  i^n  mit  bem  ganzen  Apparat  von  gotter* 
werfseugen  erfdfjretft  unb  t)or  2Butl)  gegen  tyn  fd&äumt  — 
er  weift  Weg  jurütf,  wag  ilm  an§tet)t,  er  wachtet  Wieg, 
wag  ilm  bebrot)t,  er  beftegt  Wieg ,  wag  üjn  fd&retft  unb 
quält.  ^Rit  ber  einen  iganb  ftößt  er  diejenigen  $uxMt 
bie  tym  fdfjmeidfjeln  unb  tyn  liebfofen,  mit  hex  anbern 
§anb  unter %iefy  er  fiä)  ben  Qualen  derjenigen,  bie 
ihm  gletdfjfam  ba$  23tut  tropfenweife  abzapfen.  $ur§,  ber 
©tarfe  verläßt  bie  llnfterblidftfeit  unb  ber  Sdfjwadfje  ex* 
trägt  ftanbljaft  ben  £ob;  bie  3fta<$t  unterliegt  unb  bie 
Sdfjwädfje  ift  ftegreidj.  SDieS  atfo  ift  ber  eigentlidfje  9#ar= 
ttjrer,  wie  ifjn  ber  ^t.  $irdjenlel)rer  unb  wie  i^n  überhaupt 
bie  ®efdfjidf)te  uns  geigt.  —  Unb  nun  nehmen  @ie,  §err 
@ommercien*9tatf),  §u  biefen  Slnbeutungen ,  wie  fie  ber 
1)1.  £el)rer  t)ier  madf)t,  nodf)  einige  anbere  Umftänbe  l)in§u, 
bie  uns  burdfj  bie  $efdfjicf)te  nicfyt  minber  bezeugt  ftnb, 
nehmen  <5ie  l)ingu,  bajg,  fo  auSgefudjt  unb  graufam  audfj 
bie  Qualen  ber  3ttartt)rer  waren,  biefe  ©raufamfeit  iljrer 
<Sdf)mer$en  bodj  meift  nidf)t  größer  war,  als  bie  ilmen 
wiberfajjrenen  Unbilben  an  i^rer  @l)re,  als  ber  ©dfjimpf 
unb  bie  ©djanbe,  als  ber  £otm  unb  ber  ©pott,  womit 


SDrttteä  ©efprädj.  7£ 

fie  ftd)  überhäuft  unb  befubelt  fa^en;  nehmen  «Sie  Ijingu, 
baß  bie  große  Wel>T$aty  ber  9Jtartnrer  auä)  ntd^t  entfernt 
hoffen  konnte,  etwa  für  bie  gegenwärtige  ©djmadj,  bie  fie 
traf,  burd)  eine  befto  größere  funfttge  @l)re  ober  Sftutym. 
entfcf)äbtgt  gu  werben,  ba  bie  Reiften  in  ben  äftartnrer* 
£ob  gingen,  fo  p  f<*9.en,  olme*  ©ang  nnb  $lang,  olme 
bog  audj  nnr  iljre  tarnen  gelannt  ober  genannt  worben 
wären;  nehmen  Sie  enbliä)  l)ingu,  baß  il)re  $al)l,  man 
mag  fie  §o<§  ober  niebrig  anfe^en,  immer  eine  unermeßlich 
große  ift,  bafc  alle  ©efdjledjter,  alle  SXIter ,  alle  ©tänbe  ju 
biefer  unermeßlichen  $al)l  ^r  Kontingent  geftettt,  ba$  bie 
garte  oerfdjämte  Qungfrau  mit  gleichem  £obe3mutl)e  $um 
9ftartergerüft  hineilt,  wie  ber  abgehärtete  JMeger,  baß  ber 
angefe^ene  Senator  willig  unb  freubig  ba3  gleiche  ©cf)i<ffal 
tfyeilt  mit  htm  elenben  Galeeren- ©claoen,  ba$  fdjwacbe  $inb 
mit  bem  abgelebten  ©reife,  bie  oorneljme  Patrone  mit 
ber  gerlumpten  Bettlerin;  ba$  ferner  biefer  3flartnrium 
fid)  mit  einiger  Unterbrechung  auf  gange  brei  Qafyx* 
Imnberte  unb  auf  alle  bewohnten  unb  cultioirten  $ro* 
oingen  unb  £änber  ber  SGBelt  erftrecft,  —  erft  wenn  ©ie 
OTe£  bte£  gufammennelmien ,  finb  ©ie  in  ben  ©tanb  ge* 
fefct,  über  bie  oorliegenbe  grage  ein  oemünftigeS  Urteil 
§u  fällen,  ©ie  werben  bann  ntcr)t  mel)r  £)inge  gufammen* 
[teilen  wollen,  bie  nidjt  gufammengeljören.  ©ie  wer* 
ben  bann  ben  wilben  ©iferer,  ber  für  irgenb  eine  fiye 
3bee,  in  bit  er  fid)  oerrannt,  oon  blinbem  gartet* 
geifte  getrieben,  in  ben  Stob  gel)t,  nid)t  mel)r  mit  einem 
Sftartnrer  oergleiäjen,  ber,  t>on  frohem  ruhigem  ©ottoer* 
trauen  befeelt,  für  feinen  getrennten  ©rlöfer  fein  23lut 
oerfr»ri§t,  nid)t  einen  reä)tbaberifä)en  unb'ftolgen  £uß,  wie 
er  ben  ©Weiterlaufen  befteigt,  mit  einem  ftd)  nadj  ber 


$0  drittes  ©efpräd). 

f)immltfd)en $rone  felmenben  1)1.  QgnatiuS  oon  2lntio<$ien 
auf  feinem  tätige  pm  ^lömif^en  5lmpt)itf)eater ;  unb  roaS 
bk  tapferen  Krieger  unb  Reiben  Betrifft,  bie  ben  £ob 
auf  bem  6df)lad)tfelbe  fterben  ober  audj  jene  einzelnen 
oiel  befundenen  gelben,  bte  ftdfj  in  freiem  ©ntf^Iuß  bem 
Stöbe  für'S  Sßaterlanb  niesten,  fo  werben  <&k  aud£)  biefe 
mit  ben  §elbenfd)aaren  ber  ctyriftttdfjen  Sftartprer  nidjt 
met)r  in  $ergteid(j  bringen.  SDenn  abgefeljen  baoon,  bafc 
bort  allerlei  flar!  unb  heftig  erregte  leibenfdfjaftlid&e 
<$efül)le  unb  finnlidje  üUlotioe,  (Hoffnung  auf  6ieg, 
9tuf)meSburft  unb  £Ijatenbrang  u.  bergl.)  mttroirfen,  bk 
liier  gang  unb  gar  festen,  unb  felbft  angenommen,  ba$ 
bk  @in§elnen,  bk  ftd)  in  freiem  ©ntfdjlufi  für'S  $aterlanb 
bem  £obe  weiteten,  hierbei  üon  %liä)t§  geleitet  mürben, 
als  üon  reiner  Siebe  $um  SBaterlanbe,  fo  ift  bod)  ber 
ttnterfdtfeb  immer  nod)  ein  feljr  großer.  S)aS  $aterlanb 
fann  man  feljen,  ba$  $atertanb  aber,  roofür  bk  Märtyrer 
ftarben,  fann  man  ntdjt  fe^en;  tm  $atertanbe,  baä  mir 
felbft  burd)  ben  %ob  oerlaffen,  laffen  mir  bodf)  gteid&fam 
nodf)  ©tücfe  von  uns  felbft  §urüd,  unfere  $tnber,  unfere 
trüber,  unfere  greunbe,  unb  rote  bk  Siebe  gu  uns  felbft, 
fo  ift  audfj  bie  Ziehe  §u  ben  mit  uns  burd)  bk  $anbe  ber 
Statur  ober  ber  greunbfd^aft  $erbunbenen  etroaS  Watüu 
lidfjeS ;  —  mäl)renb  bie  Siebe  §um  Ijtmmtifdfjen  $aterlanbe 
fid)  über  gleifdjj  unb  $lut  weit  ergebt.  2tud(j  feljen  mir 
bort  ^atürltdjjeS  burd)  ^atürtidfjeS  unterfingt  unb  ge- 
fteigert,  burd)  natürliche  Unerfdfjrodenljeit  unb  gurd^ 
loftgleit,  burd)  3JcanneS=3ttutl),  9JcanneS*Stol$  unb  3flanneS= 
©tärle:  unter  ben  9Jtarttjrem  aber  finb  Reiben,  bk  oon 
§auS  aus  nidfjtS  weniger  als  gelben  finb:  fd&road&e  $tnber, 
prte  Qungfrauen,  abgelebte  unb  fcfyoadje  ©reife  fterben 


SritteS  ©efpräd).  81 

l)ier  ben  ©elbentob;  enbltdj  finb  e$  immer  nur  @in§elne, 
bte  ben  geroiffen  ^elbentob  freiwillig  mäljlten  unb  bie  eben 
betyalb  mit  unfterblidjem  9iul)m  gefeiert  finb,  Ijier  finb 
e3  gange  6djaaren,  über  geraume  geitftretfen  unb  über 
alle  ßänber  ber  2öelt  auSgefäet.    Äurj,  6ie  feljen,  §err 
(Sommercien^atf) ,  bie  Umftänbe  finb  ju  oerfcfjieben,  als 
ba$  ijiex  eine  SBergleidjung  §uläffig  märe.    Unb  id)  fann 
ba|er  l)ier  nur  ba$  SBort  eine£  djriftlid)en  $l)ilofopl)en 
neuefter  Seit  mieberl)oten:  „2Ba3  mir  behaupten,  ift,  ba$, 
menn  man  bie  menfdjlidje  ©djmad)l)eit  in  SBetraäjt  $iel)t, 
e3  niä)t  möglidj  fei  olme  einen  gan§  befonberen  SBeiftanb 
btä  iQtmmelS,  ba$  burdj  einen  Beitraum  von  brei  ^afyx* 
Ijunberten,  an  allen  fünften  ber  befannten  2Mt,  ftdj  in 
ber  unerme§ti$en  5lnja^I  $erfonen  von  allen  Altern,  @e* 
fdjled&tern  unb  ©tänben  finben  fönnen,  bie  mit  greuben 
tyxe  Qabe  unb  in  ben  2tugen  ber  Söelt  i^re  @l;re  oer* 
lieren  unb   t^r  Seben  unter  ben  fäjretflidjften  Dualen 
enbigen  an$  bem  einigen  ®runbe,  um  ben  (Stauben  an 
ben  (Mreujigten  ntd^t  aufzugeben.    5Dte^  ift  unfere  23e* 
ijauptung  unb  mer  uns  miberfpriajt ,  von  bcm  forbem 
mir,  ba$  ex  in  ber  @ef$i$te  be3  2Renföengef<$le<$t3  ein 
ä'IjnlidfjeS  $eifpiel  aufmeife,  unb  mir  merben  un3  nid;t  be- 
gnügen mit  biefem  ober  jenem  vereitelten  gaftum,  fonbern 
verlangen,  bafc  ex  £aufenbe  über  £aufenbe  geige,  raie  mir 
fie  barbieten  fönnen,  unb  fidjer,  ba$  tlmt  bteS  md)t  mög* 
lid)  fein  rairb,  merben  mir  glauben  in  unferem  $edjte  gu 
fein,  wenn  mir  fagen,  baß  unfere  Religion  ein  $enngeidjen 
fceftfce,  ba£  ben  anbern  feljlt."*) 

ßommercien^at^.    3dj  mitt  meinen  2Biberfpru$ 


*)  23alme§,  Briefe  an  einen  groeifter.    V.  33. 

3»eite§  6if#öftic&eg  SBovt. 


82  drittes  ©efpräcfc. 

auf  einen  Augenbltcf  fallen  laffen;  aber  iü)  fann  Qljnere 
bo<^  nitfjt  angeben,  ba$  biefe£  Argument  gerabep  nötl)i* 
genb  wärt,  fo  wenig  iä)  MefeS  t)on  3l)ren  früher  in3  gelb 
geführten  Argumenten  fann  gelten  laffen;  unb  ©ie  liegen 
bodfj  früher,  roenn  idj  miä)  redjt  erinnere,  bk  Sleufcerung 
fallen,  burd)  bk  bejügtitfjen  23eroei<3grünbe  werbe  bie  menfdj~ 
litf)i  Vernunft  $um  ©lauben  an  (SfjrtftuS  gerabeju  ge^ 
nötljigt 

Qdfj.  @ie  legen  rool)l  bem  2Borte  üftötrjigung  einen 
©inn  unter,  an  ben  idfj  nic^t  gebadet.  2lu$  bk  maifa 
matifd^en  $emeife  finb  nifyt  abfolut  unb  in  bem  (Sinne 
nötln'genb,  ba%  baburdf)  bie  innere  3uftimmung  be3  ®eifte& 
gerabeju  errungen  mürbe.  21  e  u  fj  e  r  e  ^anblungen  i önnen 
(Sinem  abgerungen  merben,  innere  nidjt.  Söenn  itf)  alfo 
ba§>  2öort  %lötf)i gung  au-Sfpracf),  fo  fonnte  idfr  feine  an* 
bere  9tfötl)igung  meinen,  al^  eine  moralifd^e.  Unb  ber 
6tnn  meiner  Sftebe  fonnte  nur  fein:  man  ^anble  unoer* 
antmortlid[)  pflidf)tmibrtg,  man  verleugne  gerabegu  bk  $e>- 
fe$e  unb  bie  gorberungen  ber  Vernunft,  Ijanble  alfo  audj 
gerabe^u  unvernünftig,  menn  man  ba$  Gljriftentfyum  fenne 
unb  nid)t  an  feine  ©öttlidjfeit  ober  an  bie  ©ottyeit  feinet 
©ttfterS  glaube.  SDie  greift,  unvernünftig  §u  Rubeln, 
Ijat  unb  behält  freilief»  Qeber,  fo  lange  er  Ijienieben  pil* 
gert;  fie  ift  bie  traurige  $ugabe  unferer  irbifdjen  Triften j, 
aber  aurf)  bie  23ebingung,  oljne  meldte  dn  vernünftige;?,, 
b.  f).  ein  ebleS  unb  red^tfd^affene^  feanbün  nidjjt  lobmw> 
big  unb  verbienftlid)  fein  fonnte.  £)enn  mürbe  mir  ber 
©laube  an  bk  ©öttlidjfeit  be£  (£l)riftentlmm3  bergeftalt 
aufgebrungen  unb  abgerungen,  bafc  bem  freien  Sßillen 
bie  3flöglidf)feit,  ftä)  von  irgenb  einer  ©eite  baran  §u  be* 
^eiligen,   abgefdfmitten  märe,  fo  fefye  iä)  nidjt,  mie  bem 


Stilles  ©efpräc$.  83 

©lauben  irgenb  eine  ftttlidje  Sebeutung  ober  ein  $erbienft 
gufommen  fönnte,  —  unb  ber  2lu3fpruclj  @l)riftt:  „2Ber 
glaubt  tfnb  getauft  ift,  wirb  feiig  werben ;  wer  aber  ntdjt 
glaubt,  wirb  oerbammt  werben/'  wäre  mir  oöllig  uner* 
flärlidj.  2lu3  htm  nämlichen  (Brunbe  barf  aurf)  bk  ©tri* 
benj  ber  (Srünbe,  bk  für  bte  ©öttlid^feit  be3  @I)riftentf)um3 
fprecljen,  nicljt  biefelbe  fein,  wie  bie  eines  matrjematifdjen 
33eweife3.  2)enn  fann  mir  aud)  felbft  bie  Suftimmung; 
§.  23.  p  ber  matljematifcfien  3öa^rr)eit ,  ba]B  ba3  ©anje 
größer  ift  als  einer  feiner  Steile,  als  ein  reiner  innerer 
2ift,  nidjt  mit  äußerer  prjnfifdjer  (Gewalt  abgenötigt  wer* 
ben,  fo  ift  bodj  bk  ©etmf$eit  biefer  2öar;rr;eit  fo  evibmt 
unb  fie  bränßt  fiä)  jebem  r>on  felbft  fo  unwiberfteljlid)  auf, 
ba§  berjenige,  ber  baran  zweifelte,  oon  aller  2öelt  würbe 
für  serrücft  gehalten  werben.  S)ic  ©ewißljeit  t>on  ber 
<$ötttiä)fett  ber  c^rtftlid^en  Religion,  wie  Sie  bie  oben  ge* 
nannten  23ewei£grünbe  gewähren,  barf  §war  feine  geringere 
fein,  als  bie  ®ewif$eü  von  ber  Sßaljrljeit  irgenb  etneS- 
matrjematifcljen  ©a|eS ;  aber  fie  ift  eine  ®ewif$eit  anberet 
2lrt,  feine  fogenannte  metaprjnfifdje,  fonbem  eine  mora* 
lifäje,  woran  ber  rebltdje  gute  2ßitte  unb  baS  eble  £er$ 
fo  gut  feinen  2lntl)etl  fjat,  wie  ber  forfdjenbe  SBerftanb  ober 
bie  rurjtg  prüfenbe  Vernunft  Unb  es  fann  bal)er  aucr) 
einer  folgen  ®etmf#eit,  einer  folgen  gewiffen  unb  enU 
ftf)tebenen  Uebergeugung  an  eigentlicher  fittttdjer  SBertr; 
ober  ein  SBerMenft  gufommen.  SDenn  ßinem  baS  als  $er* 
bienft  anrechnen,  baß  er  anerfeunt,  baß  gwei  unb  jwei 
t)ier  fei  —  baS  wirb  worjl  3Riemanbem  einfallen. 

@ommercien=9fiatl).  2lber  ©ie  fdjeinen  fidj  nur, 
£err  ^öifc^of,  aus  ber  £cpnge,  in  bk  Bk  fidj  felbft  vix* 
ftricft,  auf  eine  möglich  anftänbige  Söeife  wieber  IjerauS* 

.6* 


$4  SritteS  ©efprädj. 

ate^en  §u  wollen.  Sie  füllen,  was  Sie  früher  oon  einem 
©enötljigtroerben  ber  Vernunft  gut  Anerkennung  ber 
^öttli^feit  beS  (SlirtftentljumS  gejagt,  fei  bodf),  Bei£tdjte  be* 
fel)en,  nidjt  redjt  faltbar,  Sie  Rängen  ba^er  bem  etwa* 
ftarfen  unb  unliebfamen  SBorte  Dtfötljtgung  nadjjträgtidj 
baS  allerliebste  SBörtdjen  moraltfd)  an,  unb  ba3  nennt 
man  auf  gut  beutfdj  pm  Sftücfäug  blafen. 

8$.  £)ie  2Bal)rl)eit,  §err  (£ommercien*9iatl),  tft,  ba$ 
tdj  meine  Sßofttton,  bte  idfj  gleidj  anfangt  eingenommen, 
bü  je^t  nod)  um  feinen  3oßbreit  üerlaffen  Ijabe.  llnfer  lieber 
§ofratl)  fiter  wirb  mir  felbft  bezeugen,  bafe  tdj  feinem  $er* 
merfungSurtljeit  über  bk  Vernunft  gletdj  anfangt  bm 
Sa§  entgegengefteEt :  ber  reblidfje  gorfdjer  ober  bk 
reblidj  forfdljenbe  Vernunft  werbe  jur  Anerkennung 
ber  ©öttlidjfett  be3  (SfjriftentljumS  unb  ber  ^ott^ett  feinet 
Stifters  genötigt;  unb  im  ©runbe  ift  bamtt  bodj  gan^ 
baffelbe  gefagt,  maS  mit  bem  AuSbrudfe  moratifd&e  SRö* 
tljigung  gefagt  ift.  £)en  ©ebanfen,  bafc  berjenige,  ber 
ba3  (£l)riftentl)um  fennt  unb  nidjt  an  beffen  ©öttltd&feit 
glaubt,  ein  unoernünftiger  äftenfdfj  fei,  neunte  tcf)  mit 
biefem  2tuäbru<fe  feineSraegS  prüd;  ja  id)  nrill  ifyn  bamit 
nidjt  einmal  milbern.  Ob  itf)  mify  mit  ben  logifdjen  ®enf  * 
gefe|en  ober  ob  idj  midf)  mit  ben  lauten  fittlidfjen  gorbe- 
rungen  ber  Vernunft  in  SBiberfprudf)  fe|e,  unvernünftig 
Raubte  i$  im  legten  gälte  fo  gut,  raie  im  erften ;  nur  bafs 
in  jenem  erften  galle  bk  Unvernunft  als  foldje  greller 
hervortritt  unb  von  Qebermann  bafür  anerfannt  wirb, 
mä^renb  fie  im  leiteten  il)re  fjäjslidje  33Iö§e  oft  nod)  mit 
einem  fdjönen  äftäntetdjen  §u  bebeden  meig.  $ur§,  bk 
33eroet3grünbe  ber  ©ötttidtfett  beS  ßtjriftentlmmJ ,  nrie  t<$ 
fie  3$nen  oben  vorgeführt,  finb  fo  geartet,  ba$  fie  feinen 


S)rtttc8  ©efpräd^.  85 

Sötberfyruäj  plaffen,  als  ben  fop^tfiifc^en  Sßtberfprudj  eines 
serfeljrten  unb  betörten  HergenS.  23efonberS  aber  finb 
es  bie  ©tnreben  praeter  Seibenfdjaften,  meldje  gletdjfam  bie 
geborenen  unt)erfö^nli$en  getnbinnen  ber  djriftlidjen  9teli* 
gton  ftnb  unb  roeläje,  wenn  ber  miberftrebenbe  SBerftanb 
mit  feinen  ©egengrünben  gegen  bie  djriftlidje  Religion 
fäjon  längft  ans  bem  gelbe  gefd)lagen  ift,  immer  noä)  im 
Hinterhalte  lauern  unb  aus  ilirem  bunflen  Serftetf  gegen 
bie  oon  ilinen  fo  ger)ajste  ©törerin  ifyrer  greuben  iljr  %laU 
terngift  fprifcen,  inbem  fie  gleiä)fam  immerfort  gegen  fte 
baS  (Sejifdj  ferneren  laffen:  „bu,  djrtftlidje  Religion, 
magft  noä)  fo  t)ie(e  einteudjtenbe,  ben^erftanb  befiegenbe 
(5>rünbe  für  bidj  l)aben ;  aber  alle  biefe  beine  ©rünbe  fön* 
nen  bir  nidjtS  Reifen,  benn  mir  finb  auä)  nodj  ba  unb 
fyabtn  ein  2öort  mitgufpredjen." 

(£ommercien*9iatl).  tlnb  Me  beiben  geborenen  unb 
unoerfö^nli^engeinbinnen  ber  äjriftUdjen  Religion— mären? 

3  ü).  @l)riftuS  fetbft  gibt  fie  uns  ntd)t  unbeutlidj  gu 
ernennen;  benn  einmal  fagt  er  §u  ben  Quben,  bafj  fie  an 
iljn  nidjt  glauben  fönnten,  meil  fie  @§re  von  ein* 
anber  ncujmen,*)  unb  ein  anbereSmal  fagt  er,  bajs  jeber, 
ber  $öfeS  tyne,  baS  £id)t  §  äff  c  unb  beßljalb 
an'S  2iü)t  nifyt  fomme.**)  @S  merben  In'er  alfo  als 
bie  jrcei  @r§feinbinnen  ber  djrtftlidjen  Religion  r>on  i^m 
In'ngejMt  bie  Hoffartl)  beS  ©eifteS  auf  ber  einen 
Seite  unb  bie  Ungudjt  beS  gleifdjeS  auf  ber  anbern 
©eite.  £)enn  ßljre  uon  einanber  fu^en  unb  nelj* 
men,  alfo  @§rgei&,  murmelt  in  ber  £offartl)  beS  ©eifteS 
unb  ift  nur  eine  befonbere  2Xrt  beS  ©toljeS;  unb  bie 


*)  3oI;.  5,  44.        **)  3of>.  3,  19,  20. 


86  drittes  ®efpräc$. 

Berfe  ber  ginfternig,  bie  ba§>  £idjt  freuen,  fittb  oor* 
pgSmetfe  bie  Söerfe  ber  gleifdjeSluft.  Unb  warum 
gerabe  biefe  beiben  Setbenfämften ,  ©etfteSfjoffartl)  unb 
3fleifdje3luft,  ber  djriftlidjen  Religion  fidj  fo  feinbfelig 
sntgegenfe^en  unb  entgegenfe^en  muffen ,  leljrt  fd^on  bie 
■Katur  ber  6adje. 

3)enn  ma3  bk  @eifte8l)offart§  betrifft,  ftnb  benn 
tt)of)l  fdfjneibenbere  ©egenfä^e  benfbar,  als  §roifd)en  üjren 
auäfdjmeifenben  Slnma^ungen  unb  pnfdjen  ben  2Ba^r§eiten 
unb  gorberungen  ber  djriftlidjen  Religion?  Stuf  ber  einen 
@ette  ein  ©ott,  ber  ftdj  emiebrigt  unb  jraar  hi$  jur  ©elbft* 
entäuBerung  unb  @elbftöernid)tung  (benn  biefer  ftarfen 
$Iu£br  tiefe  bebient  ftdj  bie  §ett.  ©djrtft),  ber  fid)  erniebrigt 
6i3  pr  Grippe  unb  U$  an  ben  ®d)anbpfaf)l  be3  $reu§e* 
unb  biefe3  2öunber  ber  ©rniebrigung  fortfefct  in  feiner 
fortroä£)renben  ©egenmart  unter  ben  fümmerlidjett  unb 
nötigen  Srotlgeftatten  be3  fjetl.  ©aframents  —  unb  bann 
biefer  Söafjrtyeit  entfpredjenb  bk  gorberung  an  un^felbft: 
tßfyr  foHt  gefinnet  fein,  nrie  QefuS  ©rjriftu^  e3  mar;  mer 
unter  eud)  ber  ©röfete  fein  mill,  foE  aller  Slnbern  Wiener 
fein,  unb  mer  in?3  £immelreid)  eingeben  miß,  muj3  ein 
Minb  fein;"  —  alfo  biefe  äöal^eiten  unb  gorberungen 
be3  (£fyriftentt)um3  auf  ber  einen  &z\k,  unb  auf  ber  an* 
bern  <&t\U:  biefer  unbänbige  galten  auf  ftdj  felbft,  biefer 
©te^enroollen  auf  feinen  eigenen  gü^en,  biefer  führte  unb 
lede  (Smportragen  be3  £aupte3,  biefeä  eitle,  anmafjltäje, 
bünfel^afte  Söefen  —  ba3  aEe3  foUte  fidj  mit  jenen  2Saf)r* 
Reiten  unb  gorberungen  frieblid;  vereinigen  laffen!  üftein, 
kin$  von  Leibern  mufc  bem  anbern  $la£  madjen;  ba3  eine 
ober  anbere  mufj  entmeber  biegen  ober  brechen,  ßmtroeber 
muß  i<§  vor  @$riftu3,  bem  menfdjgemorbenen  unb  fo  tief 


dritte*  ©efpräd).  87 

erniebrigten  ©otte,  wie  jener  ftolje  ^erooinger  @t)tobn>ig, 
mein  £aur>t  beugen  ober  i<^  muf$  oon  bem  ©et)eimniffe 
ber  ©rlöfüng  unb  2Wem,  raa3  bannt  §ufammen§ängt,  mid) 
■tro|ig  wegmenben,  b.  \  iä)  mujg  midj  bem  djriftltdjen 
-©tauben  fetnbfeltg  entgegenftemmen ;  i$  mufc,  weil  td)  mid) 
felbft,  b.  l>  meine  t>erfet)rte  Statur  niä)t  Raffen  miß,  biefen 
©tauben  Raffen,  ber  mid)  jum  §affe  meiner  t>erferjrten  %la* 
tur  aufforbert.  3a,  §err  @ommercten^9tatt),  @in3  non  $et* 
bem,  menigftensS  wenn  man  folgerest  ju  Söerfe  get)t;  benn 
iä)  gebe  p,  ^ct6  mandje  trog  it)re3  ©eifte3ftol§e3  bod)  ben 
djriftlidjen  ©tauben  nod)  fefttjatten,  weit  fie  ftdj  fetbft  ben 
©egeufag  nidjt  %um  33enmJ3tfein  bringen.  @ie  tragen  bann 
aber,  rate  9We,  bte  djriftlidj  gtauben  unb  un^riftli^  leben, 
bm  ©tauben  nur  aU  ein  tobtet  Kapital  in  ftd);  it)r 
staube  ift  nur  ein  umtü^er,  ein  träger  unb  tobter 
©taube. 

3$  tarnt  mid)  raegen  be3  ©efagten  aud;  auf  bie  ©e- 
\§i§te  unb  auf  bie  täglidje  @rfat)ruug  berufen.  Unter 
ben  größten  ^inbermffen,  ben  djriftlidjen  ©tauben  an§t^ 
nehmen  ober  it)n  $u  beraatjren,  begegnet  mir  t)ier  an  ber 
-uorberften  Stelle  immer  ber  Stolj$. 

3Ba3  t)inberte  benn  bie  t>erftodten  ©djriftgetetjrten 
unb  $t)artfäer,  an  ßljrtftuS  gu  gtauben,  ungeachtet  fie  boct) 
ttidjt  umlnn  fonnten,  bie  (£rl)abent)eit  feiner  Seigre  unb  bte 
§eitig!eit  feinet  8eben3  anpfiaunett  unb  aud)  feine  $eu 
dien  unb  Söunber  täglich  vov  Slugen  fatjen?  2lntroort: 
ntdjts  anbereS  tjinberte  fie  baran,  aU  ber  ©tofy ;  fie  i onn* 
ten  nid)t  an  itm  gtauben,  raeit  fie,  raie  ümen  unfer  $eu 
lanb  in'3  Shtgefidjt  fagt,  @£;re  üou  einanber  nahmen. 

s4Ba3  t)inberte  bie  römifdjen  $aifer  unb  9Jlad)tt)aber, 
bie  dirifitidje  $ird)e  in  ^rieben  ju  taffen,  ba  ja  bod)  bie 


88  Sritieä  ©efpräd). 

Triften  nichts  weniger,  als  ftaatsgefctyrltdje  2Jteufd)en 
waren?  Antwort:  toteber  nur  ber  ©tofy.  £)ie  Triften 
jagten:  man  muß  ber  Dbrtgfett  geljortfjen,  weil  bie  Dbrig* 
feit  von  ©Ott  angeorbnet  ift,  b.  §.  nur  in  erlaubten  ©in* 
gen  mufc  ober  barf  man  tljr  geljordjen,  benn  man  mufr 
©ott  ntefjr  gel)ord)en,.alS  btn  2ftenfdjen.  <So  fagten  bte 
Triften;  aber  fo  füllten  fte  nid)t  fagen,  fie  foEten  biefe 
iririfdjen  ©ewaltljaber  ni$t  an  einen  nocfj  l)öl)eren  ©ewalt* 
Ijaber  —  an  ünen  $önig  aller  Könige  erinnern,  fonbem 
einfad)  auf  tfjre  $niee  nicberfaffen  unb  üjren  ©ö|enbilbern 
göttliche  @§re  erwetfen. 

Unb  jene  forfdjbegiertgen  Sßeltweifen ,  bie  immerbar 
lernten  unb  nie  pr  Sßafjrljett  gelangten,  was  Huberte  fie 
benn,  ber  $riftlid)en  Söafjr^eit  ftdj  p  unterwerfen?  Slnt* 
wort :  wieber  nur  ber  ©tolj.  ©ie  wollten  nun  mal  ©ott 
nidjt  bie  (Styre  geben  unb  von  feiner  2öal)rl)eit  etwas  wiffen, 
außer  fie  r)ätten  biefelbe  an$  ftdj  felbft  geköpft,  auf  bie 
©efa^r  ^)in,  an  aller  2öal)rl)eit  p  üerpjetfeln. 

3um  IXeberfXuffe  fann  iä)  enblitf)  nod)  an  bie  ge* 
tauften  @l)riftenfeinbe  ber  ©egenwart  erinnern,  an  bie 
Männer  beS  gortfdjritteS,  ber  ©efyeimbünbe  b.  I).  an  bie 
Sftänner  beS  UrnfturgeS,  bie  bie  gange  djriftlidje  Drbnung  unb 
©efeßfdjaft  über  ben  §aufen  werfen  motten  —  nnb  warum? 
bamit  fie  an  bie  ©teile  ber  weggeräumten  Autorität  ißre 
eigene  Autorität  fegen,  bamit  fie  fidj  üor  feinem  anberen 
©efe§e  meljr  p  beugen  brausen,  als  vor  bemjenigen,  ba& 
fie  ftdj  felbft  gemalt,  furj,  bamit  fie  nur  bie  Dberljerrltd)* 
feit  ifjreS  eigenen  lieben  Qd)  befto  freier  entfalten  unb 
pr  ©eltung  bringen  fönnen.  Qljr  unfinniger  £>a{3  gegen 
ba§>  ^riftent^um  entfpringt  alfo  wieberum  nur  einem 
ebenfo  unfinnigen  ©tolge. 


$ritte§  ©efprädj.  8$ 

3JUt  her  gletfdjeSluft  tjat  e3  ungefähr  biefelbe  23e* 
wanbtnifr  £)er  ©egenfa£  gwifdjen  tljr  unb  ber  djrtfiüd&en 
Religion  ift  ebenfalls  fo  gro§,  wie  e%  nur  einen  geben 
fann.  (B$  war  eine3  ber  erften  Sßorte,  ba$  ber  «Stifter 
ber  dSJrtftlidjen  Religion  fpradj:  „Selig  ftnb,  bie  reinen 
töergenS  ftnb,  benn  fie  werben  ©ott  anf$auen."  @(je  biefer 
reine  Sotjn  einer  reinen  Jungfrau  in  bie  Söelt  eintrat 
mar  bie  reine  jungfräuliche  Äeufd^ett  in  ber  Söelt  niä)t 
t-orljanben  unb  audj  bie  ftanbe^mäfeige  $eufd$eit  mar, 
ptnat  bei  ben  rjeibnti'djen  SSölfern,  fo  gut  wie  nidjt  vor* 
Ijanben,  fo  etma$  überaus  Seltene^  war  fte.  Statt  ba$ 
ber  ©eift  ba§  gteifdj  bet)errfdjte  unb  e3  gteiä)fam  ner* 
geiftigte,  bet)errfct}te  ba§  gletfdj  ben  (Seift  unb  tnadjte  iE)tt 
feinen  (Belüften  bienftbar.  ihtrj,  e3  rjerrftf)te  jene  fdjred> 
lidje  $erfomment)ett  unb  $erwitberung  ber  Sitten,  wie 
iü)  fie  oben  angebeutet.  S)a  trat  GfjrtfiuS,  ber  reine  Solnt 
einer  reinen  Jungfrau,  in  bie  2Mt  ein  unb  fprad):  „Selig 
ftnb,  bie  reinen  £erj$en3  ftnb,  benn  fie  werben  ©ort  an* 
flauen."  @r  fe|te  ben  ©eift  in  fein  angeftammte^  Sftedjt 
lieber  ein  unb  wie3  ba£  gletfd)  in  feine  gefefcmäßigett 
S^ranfen  jurütf.  Selbft  Ijenwr  gewährten,  wie  eine  Sitte 
au3  bem  reinen  jungfräuliche  Sdjoofee  feiner  Sflutter,  liebt 
er  als  bie  tym  gan§  gemäßen  Naturen  befonber3  bie  rei* 
neu  jungfräulichen  Seelen,  bie,  wie  e3  in  ber  geheimen 
Offenbarung  be3  t).  Qol)anne3  §etf$t:  ,fbem  Samme  überall 
t)tn  folgen,  wot)in  eß  gellt."  SDte  ftanbeSmäfcige  $eufd)l)eit 
aber  forbert  er  abfolut  aU  ein  notljwenbigeS  ßemtseicjjen 
feinet  Qüngerfdjaft  unb  er  fpridjt  tjter  nid)t,  wie  bort: 
„2ßer  e3  faffen  fann,  ber  faffe  e£,"  fonbern  er  fpridjt  burdj 
ben  Wlunb  feinet  2lpoftet3:  „Itnaüdjtige  unb  @t)ebrecl)er 
werben  in'«  §immetreirf)  niä)t  eingeben."  Unb  nidjt  blofr 


90  SDritteä  ©efpräc§. 

bit  äugere  ©ünberttljat,  fonbern  aud)  fdjon  bte  leifefte  im* 
reine  SBegierbe  erflärt  er  für  üerbammticij.  Sie  fel)en,  ein 
größerer  $egenfa|  aU  (£l)riftentt)um  unb  Ungudjt,  ai$ 
djriftltdjer  ®otte£bienft  unb  unreiner  gteifä)e3bienft  ift 
ntdjt  benfbar.  Unb  auä)  §tcr  muf3  e3  entweber  biegen 
ober  Bremen.  9htr  bie,  meldte  reinen  §erjen3  finb,  werben 
einft  ©ott  anbauen;  ben  Unreinen  aber  fällt  e3  f$wer, 
Ijienieben  an  ©ort  unb  feine  Offenbarung  audj  nur  $u 
.glauben.  3)enn  ber  ©laube  ift  ein  £idjt,  ba$  nn$  er* 
leuchtet ;  ba$  unreine  §er§  aber  nimmt  fo  wenig,  wie  ba£ 
unreine  2luge,  ba§  ftral)lenbe  Sidfjt  in  jidj  auf.  ©in  un- 
reine^ §er§  ift  aud)  ein  -  finftere^  £er&  unb  eine  ber 
fdjlimmften  Söirtungen  ober  folgen  ber  Unreinheit  ift 
eben  bie  $erblenbung.  £)er  unreine  ober  unfeufdje  üftenfdj 
wirb  nadj  unb  nad)  unb  im  fortfdjreitenben  $erl)ältmffe 
feiner  Sünbe  blinb  gegen  2ltte3.  Sluf  ber  einen  «Seite 
ftefjt  ©ott  unb  bas  ewige  §etl  feiner  Seele,  —  auf  ber 
anbern  Seite  ftetyt  bie  locfenbe  üerfüfyrerifäje  £uft,  unb  ber 
Sßerblenbete  fel)rt  ©ott  unb  feiner  unfterblid)en  Seele  ben 
$lMen  unb  greift  na$  ber  verbotenen  £uft.  Selbft  bte 
einfachen  natürlidjen  $fli$ten*$erl)ältniffe  ftel)t  er  ntd)t 
me^r.  @r  wirb  blinb  gegen  $ater  unb  2Jhttter,  blinb 
$egen  Sdjmefter  unb  SBruber,  blinb  gegen  ©arte  unb  £tnb, 
blinb  felbft  gegen  bie  gewöljnttdjen  StMftdjten  auf  SCnftanb, 
<£l;re  unb  Sdjaam.  Sitte  Dtedjte  Ruberer  tritt  er  mit  güfjen 
unb  baä  einige,  wa3  in  feinen  Singen  nodj  ein  sJtedjt  f>at, 
ift  feine  unbänbige  unreine  ßeibenfdjaft. 

Qdj  frage,  ob  ein  foldjer  unreiner  SRenfdj,  ber  ftdj 
$egen  Sitten  üerblenbet,  gule|t  nid)t  audj  blinb  werben 
muffe  gegen  ben  djriftlidjen  ©lauben,  ja  ob  er  eine  Sfteli* 
cjion,  bie  mit  fo  unnad)ftd)tiger  Strenge  feine  Sünbe  t>er* 


drittes  ©efpräd?.  91 

vammt,  nidjt  fogar  freuen  unb  verabfdjeuen  muffe.  „£)er 
SBöfeS  tlmt,  ^agt  ba3  £irf)t  unb  fommt  nidjt  an'3  ßidfjt, 
bamtt  feine  2öer!e  ntc^t  offenbar  werben."  Unb  audj  Oter 
liefert  uns  bie  ©efdjidjte  unb  bie  tägliche  ©rfa^rung  bte 
merfwürbigften  Belege.  2)en  Slbfall  von  ber  djrtftlidjett 
SBaljrfjeit  feiert  wir  gewöf)nlldj  entweber  im  gleifdje  be* 
ginnen  ober  im  gleifdje  enben;  unb  mit  bem  totalen  2Tb* 
falle  vom  6(jriftent&ume  feljen  mir  bie  ©mancipation  be3 
gleif$e3  Qanb  in  §anb  gel)en ;  f o  im  (Jansen  unb  f o  im 
-dinjelnen.  Unb  feien  <5ie  überzeugt,  §err  (Somtnercten* 
Statt),  tonnten  mir  in  ba3  §er$  mand)e3  9ftenfcf)en  blicfen, 
ber  jefct  mit  ben  gewöhnlichen  trafen  von  moberner  35il* 
bung,  SCufflärung,  gortfdjritt  fo  um  fidj  wirft  unb  biefe 
SHnge  mit  bem  djriftlidjen  ©lauben  nidjt  vereinigen  ju 
fönnen  vorgibt ;  —  tonnten  wir,  wie  gefagt,  in  fein  §erj 
blicfen,  fo  würben  wir  baxin  etxotö  gan§  2tnbere3  finben, 
xoa$  mit  bem  c^riftlid^ett  Glauben  nidjt  vereinbar  ift.  2)ie 
6djwterigfeiten,  bie  ber  djriftlidje  staube  bem  $erftaube 
ober  ber  mobemen  2ötf[enf<$aft  unb  SBitbung  barbietet, 
biefe  fdjiebt  man  vor,  aber  bie  §inberniffe,  bie  im  ver* 
lehrten  §er§en  liegen,  bie  meint  man,  wenn  man  anber3 
nodj  gegen  fidj  felbft  e^rlid)  genug  ift,  um  fid)  ba%  wa^re 
^inbernife,  warum  man  mä)t  glauben  mag,  §u  gefielen. 
Unb  ftmnte  man  nur  biefe  jwei  @r§feinbinnen  be3  d^rift^ 
ticfjen  ©taubenS,  bk  Reiftest)  off  artt)  unb  bie  gletföeSluft, 
au3  ber  Sßclt  wegraffen,  ber  Unglaube  würbe  ifmen  auf 
bem  gufee  folgen;  fo  wk  itf)  überzeugt  bin,  ba%  für  bk 
tnciften  ^roteftanten,  bie  nodj  an  (£t)riftu3  glauben,  ba3 
ipauptlnnbernifj  iljrer  UMM)t  pr  ßirdje  (grifft  nidjt 
fowoljl  in  ben  eigentümlichen  2Batjrt)eiten  liegt,  bie  fie 
lef)xt,  aU  vietmetjr  in  ben  fdjwerftfjeinenben  Uebungen,  wo§u 


92  drittes  ©efprädj. 

fte  i^re  ©lieber  üerpflidjtet  Qene  2öal)rl)etten  mürbe  man 
ftd)  rool)l  noö)  gefallen  laffen,  aber  biefe  Hebungen  Soften 
3flü§e  unb  SBefajroerbe,  —  unb  ba  nrirb  gleid)  bie  @a$e 
eine  anbere. 

ßommercien^atlj.  tiefer  Ie|te  $unft,  ben  (Sie 
berühren,  ifi  mir  §iemltdj  gletdjgülttg ,  idj  fte^e  nxdjt  in 
ben  ßonfefftonen,  b.  §.  in  einer  beftimmten  ßonfeffion, 
fonbern  über  ben!  (Sonfeffionen. 

®er  §ofratfj.  Slber  mir  ift  biefer  Sßunft  gar  ntdjt 
gleichgültig  unb  iä)  mödjte,  §err  23ifd)of,  auf  biefe  Qljre 
confeffioneUe  53emer!ung  §mar  nidjt  be3  SDidjterS  2öort 
anmenben : 

„£)u  fpriäjft  ein  großem  Söort  gelaffen  au3;" 
bagegen  ba$  grofj  in  fti^n,  unb  ba3  gelaffen  in  »er* 
meffen  umänbem,  unb  Qlmen  alfo  fagen: 

„£)u  fpridjft  ein  fülme3  28ort  r-ermeffen  au3." 

$dj  wollte  auf  bie  ©rmiberung  eine  ©egenermiberung 
folgen  laffen ;  aber  bem^errn  (Sommercien^Jtatl)  gelang, 
e3,  burä)  eine  fülme  SBenbung,  bie  er  madjte,  ba$  ©efpräär 
l;ter  abjuf^neiben ,  unb  nadjbem  urir  bie  übltdjen  ©rufte 
geroedrfelt,  gingen  mir,  ©raf  QuliuS  ru^ig  unb  ljetterr 
bie  übrigen  etwa$  erregt  unb  nadjbenfenb,  aus  einanber. 


SStertcS  ©eforäd). 

Credo,  ut  intelligam. 
(ßtft  glaube  ttb  unb  bann  begreife  id>.) 
(©t.  Stttfelmug.) 

$Lm  trierten  £age  serfammelten  mir  uns  nrieber  um 
bie  geroölmlidje  S^t,  jeboä)  nic^t,  rate  an  ben  üorl)ergel)en* 
bm  Sagen,  unter  betn  fdwttigen  SDadje  ber  ben  ßefem 
bereite  befannten  alten  beutfdjen  @td)e,  fonbern  in  einem 
alten  geräumigen  ©aale  auf  bem  linfen  glügel  beS  gräf= 
liefen  <5d)loffeS  felbft  Unfer  Heber  ©aftljerr  ^atte  es  fo 
gemünzt,  oljne  ba§  er  uns  ben  ©runb  btefeS  t>eränberten 
Arrangements  roetter  angegeben  l)ätte.  Waö)  uns  in  ben 
(Baal  etntretenb,  führte  berfelbe  pgletdj  feinen  an  bem 
nämlitf)en  Sage  bei  üjm  eingetroffenen  ©efdjäftsfüfjrer  bei 
uns  ein,  einen  jungen  2Jtann,  etwa  Ijocj)  in  ben  Sroanjigem, 
ber  an  bem  nääjften  Preisgerichte  bie  2Xbt)ofatur  ausübte. 
Serfelbe  mar,  im  ^roteftantiSmuS  aufgemadjfen,  erft  t)or 
ein  paar  Sauren  §ur  fat&olifd&en  $irdje  jurütfgefel)rt  Qdj 
iafj  ifjn  je|t  §um  erften  Male,  aber  ber  ©raf  §atte  mir 
i^n  fäjon  mehrmals  als  einen  gefdjäftSgemanbten  unb  un* 
gemölmlitf)  begabten  unb  intelligenten  jungen  Sttann  ge^ 
rülimt,  unb  ba  tdj  von  feiner  2tütffel;r  §ur  $trdje  gehört, 
freuete  idj  mid;  um  fo  meljr,  il;n  §ier  perfönltdj  fennen 


94  Sßierte§  ©efprädj. 

ju  lernen.  Qd)  fann  aber  ntdt)t  jagen,  ba%  idj  it)n  bei 
biefer  Gelegenheit  befonber-S  lieb  gewonnen  fyätte.  Qn 
feiner  S)cnf*  unb  ©inne^roeife  fanb  idj  irjn  oom  Grafen 
ierjr  oerfd)ieben  unb  raupte  mir  barjer  audj  beffen  $or* 
liebe  für  ilm  faum  §u  erklären.  £>a|3  er  au3  reiner  lieber* 
Zeugung  nnb  nic^t  etroa  burdj  2öiHfät)rigMt  gegen  feine 
fatrjolifd)e  Gattin  beftimmt  ober  bod)  l)auptfäd)lidj  beftimmt 
in  ben  Sdjoofc  ber  $ird)e  prüdgefel)rt  fei,  bezweifele  i<fy 
nid^t,  —  fdjon  bie  nt($t^  2Irge3  benfenbe  2kU  fdjlieftt 
einen  berartigen  Sroetfel  bei  mir  au3  — ,  ba$  er  aber  nod) 
ein  gute3  <Stüd  t)on  äd^t  proteftantifdjem  @ubjecturi3mu3 
pr  fatljolifdjen  $ird)e  mit^erüber  gebradjt,  biefe§  Ge* 
banfen^  fonnte  iä)  mid)  nun  einmal  nidjt  erwehren,  Qn^ 
befonbere  geigte  e3  fidj  einigemal  redjt  auffallenb,  baft  bte 
einem  $atl)ottfen  in  2lbftd)t  auf  religiöfe  gragen  fo  raol)l 
anftel)enbe  93efd)eibenl)eit  gerabe  feine  größte  £ugenb  nid)t 
fei.  3$  lam  im  Saufe  ber  SDi^fuffion  mel)rmal3  in  bk 
Sage,  mify  für  meine  Behauptungen  auf  gefeierte  $ird)en* 
t>äter  unb  $irdjenlel)rer  ju  begießen,  roa3  er  aber  feinet* 
roeg3  gut  aufzunehmen  fdjien,  trielmeljr  nid)t  unbeutlidj 
l\x  üerfterjen  gab,  foldje  Autoritäten,  roie  ein  rjl. 5luguftinu^ 
ein  1)1.  ifyomaä  von  Slquin  u.  bgl.,  ftänben  it)m  in  rein 
roiffenfd)aftlid)en  religiöfen  gragen  nid)t  Ijöljer,  als  fein 
eigene^  Urteil ;  fein  Urtljeil  unterroerfe  er  rooljl  bem  Uv* 
tljeile  unb  ber  ©ntfd&eibung  ber  Gefammt*$ird)e,  aber 
nidfjt  einzelnen,  menn  aud)  nodj  fo  angefe^enen  Seljrern 
ber  $ir$e;  ba  bod)  von  einer  folgen  unbebmgten  Unter* 
roerfung  unter  bie  Ausfprüdje  biefer  einzelnen  ßird&en* 
ler)rer  gar  nid)t  bie  fRebe  geroefen,  fonbern  e3  ftd)  fyex 
nur  um  eine  rüdfid)t3t)olle  Sldjtung  gegen  fie  Rubelte, 
üftodj  unverblümter  fpradj  er  ftd)  aber  im  Saufe  beffelben 


33ierte3  ©efprätf).  95 

<$efprädj£  bei  einer  anbern  äijnlidjen  ©elegenljeü  au$. 
„Glauben  <Sie  bo$  ja  mä)t,"  entgegnete  er  mir  auf  ein 
wieber§olte3  (£itat  au$  btm  \)l  2luguftinu3,  „bafc  mit  bcv 
Berufung  anf  bie  altern  $äter  nnb  Seljrer  ber  jftrdje 
l)eut'  §u  £age  no$  etwa3  au^uridjten  fei.  <Sie  mögen 
reä)t  gnte  nnb  Zeitige  Männer  gewefen  fein,  bie  al$  foldje 
ein  9te$t  anf  nnfere  ^ereljrung  fjaben,  iä)  wiU  and)  nifyt 
leugnen,  bafj  fie  in  ber  SBiffenfdjaft  ber  Religion  für  tljre 
3eit  mandj'  2lner!ennen3toertlje3  geteiftet  Ijaben:  aber  in 
biefen  ifjren  nriffenfdjaftüdjen  Stiftungen  finb  fie  oon  ber 
neuen  2Biffenfd)aft  längft  überflügelt  —  nnb  e£  ift  eine 
befannte  OBafye  nnb  von  unfern  beften  fatljolif  d)en  gorfdjern 
unb  (Mehrten  felbft  eingeftanben ,  bafe  gerabe  ba^jenige, 
vorauf  unfere  gegenwärtige  Seit  am  meiften  ftol§  fein  barf, 
nämlidj  eine  freie,  unbefangene  ^vitii,  fotüor)!  in  2lbftd)t 
auf  $efd)id)te,  aU  auf  ba$  6tubium  ber  1)1  ©djrtft,  Ui 
ifjnen  fo  gut  wie  nidjt  oorljanben  ift."  6oldje  unb  älm= 
lidje  Steuerungen  lonnten  mir  natürtiäj  oon  feiner  38fa* 
fprudjloftgfeit  unb  religiöfen  ©elel)rigMt  titelt  gerabe  ben 
günfttgften  begriff  beibringen;  er  braute  fie  aber  nur  ge* 
legentlidj  aU  einzelne  abgeriffene  ^Bemerkungen  oor,  bfc 
er  §nrifdjen  bk  Unterhaltung  hineinwarf,  inbem  er  fidj  an 
ber  Unterhaltung  fonft  nid;t  actio  beteiligte.  Mit  biefer 
wollte  t§>  Diesmal  überhaupt  ntc^t  redjt  ooran;  es  bauerte 
länger  aU  fonft,  e§e  fie  ftdj  einleitete,  was  freilidc)  burdj 
ben  l)inpgelommenen  fremben  ©aft  letä)t  erflärlid)  ift; 
aber  aud)  fpäter  geriete  fie  mehrmals  gerabeguin'S  otoefen; 
unb  es  foftete  bann  jebeSmal  3Jlür}e,  fie  wieber  in  ben 
$ang  gu  bringen.  £)er  ©raf ,  ber  fonft  bei  unfern  religio* 
jen  Unterhaltungen  gewölmlidj  gan§  5luge  unb  Di)x  mar, 
)d)kn  befonberS  ju  anfange,  mal)rf($einli^  in  golge  ber 


96  äSiertes  ®efprä$. 

ebin  ftattgefunbenen  gefdjäftlid)en  $erl)anblungen,  etroaS 
gerftreut  unb  t)erftimmt;  ber  @ommercten*9ftatl)  feljrte, 
nadjbem  er  gefiem  feine  beften  Trümpfe  gegen  mi<$  au3* 
gefpielt,  feine  frühere  übellaunige  unb  t>erbr offene  Stim- 
mung über  ba$  angeknüpfte  religiöfe  (Sefpräd)  nrieber 
tyerüor  unb  oerliefc  fogar  ein  paar  9M  ben  ©aal,  fo  baf$ 
er  bei  einem  guten  Steile  be3  ®efprädj3  gar  ni^t  zugegen 
war*,  baä  meifte  Qntereffe  geigte  noäj  ber  £ofratl),  gurifdjen 
^m  unb  mir  ftd)  ba3  @efpräd)  l)auptfä$lidi  bewegte;  benn 
bk  übrigen  Slnraefenben  ftreuten  nur  l)ier  unb  ba  Swifd^n* 
fragen  ober  einzelne  Ijingemorfene  Bemerkungen  ein,  bie 
baä  ®efpräd)  rooljl  unterbrachen,  e3  aber  mdjt  metter  för* 
berten  unb  bie  idj  bal)er  auü)  im  folgenben  me^r  nur 
fummartfdjen  Beriete  unbefdjabet  ber  <&atf)t  meift  gang 
übergeben  fann. 

Wafybm  mir  alfo  über  bie  Umftänbitdtfeiten  ber 
Begrünung  be3  neuen  $afte£  glüdlid)  lunmeg  waren, 
unb  ba£  ftd)  baxan  fnüpfenbe  ©efprädj,  mie  tbtn  gemel- 
bdt  bie^mal  länger  al3  fonft  in  leeren  Allgemeinheiten  ftd) 
^erumbemegt  l)atte,  ergriff  enblidj,  gu  mir  ijingemenbet, 
ber  §ofratl)  ba%  28ort,  inbem  er  in  einem  Ijalb  fdjerg* 
haften  £one  gu  mir  fagte:  „<So  t)iel  ©ute£  unb  Seljr* 
reidje3  mir  aud)  geftern  unb  bk  üor^erge^enben  %age 
t)on  3^nen  oernommen,  fo  fann  bod)  mein  £)anf  ba^ 
für  nur  feljr  bebingt  fein.  ^SRit  meinen  religiöfen  2eih- 
unb  ©runbanftdjten  finb  6ie  bod)  gu  unbarmljergtg  um^ 
gefprungen  unb  <Sie  l)aben  ber  £)o!d)ftid)e,  bk  mir  inT£ 
£erg  gegangen,  maljrlid)  ntd)t  gefront.  Hm  Qljnen  aber 
bodj  gu  geigen,  ba£  tdj  oergeffen  fann,  erfläre  td)  midj 
bereit,  über  bk  ©egenfä^e  in  unfern  Anfielen  £tnjtdjt= 
lidj  beffen,  raa3  bie  menfd)lid)e  Vernunft  in  fingen  ber 


Söierteä  ©efpräd).  97 

Religion  oermag  ober  m$t  oermag,  unter  genriffen  23e* 
bingungen  mit  3^nen  grieben  51t  fdjliefjett." 

3$?  Unb  btefe  griebenSbebingungen,  bk  ©ie  mir 
fo  großmütig  anbieten,  roctren? 

®er£ofratlj.  ,3$  witt  Qlmen  äugeben,  ba§  un3 
bie  Vernunft,  um  mt$  eines  Qljrer  früheren  2tu3brücfe 
§u  bebienen,  mol)l  bt^  an  bie  ©änoelle  be£  §eiligtlmm3 
be£  ©laubenS  l)infül)ren  fönne:  wa§  idfj  Qfmen  aber  nie 
unb  nimmer  §ugeben  !ann  unb  wovon  ©ie  bal)er,  roenn 
es  smifd^en  uns  gum  ^rieben  fommen  fotf,  ganj  unb  gar 
Slbftanb  nehmen  muffen,  finb  btefe  beiben  fünfte: 

erftens,  ba$  ber  üDlenfä)  nur  an  ber  §anb  ber  S5er= 
nunft  in'S  £eiligtlmm  beS  ©laubenS  gelangen  f  önne ;  unb 

zweitens,  baft  bie  Vernunft  audj  bann  nodf)  reben 
-ober  mitreben  bürfe,  na^bem  man  einmal  tn'S  £eiligtl)um 
beS  ©laubenS  bereite  eingetreten  ift. 

£>em  öfteren  nriberfegt  ftdfj  mein  $efül)l  nidjt  weniger 
nrie  meine  eigene  ©rfa^rung.  Qenn  idj  für  meinen  %ty\\ 
weife  miä)  ber  Vernunft  für  meinen  ©lauften  ju  feinem 
SDanf  üerpflidjtet;  et)er  müfcte  id)  fie  anklagen,  bafj  fte 
mol)l  mel)r  als  einmal  bie  SBerfudjerm  gefpielt  unb  mei= 
nem  ©lauben  gaHfrritf  e  gelegt  Ijat.  Unb  btö  Severe  f§u= 
gugeben,  verbietet  mir  bie  ^ietät  unb  ßtyrfurdjt  gegen  baS 
{Söttlidje.  £)enn  ift  ber  ©laube  nrirfltdfj,  mofür  tdfj  ifyn 
Jjalte,  etroaS  ©btttidjeS,  mer  gibt  mir  baS  Sftedfjt,  ben  gött* 
ltdjen  Söein  mit  menftpdjem  2Baffer  §u  gerfe^en?  3)eS* 
Jfjalb  bin  idfj  audj  mit  bem  teuren  ©otteSmanne  Sutljer 
ein  fo  unoerfölmlidjer  %i\nb  ber  ©dfjolafttf  unb  tf)re$ 
•ädfjteften  ^Repräsentanten,  beS  Stomas  oon  Slquin,  ben 
Qljre  $ird)e  fogar  ben  @ngel  ber  ©djule  nennt;  benn  bie 

SroetteS  fetf$öfti<$e8  Söort.  7 


98  8i«te8  ©efpräd&. 

Sdfjolaftif  ging  bod)  fo  retfit  gefliffentli^  barauf  aus,  baff 
©olb  be£  lauteren  $otte3roorte<5  burdf)  bie  guthat  menfdfj* 
lidfjer  Klügeleien  nnb  6pifcftnbia,Jeiten  gu  oerfälfdjjen  unb 
p  entwerten. 

3$.  gaft  modele  itf)  3ftnen,  £err  £ofraty,.bie 
2öorte  be3  @oangelium3  prüfen:  @te  finb  ntdjt  mel;r 
weit  t)om  £)immelreid)e  entfernt.  2Benigften3  finb  $l)re 
2ßorte  fo  btegfam,  baß  ftc  einen  ©inn  plaffen,  ben  itf) 
wir  rooljl  gefallen  laffen  fann,  menn  iä)  audEj  gegen  man* 
<$e3,  ma3  fo  nebenher  läuft,  namentlidf)  gegen  3$r  miß* 
moEenbe^  Urteil  über  bk  ©djolaftif  lebhaft  protefttren 
muß.  Urlauben  6ie  mir,  bajs  i$  bk  beiben  fünfte,  bie 
(Sie  ftdj  als  griebenS^rälimtnarien  auSbebuugen,  t)on 
einanber  gefonbert  fjalte  unb  jeben  für  fidj  betraute. 

lieber  ben  erften,  glaube  idj,  fommen  mir  fefjr  leidet 
fyinmeg.  SDenn  Qljre  $ermal)rung  bagegen,  baß  ber 
9Tcenf$  nur  an  ber  £>anb  ber  Vernunft  pm  Glauben  ge* 
langen  fönne,  fott  botf)  roatyrfdjeinltdj  ben  6inn  l)abenr 
ba§  ber  Glaube  nitf)t  gerabe  t>on  meitläufigen  oernunft* 
gemäßen  ober  tmffenftfjaftlidjen  gorftfmngen  bebingt  fei, 
fonbern  ba%  man  autf)  oljne  buk  pm  ©tauben  gelangen 
fönne  unb  in  biefem  ©inne  unterfdjreibe  i<§  ffixe  ^Behaup- 
tung mit  £>anb  unb  §er§.  2Bie  fdjlimnt  ftänbe  e$  im 
entgegenfe^ten  gälte  mit  ber  3Jtef)rt)eit  unferer  trüber? 
£)enn  burä)  bie  täglichen  arbeiten  um  ben  normen* 
bigen  23robermerb  in  2lnfprud)  genommen  unb  baljer 
außer  ©taube,  fitf)  biejenige  2lu3bilbung  be$  $erftanbe£ 
unb  bie  fonft  erforberlidjen  Kenntniffe  p  erwerben,  um 
auf  foId;e  tmffenfd&aftlidSJe  gorfd^ungen  überhaupt  einp* 
gel)en,  mären  fte,  menn  man  nur  auf  bem  SBege  Vernunft* 
mäßiger,  miffenftfjaftli^ergorftfmng  jum  dfjriftlidjen  Glauben 


SSierteö  ©eforäd&.  9<> 

foHte  gelangen  tonnen,  um  ben  dirtftlidjen  ©lauben  reinweg, 
betrogen.  9Rein,  ©Ott  Bewahre  mid)  oor  einer  folgen  $In* 
ftdjt!  Qtu  2Bar)rr)eit  gelangen  meiner  Heber jeugung  nad> 
bie  meiften  Sftenfdjen  auf  einem  gang  anbern  Sßege  pnt 
djriftltdjen  (Glauben,  als  auf  bem  2öege  oemunftmäßic;er 
toiffenf d&af tlid& er  gorfdjmng.  SDie  meiften,  bte  gläubig  ftnbr 
mürben  geboren  oon  gläubigen  Altern,  bie  gleid)  naü)  it)rer 
Geburt  für  iljre  Saufe  Sorge  trugen.  Unb  fie  nahmen 
alfo  bm  ©lauben  fdjon  in  iljre  Seele  auf,  nod)  e§e  fie 
ftdj  ü)rer  felbft  betonet  waren;  fie  nahmen  ben  (Glauben; 
in  fidfj  auf  als  eine  Sugenb,  nidjt  als  eine  jener  Stugen* 
ben,  bie  mir  uns  burd)  Slufracnbung  unferer  eigenen  \iiU 
ltdjen  £ljatfraft  ermerben,  fonbern,  mie  bte  $otteSgelel)rteTt 
fid)  ausbrüden,  als  eine  eingegoffene  £ugenb,  ober,. 
menn  Sie  motten,  als  einen  eingefdjloffenen  £ugenbfeim,. 
woraus  bie  fünfttge  Sljat^ugenb,  b.  §.  bk  felbftbewußte,. 
felbftgemottte  unb  felbftgeübte  £ugenb  beS  ©laubenS  ftdj 
entwickelt.  Unb  fie  entwidelt  ftd)  unter  ber  liebeooßen. 
Pflege  frommer  ©Item  ober  ©rgieljer,  menn  ber  9)iorgen^ 
fyau  beS  ben  fuiblidjen  gaffungSfräften  angepaßten  reit* 
giöfen  Unterrichte  befrudjtenb  auf  tljn  nieb erfaßt.  $)a  gel)t 
biefer  $eim  auf,  mirb  erft  eine  garte  ^flange  unb  bann, 
ein  fd)öner  prächtiger  $aum,  ein  Saum,  unter  beffen  Sleften. 
bie  $ögel  beS  §immels  triften;  —  benn  bk  bekannte  $a^ 
rabel  unferS  igeilanbeS,  ber  biefe  Silber  entlehnt  ftnbr 
t>eranfdjauli<$t  ebenfo  motjl  baS  2Sad)fen  beS  9teidje& 
©otteS  nad)  innen  unb  für  ben  einzelnen  Sftenfdjen,  al& 
nad)  außen  unb  für  bk  große  ©efammt^eit. 

60,  lieber  £>err  iQofratl),  ftnb  auü)  mir  gläubig  ge* 
morben,  Sie  fomotjl  als  idj,  unb  mit  uns  bk  große  9)Zet)r* 
gal)l,  ja  faft  bie  $efammtl)eit  unferer  SBrüber.    2ßir  aße, 

7* 


100  Viertes  ©efptäcf;. 

bie  wir  gläubig  ftnb,  waren  fdjou  als  Mnbex  gläubig, 
wir  würben  gläubig  faft  unbewußt  unb  olme  unfer  $u  = 
if)unf  unb  e3  erfüllte  ftd)  au  uns  bud)ftäblidj  ba3  Sßort 
be<3  @oangelium3:  „2Ser  ins  ©mmelreidj  eintreten  wttt, 
muß  ein  $inb  fein."  Vei  uns  Sitten  Rubelte  e§  ftdj  bloß 
barum,  ben  finblidjen  (Glauben  für  bie  golgejeit  gegen  bie 
Verfügungen  unb  in  ben  ©türmen  be3  SebenS  'ju  bewali= 
reu.  ttnb  felbft  tu  unferer  3^t  mo  ber  djriftliäje  ©laube 
melfadfj  gerabe  von  ben  ©timmfü^rern  ber  fogenannten 
offentli^en  Meinung  unb  von  (Sefjetm&ünblern  aller  2lrt 
fo  offen  unb  unnerfdjämt  beMmpft,  ja  ein  magrer  Ver* 
ntdjtung£i:rieg  gegen  tfjn  geführt  wirb,  —  felbft  in  biefer 
unferer  Seit  ift  bieß  bo<$  ntdfjt  attjufdjwer;  wenigften3 
nifyt  fdfjwer,  wenn  man«  guten  SBittenS  ift,  wenn  man 
feine  Seele  rein  erhält  oon  bem  6$mu|e  ber  6ünbe  unb 
ben  finbtidjen  ©inn  ftdj  bewahrt,  b.  I).  fid)  ntdfjt  in  bie 
Sdjlinge  be3  ©tolje3  unb  ber  §offartf)  gießen  läßt.  „Stljut 
nadlj  meiner  £eljre,"  fagt  ber  §etlanb,  „unb  iljr  werbet 
ernennen,  ba$  fie  t)on  ©Ott  ift." 

darauf  allein  fommt  e3  an;  wenn  man  nacl)  biefer 
£el)re  tlmt,  bann  gewinnt  man  fie  lieb  unb  immer  mefjr 
lieb,  man  füljlt  ftdj,  inbem  man  fie  glaubt  unb  üht,  fo 
woljl  unb  glüdliäj;  man  füljlt  bann  gleid)fam,  baß  eine 
geljeime  $raft  von  il)r  ausgebt,  wie  einftenS  von  bem 
Raunte  be$  ®en)anbe$  Qefu  (grifft,  eine  ßraft,  bie  un£ 
ftar!  maäjt  gegen  bie  ©ünbe,  ftegreid)  über  bie  falfdjen, 
fdjmetcl)lerifd)en  Verheißungen  unb  fußen  Verlobungen, 
wie  über  bie  2)rol)ungen  unb  bie  ©Freden  ber  SSelt,  bie 
nn§  S3ef$eiben^eit  unb  ®leid)mutl)  einflößt  im  ($lücf, 
%roft  unb  2ftut§  im  Unglüde  unb  felbft  bem  Stöbe  un$ 
ru^ig  unb  olme  bängli^eS  3^tern  tn'S  2lngeft<$t  fe^eti 


$ierte§  ©efpräcf).  101 

lagt,  fürs,  mir  füllen  baSjenige,  votö  ber  Slpoftel  baS  3eug*- 
lüg  be3  Ijeit.  (Seiftet  nennt.  3$  bebaute  3eben,  bexr 
t>on  biefem  S^wgmffc  in  feinem  Qnmxn  nie  etroaS  t)er- 
fpürt ;  er  entbehrt  ber  fünften  greube,  bie  e3  l)ier  anf- 
ärben gibt;  er  entbehrt  eines  23emet3mittel3  für  bie 
©ättlidjfett  feines  Glaubens,  baS  ftdj  %Tvax  mdjt,  wie  bie 
anberen,  äußerlich  Ijanbljaben  lägt,  trielmeljr  t)on  3e°ew 
felbft  innerlid)  erfahren  merben  mufj,  beffen  23ewei3fraft 
aber  in  bem,  ber  e3  erfährt,  fo  ftarf  unb  unüberminblid) 
ftegretdj  ift,  bafs  baburd)  jeber  graeifel  t)on  t)ornl)erein  erftkff 
unb  wie  in  ber  Söurgel  abgefdmttten  wirb.  £)enn  Steifet 
gegen  ben  Glauben  fteEen  fid)  M  einem  ©laubigen  erft 
bann  ein,  toenn  er  ba3  ©egent^eil  von  bem,  maS  er  glaubt, 
liebt  unb  übt)  menn  er  ftdj  alfo  fürdjten  muft,  e3  mödjte 
ba3  n)al)r  fein,  was  er  glaubt  ober  münfeben  mujs,  e# 
möchte  nifyt  wafyc  fein,  ba  man  befanntlid)  baSjemge  gern 
glaubt,  maS  man  münfdjt  unb  umgefelirt;  furj,  eS  fteEen 
fiel)  bann  erft  groeifel  ein,  menn  man  in  ©efinnung  unb  %$at 
mit  bem  $ater  ber  £üge  unb  beS  Unglaubens  angebunben 
I)at,  benn,  raie  einer  Sfoxex  Geologen*)  richtig  bemerft, 
auf  gmeifel  teimt  ft<j  fein  anbereS  2Bort,  als  Teufel. 
$ei  biefen  SBorten  fprang  ber  ßommercien^atl) 
auf  einmal  von  feinem  6i|e  auf  unb  rief:  „muß  id)  bemt 
baS  fo  übel  unb  fdjrecfiidj  ftingenbe  SBort  Teufel  fogar 
in  einer  fo  gebilbeten  ®efeEfd)aft  Ijören?"  unb  fogleity 
machte  er  ftä)  auf  unb  baoon,  inbem  er  itroaä  ruljiger 
unb  in  einem  l)alb  ernften,  l)alb  fdjer$aften  £one  bie 
SBorte  beS  SßaccalaureuS  recitirte: 

„SBenn  id)  nid)t  raitt,  fo  barf  fein  Teufel  fein;" 
ber  junge  2lboofat  iljm  aber  bie  Sßorte  SDZepljifto'S  nadjrief:. 

*)  3Karl)einetfe. 


102  Stertes  ©efprarfj. 

„£)er  Teufel  ftettt  bir  nädjftenS  boä)  ein  23ein."*) 
sRadjbem  er  ft<$  entfernt,  na^m  id)  ben  gaben  meiner 
3iebe  fogteidj  mieber  auf  unb  fi$r  fort:  anbers,  als  mit 
benen,  bie  t)on  djrtftlidfjen  ©Item  geboren  werben  unb 
gteid)fam  unbemufct  unb  o^ne  t§r  Qutyun  irtä  §etttgt§um 
be3  (MaubenS  treten,  tjer^ält  e§>  firf)  freiließ  mit  benjeni* 
$en,  bie  aus  bem  §eibent£)um,  bem  ^ubentfmm  ober  bem 
S^lam  pm  d)riftlid)en  ©lauben  fid)  beMjren.  £)odj  lägt 
ftd)  fo  im  OTgemeinen  felbft  t)on  biefen  nidjt  fagen,  bajs 
fie  nur  burdj  tjernunftmäjsigel  gorfdjen  pm  ©tauben  &tn* 
<jefüt)rt  mürben.  ©Ott,  ber  in  lefcter  ^nftans  burdj  feine 
©nabe  ben  ©lauben  in  un3  hervorbringt,  beftimmt  aufy 
bie'äujgeren  üeranlaffenben  ttrfadjen,  bk  Mittel  ober  Sßerf* 
^euge,  bereu  er  fid)  babei  bebienen  mitt,  unb  er  ift  in  ber 
ü&afyl  foldjer  bittet'  unb  3öege  mafjrlid)  ntd&t  befdjränft. 
<$r  fütjrt  \eben  fo,  mie  e3  feiner  ijödjften  $$ei§§eit  unb 
ber  inbbibuetten  5Befdjaffett§ett  einel  jeben  ©in^elnen  an* 
$emeffen  ift,  bie  SBeifen  be<3  9ftorgenlanbe3  füfyrt  er  §u 
€t)riftu3  burdj  einen  ©tern,  bk  Wirten  auf  ben  gluren 
58ett;Iel)em^  burd)  @ngeterfd)einungen,  bk  einen  burdj  bie 
^ilofoprjie,  bie  anbern  burdj  bk  Sßeiffagungen  bei  alten 
SeftamenteS;  bie  einen  burdj  MeSöunber,  bk  fie  ß^riftuS 
mxt en  fallen,  bie  anbern  burd)  bie  $raft  unb  ©djönljeit  feiner 
£efyre,  mieber  anbere,  mie  3.  53.  einen  $aulu3,  burd)  au^er* 
orbentlidje  Offenbarung,  $urj,  ©ott  l)at  taufenb  Mittel 
unb  2öege.  deiner  §at  bo^  SJtedSJt,  t^m  t>or§ufdjreiben,  auf 
meinem  Sßege  gerabe  er  üon  iv)m  geführt  fein  motte,  aber 
3eber  v)at  bie  $ftidjt,  auf  bem  2Bege,  auf  bem  er  iljn 
führen  mitt,  fidj  mittig  tmn  üjm  führen  ju  laffen.    2öie 


*)  @oet$e'S  gouft.  ir.  Xb. 


Wertes  @efpräc§.  103 

baä  georbnete  £eer  3fraet3  in  her  SBüfte  bem  Söa^rfager 
SBileam  überall  fdjön  erfdjien,  oon  roeldjer  ©ette  er  e3 
aud)  betrad)tete,  atfo  »erhält  e§>  ftdj  aud)  mit  bem  djrift* 
liiert  ©tauben.  Sttan  tann  il)n  Betrauten,  oon  einer 
©eite,  oon  roeldjer  man  roiÜC,  immer  unb  ü6eraH  erfdjeint 
er  un3  fdjö'n,  fc^ön  burdj  feine  £et)ren  an  ftd),  fo  ba$, 
wenn  man  fie  fennt  nnb  fie  einmal  gefd)medt,  b.  v).  in 
fein  §erg  eingefdjloffen  l)at,  man  fie  mit  nid)t3  in  ber 
Seit  metjr  t>ertaitfdr)en  möchte;  fd)ön  burdj  bie  SSunber, 
roomit  biefe  ßet)ren  gtetdjfam  verbrieft  unb  beftegelt  ftnb, 
fdjön  burdj  ba§  3eu9n^6  öer  taufenb  unb  taufenb  Sftar^ 
tnrer,  bie  für  ilm  geblutet,  fdjön  burdj  ben  ©lanj  ber 
£ettig£eit,  ber  feinen  Urheber  umftral)lt  unb  ben  er  über  alle 
feine  wahren  2lnt)änger  verbreitet,  fdjön  burdj  ben  £roft 
unb  bie  Straft,  bie  er  un£  l)ienieben  gewährt,  fdjön  burdj 
bie  greuben  unb  Söonnen,  bie  er  feinen  2lnl)ängern  im 
Qenfeit^  geigt:  unb  mag  er  baljer  audj  fetber  nur  ©iner 
fein,  ber  2Bege,  bie  ju  itmt  l)infüf)ren,  finb  un§äl;lige. 

©efyen  ©ie,  §err  §ofratl;,  ful)r  id)  fort,  unfrieblid) 
bin  id)  nidjt,  id)  bin  liberaler  als  ©ie  fidj  mid)  roafyr* 
fdjeinlid)  gebadjt,  unb  wenn  bie  erfte  grieben^bebingung, 
bie  ©ie  mir  geftettt,  roirfttd),  wie  td)  fjoffe,  ben  ©tun  fyat, 
ben  i<§  il)r  untergelegt,  fo  motten  mir  gleicfj  Ijeute  nod) 
baä  $erföljnung3feft  feiern.  9ta  mufj  itf)  aud)  barüber 
geroijg  fein, '  ba§  ©ie  Ql)ren  früher  geäußerten  ftocflutfje* 
rifd)en  2tnftd)ten  oon  ber  menfdjlidjen  Vernunft  ein  für 
attemal  entfagen  unb  ba$  ©ie  mir  guftimmen,  wenn  tdj 
e£  für  einen  Xtnfinn  erkläre,  ber  3ttenfd)  fönne  glauben 
öfyne  Vernunft. 

£>er  $ofrat§.  Slber  ©ie  l)aben  bodj  ^efetere^  be* 
reit3  oottfiänbtg  eingeräumt.    Ober  motten  ©ie  oietteidjt 


104  SBierteä  @efprätf>. 

ba$,  xoaä  ©ie  gefagt  Ijaben,  auf  einmal  tvieber  umUfyxevcr 
fo  bag  man  aud)  auf  ©ie  bte  SSorte  anroenben  bürfte: 
„3ßun  l)aben  tvir'3  an  einem  anbern  QipfeX, 
2Ba3  ehemals  ®runb  mar,  ifi  nun  ®tpfel, 
©ie  grünben  aud)  hierauf  bk  regten  Seiten 
£)a3  Unterfte  in£  Dberfte  gu  feljren."*) 
$d).    Qdj  begreife  ©te,  §err  §ofratl),  nidjt;  ober 
vielmehr  ify  begreife,  ba%  ©te  in  ber  gedjtfttnft  ber  ver* 
breljenben  unb  au£tvetd)enben  ©treibe  fetjr  getvanbt  finb. 
2ßo  l;abe  idj  benn  eingeräumt,  ba£  man  aud)  ofjne  §8cr* 
nunft  glauben  fönne?  Glaubt  man  benn  olme  Vernunft, 
menn  man  oljne  felbft  burd)gemad)te,  weitläufige;  vemunft* 
mäßige  ober  roiffenfdjaftlidje  gorfdjungen  glaubt?    SSenu 
baä  $inb  glaubt,  &unädjfi  auf  bk  2tuctorität  feiner  Altern 
unb  £el)rer,  cjefd^iet)!  ba^  ol)ne  unb  gegen  bte  Vernunft, 
ober  mit  unb  nad;  ber  Vernunft?  Ober  ift  z%  ettva  nid)t 
vernünftig,  ba%  ber  untveifere  ©d)üter  bem  tveiferen  2efy 
rer  glaubt?    Sßenn  ba3  nidjt  vernünftig  ift,  bafirt  bann 
nidjt  bk  gange  @r§ie^ung   auf  £üge  unb  Unvernunft? 
Unb  ivenn  id)  glaube,  tveil  e3  mir  bei  meinem  (Glauben 
fo  moljl  ift,  tveil  er  mir  gu  allem  ®uten  bie  §anb  reidjt, 
tveil  idj  eine  $raft  von  il)m  au^ftrömen  füfyte,  bie  mid> 
in  btn  Verfügungen  unb  kämpfen  be3  £eben£  ftärft  unb 
in  atten  Söibertvärtigfeiten  mid)  tröftet  unb  aufregt  Ijätt, 
foHte  ba$  tvoljt  unvernünftig  fein?  Qd)  bäfyte  bod)  tvol)l, 
tveit  et)er  ba3  ®egentljeit  märe  e£. 

$)er  (Srünbe,  auf  bte  fid)  ber  (Glaube  ftü|t,  fönnen 
atterbtng£  fefyr  verfdjiebene  fein,  aber  auf  irgenb  einen 
©runb  muft  er  fid)  bod)  frühen;  unb  ftüfct  er  ftdj  aud* 


0  ©oet^e'S  gauft.  II. 


Viertes  ©efpräc$.  105 

nur  auf  einen  ®runb,  ber  r>or  ber  Vernunft  befielen  !annf/ 
fo  ift  er  bod)  offenbar  felbft  ein  oemünftiger;  alfo  ein 
Glaube,  xnrie  tyn  ber  2tpoftel  meint,  wenn  er  oon  un£  for* 
bext,  bajg  wir  $ott  einen  „nernünftigen  SDtenft"  ermeifen 
f  ollen.*) 

Qd)  tjatte  biefe  SBorte  nod)  laum  geenbet,  b.a  trat  ber 
ßommercien^atljmieberinben  Saal  ein,  ober  t)ielmet)r 
er  warb  nom  trafen,  ber  ilm  inprifdjen  auf  gefugt,  l)erehu 
geführt.  ®ä  entftanb  eine  etmaS  unruhige  Scene,  befonber£ 
wollten  bk  Redereien  gwifdjen  bem  ßommercien^at^ 
unb  bem  jungen  Stboolaten  wegen  be£  fauberen  Sdjetbe* 
grüßet,  ben  biefer  jenem  bei  feiner  Entfernung  au3  bem 
Saale  nachgerufen,  faft  fein  ©nbe  nehmen.  3Jttr  waren 
aber  fotdje  ©päfje  unb  3ftecfereien  Mne3weg3  nadj  bem 
Sinne  unb  nad)  mehreren  rergeblidien  $erfud)en  gelang 
e§>  mir  enblidj,  wieber  §u  SBorte  gu  fommen,  um  ba%  $e- 
fpräd)  mit  bem  £ofratt)e  fortgufe^en.  „@3  bliebe  un£ 
alfo,"  fagte  id)  gu  ilmt,  „je|t  nod)  3I?re  gweite  grieben^ 
bebingung  gu  erörtern,  bafj  id;  3t)nen  nämlich  zugeben 
foße,  baf3  bie  Vernunft  im  §eiligttmme  be3  ®lauben£  gar 
nidjt  mel)r  reben  ober  mitreben  bürfe.  Unb  itrie  fel)r 
münfdjte  id),  §err  £ofratl),  baj3  mir  un£  fo  fdmeE 
mie  möglich  aud)  über  biefen  $unft  oerftänbigeu  fönnten! 
Qu  einem  23etrad)te  ift  t)ielleid)t  bie  6ac^e  für  mid)  fetyr 
leicht  abgetan.  &enn  ba$  bie  Vernunft  fic^  ben  £el)ren 
be3  ©lauben3  aU  2Iu3fprüd)en  d5otte^  unbebingt  §u  unter* 
werfen  l)at,  mögen  fie  %  annehmbar  ober  unannehmbar, 
begreiflich  ober  unbegreiflich  erfreuten,  —  ba$  fann  für 
mt<$,  mie  i^  Qlmen  fdjon  erflärt,  feinen  2lugenbticf  §wei- 


*)  Mm.  12,  1. 


106  aSierteö  ©efpräd). 

feltjaf*  fein.  £>a3  ©egenttjeit  erfdfjeint  mir  nidjjt  blofj  als 
ftot§e  fünbt)afte  Slufle^nung  gegen  ©ott,  fonbern  audj  als 
bie  größte  Unvernunft;  benn  e3  gibt  feine  größere  Un^ 
Vernunft,  als  ben  2lu3fr>rüd>en  ber  pdjften  Vernunft  fid) 
nidjt  fdjweigenb  nnb  unbebiugt  $u  unterwerfen.  ®ie  <Sad)e 
l)at  aber  aud)  nod)  eine  anbere  (Seite  ber  $etrad)tung  unb 
oon  biefer  Seite,  furzte  idj),  ift  fie  gar  nidjt  fo  leidjt  ab= 
gettwu.  SBieltnefjr  l)alte  tdj  bie  Untlmtigfett,  §u  ber  ©ie 
bie  Vernunft  bem  djriftlid&en  Glauben  gegenüber  t>erur= 
ttjeilen  motten,  efyer  für  altes  anbere,  als  für  eine  £ugeut> 
ober  eine  SBottfommentjett.  Unb  bie  tjeü.  ©djrift,  auf  bie 
©ie  fiel;  fonft  fo  gern  berufen,  ijabe  ;dfj  fjter  gan^  auf 
meiner  ©ette.  ©agt  fie  ja  auSbrüdltd):  „2)er  ©ered)te 
lebt  aus  bem  ©tauben."  Unb  wie  fann  idj  benn  au  3 
bem  ©tauben  teben,  menn  id)  miü)  md)t  in  ttm  hineinlebe, 
unb  §roar  mid^  in  ii)n  hineinlebe  mit  meinem  ganzen 
3ftenfä)en,  atfo  bod)  gewiß  §u  atlererft  unb  t)auptfäd)tid() 
mit  meiner  Vernunft,  ba  ja  gerabe  bie  Vernunft  unter 
üUen  natürlichen  Vermögen,  bie  idj  beft^e,  ba$  befte  ift, 
worin  felbft  mein  freier  SBitte  wurzelt;  benn  wenn  id) 
^wifdjen  oerfdjiebenen  ©egenftänben  fott  frei  mahlen  fön* 
neu,  muft  id)  biefe  oerfdjiebenen  ©egenftänbe,  §wifdfjen  be* 
neu  mir  bie  2öat)l  gelaffen,  mit  meiner  Vernunft  erft  er* 
lannt  tjaben  unb  i§  würbe  mithin  ntd)t  frei  fein  unb  nidbt 
frei  Ijanbeln  fönnen,  wenn  idj  nict)t  vernünftig  märe  unb 
vernünftig  ernennen  fönnte.  SBenn  alfo  bie  tjeit.  ©djrift 
fagt:  „ber  ©eredjte  lebt  aus  bem  ©tauben,"  fo  liegt  barin 
von  felbft  bie  gorberung,  idjj  fott  midj  mit  meinem  ©eifte 
in  ben  ©tauben  (in  bie  SSa^eiten  unb  2ei)ren  bei  ©lau* 
henä)  immer  tiefer  hineinarbeiten,  idj)  fott  itm  nrieber  unb 
wieber  betrauten  unb  barüber  nadjbenfen,  wie  Wlaria  bie 


$ievte§  ©efprädj.  107 

2öorte  3efu  bei  ftdj  ermog,  barüber  nad)fann,  unb  in  intern 
fersen  fte  bemalte ;  iä)  fott  gu  gelangen  fudjen  „§u  jebem 
#Md)tl)um  ber  gütte  be3  28iffen3,  jur  ©rfenntnifj  be3  ©e* 
ijeüwtiffeS  ©otte§,  be3  Vater3  unb  (grifft  Qefu,  in  weU 
djem  alle  Sdjäge  ber  2Set$§eit  unb  @r!enntni§  verborgen 
finb  f  *)  id)  f ott  ju  „begreifen"  fudjen,  „raeldje3  bie  breite 
unb  Sänge,  bie  §ö^e  unb  £iefe"  (be3  ©eljeimniffeS  ber 
@rlöfung)  fei"**)  (benn  aud;  bieg  finb  uiörttidj  angeführte 
Ermahnungen  ber  Ijeü.  Schrift,  wie  bergleidjen  ja  in  il)r 
immerfort  mteberfe^ren ,  immer  un3  anl)altenb  unb  an* 
treibenb,  ba$  mir  in  ber  (Srfenntnijs  ©otte3  unb  Qefu 
@§rtfti  macfjfen,  ba$  mir  un3  mit  bem  ©etfte  ber  SöetSfjett 
erfüllen  ober  um  biefen  ©eift  ©ott  fleljentlidj  hüten,  ba$ 
mir  un£  affejeit  bereit  galten  fotten  $ur  Verantwortung 
gegen  Qeben,  ber  von  un3  fRe«$enfdt)aft  forbert  über  uu= 
fere  Hoffnung  u.  bgl. ;  —  unb  iti)  möfyte  bod;  miffen,  mie 
©te  ftd)  biefe  unb  älmlidje  ©teilen  ber  jjeü.  ©djrift  $xxe§U 
legen  unb  mit  $l)rer  %l)eorie  t)on  ber  Untätigkeit  ber 
Vernunft  gegenüber  bem  ©tauben  vereinigen  ju  föntten 
meinen);  furj,  idj  fott  oon  ben  SBaljrljeiten  unb  Se^rett 
be3  ©laubenS  meine  gange  ©eele  erfüllen  laffen.  Unb 
gemift  ftänbe  e£  beffer  mit  un3,  menn  mir  biefe  SBorte 
ber  l)eil.  ©djrift  beffer  befolgten,  benn  mir  l)aben  no$  nie 
gefünbigt,  wenn  mir  an  bie  Söalirljetten  be3  ©laubenä  ge= 
badjt,  rcol)l  aber  Ijaben  mir,  menn  mir  fünbigten,  immer 
nur  gefünbigt,  meit  mir  an  biefe  2öarjrr;eiten  nidjt  gebaut 
ober  nic^t  ernftlidj  barüber  nadjgebadjt.  llnb  überhaupt 
bin  {iü)  nur  infofem  ein  magrer  (Sfjrift ,  als  bie  Setyren 


*)  Koloff.  2,  2.  3. 
**)  ©p$ef.  3,  18. 


108  aßterteä  ©efprärf). 

be£  ©laubenS  in  meiner  ©eete  lebenbtg  unb  mirffam  fiub. 
sJUdjt  jeber  fann,  waä  man  fo  nennt,  gelehrte  @iitbien 
ober  gorfdmngen  über  ben  ©tauben  madjen;  aber  na& 
beulen  unb  oft  nadjbenfen  über  bie  2Bal)rl)eitett  beS  fyvtfU 
liefen  ©laubenS  mufi  jeber  @l)rift  unb  jeber  l)at  aud)  bie 
Sßffidfjt,  in  feiner  2lrt  unb  na$  feinem  beften  können  tu 
ber  ©rfenntnife  ober  geiftigen  Aufbringung  beS  ©laubenS 
fortmätyrenb  §u  machen,  bi^  mir  l)erangemad)fett  finb  „$um 
üollf  ommenen  SJianneSalter  in^rifto^efu^."  Unb  glauben 
«Sie  mir,  §err  igofratl?,  gerabe  bk  einfältigen  aber  front* 
men  Seelen  f)aben  auf  bem  ©ebiete  beS  ©laubenS  oft 
Sidjtblitfe,  vok  fie  ben  oerftänbigften  unb  geiftig  auSgebik- 
betften,  aber  mettiger  frommen,  abgeben:  benn  bie  Siebe 
üerfiefyt  biefe  ©laubenSbinge  am  beften  unb  fie  gibt  bem 
geiftigen  2luge  eine  fo  Ijelle  unb  fäjarfe  Sel)fraft,  mie  fie 
oft  ber  ftarfte  SSerftanb  nid)t  oerlei^t.  Unb  l)ier  befon* 
berS  läßt  fidj  ba$  Söort  anmenben: 

„Unb  maS  hin  $erftanb  ber  $erftcmbigen  fteljt, 
S)a3  übt  in  Einfalt  ein  finblid)  ©emütl)." 
^erfteljen,  lieben,  üben  ift  in  ben  fingen  ber 
Religion  unb  bes  ©laubenS  faft  ein  unb  baffelbe.  Unb 
man  wirb  biefe  £)inge  nur  l)alb,  unfi^er  unb  mangelhaft 
ernennen,  roenn  man  fie  nid)t  gugletd)  liebt  unb,  in  fo 
meit  es  möglid),  audj  Übt  ©ie  finb  närnlid)  fämmtlidj 
l;ö^er  als  unfere  Seele,  fielen  über  il)r,  unb  SDinge,  bie 
Ijpijer  als  unfere  «Seele  finb,  p  lieben,  ift  beffer  als  fie 
bloß  ernennen,  mie  es  umge!el)rt  in  2lbfid)t  auf  bie  £>tnge, 
bie  niebriger  als  unfere  Seele  finb,  beffer  ift,  fie  gu  er^ 
fennen,  als  fie  gu  lieben. 

£)er  §o fr atfy.    ®ine  merlmürbige  Untertreibung, 
bie  Untertreibung  ber  £>inge  in  foldje,  bie  über  unb  in 


$ierte§  ©efpräd&.  109 

foldje,  bie  unter  ber  (Seele  fielen;  unb  ein  ebenfo  merl> 
mürbiger  9Jcaf$ftab,  nad)  bem  lieber  ober  bem  Unter  ab* 
meffen  gtt  wollen,  ob  es  beffer  fei,  bie  £)inge  §u  ernennen, 
als  fie  gu  lieben,  unb  umgefeljrt. 

3$.  £)iefe  Untertreibung  mag  Qlmen  fel)r  merf* 
ttmrbig  fein,  aber  fie  tft  audj  gugleidj  fel)r  ridjttg.  Unb 
fo  feljr  merfmürbig,  meine  t$,  märe  fie  audj  nidjt  einmal, 
benn  nidjtS  muj3  uns  bod^  ncujer  liegen,  als  bie  ®inge 
im  $erf)ältniffe  §u  unferer  6eele  b.  I).  gu  uns  felbft  §u 
betrauten  unb  ju  unterfd)eiben.  Unb  in  biefem  $erl)ält* 
niffe  betrachtet  muffen  bie  £)inge  entmeber  über  uns 
fein  {bk  göttlichen  unb  l)immlifdjen )  ober  unter  uns 
(bie  irbifd)en  £>inge)  ober  enblidj  neben  uns,  unfere 
üftebenmenfdjen ,  bie  fo  gut  als  mir  baS  SBilb  ©otteS  an 
fidj  tragen.  Unb  audj  jener  äftafjftab  ift  rid)tig,  obgleid? 
iljn  ber  1)1.  Stomas  anlegt,  biefer  (Srjfdjolaftifer,  gegen 
ben  @ie  fidj  fo  eben  fo  fe^r  ereifert.  Unb  ber  ®runb 
liegt  Ijier  ebenfalls  feljr  nalje ;  bie  1)1.  ©djrtft  nennt  ilm,  menn 
ftefagt:  „^DieüRenft^eti  finb  gemorben,  mie  baS,  maS  fie  lieb- 
ten."  S)urdj  bie  Siebe  mirb  man  bem,  maS  man  liebt,  älmlid), 
gleichförmig ,  man  uermanbelt  fidj  gleid)fam  in  baS  ©eliebte 
unb  mirb  @inS  mit  il)m.  Unorbentlidj  unb  unmäßig  liebt  man 
baS  (Mb,  unb  bie  ©eele,  für  ein  fo  großes  ©ut  erraf- 
fen, t)at  nur  nod)  ©inn  für  ©elb;  man  liebt  bk  förper- 
lidjen  fleifd)lid)en  ßüfte  unb  bie  6eefe,  biefe  geiftige  Sub- 
■ftanj,  bie  baS  gleifdj  bel)errfd)en  unb  eS  gleidjfam  r»er= 
geiftigen  fottte,  fennt  nichts  mel)r  als  gteifdj,  glaubt  nidjts 
meljr  als  maS  t)om  $leifdje  (benn  ber  noEenbete  JleifdjeS^ 
menfd)  fommt  aEmäjjlig  baltfn,  ba§  i^m  alles  Unftd)tbare, 
Untaftbare,  alfo  jebe  Ijöbere,  überftnnlidjc  2Bal)rl)ett  §ur 
Unmaljrljeit  unb  £ljorljeit  mirb)  fttr§,  fie  mirb  gleid)fam 


110  Sßierieö  ©efpräc§. 

gang  in  gleifdj  oerroanbett,  rate  bie  ty.  (Schrift  t)on  ben 
r-erberbten  9ftenfd)en  t)or  ber  6ünbflutl)  jagte:  „OTe  ülften* 
fd^cn  finb  gletfdj  geworben."  Dber  man  liebt  umgeferjrt 
©ott  unb  baS  ©öttlidje,  unb  bk  6eele  wirb  burdj  biefe 
Siebe  über  ftd)  felbft  erhoben  unb  fo  gleidjfam  felbft  t)er= 
göttlicrjt.  2BaS  aber  in  biefer  SBeife  t>on  bem  Sieben  einer 
®acl)e  gilt,  ba$  td)  fte  nämlid)  burdj  bk  Siebe  in  mein. 
§er§  aufnehme  nnb  fte  gletd)fam  in  mitf)  ober  trielmel)r 
mtd)  in  fte  nerroanbele,  —  baS  gilt  nidjt  in  berfelben 
2Beife  t>om  ©rfennen  einer  ©adje ;  bie  bloß  errannte  <&aü)e 
hkxbt  nodj  außer  mir,  fie  bleibt  nod)  außer  meinem  2Bil= 
len  unb  meinem  §erjen.  %lm  finb  aber  offenbar  bie  SDinge, 
bie  unter  ber  ©eele  fielen,  für  bie  (Seele  ein  fdjledjter 
6dmtud;  was  bk  <Seele  tt»at)rt)aft  fdjmütfen  nnb  gieren 
fotf,  muß  etwaä  iQötjereS  fein,  als  fte  felbft.  Unb  beSljalb 
ift  jener  9ftaßftab  richtig  unb  es  ift  beffer,  bk  nieberen 
£)inge  ju  ernennen,  als  fie  §u  lieben,  mie  eS  umgeferjrt 
beffer  ift,  bie  leeren  £>tnge  p  lieben,  als  fie  bloß  §u 
ernennen. 

2)er  &  ofratt).  £)aS  mag  aKeS  gar  rjübfä)  unb  fdjött 
fein,  aber  um3  tjat  eS  benn  mit  unferer  eigentlichen  grage 
ju  fdjaffen? 

3d).  3$  wollte  aud)  burd)  baS  ©efagte  nur  ben 
©ebanfen  erläutern,  ba$,  um  in  bk  liefen  ber  (Satemtt* 
niß  be£  ©laubenS  gu  bringen,  bie  bloße  ©eletjrfamfett 
unb  ein  bloßer  fdjarfer  llarer  SSerftanb  nodj  nidjt  ge* 
nügen,  fonbern  ba%  man  rjiergu  auä)  bk  Sßaljrtjetten  beS 
©laubenS  lieben  unb  txxx  IjeiligeS  £>er$  Ijabeu  mu$.  Unb 
IjterauS  erflärt  ftd)  aud),  warum  bie  $ird)e  t»on  folgen, 
bk  fte  unS  twrpgSweife  als  £er)rer  beS  ©laubenS,  als 
SSäter  unb  §1.  Selber  aufftellt,  nid)t  bloß  einen  befonberS 


SSiertes  ©efprädj.  111 

Ijoljen  ©rab  geiftltcfyer  2Biffenfä)aft,  fonbern  anü)  eine  be* 
fonberS  au^gegetd^nete  ipeiligfeit  be£  SebenS  forbert. 

£>er  £>  o  f  r  a  t  ty.  2Rit  bem,  wa$  Sie  l)ter  fagen,  fönnte 
i<$)  mtdj  rool)l  gut  9?ott)  nodj  einoerftanben  erklären,  benn. 
eitt  frommet  -Jtodjbettfen  über  bie  ©lauben3gea,enftcmber 
ein  sJlad)ben?en  bariiber  im  Qntereffe  ber  grömmigfeit,  b  a  & 
§n  tabetn,  fann  mir  nicf)t  einfallen;  aber  biefeS  leibige 
$f)ilofo»l)iren  unb  ©peculiren  über  \>en  ©tauben,  biefeä 
anmaf$lirf)e  tTügelnbe  unb  fpifeftnbige  begreifen  unb  ein- 
feljen  SBolIen  ber  ©eljeimniffe  'beS  ©(anbeut ,  biefeS  vex* 
raegene  fiel)  burdjarbeiten  SöoUen  jumSBiffen  beffen,  roa$ 
anbere  et)rlid)e  3Jienfcl)en  glauben  (benn  bie  2öorte 
Oblauhtn  unb  Sötffen,  $ert)ältnij3  beS  ©laubenS  jum 
SBiffen  ober  beS  SBiffenS  gum  glauben  fummen  einem  ja, 
wie  fo  manche  anbere  Sdjtagworte  ber  3^tf  jefct  immer 
um  bie  D^ren)  —  bas  eben  tft  e3,  \va$  ict)  oben  ba3  mit* 
reben  Söolten  ber  Vernunft  in  &afyen  beS  ©lauben^  nannte 
unb  ba$  itf)  als  ein  ber  tyktät  unb  @§rfurd[jt  gegen  baS 
©öttttdje  wiberfpreä)enbe3  @twa£  unwib err uflidj  oerwerfeu 
muß.  3)enn  erft  rebet  bie  Vernunft  bloß  mit,  um  am 
(Snbe  gang  allein  §u  reben,  unb  ben  gangen  göttlichen 
Glauben  plefct  in  ein  ©eroebe  menfdjlicljer  Klügeleien  unb 
Spi|finbigMten  aufgulöfen. 

3<$.  Slber  aucf)  t)ier,  £err  gofratt),  unterfdjeiben 
Sie  nidjt  genug,  fonbern  werfen  pfammen,  wa$  man  au^ 
einanber  galten  mujs.  @in  $t)ilofopf)iren  unb  Speculiren 
über  ©taubenSgegenftänbe ,  mie  Sie  e3  eben  anpbeuten 
jd)ienen,  oerwerfe  idj  ebenfalls,  mögen  eS  $att)oli£en  ober 
^ßroteftanten  fein,  bie  beffen  ftdj  fdmlbig  machen.  SBenn 
man,  obgleich  mitten  in  ben  ©tauben  Ijmeinoerfejst  unb 
r-on  feinem  Sichte  umftraljlt,  in  feinem  $t)tlofopt)iren  ober 


112  SSierteö  ©efpräd). 

©peculiren  über  bte  göttlichen  £)inge  bod)  oom  (Glauben 
flinwegfie^t  fo,  als  ob  er  gar  ntdjt  ba  wäre,  imb  ftatt 
biefem  göttlichen  Stdjte  lieber  bem  Stdjte  ober  Qrrttdjte  feinet 
eigenen  ©eifte^  folgt,  unbekümmert,  was  babet  julefet  für  ein 
@rgebmf3  IjerauSfommt,  unb  ob  baffelbe  mit  ben  Seljren  beS 
©laubenS  übereinftimmt  ober  bamtt  nid)t  übereinfttmmt, 
unb  wol)l  nod)  obenbrem,  wenn  baS  (Srgebmß  mit  ben 
ßeljren  beS  ©laubenS  ntdjt  übereinftimmt,  verwegen  genug 
ift,  ntdjt  biefem  felbftgefunbene  ©rgebniß  mit  ben  Seljren 
beS  ©laubenS,  fonbern  umgefel^rt,  bie  Se^ren  beS  ©lau^ 
benS  mit  bem  felbftgefunbenen  ©rgebniß  übereinftimmenb 
ju  madjen  b.  I).  jene  nad)  biefem  urnjumanbeln  unb  |U 
refttftciren,  fo  rebe  idj  einem  folgern  ©pecuttren  gewiß 
ntdjt  baS  3Bort,  fjalte  es  vielmehr  fo  gut  töte  ®te  für  ein 
verwegenes  unb  frevelhaftes  ©ptet,  worauf  tnettetdjt  am 
beften  baS  Söort  beS  £>id)terS  paßt: 

,,8dj  fag'  eS  bir:  ein  $erl,  ber  fpeculirt, 
3ft  wie  ein  3$ier  auf  bürrer  §eibe 
$on  einem  böfen  ©eift  im  $reis  herumgeführt, 
IXnb  ringsumher  liegt  fdjöne  grüne  Söeibe."*) 
2öie  aber,  fufjr  idj  fort,  ber  SJUßbraudj  ben  ©ebraud) 
überhaupt  nid&t  aufgebt,  fo  geljt  eS  aud)  Ijter;  unb  idj 
lann  nur  wteberljolen,   ba$  mir  von  unferer  Vernunft 
(benn  um  nur  bie  ettelften  unb  ntdjtigften  Sßerljältniffe 
btefer  @rbe  bamtt  §u  ernennen  unb  auszuformen,  bagu 
ift  fie  bod)  $u  gut)  feinen  befferen  unb  ebleren  ©ebraudj 
madjen  fönnen,  als  inbem  mir,  fo  weit  es  unfere  ©djwadj* 
Ijeit  geftattet,  in  bte  Setyren  unb  ©eJjeimmffe  beS  (Glaubens 
geiftig  einbringen,  tljre  inneren  $e$iel>ungen  ju  einanber, 


*)  ®oet$e'3  Sauft,  i.  %f). 


Viertes  ©efpräd).  113 

fo  tüte  t^re  SBe^ieljungen  ju  ben  natürlichen  Söa^r^eiten 
auffudjen,  fte  mit  einanber  Dergleichen  unb  an  einanber 
beleuchten,  bie  innexn  $rünbe  i^rer  üftotljroenbigfett,  alfo 
i^r  eigentlich  28  ie  nnb  2Sarum  erforfdjen,  tur§,  tnbem 
mir  bie  Seiten  be§  @lauben3  demjenigen,  ma3  mir  fonft 
ba$  $erftel)en,  begreifen,  Sötffen  einer  6adje  nennen,  nalje 
unb  nctfjer  §u  Bringen  fud)en;  rooljtgemerft,  ify  fage:  fo  meit 
e3  unfere  @djroad$ett  gefiattet;  benn  ein  aolIfommeneS 
begreifen  ber  gebeimnifmotten  Se^ren  be3  (Glaubens  finbet 
l)ter  ntc^t  ftatt,  „mir  fel)en  l)ier  nur  rätl)felmeife"  fagt  bie 
§1  6djrift  unb  biefetbe  ermahnt  uns  auä),  bajs  mir  auf 
bie  Offenbarung  ®otte3  achten  f  ollen,  als  auf  ein  Sidjt, 
ba$  ba  fdjeint  an  einem  bunflen  Orte,  bi3  ber  S£ag  an* 
bricht  unb  ber  9Jtorgenftern  aufgebt  in  unferm  §er$en.  *) 
@3  oerftel)t  ftdj  baljer  an<§  von  felbft,  ba$  ein  foldjeS 
$orfd)en,  ober,  menn  ®ie  motten,  ein  fol$e3  $l)iIofopl)iren 
über  bie  £>inge  be§  ®tauben3  t)or  Ottern  mit  ^öefc^etben- 
^eit  unb  maljrer  ©emutl)  vexvaaxt  fein  mufc:  unb  buräj 
bie3  Äemtjet^en  Ijauptfädjftdj  unterfdjeibet  ftdj  bie  äü)te 
d)riftlid)e  6peculation  von  ber  fallen.  S)ie  erftere  geijt 
t)om  Glauben  an$,  unb  baut  auf  bem  gunbameute  be3 
$lauben3  meiter,  bie  lejjtere  ignorirt  üornelmt  ben  (Glauben 
ober  giebt  ftdj  ba$  SKnfefjen,  tfjn  §u  ignoriren,  inbem  fte 
ftdj  auf  iljre  eigenen  güjse  ftettt;  bie  erftere  rviU  ju  feinem 
@rgebni|3  gelangen,  ba3  triebt  mit  ben  £el)ren  be3  fälanbenä 
übereinftimmt  unb  üerrotrft  tl)re  eigene  Arbeit,  menn  fte 
bamit  ntc^t  übereinftimmt,  benn  fte  raill  unb  fudjt  nid)t<3, 
aU  bie  $erl)errltdjung  be£  ©tauben^,  bie  leitete  pljilofo* 
pljirt,  möchte  tdj  fagen,  in$  $taue  hinein  unb  fie  mitt  unb 


*)  1.  Äor.  13,  10.    2.  «ßetr.  1,  19. 
3»eiteS  btf$öfli<!&e§  SBort. 


114  Viertes  ©efpräd). 

fu<$t  nur  tf)re  eigene  $er^errlid)ung;  bie  erftere  freuet 
fidfj  beffen,  roie  ber  §1.  2Infelmu3  fagt*),  ma3  fie  an  ben 
2BaJ)rf)eiten  be3  @lauben3  begreift,  unb  oere^rt  ba<8jenige, 
was  fie  nidjt  begreift;  bie  leitete  überlebt  fidj  beffen, 
ma3  fie  an  ben  äßa^rljeiten  be3  $lauben£  begreift  ober 
§u  begreifen  roäfjnt,  unb  fie  roäfjnt,  bafc  e3  nidjts  gibt, 
ma3  fie  ntdjt  begreifen  fann.  2)er  erfteren  ift  ba$  bernü* 
tf)ige  ©ebet  um  bie  ©rteudjtung  t>on  oben  ba£  @rfie  unb 
ba3  eigene  gorfdfjen  erft  ba3  S^eite;  ber  Ie|teren  ift  baä 
eigene  gorfdfjen  bie  §auptfadje  unb  ba3  ^ebet  um  bie  @r* 
leudfjtung  eine  Siebenfache;  bie  erftere  blicft  gu  ben  großen 
Heroen  djrijiltdjer  $f)ilofop§ie  unb  Söiffenfdjaft ,  ben  l)L 
Tätern  unb  $ird)enlef)rern,  mit  $d(jtung  unb  $ere§rung 
Ijinauf  unb  Ueibt  befdfjeiben,  felbft  wenn  fie  in  bem  einen 
ober  anbern  fünfte  üon  ityrer  Meinung  abmeidfjen  ju 
muffen  glaubt,  bie  leitete  blicft  auf  biefe  2Mfter,  benen 
fie  oieEei^t  bie  (Striemen  aufjulöfen  ni$t  raertl)  ift, 
mit  gleichgültigem  ober  felbftgefättigem  23licfe  §erab,  unb 
batirt  von  ftdj  felbft  bie  neue  grofte  ©pocije  ber  SSiffen* 
fcijaft,  natf)  Strt  einer  fecfen  naferoeifen  Qugenb:  benn 

„SDiefc  ift  ber  3>u.genb  ebelfter  SBeruf! 
£)ie  SBelt,  fie  mar  nidjjt,  e^e  tdj  fie  erfd&uf; 
3)ie  ©onne  füljrt'  iü)  au$  bem  3Jleer  herauf; 
Mit  mir  begann  ber  9ftonb  be3  2öecfjfel3  Sauf*, 
£)a  fdjmücfte  jidj  ber  £ag  auf  meinen  SBegen, 
S)ic  @rbe  grünte,  blühte  mir  entgegen. 
Sluf  meinen  Sßinf,  in  jener  erften  %laü)tf 
Entfaltete  fidj  aller  ©terne  $rac$t. 


*)  Anselm.  epist.  II.,  41. 


Viertes  ©efpräd).  115 

2öer,  aufeer  mir,  entbanb  eud)  alter  S^ranfen 
$f)ittfterljaft  einftemmenber  ©ebanfen? 
3$  aber  frei,  wie  mir'3  im  (Seifte  fpridjt, 
Verfolge  frot)  mein  inner ltdjeS  £idjt, 
IXnb  roanbte  rafdj,  im  et^enften  ©ntjütfen, 
2)a3  ^ettc  vor  mir,  ginfternig  im  SRiiden."  *) 
$ortrepdj,  gang  t-ortreffttd) ,   rief  ©raf  QuliuS 
Ijier  au3,  roobei  ftdj  fein  ©efid)t  gegen  früher  auffaKenb 
erweiterte;  fürjer  unb  fdjlagenber  läßt  fid)  ba<8  bünfel* 
Ijafte  Sßefen  unferer  lieben  Qugenb  roofjl  nid)t  geid^nen. 

$)er  Slboofat  fdjteu  jebodj  bat)on  nidjt  ebenfo  erbaut; 
er  faf),  was  fonft  feine  2lrt  nidjt  mar,  htffyämt  cor  ftdj 
nieber,  roäfjrenb  ber  ©ommercien  *2iatt)  fdjon  t)or  biefen 
SBorten  bm  ©aal  ftiE  roieber  r-erlaffen  fjatte.  £)er  £ofratfj 
aber  ermieberte:  Qdj  brüde  &u  biefer  (Stjaraftertftif  ber  anmaß* 
liefen  nafemeifen  Qugenb  unb  gar  mandjer  unferer  mober* 
neu  Siteraten  unb  ©ele^rten  getotf?  aud)  mit  greuben 
meine  guftimmung  au£;  id)  muß  jebodj  nod)  einmal  auf 
8t)re  Unterfdjeibung  üou  ©tauben  unb  Sßiffen  %uxü& 
greifen,  benn  bei  aller  S)eutli$!eit ,  bereu  @ie  ftdj  be- 
fliffen,  ift  mir  bodj  au3  Qtjren  Sßorten  nod)  nidjt  Hat 
geworben,  nrie  fid&  benn  nun  eigentlidj  ©tauben  unb 
SBiffen  §u  einanber  Debatten  ober  fidj  t)on  einanber 
untertreiben. 

3?dj.  tiefer  ttuterfdjieb  lägt  ftd)  moljl  am  beften  an 
einzelnen  concreten  23eifpieten  !tar  machen  unb  roenn  (Sie 
mir  ertauben,  null  iti)  gerabe  ein  foldje3  mahlen,  ma3  ftdj 
bei  bem  von  Qtmen  fo  mifjadjteten ,  xjon  mir  aber  fo 
§od)gead)teten  £§oma8  r»on  Slquin  finbet,  unb  §mar  ni$t  in 


fe)  ®oet§e'3  fjauft.  n. 

8* 


116  aSterteä  ©efpräd&. 

einem  feiner  befonnteften  §auptwerfe,  feiner  tl)  eolo  gif  d)en 
<&nmma  ober  feiner  6untma  gegen  bie  Ungläubigen 
(contra  gentiles),  fonbern  in  einem  feiner  weniger  be* 
fannten  Söerfe.  @3  trägt  bie  Ueberfcfjrtft  gegen  bie  ®rie* 
d)en,  Armenier  unb  (Sarazenen,  worin  er,  wie  er  fel&fi  be= 
fennt,  nid&t  bewetfenb  ober  wiffenfcfjaftlid)  aufbauenb,  fon* 
bern  nur  ben  ©lauben  t)ertl)eibigenb  unb  bk  Angriffe  ber 
©lauben^gegner  abweljrenb  §u  Söerfe  gel)t.  3$  wäfjte 
aus  biefem  kleineren  Söerfe  be3  CmgelS  ber  ©djule  ben 
2l&f djnitt,  worauf  tdj  biefer  £age  gerabe  [tief*  unb  ber 
überfdjrieben  ift:  „weldjeS  mar  bie  Urfaäje  ber  SJtenfdj* 
merbung  be3  ©oljnes  ©otteS?"*)  §ören  wir,  wa$  er  über 
biefen  fo  entfdjetbenben  unb  wichtigen  £e§rpunft,  bem  ge* 
nannten  Qxoeäe  entfpredjenb,  uns  ju  fagen  ijat.  SDie  früher 
üon  mir  überfe|te  ©teile,  bk  tdj  l)ier  gerabe  §ur  §anb  l)abe, 
lautet,  wie  folgt:  Berblenbet,  fagt  er,  wie  bk  ©egner  be3 
c^riftlic^en  ©laubenS  finb,  üerljö^nen  fteben$riftlic§en($laus 
ben,  weil  wir  benennen,  ba$  (S&riftuS,  ber  ©ofjn©otte£,  geftor^ 
ben  ift,  inbem  fie  bk  £iefe  biefeS  ©etjeimniffeS  nicfjt  §u  faffen 
im  ©taube  finb.  Um  aber  über  ben  Zob  beä  <Solme3  ©otteS 
richtig  ju  benfen,  muffen  wir  erft  über  bk  üUtenfäjwerbung 
be3  6olme3  (Sottet  Einiges  vorbringen,  benn  wir  lehren 
ober  glauben  ja  nidjt,  ba§  ber  ©oljn  ©otteS  bem  %obe 
unterworfen  gewefen  fei  naäj  feinet  göttlichen  Statur,  in  ber  er 
bem  SSater  gleich  ift  unb  weläjer  ba$  Seben  felbft  nnb  bie 
Quelle  alles  SebenS  ift,  fonbern,  ba%  er  geftorben  fei  nad) 
unferer  (menfd)lid)en)  Statur,  bie  er  Impoftatifdj  mit  ftdj  *>er* 
einigte.     SBenben  wir  nun  unfere  Betrachtung  auf  ba$ 


-    *)    Opusculum  contra   errores  Graecorum,    Armenorum  et  Sarac. 
Cp.  V. 


SSierteS  ©efpräd).  117 

genannte  ©eljeimniß  ber  9Jtenf<$  Werbung  be3  ©oljneg 
®otte$  $tn,  fo  ift  sunädjft  §u  Bemerken,  ba§  jebeä  Söefen, 
roa«  mit  Qntelligen§  wirft,  nadj  einem  entworfenen  getfti* 
gen  SBilbe,  einer  Qbee,  gleidjfam  einem  innern,  geiftigen 
Sßorte,  wirft,  wie  e3  §.  58.  beim  ^aumeifter,  überhaupt 
bei  jebem  ßünfiler  ber  gaK  ift,  ber  nadj  ber  3Sorftettung 
ober  Qbee,  bie  er  ftcf)  im  Reifte  entworfen  fyai,  äußerlich 
ba%  SBerf  ausführt. 

SHJeil  baijer  ber  @o*m  ®otte3  ba3  SBort  ©otteS  felbft 
ift,  fo  erflärt  fidj,  ba%  ©Ott  atfe3  gemalt  §at  burdj  feinen 
©ofm.  8ebe  Sadje  aber  wirb  burä)  baffelbe,  woburä)  fte 
gemalt  ift,  auäj  wieber^ergeftettt ;  wie  3.  58.  ein  $au3f 
ba$  §ufammengeftür§t,  wieberfjergefteEt  wirb  naäj  ber  Qbee 
beS  $ünftler3,  wonadj  e3  anfänglich  gebaut  war.  Unter 
aUm  Kreaturen  aber,  bie  ©ott  burcl)  fein  Sßort  erfcfjaffen 
§at,  nimmt  bie  vernünftige  Kreatur  ben  erften  Sftang  ein, 
bergeftalt,  bafj  alle  anbern  Kreaturen  i^r  bienen  unb  auf 
fie  fjtngeorbnet  erfä)einen,  xva$  aufy  gang  naturgemäß  ift. 
3)enn  bie  vernünftige  Kreatur  befifct  burä)  il)re  2BiEen3* 
freist  bie  §errftf)aft  über  i§re  eigenen  ©anbiungen, 
wäl)renb  bie  anbern  Kreaturen  ntdjt  frei  Ijanbetn,  fonbern 
burdj  ben  natürlichen  Qnftinft  gum  §anbeln  unbewegt 
werben.  Ueberall  aber  fyat  ba$  greie  bie  §errfd^aft  über 
ba$  ^idjtfreie;  bie  Stödjtfreien,  bie  ©claven,  werben  l)in* 
georbnet  gum  £)ienfte  ber  freien  unb  werben  von  ben 
freien  regiert.  £>er  %aU  ber  vernünftigen  Kreatur  ift 
baljer  nadj  ber  nötigen  @d)äfeung  von  einer  größeren 
58ebeutung,  aU  ber  SBerfatt  jeber  anbern  unvernünftigen 
Kreatur;  unb  ba%  ©o'tt  bk  SDinge  richtig  ftyäfct,  unterliegt 
feinem  gwetfel.  Unb  be^Ijalb  ift  e3  ber  göttlichen  2£ei3= 
§eit  angemeffen,  baß  (Sott  vor^üglid)  bie  gefaEene  vernünf* 


118  SSierteä  ©efpräd). 

tige  Kreatur  tvieber^erftellte,  unb  ba6  e§>  i§m  hierum  me^r 
p  t$tm  mar,  ate  tvenn  ber  ganje  £tmmel  einftürgte  ober 
ben  förperttdjen  fingen  ein  nod)  fo  grojges  Unglütf  &e* 
gegnete.  @3  gibt  aber  eine  boppelte  vernünftige  ober 
geiftige  Kreatur,  eine  rein  geiftige,  bie  wir  @ngel  nennen, 
unb  eine  mit  einem  Körper  verbunbene,  bie  ©eele  be3 
SJtenfdjen.  iöeibe  fonnten  fallen,  weil  beibe  einen  freien 
SBillen  Ratten.  Unter  fallen  verfielt  man  aber  M  ber 
vernünftigen  Kreatur  nidjt  aus  bem  6ein  herausfallen, 
fonbern  von  ber  regten  Siegel  beS  2öillen3  abfallen. 
£)enn  wenn  man  bei  einer  <&afye  von  einem  %aUe  ober 
Verfalle  rebet,  fo  fommt  f)auptfädjlidj  baä  in  Setradjt, 
tvoburcl)  fie  rotrft,  rate  mir  §.  $8.  von  einem  ^ünftler  fagen, 
er  fällt  ober  fe^It,  raenn  er  in  ber  $unft,  raoburdj  er 
wirft,  ba$>  9fte<$te  verfehlt]  unb  wie  mix  von  einem  natür* 
Itdfjen  Söefen  fagen,  es  falle  ober  feljle,  raenn  bie  natür* 
iifye  $raft,  raoburd)  es  rairft,  verfümmert  rairb  ober  &u 
©runbe  gefjt,  §.  33.  bie  $ftan§e,  raenn  fie  feine  ßraft 
meljr  Ijat,  ju  feimen,  bie  ©rbe,  wenn  fie  feine  $raft  meljr 
§at,  3?ru<$t  ju  tragen,  dasjenige  aber,  raoburdj  bie  ver* 
nünftige  Kreatur  ratrft,  tft  ber  Söitte,  raortn  ehen  bie  grei* 
§eit  beruht.  Unb  ber  gall  ber  vernünftigen  Kreatur  fann 
bemnad)  nur  baxin  befielen,  ba$  fie  t)on  ber  regten  Flegel 
beS  SötllenS  abraetdjt,  mifyin  fünbigt. 

Unb  es  war  alfo  ber  SBeiSljeit  Lottes  angemeffen, 
bie  ©ünbe,  raeldje  in  ber  $erfe§rtl)eit  beS  SStllenS  liegt, 
von  ber  vernünftigen  Kreatur  p  entfernen  unb  jtvar  burdj 
fein  Soor t,  raoburdj  er  audj  bie  gan^e  Kreatur  erraffen 
f)at  %ixx  bie  ©ünbe  ber  ßhtgel  aber  f)at  er  fein  §etl* 
mittel,  raetl  fie  vermöge  ber  Unveränberlidtfett  il)rer  Statur, 
von  bem,  rao§u  fie  fidj  einmal  frei  ^ingefe^rt  Ijaben,  ftdj 


SSierteS  ©efpräd).  119 

nicfjt  meljr  abfegen  fönnen.  £>ie  9Jlenfd)en  bagegen  l)abeu 
nadj  her  33efd^affenl;ett  i^rer  Statin:  einen  üeränberlidjen 
SBillen,  fo  bag  fie  ntdjt  blo3  $erfä)iebene3  wählen  fönnen, 
$ute3  ober  23öfe3,  fonbern  fie  fönnen  audj,  wenn  fie  ba$ 
®int  ober  Rubere,  j.  53.  ba<S  Sööfe,  geraupt  Ijaben,  baoon 
fidj  wieber  surütfwenben  nnb  §um  (Sntgegengefe^ten  fid) 
wieber  Ijinwenben;  nnb  biefe  llmwenbbarfeit  be£  2BilIen3 
behält  ber  Sflenfdj,  fo  lange  er  feinen  ber  $eränberlic!)feit 
Eingegebenen  Körper  l)at;  fobalb  aber  feine  «Seele  vom 
Körper  getrennt  tft,  nimmt  fein  2öitte  biefelbe  llnoeränber^ 
lidjfeit  an,  bie  ber  ©ngel  oon  üRatur  fyat  ©o  alfo  war 
e$  ber  (Sitte  (Sottet  angemeffen,  ba$  er  bie  gefallene 
menfdjlidje  9latur  buräj  feinen.  6olm  wieberl)erftellte. 
5Die  5lrt  nnb  2Mfe  biefer  2öieber^erftettung  mugte  enU 
fpredjenb  fein  fyeiU  ber  wieberl)erguftellenben  Sftatur,  tfyiU 
ber  $ranffjeit  felbft.  3$  fage,  fie  nutzte  Der  wieb  erlies 
Suftellenben  9?atur  entfpredjenb  fein,  nnb  balier  bnrfte 
ber  SJlenfd),  als  mit  freiem  ÜHMen  he^aU,  nicfjt  burdj  eine 
äußere  ilm  nötfjigenbe  ©ewalt,  fonbern  nur  mit  nnb 
nad)  feiner  freien  2öillen3beftimmung  §ur  urfprünglidjen 
©ere^tigfeit  ^urü(fgefüt)rt  werben,  gerner  nmfjte  bie  3lrt 
unb  SBeife  ber  Sßieberljerftellung  auü)  ber  üranfljeit 
entfpredjenb  fein  unb  ba  bk  Äranffjeit  in  ber  $erfefjrtl)ett 
beS  28illen3  beftanb,  fo  mu^te  er  gur  regten  Drbnung 
wteber  prücfgefüljrt  werben.  2)ie  re^te  Orbnung  be^ 
menfdjlidjen  2£illen3  befielt  aber  in  ber  redjten  Drbnung 
ber  £tebe,  welche  unter  ben  Neigungen  beS  SöillenS  bu 
erfte  unb  ljauptfäd)lid)fte  ift.  £)ie  georbnete  Siebe  aber  ift 
bie,  bajs  wir  ©Ott  als  ba$  l)öd)fte  ®ut  über  2ltfe3  lieben 
unb  bag  wir  auf  ihn  2We3,  wie  auf  b^n  legten  Qxvtä 
Einbetteten  unb  ba$  wir  ebenfo  audj  'in  allen  anbern 


120  aSierteg  ©efpräcf). 

SDittgen,  bie  p  lieben  finb,  bie  redete  Drbnung  bewahren 
unb  mithin  baS  körperliche  bem  (beifügen  nad)fet$en.  Q\xx 
©fmedung  unferer  Siebe  gegen  ©Ott  tonnte  aber  nichts 
mirffamer  fein,  als  ba$  ba§>  2öort  ©otteS,  burtf)  meldjeS 
SltteS  gemalt  if±r  pr  Söieberljerftettung  unferer  menfd)* 
liefen  Statur  biefeibe  felbft  annahm,  fo  ba|3  @in  unb  £)er* 
felbe  ©Ott  unb  9Jlenfä)  pgleid)  mar.  ©rftlidj,  roet£  barauS 
am  flarften  l)ert)orgel)t,  roie  fe£;r  ©ott  ben  3Jlenfct)en  liebt, 
ba£  er  um  feines  §eile3  mitten  3ftenfdj  merben  mottle, 
unb  nichts  ift  fo  mädjtig,  im  9Jlenfdjen  bie  Siebe  p  toeden, 
als  menn  er  fterjt,  ba§  er  geliebt  rcirb.  gerner  lonnte 
ber  3Jtenfcl),  mit  feinem  Sßerftanbe  unb  feinem  §er§en  pm 
$örperliäjen  niebergepgen,  p  bem,  wa$  über  il)tn,  ntc^t  fo 
leid&t  emporgehoben  merben.  2)enn  leicht  raorjl  ift  e& 
Qemanben,  einen  anbem  9ftenfä)en  p  lieben  unb  p  er* 
fennen,  aber  bie  göttliche  ©rrjabenljeit  p  betrachten  unb 
p  irjr  in  rechter  Siebe  jtdj  aufpfdjmingen,  baS  lönnen  nic^t 
Sitte,  fonbern  nur  diejenigen,  meldte  unter  bem  23eiftanbe 
©otteS  mit  großer  Slnftrengung  unb  mit  @ifer  com  Körper- 
liefen  fiel)  pm  beifügen  ergeben.  Um  alfo  Sitten  ben 
2Beg  p  ©ott  l;in  p  öffnen,  mottle  ©Ott  felbft  Wlenty 
merben,  bamit  audj  bie  kleinen  ©Ott  ernennen  unb  lieben 
tonnten  unb  attmäf)ltdj  p  größerer  $otttommenl)eit  fort* 
fdjritten.  SDaburä),  ba$  ©Ott  3flenfd)  geworben,  rairb  im 
3Jlenfc^en  aud)  bie  Hoffnung  angefaßt,  bafc  er  pr  S^eil* 
narjme  an  ber  t)ottenbeten  ©lüdfeligfeit,  bie  ©ott  allein 
feiner  Statur  nadj  §at,  hingelangen  fonne.  Söenn  näm* 
lidj  bem  üDlenfcljen  üerljeiften  mürbe,  bajs  er  pr  ©lücffelig* 
feit  gelangen  merbe,  bereu  faum  bie  ©ngel  fällig  ftnb,  ba 
fie  in  ber  Slnfdjauung  unb  im  ©enuffe  ©otteS  befielt,  fo 
mürbe  er,  eingeben!  feiner  6($mac^^eit,  fol$e3  laum  p 


SSierteö  @efpräd&.  121 

hoffen  wagen,  würbe  iljm  niäjt  von  einer  anbern  <5ätt 
§ugleiä)  gezeigt  bk  Sßürbe  ber  menfdjtidjen  Sßatur,  bie  ©Ott 
fo  feljr  adjtet,  baß  er  um  ü)re$  §etle3  willen  §at  3ttenfä> 
werben  wollen.  Unb  fo  §at  ©ott  baburd),  baß  er  9flenfd> 
geworben,  bem  2ttenfd)en  bk  Hoffnung  eingeflößt,  ba$  er 
ebenfalls  ba§m  gelangen  fönne,  ba§  er  ftd)  mit  ©Ott  im 
feiigen  ©enuffe  oereinigte.  £>tefe  ©rfenntniß  feiner  SSürbe, 
bie  bem  3ttenfd)en  aus  ber  3Jtenfrf)werbung  ©otteS  aufgebt, 
muß  audj  in  ilmx  bewirken,  bafj  er  fein  §er$  feiner  Kreatur 
unterwirft  unb  ba$  er  alfo  weber  ben  Dämonen  ober  an* 
bem  Kreaturen  einen  abgöttifdjen  SDienft  erweift,  nodj  ft<§ 
ben  förperli^en  Kreaturen  burd)  unorbentlidje  Siebe 
unterwirft.  £)enn  ift  ber  üDtafdj  naä)  ber  göttltdjen 
6^ä|ung  t)on  fo  Ijoljer  Sßiirbe,  unb  ift  er  ©ott  fo  nalje, 
ba$  ©ott  Ijctt  9Jlenf<$  werben  wollen,  fo  ift  eS  feiner  un* 
würbig,  baß  er  fiä)  in  unorbenttidjer  Siebe  fingen  unter* 
wirft,  bk  niebriger  ftnb  als  ©ott!" 

§ier  feljen  <5k  alfo,  lieber  §err  Jpofratfj,  an  einem 
concreten  23eifpiele,  was  ©lauben  unb  was  Sötffen  fei. 

£>aß  ber  3Jlenf(§  olme  bk  2ftenfd)werbung  ©otteS 
t)on  feinem  gaUe  nid&t  wiebererljoben  werben  fonnte,  baS 
tetjxt  uns  ber  ©laube;  warum  aber  gerabe  ber  @o§n. 
©otteS,  nidjt  ber  göttlidje  Sßater  felbft  ober  ber  §L 
©eift  Sftenfd)  geworben  (bie  ©rünbe  berührt  berfelbe  Ijl. 
Seljrer  Ijter  nur,  wcujrenb  er  an  anbern  Stellen  feiner 
Söerfe  barauf  weitläufiger  eingebt),  bieS  teljrt  uns  niä)t 
ber  ©laube,  fonbern  bk  djriftlidje  SSiffenfäjaft  ober  $l)ito* 
fopljie,  bie  ftdj  auf  bem  ©lauben  aufbaut,  am  (^lauhm 
fid)  emporhebt,  aus  bem  Glauben  ©aft  unb  9Ral;rung  jie$t 
unb  aus  ben  Sßrincipien  ober  aud)  aus  bloßen  Slnbeutungen 
beS  ©laubenS  weitere  üernunftmäßtge  6d)lüffe  jie^t. 


122  SSierteg  ©efprädj. 

§ier  Ijaben  ©ie  aber  audj  eine  flehte  $robe,  rate  eljr* 
erbietig  ober  uneljrerbietig  bie  (gdjoiaftifer  (unb  ber  Ijt. 
£l)oma3  tft  ja  ein  ©rjfdjolafixf er  unb  ber  gürft  ber  ©djola* 
fttfer)  mit  ben  £el)ren  unb  ©e^eumuffen  be3  ©laubenS 
umgefprungen,  unb  raie  fie,  um  miä)  Ql)re3  Stobrutfä  §u 
bebienen,  „ba3  lautere  ©olb  ber  djriftlidjen  SBafjrljett  burd) 
bie  ftutfyat  i^rer  menfdjlid)en  $l#geleien  unb  6pi|finbtg* 
leiten  fo  armfelig  uerfälfd^t  unb  entwertet  fjaben."  D,  nrie 
glücfltdj  erfdjtenen  mir  tfyre  (Gegner,  bie  fie  fo  oerläftern 
unb  fo  oiel  SBöfeS  ilmen  nad)§ufagen  roiffen,  menn  in  tljren 
6d)riften— idj  wiE  nidjt  fagen,  in  irgenb  einem  Kapitel  biefer 
©djriften,  fonbern  oft  in  üjren  gangen  ©Triften  —  fo 
mel  lauteres  ©olb  d^riftlii^er  SBaljr^ett  unb  2Bei^§ett  §u* 
f  ammengefpeidjert  märe,  raie  l)ier  auf  einer  einigen  ^eite  l 
Slber  man  fürchtet  fie  entraeber,  be3l)alb  oerfdjreit  unb  oer* 
läftert  man  fie,  —  fo  Sutfyer  unb  bie  älteften  lutl)ertfdjen 
Geologen;  „fie  roiffen  redjtrooljl,  (fagt  Sßapft  ©i£tu3  V.)*), 
bais  burd)  jenen  paffenben  unter  fidj  oerbunbenen  3U- 
fammen^ang  ber  SDinge  unb  ber  Urfadjen  mit  jener  Drb* 
nung  unb  Einteilung,  meldje  ber  Stufftettung  ber  ©olbaten 
in  ber  <&ü)la<$t  ju  t)ergletd)en  tft  mit  jenen  flaren  SDefint* 
tionen  unb  Untertreibungen,  mit  jener  geftigfeit  ber  2lrgu* 
mente  unb  jenen  fdjarfen  Erörterungen  ba3  üifyt  von  ber 
ginfternijs,  ba$  2Sal)re  oom  galfdjen  unterfdjieben,  unb 
il)re  in  allerl)anb  58Ienbraerl  unb  £äufd)ung  wie  in  an 
©eroanb  eingefüllten  ßügen  in  tfjrer  ganzen  Sölöjse  auf* 
gebedt  werben";  —  alfo  fie  fürd)ten  fie  enttoeber,  unb 
be£l)alb  oerläftem  fie  biefelben,  ober  aber  fie  fennen  fie 
nidjt;  unb  ber  (Sine  fingt  bem  Slnbern  ba3  bumme  mu 


*)  S«  ber  Sülle  Triumphantis. 


SSierteS  ©efaräcfj.  123 

tierftanbene  Sieb,  maS  t§m  twrgefungen  raorben,  nur  naäj. 
tylan  fennt  fie  ntdjt,  —  bemt  man  §at  feine  &it,  fie 
fennen  $u  lernen,  man  lebt  tyutz  ju  fdjnetf  unb  beraegt 
ftdj  burdj'3  ßeben  immer  nur  mie  auf  (Sifenbalmen.  Unb 
biefes  9tid)tfennen  unb  in  golge  baoon  biefeS  Säftern  nnb 
^erläftern  gilt  t>ietfet<$t  von  mandjem  fatl)olifd)en  @e* 
lehrten  unb  Wlofopljen  nid)t  weniger,  wie  von  bin 
protefiantifd&en,  nur  ift  e3  bei  jenen  unoer$eil)lidjer,  ba  fie 
tn^befonbere  auf  fiä)  anwenben  müßten,  roaä  ber  genannte 
$apft  6iytu3  V.  an  ber  erwähnten  ©teile  fagt :  „Qe  meljr 
bie  Qrrleljrer  biefe  fefte  23urg  ber  fdjolafiifdjen  Geologie 
ju  befämpfen  unb  $u  ftür^en  fu$en,  um  fo  mefjr  §iemt 
e3  un3,  biefeS  unbefiegte  SBottwerf  be3  i atljottfdjen  Glaubens 
31t  t>ertfjeibta,en  unb  bie  ©rbfdjaft  unferer  SSäter  §u  er* 
galten  unb  ^u  fdjü^en  unb  bie  waäeren  $ertl)eibiger  ber 
SBa^eit  mit  üerbienten  @l)ren,  fo  triel  mir  !önnen,  §u 
gieren." 

@3  ift  überflüfftg,  fu^r  iü)  fort;  über  bie  verrufene 
unb  üerfdjrxeene  ©djolafttf  fyier  nodj  rnetyr  §u  fagen.  Stfur 
füge  idj  bei  biefer  Gelegenheit,  ntdjt  für  6ie,  §err  §of* 
ratl),  ba  6ie  ja  im  Zapfte  bod)  nid)t  ben  oberften  £el)rer 
ber  (£ljriftenl)ett  t)erel)ren,  —  aber  für  unfern  guten  Grafen 
unb  befonber3  unfern  l)ier  gegenwärtigen  §errn  5lboo!aten 
nodj  bie  2öorte  an,  bie  $apft  $iu3  IX.  (in  feinem  SSreoe 
Tuas  libenter  vom  21.  £)ecember  1863)  §ur  ©mpfeljlung 
ber  ©djolaftif  f treibt: 

„2öir  wiffen  e3,"  fagt  er,  „ba£  in  ©eutfdjlanb  eine 
falf$e  2Infidjt  gegen  bie  alte  ©djule  unb  bie  £)octrin  jener 
<xu^gejei$neten  £el)rer,  wel$e  wegen  iljrer  bemunbern^^ 
werben  2Bei$l)eit  unb  §eiligfeit  be£  SeljrenS  bk  gan^e 
$irdje  t>ere§rt,  bie  Dber^anb  gewonnen  §at 


124  Viertes  ©efprädj. 

£)urdj  jene  falfdje  2lnfidjt  wirb  bie  Autorität  ber 
$iräje  felbft  gefctyrbet,  ba  fie  nirf)t  nur  fo  triele  3a!)rl)unberte 
nadj  einanber  geftattet  l)at,  bie  tl)eologifäjen  SBiffenfdjaften 
nad)  ber  ÜUletfjobe  jener  £el)rer  unb  nadj  ben  burd)  bie 
gemeinfame  Uebereinftimmung  aller  fatl)olifd)en  ©dmlen 
gutgeheißenen  ^rincipten  gu  pflegen,  fonbern  audj  feljr  oft 
tfjre  tl)eologtfd)e  ©octrin  mit  l)öd)ften  £obfprüd)en  fyexvox* 
Ijob  unb  als  ben  ftärfften  ©djüb  be3  Glaubens,  als  furdjt* 
bare  3öaffenrüfiung  gegen  feine  ©egner  eifrig  empfahl." 

©od),  fu§r  tdj  fort,  mit  biefen  SSorten  unferes  1)1. 
SSater^  will  id)  fdjliefcen.  ©er  £ofratl)  fdjten  giemlid)  be* 
friebtgt,  unb  erl)ob  feine  weitere  ©egenrebe.  ©er  ®raf  fdjien 
am  @nbe  be3  (SefprädjS  beffer  gelaunt,  wie  am  anfange, 
ber  2lbüofat  bagegen  fal)  etwas  Derbrtefclidj  aus  ben  Singen, 
unb  ber  (£ommercten=9ktl)  war  nodj  nid)t  wieber  §urüd* 
gefegt. 

@3  war  nad)  ber  langen  unb  langweiligen  Einleitung, 
über  att'  bem  vielen  Weben  unb  Sßiberreben  fdjon  siemltd) 
fpät  geworben;  benn  bie  ©onne  war  am  §ori§onte  t)er* 
fdjwunben,  unb  fo  f Rieben  audj  wir  mit  feljr  gemifdjten 
©efüfjlen  auSeinanber. 


güttfteS  ©efaräd), 

„§a&t  3§r  gelogen  in  Söott  unb  ©djrift, 
SInbern  ift  e3  nnb  ©ud>  ein  ©ift." 

(©oettye.) 

Pei  unferer  $erfammlung  am  embern  £age,  bie  wie* 
ber  in  bem  nämliä)en  ©aale  ftattfanb,  fehlte  ber  ßommer* 
cien*9tatl)  forool)l,  rate  ber  Slboofat;  ber  erftere  Iwtte  fiä) 
burdj  llnmoljlfetn ,  ber  lefjtere  burdj  feine  ©efääfte  ent* 
fdmlbigt.  2Sir  anbern  brei  befanben  un3  in  leiblicher 
©timmung  unb  gegen  meine  fonftige  ©eroofmfjett  eröff* 
nete  tdj  olme  weitere  Umftänbe  biegmal  felbft  ba$  ®e* 
fpräd). 

3$  benfe,  fagte  idj,  §um  igofratfje  Ijingeroenbet,  über 
bie  §auptfdjnrierigMten  einer  gegenfeitigen  $erftänbtgung 
wären  mir  nun  glücflidj  Ijinroeg  —  unb  naef)  hm  @a|e 
qui  tacet,  consentire  videtur  (wer  ju  einer  9tebe  fdjweigt, 
gibt  feine  ßuftimmung  ju  berfelben  $u  ernennen)  lege  id& 
3§r  (Sdjmeigen  am  ©djluffe  unferer  geftrigen  Unterhaltung 
gerabe  ntdjt  §u  meinen  Ungunften  au3.  ®raf  QuliuS  fiel 
mir  l)ier  in  bxe  Sftebe,  bodj  nur,  um  fie  $u  beftätigen  unb 
um  auf  biefelbe  gletdjfam  nodj  fein  ©iegel  §u  brücfen; 
unb  bann  mit  fdjalf^aftem  8lide  ben  §ofrat^)  anfefjenb, 


126  gttnfteg  ©efpräd). 

fügte  er  fdjer^aft  Ijingu:  ©treiben  mir  nur,  lieber  greunb, 
olme  weiteres  bie  Segel,  unfer  sßrocefc  tft  je§t  bodj  in 
allen  ^nftanjen  verloren.  Qd)  fage  unfer  ^roceg,  benn 
iü)  Imbe  £uft  unb  Saft  reblidj  mit  Slmen  geseilt,  Ql)r 
Sag:  credo,  quia  absurdum  est  (idj  glaube,  metl  e£  UU* 
vernünftig)  fdjien  mir  anfänglich  fo  red)t  SSaffer  auf  meine 
3Jlü|le.  Qdj  bin  aber,  menn  audj  auf  eine  für  midj  etvoa& 
ärgerliche  SBeife  enttäufd)t;  hoffentlich  finb  Sie  es  audj, 
unb  fügen  mir  uns  ba^er  nur  irtä  ttnoermeiblidje  gut* 
mißig.  2)er  igofratl)  lädjelte,  als  ob  er  mirflidj  jum  böfen 
Spiel  eine,  gute  9Jliene  Ijätte  machen  motten,  unb  ha  er 
um  eine  paffenbe  Antwort  verlegen  fd)ien,  fuljr  idj,  olme 
feine  Slntmort  abzuwarten,  fort  unb  fagte:  £)a  mir  nun 
aber  mal  fo  meit  gefommen  finb,  lieber  §err  §ofratl),  Ijoffe 
idj,  merben  mir  mit  ®otte3  §ülfe  and;  nodj  einen  Stritt 
meiter  lommen.  2Bie,  ermieberte  er  lebhaft,  \x>a$  verfielen 
Sie  unter  biefem  „Söeiter?"  Sie  motten  midj  bod)  nidjt 
am  (Snbe  no$  §u  einem  $rofeli)ten  Q^rer  $ircf)e  machen? 
3^.  Söenn  es  auf  eine  gute  unb  anftänbige  SBeife 
gefdjel)en  fönnte,  raarum  nidjt?  $or  htm  SBorte  $rofe* 
Intenmadjen  bin  iä)  fo  bange  eben  nidjt;  e3  fann  ba& 
2öort  ebenfo  moljl  einen  guten,  mie  einen  fd)led)ten  Sinn 
Ijaben.  SDaS  $rofelntenmad)en  ift  etmaS  fel)r  Sd)led)te3, 
menn  e3  mit  unrechtmäßigen  unb  unerlaubten  lERitteln  ge* 
fd)iel)t,  alfo  burdj  Ueberliftung,  Ueberrebung,  $erlodung 
ober  ®emaltanmenbung,  mte  ja  fjeut'  ju  Sage  in  biefer 
Slrt  $atljolifen  unb  Sßroteftanten  fdjaarenmeife  ju  $rofe* 
Inten  ber  rufftfdjen  StaatSftrdje  gemacht  merben ;  —  geroig, 
einfoldjeS^rofelntenmadjen,  baSein  fd^nöber  Eingriff  in  ba& 
§eiligtl)um  be£  ©eroiffenS  ift,  fann  9ttemanb  me§r  nerab* 
freuen,  als  idj  felbft.    (&twa$  feljr  ®ute3  unb  £obroür* 


fünftes  ©efprädj.  127 

bige3  bagegen  ift  ba$  $rofetntenmad)en  für  eine  anerfannt 
gute  unb  ^eilige  ®ad)e,  wenn  e£  auf  bem  SSege  ber  lieber* 
geugung  gefdjieljt.  £aben  benn  mdjt  in  biefer  2lrt  bie 
Slpoftel  xun§äl)ltge  $rofelnten  gemadjt,  unb  bie  apoftel* 
gleiten  djriftliäjen  Sftiffionäre,  bie  nodj  olle  Stage  p  ben 
§etbent)öl!ern  au3§iel)en,  motten  6ie  mol)t  etroaS  Ruberes, 
at3  $rofelnten  machen?  Qn  ber  £l)at  vevxätl)  man  einen 
ftarfen  ©rab  von  $erftanbe3fdjraädje,  menn  man  über  ba& 
$rofelntenmad)en  fo  o^ne  weiteres  ben  <&tab  bridjt.  6elbft 
nadjbenfenbe  SBeltfinber  ftnb  barüber  anberer  Meinung. 
So  fanb  iä)  nodj  biefer  £age  bei  einem  ©rjroelttmbe  ba$ 
merfmürbige  ©eftänbniß :  „2)er  3Jlenfc§  l)at  gar  eine  eigene 
Suft,  Sßrofelnten  §u  madjen,  ba^jenige,  roa3  er  an  ftcf) 
fdjäfct,  aucf)  außer  fidj  in  anbern  §ur  @r[ä)einung  §u  brin* 
gen,  fie  genießen  §u  laffen,  rcaS  er  feibft  genießt  unb  ftdj 
in  ilmen  mieberpftnben  unb  barpftetten.  gürroaljr,  menn 
bu$  audj  @got3mu3  ift,  fo  ift  e3  ber  liebenSmürbigfte  unb 
lobenSroürbigfte,  berjenige,  ber  uns  31t  9ttenfdjen  gemalt 
ijat  unb  un3  als  2ftenfd)en  erhält."*)  $eben  alfo  feibft 
2öelt!inber  unter  Umftänben  bem  $rofelt)tenmatf)en  ba& 
2Bort,  marum  foHte  tä)  midj  beffen  fdjämen?  Qn  ber  £l)at 
mürbe  tdj  midj  feljr  glüdlid)  fd)ä|en,  fönnte  id)  Sie  bod) 
nur  jum  ^rofelnten  ber  fatl)olifd)en  $irdje  madjen.  %la* 
iurlidj  müßte  e3  aber  auf  bem  2öege  ber  llebergeugung 
gefdjeljen. 

2)er  £ofratl).  Slber  um  biefe  Uebergeugung  von 
ber  Sßafjrljeit  ber  fatfjolifdjen  ßtrdje  ju  gewinnen,  barum 
Bjanbelt  e3  ftdj  Bei  mir  eben.  Unb  fo  leid)t,  glaube  i^, 
merben  Sie  mir  biefe  Ueber§eugung  nid)t  beibringen. 


■)  ©oetfje'ö  3Bil§etm  3tteifter'3  2öanberjal)re  ober  bie  ©ntfagenbetu 


128  fünftes  ®efprädj. 

3$.  Unb  t)icttci$t  bo$,  §err  £ofratf),  menn  @te 
nur  aufridjtig  bem  ©a|e  entfagen  wollen :  credo,  quia  ab- 
surdum est  (tdj  glaube,  weil  e3  unvernünftig). 

SDer  §ofratf).  2ßa3  §at  benn  aber  roofjt  ba3  2luf* 
geben  btefe^  <Sa($e3  mit  ber  (Mangung  jener  IXebergeugung 
ju  tbuti? 

3$.  9tte*)r  atö  ftfynen  auf  ben  erften  öltd  ein* 
feudjten  mag.  2)enn  nur  folange  ftdj  ber  fogenannte  fnm* 
bolgläubige  $roteftanti3mu£  nodj  hinter  jenen  ©afc,  nrie 
hinter  ein  Vollmer!  üerfdjansen  fann,  ift  tfym  nid^t  hei%u* 
fommen;  bringt  man  aber  mit  berfdjarfen,  unerbittlichen 
Sogi!  auf  t§n  ein  unb  beleuchtet  t§n  mit  ber  gacfel  ber 
gefunben  $l)ilofopl)ie,  fo  üerfdjrmljt  er,  nrie  28acp  an  ber 
©onne.  @3  gibt,  ©Ott  £ob,  nod)  eine  gute  $al)l  oortrcff* 
lieber  $roteftanten,  bie  e£  mit  bem  (Sljriftentlmme  ganj 
eljrlidj  meinen,  fie  Ijaben  nid)t  allein  Infprudj  auf  jene 
allgemeine  üiebt,  nrie  man  fie  jebem  ©egner  fdmlbig  ift, 
fonbern  burdj  baä  gemeinfame  23anb  be3  ©lauben3  an 
(Sfjrijluä  uns  netter  üerbunben,  üerbienen  fie  audj  unfere 
befonbere  £fjeüna§me,  Anerkennung  unb  $erel)rung:  nur 
bürfen  fie  au3  bem  Greife  ber  SßorfieEungen,  2lnf$auun^ 
gen  unb  ®efül)le,  raortn  fie  fidj  von  üinbljeit  an  einge* 
fponnen,  nidjt  heraus,  fie  bürfen  bie  Se^ren,  (Sinridjtun* 
gen,  (M>räud)e,  !ur§  bie  fatfjolifdjen  £)inge  überhaupt 
nidjt  fefjen,  nrie  fie  an  fidj  finb,  fonbern  fie  bürfen  fie 
immer  nur  burdj  ben  ^ebel  biefer  iljrer  üou  ßhtbfjett  an 
angebilbeten  unb  angewöhnten  SBorftettungen  unb  $orur* 
tljeile,  mithin  nur  in  einer  fe^r  entfteUten  ©eftalt  fe^en, 
fie  bürfen  §urif<$en  ber  fnmbolgläubtgen  proteftantifdjen 
&el)re  unb  ber  magren  fatljolifdjen  ße^re  nur  feine  $er* 
gleite  sieben,  m.  a.  2B.,  fie  bürfen  über  bie  magren  con* 


fünftes  ©efprädj.  129 

fefftonetfen  Unterbliebe  unb  über  bie  2ödjr§eit  tljreS  eige* 
neu  confeffionellen  6tanbpunfte3  nur  tttdjt  vernünftig  unb 
grünblic!)  refleftiren:  benn,  wenn  fie  baS  tijun,  bin  idj 
bange,  ba§  e3 untere  efcrttdje  6nmbol*®läubigfeit  gefdje* 
l>en  fei.  ©ntweber  fie  folgen  bann,  wenn  auä)  unter  Opfern 
unb  fdjweren  kämpfen;  iljrer  gewonnenen  beffern  Heber* 
jeugung  unb  bem  3*tge  ber  $nabe,  bie  fie  pr  SUftttter* 
firdje  gurücfjieljt,  ober  fie  fudjen  ifyx  beunruhigtes  ©ewiffen 
burdj  allerlei  felbfterfunbene  ^aEiatiomittel  §u  befdjwidj* 
tigen  unb  pren  bann  §war  ni$t  auf,  ^roteftanten  §u 
fein,  finb  aber  feine  eljrliäjen  $roteftanten  mel)r.  ©o 
unauSweiä)tiä>  unb  unerbittlich  ift  l)ier  bie  logifc^e  (Sonfe* 
quenj,  ba$  ein  fran^öfif^er  Genfer  gerabep  ba$  SDtlemma 
[teilt:  ou  eatholique,  ou  athee  (entweber  ^at^otif  ober 
2ltl)eift).  £)er  wal)rl)aft  ßljriftgläubtge  iann  vor  bem 
$atl)oltci3muS  nic^t  oorbei,  wenn  er  über  bie  &a$e  nur 
ein  wenig  mit  Unbefangenheit  reflefttrt.  3dj  fage,  nur 
ein  wenig,  benn  ba$  9ied)eneyempel  ift  gang  unglaublich 
einfach,  ©laube  idj  an  @l)rtftu3,  als  an  ben  wahren 
<5olm  Lottes,  fo  glaube  id)  autfj,  ba$  atte^  waljr,  was 
er  gefagt  ober  oorauSgefagt.  Qdj  glaube  alfo  audj ,  weil 
er  bie$  ebenfalls  gefagt  ober  oorauSgefagt,  ba$  feine 
$träje,  ber  er  feine  SXpoftet  als  $orftel)er  ober  §irten  sor* 
gefegt  unb  bie  er  alfo  awfy  als  eine  änfceve,  fidjtbare  2In* 
ftatt  geftiftet,  —  als  biefelbe  iljrem  Söefen  nadj  unwanbel* 
bar  fortbeftetje  U$  an'S  (Bnbe  ber  2Mt,  tdj  glaube  mithin 
audj,  ba$  bie  waljre  ^irc^e  (grifft  oon  ben  Reiten  ber 
2lpoftet  an  immer  burdj  alle  3<tfjr*jmiberte  l)inburdj  be= 
ftanben  fyat  nnb  ba$  folglidj  audj  nur  biejenige  Mrdje 
bie  waljre  $irdje  (grifft  ift,  bie  von  Anfang  an  unb 
imrdj    alle   Reiten    Ijinburdj    beftanben    l)at    unb    baS 


130  fünftes  ©efpräd^. 

Ijeifjt  bodj  rooljl  jo  t>telr  all  idj  glaube,  baß  bte 
fatljotifdje  $trd)e  bk  wäfyxe  unb  pmr  bie  einzig  wafyxe 
ßirdje  G^rifti  fei.  &enn  nur  fie  ift  bie  einzige,  bie  von 
Anfang  an  unb  burdj  alle  Qaljrlmnberte  beftanben  l)at 
unb  t)on  %  Ijaben  fidj  alle  anbere  djrtftlidjen  ®emein* 
fdjaften  im  Saufe  ber  3cit  getrennt.  $ann  man  bod)  bei 
jeber  einzelnen  berfelben  t^re  Trennung  von  ber  fat^oli* 
fdjen  $ird)e  auf  Sag  unb  Saturn  angeben.  3d)  frage 
@ief  §err  §ofratf),  ift  rool)l  eine  einfadjere  ©djlußfolgerung 
benfbar? 

®er  igofratl).  £)al  ^aben  ©ie  unl  ja  ungefähr 
ebenfo  in  Syrern  „SBifd&offidjen  SBorte"  gejagt.  Qdj  Ijabe 
biel  „Söort"  par  mit  Qntereffe  gelefen,  aber  mit  ntdjt 
geringerem  Qntereffe  l)ahe  idj  aud)  bie  „®egenraorte"  ge* 
lefen,  wenn  nid)t  alle,  bodj  geurijg  bie  meiften,  roeil  idj  bem 
gangen  «Streite  feljr  aufmerffam  gefolgt  bin.  Unb  unter 
ben  trielen  ©egenmorten  §abe  tdj  mir  bod)  aud)  mandje 
fe^r  beadjtenlwertlje  nottrt. 

3  dj.  @eljr  beadjtenlraertlje !  ja,  beadjtenlroertl)  vitU 
leidet  megen  iljren  heftigen  Sßolternl,  6d)im:pfen3  unb 
Säftemi. 

£>er  §ofratl).  SDaft  aud)  mand)el  fdjmäl)enbe  unb 
läfternbe  Söort  gefallen,  will  tdj  gern  glauben,  ©o  l&abe 
id)  §.  33.  ba$  ®egenmort  etnel  „ehemaligen''  fatljoli* 
fdjen  $riefterl,  bal,  roenn  i$  nidjt  irre,  in  £)ortmunb  anl 
Sidjt  getreten  (bei  genauen  £itell  erinnere  idj  mtd)  nidjt), 
nur  mit  SöibernriEen  unb  @!el  —  nid)t  burd)  gelefen 
(bal  märe  mir  nid)t  möglid)  gemefen),  fonbem,  nadjbem 
idj  ein  paar  leiten  bat>on  gelefen,  el  aul  ber  §anb  ge* 
legt;  inbem  idj  hei  mir  badjte,  nun  an  biefem  noblen 
€djriftfteüer  (idj  fage,  6d)riftfteller,  benn  feine  $er* 


pufteä  ©efe*äd&.  131 

fönli^lett  felbft,  bte  trieEei^t  fe^  ad)tung3wertt),  bleibt 
^ter  gang  au3  bem  ©piele)  Ijabeu  wir  aud)  feine  fonbet* 
Uä)e  2lcguifttion  ßemac^t  unb  er  wäre  beffer  Geblieben, 
wo  er  war.  Unb  offen  geftanben  finb  fold)e  „ehemalige" 
fatljottfdje  ©eiftlid^e  überhaupt  meine  Seute  ntdjt,  wie  ja 
aud)  bcr  um  bie  eüangelijdje  ^irdje  fo  oerbiente  f;od^fe!ige 
$önig  griebrid^  SStlrjelm  III.  bei  einer  Gelegenheit  über 
joid)e  Slnfömmlinge  ober  ©inbringlinge  ftdj  nid)t  befonber£ 
günftig  geändert  Ijabeu  foß.  Qdj  fanu-  midj  immer  be3 
$erbad)t;3  ntdjt  erweljren,  (idfj  fage  bieg  aber  nidjt  mit  23e* 
§ug  auf  ben  ebengebadjten  <SdjrtftftelIer,  benn  ber  ift  mir 
feinem  fittlidfjen  Söerttje  ober  Unwertlje  nad)  gan$  unbe* 
lannt)  e£  möcöte  §u  intern  Uebertritte  in  bie  eoangelifdje 
$ird)e  nod)  etwa3  2lnbere3  mitgewirkt  fyxben,  aU  bie  blofje 
Siehe  $x  bem  (auterm  Sßorte  be§>  @oangetium3;  benn  baS 
<5tüd,  baä  fte  aufführen,  ift  in  ber  9teget  eine  $omöbie 
unb  enbet  mit  einer  §eiratr).  Unb  wenn  idj  aud)  l;ter 
nod)  burd)  bie  ginger  fet)en  wollte,  fo  ift  e§>  mir  bod) 
immer  etwas  unl)eimtidj,  wenn  iä)  benfen  muß,  fte  ^aben 
burdj  i^ren  Uebertritt  aus  ber  failwlifdjen  §nr  eoangelü 
fd)en  $irdje  einen  feierüdj  gefrorenen  @ib  gebrodjen, 
unb  für  eibbrüdjige  SDlenfdfjen  fann  idj  einmal  leine  be* 
fonbere  6nmpattjieen  Ijabeu.  Unb  wie  oft  fyahe  idj  fd)on 
gewünfdjt,  es  mödjten  bod)  unfere  SBeljörben  gerabe  hei 
ber  Slufnaljme  foldjer  Snbioibuen  redjt  ftreng  unb  oor= 
fid)tig  in  Sßerle  ge^en,  bamit  nid)t  fo  oft  fold)e  hei  un£ 
aufgenommen  würben,  bie  einen  übten  ©erud)  oerbreiten 
unb  bie  bem  2lnfel)en  ber  eoangetifdjen  lirdje  nur  fdjaben 
lönnen.  Söenn  iü)  in  ber  6a$e  ju  entf Reiben  Ijä'tte, 
fottten  mir  nur  foldje  fatfcoltfdfje  ^riefter  aufgenommen 
werben,  für  bereu  Siebe  pm  reinen  ©oangelium  ganj  ftare 

0* 


132  pnfteS  ©efprädj. 

unb  unjroeif efljafte  23emeife  vorlägen.  Stlfo,  Sie  feiert, 
£err  SBtfd&of,  fuljr  er  fort,  —  an  ^ittigfeit  fe§tt  e3  bei 
mir  nidjt.  Offenbaren  ©djmctyungen  unb  Säfterungen, 
bie  3^re  ©djrtft  erfahren,  rebe  xd)  baS  SSort  nidjt,  tdj 
raitt  ben  ®runbfa£,  ben  man  Qtjren  Qefuiten  §ur  Saft  legt, 
bafj  ber  Qweä  bte  Mittel  tjeiltge,  nidjt  felbft  ptaftifdj  üben 
ober  beffen  Uebung  guttuen.  2lber  aufter  folgen  offen* 
bar  läfternben  unb  t>erläfternben  ©egenroorten  tjaben 
ftd)  bodj  aud).  foldje  ©egenmorte  gegen  ^xe  ©djrift  aer* 
nehmen  laffen,  benen  man  e§>  anfielt,  bajä  fie  nid)t  bie 
Seibenfctjaft,  fonbern  bie  Ziehe  §ur  SSatjrtjett  felbft  bif* 
tirt  fjat 

3$.    Unb  mel^e  5.  ».? 

£)er  £ofratt>  @o  5.  33.  bie  ©djrtft  be3  Sicen* 
tiaten  Dr.  ^reujs,  $rbatbocenten  ber  et).  Geologie  an 
ber  Unfoerfität  §u  Berlin.*)  £)erfelbe  tjat  fein  reinem 
Qntereffe  für  bie.  djriftlidje  2ßal)rljeit  bodj  baburd)  I;in* 
retctjenb  bofumentirt,  bajs  er  3$nen  ja  fogar  entfdjiebene 
3ugeftctnbniffe  madjt 

Qdj.  2*tterbing3  gefielt  er  mir  mandje3  p,  ma£ 
mandje  feiner  anberen  ©oEegen  mir  feineSroegS  §ugefteljen 
unb  um  beffen  mitten  fie  mir  fogar  gehörig  ben  £ejt  lefen; 
er  geftetjt  mir  3.  33.  in  bie  „fdjretfltdje  Serfatjrentjeit  ber 
Meinungen"  im  eigenen  Sager,  er  gefielt  §u,  ba$  oft  in 
einem  unb  bemfelben  Slubitoriumüon  8— 9Ul)r  ein  $rofeffor 
bk  ©ottfjett  grifft  letjrt  unb  von  9—10  ein  anberer 
biefe  Setjre  für  ftnnlofeS  Seng,  erklärt,  er  gefielt  §u  bie 


*)  2tn  ben  Sifdjof  von  ^aberöorn,  £errn  Dr.  ßonrab  Martin, 
eine  ©noiberung  auf  beffen  „fcifdjöfUdjeä  SBort"  über  bie  ßontro* 
»ergpunfte. 


pnfteS  ©efpräd^.  133 

äftenge  rationaliftiftfjer  Sßaftoren  unb  raa3  bergleicfjen  meljr 
ift*).  2öa3  er  aber  mit  ebler  2ihzxalität  mit  ber  einen 
@anb  gibt,  ba$  nimmt  er  in  bemfelben  2TugenbIt(fe  mit 
ber  anberen  Qanb  mieber  gurüd;  nnb  gerftört  fo  mit  grau* 
famer  ©djabenfreube  bie  frönen  Qllufionen,  bie  er  im  2tn* 
fange  feiner  ©djrift  au3  freien  <5tüäm  veranlagt  Ijatte. 
®o  mieberfjolt  er  j.  23.  me^r  als  einmal**):  Qdj  mödjte, 
menn  idj  aU1  ba$  @tenb  in  nnferer  JHrdje  anfelje  „@Ienb 
Ijinten  nnb  vom",  ba  mödjte  i§  rooljl  paptftifä)  tüerben, 
ba  man  „mirflidj  für  btefeS  ßeben  ftdj  am  beften  faltrirt, 
menn  man  paptftifd^  mirb",  (man  fteJjt,  §err  ^ßreuft  §at 
triet  2Bi§  unb  ipumor)  —  aber,  aber,  fäljrt  er  fort, 
märe  nur  ber  fatale  2Biberfprudj  ber  paptfttfdjen  £eljre 
mit  bem  flaren  ©djriftmorte  nidjt.  60  ift  t§>  unter  an* 
bern  eine  papiftifdje  Sefyre,  bafs  im  fätianftm  nifytä  $er* 
bammltcf)e3  ^unterbleibe  nnb  ba$  bk  SBegierlidjMt  im  ®e* 
tauften  feine  <5nnbt  fei.  Sßogegen  ba$  SSort  ©otte3  fagt : 
„Safj  bidj  nid)t  gelüften"  unb  <St.  $aulu3  nennt  aud)  bie 
fogenannte  Regier  in  ben  Getauften  rüctfid)t3lo3  6ünbe 
—  atfo  bodj  ein  geller  unb  llarer  SSiberfprudj  ***).  @3 
ift  Qammerfdjabe,  baft  mir  ben  §r.  $reu|s  §ier  nidjt 
hei  un£  Ijaben.  6einen  l)umoriftifd)en  Steuerungen  nadj 
§u  urteilen  muß  er  ein  lieben^mürbiger  unb  feljr  unter* 
^altenber  <$efellfd)after  fein,  unb  tdj  voiü  wetten,  im  $e* 
nuß  biefer  Ijerrlidjen  9tatur  unb  biefer  gefunben  Suft  mürbe 
er,  wa$  ftdj  t)on  23üd)erftaub  bei  iljm  angehängt,  unb  alfo 
anfy  feine  wenigen  grillenhaften  ©inbilbungen,  bie  ü)n  t)on 
ber  papifttfdjen  $irdje,  nrie  er  fagt,  einftmeilen  nodj  §u* 


*)  21.  a.  D.    ©.  7  unb  8.     «*)  51.  a.  D.     ©.  8.    ***)  21.  a. 

o.  ©.  10. 


134  fünftes  ®efpräd). 

xMfyaltm,  gewifj  redjt  balb  lo3  geworben  fein.  „Siebet 
£err  2)octor"  würbe  i$  iljm  etwa  leife  in'3  D§r  fagen, 
„fo  tuet  ju  bebeuten  Reiben  Qljre  23ebenfen  eben  nic^t ;  bemt 
fefjen  ©ie,  aUerbtng^  fpridjt  ba3  2ßort  ©otte<3 :  „£)u  foEft 
mdfjt  gelüften",  aber  meinen  (Bie  beim,  bau  ba3  SGBort 
(Sottet  etwas  gebietet  ober  verbietet,  was  ber  3>lenf(^  audj 
heim  hebten  bitten  nid)t  leiften  ober  imterlaffen  faun  unb 
baft  alfo  aud)  baS  im  ftrengen  ©mite  fünbljaft  fei,  was 
nifyt  mit  meinem  2Men,  fonbern  wiber  meinen  Tillen 
in  mir  twrgerjt?  3)aS,  wo§u  tdj  einmal  nidjts  fcmn,  — 
fann  bodj  unmöglid)  mir  jur  ©djulb  angerechnet  werben, 
unb  wenn  ba$  SBort  ©otteS  fold)eS  verbieten  wollte,  was 
p  unterlaffen  fdjledjtljin  nidjt  in  meiner;  Wlafyt  läge,  unb 
mir  baä  $xx  ©ünbe  rennen  wollte ,  was  itf)  nidjt  t>er* 
fdjulbet  ^^^^/  bann  rotifjte  iclj  in  ber  %$at  feinen  fRat^ 
meljr.  Unb  ba  id)  alfo  uor  bem  2öorte  ©otteS  p  triel 
@§rfurdjt  rjabe,  als  bajs  t<#  tl)m  etwas  fel)r  UnftnnigeS 
unb  Unvernünftiges  pmutljen  fönnte,  fo  benfe  tdj  mir: 
e3  Ijabe  bur$  bie  SBorte:  „3)u  foEft  nt<3&t  gelüften"  nur 
baSjenige  ©elüften  verbieten  wollen,  was  i$  §u  unterlaß 
fen  wirflidj  im  <&tanbe  hin,  b.  I).  baS  freiwillige  ©e= 
lüften,  baS  freie  ©inftimmen  in  baS  ©elüften,  !ur§  baS 
consentire  (3ufttmmen  pr  Suft),  nidjt  baS  sentire 
(bie  Suft  f$ledjtl)in) ;  unb  was  baS  unfreiwillige  ©elüften 
betrifft,  baSjenige,  baS  gegen  meinen  ^Bitten  in  mir  ent* 
fielrt,  unb  baS  id),  fobalb  id)  mid)  beffen  hewn^t  werbe, 
fogleid)  mit  aller  Güntfdjtebenljeit  abseife  unb  betamprV 
fo  wirb  baS  woljl  ein  tlebel  fein,  baS  aus  ber  'Bnnbe 
entfprungen  ift,  aber  eine  eigentliche  <Sünbe,  bie  nur  mit 
Sßiffen  unb  2ßtEen  begangen  wirb,  fann  es  woljl  niefit 
genannt  werben.    S)a|3  aber  <5t  $auluS  baS  ©elüften  im 


^fünftes  @efpräd&.  135 

getauften  rütfftdjtSloS  ©ünbe  nenne,  mo!)er  rotffett 
6te  betmbaS,  lieber  §err  $reufj;  ober  meinen  «Sie  etwa, 
bajg  ber  Jtfpoftel  ba$  Söort  6ünbe  überall,  mo  er  e3  ge* 
brauet,  immer  „ rütffid)tlo<o "  gebrannt?  2)ann  ftänbe  e3 
aber  mit  nnferm  ©lanben  an  bie  Sfteinfjett  nnb  <&iinb?ni 
loftgfeit  (grifft  nid;t  jum  heften,  ba  ja  berfelbe  Stpofiel 
and)  fagt:  „®ott  §abe  ßljrifto  §ur  ©ünbe  gemadjt".  *) 
OTe  vernünftigen  2ln3leger  nehmen  ba3  Sßort  ©ünbe 
l)ter  im  (Sinne  von  Opfer  für  bie  Sünbe;  nnb  nnr  51t 
Q^rer  £l)eorie  mürbe  eine  foldje  2In3legnng  nid;t  ftimmen. 

3n  biefer  2lrt  alfo  mürbe  tdj,  wenn  mir  ba§  (&IM 
Ratten,  §errn  Sicentiaten  Dr.  ^reufe  rjter  hei  m$  ju 
ijaben,  bie  Sebenfen,  bie  ifm.  jefct  nodj  ein  menig  gegen 
bie  päpftlidje  $ird)e  einnehmen,  fo  reäjt  gemutfjltd)  mit 
Üjm  nerljanbeln,  nnb  iäj  glanbe  gemijg,  hei  feinen  fonft  fo 
üortrefflid^en  ©eftnnnng£  *  Slengemngen  mürbe  er  feine 
©frnpel  (benn  alle  anbern,  bie  et  anführt,  finb  fo  jiern^ 
litf)  von  berfelben  5lrt)  balb  fahren  taffen  nnb  er  mürbe 
am  @nbe  bod)  nodj  päpftli  $  merben.  IXnb  meldje  grenbe 
mürbe  ba$  erft  für  un£  fein,  ba  nn3  fd^on  fein  $ndj, 
tro|  her  mandjerlei  ©fmpet,  anf  bie  mir  barin  ftofjen, 
fomel  grenbe  nnb  @rgö|en  gemalt  fjat. 

©er  §ofrat§.  2ßa3  fagen  Sie  aber  §n  bem  „offenen 
Briefe"  an  @ie  t)om  „etmngelifdjen  Pfarrer  Gräber"  in 
£aUe  a.  ©.? 

«3$.  3$  fage  p  bemfelben  ungefähr  baffelbe,  mie 
in  „bem  Söorte  eine3  eoangelifdjen  ©etftltdjen  in  ber 
prenfcifdjen  ^einprotring"  **),  unb  ju  einer  „föebe  in  ber 

*.)  2.  ßor.  5,  51.  **)  ©in  SBort  an  hm  römifdH«t*jotiföen 
33iftt)of  ju  $aber&orn,  §errn  Dr.  ßonrab  Martin,  pon  einem  ecan* 
Seltfdjen  (Sänften  in  ber  preujsifdjen  Sftfjeinprotnnj.    ©öttingen,  1865. 


136  pnfteä  ©efpräcf). 

^erfammlung  be£  ©uftat>*2lboIp§*  Vereins  §u  ©rei$  t>ott 
$ird)enratl)  Dr.  ©äjmibt.  *)  £)tefe  ©Triften  (efen  mir 
alle  brei  gehörig  bm  £eyt,  nur  bie  erfte  etroa3  meljr  pol* 
ternb,  bie  Mbm  festem  ruhiger,  anftänbiger,  einigemal 
fogar  in  einem  redjt  liebereidjen  unb  fatbungSooEen  £one. 
©ine  SBiberlegung  meiner  ©djrift  aber  ftnb  fie  ntd)t,  ja 
ify  finbe  barin  nod)  nidjt  einmal  ben  ernftlidjen  $erfudj 
einer  SSiberlegung.  S)a3  ift  t)on  mir  fretlid)  bloft  fo  eine  23e= 
I)auptung  unb  bie  SSerfaffer  biefer  ©Triften  mürben  roofjl, 
roenn  fie  Ijter  bei  un3  mären,  fie  entmeber  für  fie  beleibigenb 
ober  für  lädjerlid)  erflären.  3<#  fdfjiäe  Qlmen  aber  nädj* 
ftenS  bk  fatfjotifdfjen  ©egenfdjriften  gegen  biefe  proteftan* 
tifdjen  ©rmiberungen;  6ie  fönnen  fie  fid)  alle  redjt  genau 
anfeljen,  bk  einen  mit  ben  anbern  üergleidjen  unb  rcenn 
mir  un3  bann  einmal  mieber  über  bk  ©a$e  fpred&en, 
Ijoffe  idj,  merben  mir  in  unferm  Urteile  fo  §iemlidj  über* 
einftimmen. 

£)er  §ofratl).  Slber  befto  §ut)erfidjtltdjer  ermarte 
td),  baft  @ie  raenigftenS  ben  Seiftungen  be£  „eoangelifd)en 
Pfarrers  ber  SDiöcefe  Soeft",  ^nbreä  genannt,  »olle  ©e* 
redjtigMt  nriberfa&ren  laffen.  Unb  id)  l;abe  mid)  in  ber 
%$at  gemunbert,  bajs  6ie  auf  alle  feine  offenen  6enb* 
treiben  (tdj  glaube,  e3  ift  nun  fdjon  baä  inerte  erfdjte* 
neu),  aud)  nid^t  eine  ©ilbe  ermibert  l)aben,  ba  er  ©ie 
bodj  mieber^olt  l)erau3geforbert,  fo  mk  id)  mir  benn 
überhaupt  ntdjt  erklären  fann,  marum  <&k  allen  bm  2ln= 
griffen  in  ber  £age3preffe  md)t3  anbere^  al§  ein  abfolu- 
teS  6djmetgen  entgegengefegt  jjaben. 


*)  $üt  bie  eoangettftfje  Sfte$tfertigung§leJ)re  gegen  eine  35er^ 
unglimpfung  berfelben  au§  neuefter  £eit,  oonDr.  ©cfjmibt,  ©reia,  1864. 


pnfteä  ©efarätf).  137 

3$.  2Sa3  §errn  SXnbrcä  betrifft,  fo  (äffe  tdj  iljm 
afferbingS  wegen  feiner  großen  grudjtbarfett  alle  (Seredjtig* 
feit  wiberfaljren;  benn  ift  bie  eine  ©djrift  §erau3,  gleidj 
läßt  er  baranf  wieber  eine  gweite  unb  in  rafd)er  unfein- 
anberfolge  eine  bxitte  unb  werte  folgen  unb  bk  fpätere 
ift  jebe^mal  nodj  üoluminöfer,  als  bie  twrljergeljenbe.  %&enn 
baä  feine  $rudjtbartett  ift,  xoa$  foffte  voofyl  noäj  fo  ge* 
nannt  werben  fönnen?  2lber  con  grudjtbarfeit  unter* 
fdjeibe  tdj  mit  bem  Referenten  in  einem  öffentlichen  blatte 
in  Stöftdjt  auf  §errn  Stnbreä  bie  gur^t  Bar  feit;  beibe 
ßigenfdjaften  fielen  bei  trjm  niäjt  im  geraben,  fonbern  im 
umgekehrten  $erl)ältmffe  unb  ein  je  meljr  fruchtbarer  ein 
befto  weniger  furchtbarer  Gegner  ift  er.  $leiäj  aU  mir 
burdj  feine  (Mte  ein  Freiexemplar  oon  feinem  erften  <Senb* 
fd)reiben  an  miäj  gugefommen  —  e3  mar  im  Anfang  ©ep* 
tember  1864  — ,  ftanb  aucf)  ber  ©ntfdjluß  M  mir  feft, 
eine  ruhige  wohlgemeinte  ©rwiberung  folgen  §u  laffen. 
SDer  gange  Sftonat  September  unb  bk  erfte  §älfte  be§ 
barauf  folgenben  9ttonat3  waren  aber  burcf)  amtlidje 
Reifen  in  2tnfpruäj  genommen  unb  ließen  mir  feine  freie 
geit;  fpäter  aber  nod)  eine  (Srwiberung  folgen  gu  laffen, 
Ijielt  tdj  für  überflüfftg,  ba  oon  anbern  leiten  fjer  bie 
meiften3  redjt  treffenben  Abfertigungen  rafd)  eine  auf  bie 
anbere  folgten  unb  idj  bod)  nur  f)öd)ften3  eine  fleine  Radj* 
lefe  l)ätte  galten  fönnen.  £)urdj  bk  eine  war  bem  §errn 
Slnbreä  bewiefen,  ba$  er  feine  Sogif  »erftelje  unb  ba$  er 
ftd)  oft  auf  ber  uämltdjen  (Seite  mehrmals  wiberfpredje;  bie 
anbere  l;atte  iljm  bewiefen,  bafc  er  ba£  2atein  fd)ledjter 
überfe|e,  als  ein  Tertianer,  wieber  eine  anbere  geigte,  wie 
biefer  §err  2tnbreä  bie  £eyte,  bie  er  citirt,  giemlidj  frei 
bebanbele,  wie  er  §ter  etwas  weglaffe,  bort  etwas  gufe^e, 


138  fünftes  ©efe>räd&. 

ober  einfcfjtoärge  (i$  erinnere  beifpielstoeife  an  feine  %)ax- 
fteEung  ber  3efuiten*3florai,  auf  bie  idj  mettetdjt  fpäter 
nodf)  mal  gurüdf:! omme) ,  gerabe  rate  e§  gu  feinem  3i°e<fe 
ftimme;  raieber  eine  anbere  enblid^  liatte  bargelegt,  baß 
ber  größte  ^E>ei£  beffen,  roa3  er  in  feinem  offenen  6ettb* 
fäjreiben  gum  heften  gibt,  ba$  gange  6ammelfurium  magrer 
ober  unwahrer  ^Inefbötdjen,  ffanbalöfer  @rgäl)lungen  u.  bgt. 
mit  ber  Sa$e  fetbft,  um  bie  e£  ftdfj  fjter  ^anbele  f  wenig 
ober  gar  nidjts  gu  fdfjaffen  fjabe.  2öäl)renb  biefeS  atteS 
vorging,  ba  enblid^  gelangte  lieber  burdf)  bte  ©tite  beS 
£erm  2lnbreä  fein  bereite  lange  angetunbigte3,  wertes 
offenem  @enbfä)reiben  an  midi),  unb  ba$,  baäjte  tdfj,  aU  icfj 
e3  gu  fel)en  befam,  nrirb  bir  bodlj  aud(j  mal  Gelegenheit 
geben,  bidj  mit  biefem  fruchtbaren  ^otemifer  au^einanber* 
gufe§en.  Hber  ma3  gefdfjal),  tdfj  fdfjlug  ba3  ©yemptar  btefeS 
werten  offenen  ©enbf^reiben^  aufs  Gerabewol)!  auf  unb 
geriet!)  gufäEig  gleitf)  auf  ben  $affu3,  ber  meine  SQBorte 
über  bie  unbefleckte  ©mpfängnif}  3ftarien3  Iritifirt,  uub 
mo  ber  §err  $erfaffer  mir  bk  „togifdfjen  Safcljenfpieter- 
fünfte"  unb  ben  2Biberfprud)  nadjroeifen  will,  in  ben  ify 
mify  felbft  oernncMt,  menn  iäj  auf  ber  einen  @eite  gefagt, 
9Jtaria  fei  ni^t  oon  üftatur  heilig  unb  boä)  auf  ber  anbexn 
6ette  getäugnet,  bafj  fte  mit  ber  &ixnbe  befledt  geroefen, 
—  ba  ja  borf)  mol)l  bie  betben  Stfnge  „ntdjt  wm  ^latur 
heilig  fein,  unb  mit  ber  ©ünbe  beflecft  fein"  nicfjt  von 
einanber  getrennt  gu  benfen  feien.  *)  3$  las  btefen  $affuS 
einmal,  idfj  las  i$tt  peimal;  unb  bann  madfjte  tdjj  ba§ 
gange  ©enbfc^reiben  gu  unb  Ijabe  eS  audfj  nt$t  mieber 
aufgefangen.   5ftun,  mein  Gott,  badete  idj,  weif*  benn  ber 


*)  Stertes  offenes  k.  6.  62  f. 


fünftes  @ejpräd&.  139 

§err  Slttbreä  and)  ba$  ni$t  einmal,  bajs  bk  dmget,  ob* 
gleid(j  fie  bodj  aud)  nidjt  t)on  9ktur  ober  bur$  ftdj  fetbft, 
fonbern  nur  burd)  bie©ttabe  fettig,  gletdjrooltf  alle  urfprüng* 
Kdj  unbefledt  waren,  tnbem  ®ott,  roie  ber  §1.  2luguftinu3 
fagt,  ifjre  Statur  fdmf  mtb  biefe  tyre  Statur  §uglei(§  mit 
feiner  ©nabe  ausstattete !  ttnb  raie  fann  benn  alfo  §err 
Slnbreä  f o  triumpljirenb  in  bie  trompete  ftofjen,  als  ob  er  btdfj 
mit  beiner  $e!)auptung  anf  einem  2Biberfprud)e  in  flagranti 
ertappt!  Wein,  bafyte  id(j,  biefer  §err  2fabreä  mng  bodj 
erft  bie  tljeologifdjen  $inberfcfml)e  ausgesogen  l)aben,  e§e 
man  an  tljrn  bk  golbenen  ©poren  fiel)  nerbienen  fann. 
lleberljaupt  i)at  ftdj  mir  bei  Gelegenheit  beS  £)urdjgel)en3 
ber  proteftantifdjen  ©egettfdjriftett  aufs  -fteue  unroittfü^r* 
lid)  ber  2öunfd)  aufgebrängt,  eS  motten  bodj  bie  proteftan* 
ttfdjen  Geologen  §u  einem  grünblidjeren  Stubium  ber 
fnftemdtifdjen  Geologie  angetrieben  unb  angeleitet  xop* 
ben.  211S  ic§  einft  als  Qüngling  eine  $ät  lang  an  ber 
Unberfttät  §atte  orientalifdje  Spradjftubien  trieb,  mad)te 
idj  bamals  fd)on  bk  SSemerfttng ,  bajg  raoljl  fünf  ©edtftet 
aller  tljeologifdjen  Vorlegungen  ftd)  mit  ©yegefe,  Jür^enge^ 
fdjid)te  unb  ben  tl;eotogifd)en  §ülfStmffenfdjaften  befaßten, 
roäfjrenb  für  bk  fnfiematifd)e  Geologie  nur  baS  le^te 
fümmerlidje  ©ed;ftel  übrig  blieb.  Dh  es  jefct  bort  in 
§alle  in  biefer  ^Be^ierjung  anberS  geworben,  meifc  tdj 
nidjt;  bafraber  baS  &tubium  ber  bogmatifdjen  Geologie 
an  ben  proteftantifdjen  tl)eologtfdjen  £el)ranftalten  im  W* 
gemeinen  nodj  immer  $u  feljr  §urüdgebrängt  ift,  Ijat  mt$ 
bie  eigene  ©rfaljrung  aud)  in  ber  teueren  Qeit  nod)  ge* 
lei)xt.  Unb  idj  bin  überzeugt,  roaS  mein  „btfdjöftidjeS 
SBort"  betrifft,  fo  Ratten  bie  proteftantifdjen  ^rebiger  bei 
einer  befferen  bogmatifdfjen  Silbung  biefe  ©djrift  getüift 


140  pnfteä  ©efpräd). 

beffer  aufgenommen  unb  gemürbigt.  2Bie  t>ortl)eill)aft  ftad> 
in  btefer  SBegietmng  ba3  $erljalten  ber  proteftantifdien 
Saien  gegen  ba$  $erl)alten  ber  $rebiger  ab!  jgene,  bie 
menn  audj  nidjt  mit  tljeologifdjer  Sitbung,  bod)  roenigftenS 
audj  md)t  mit  $orurtljeil  ober  parteiifd)er  ©ingenommenljeit 
bie  ©djrift  lafen,  Ijaben  fie  im  allgemeinen  mit  %8o§U 
motten,  biefe  bagegen  l)aben  fie  im  Sittgemeinen  mit  3Jtifc 
motten  unb  Erbitterung  au3  ber  §anb  gelegt.  $on  ben 
mol)lraottenben  unb  oft  fogar  banfbaren  ©efinnungen  vex* 
fc$iebener  £efer  berfelben  au§  ber  proteftantifdjen  £aien= 
melt  befi|e  i§  bie  ^öemetfe  in  ben  Qänben,  unb  t)on  mel)* 
reren  $erfonen  (unter  benen  ftct)  audj  einige  von  SDiftinftion 
Beftnben)  met§  tdj,  ba$  tlmen  bie  Seftüre  ber  ©djrift  unter 
bem  göttlichen  ©nabenbeiftanbe  ben  2Maß  $u  ilirer  $tü& 
Mjr  §ur  fatl)olifd;en  JHrdje  gegeben  rjat  $on  ber  @r* 
bitterung,  momit  bie  ^rebiger  bte  ©d)rift  aufgenommen, 
rjabe  tdj  aber  bie  SBemetfe  audj  in  ben  Rauben  unb  fie 
liegen  audj  ber  2Belt  jiemlidj  offen  vox  klugen.  3$  r)abe 
mi$  felbft  oft  gefragt,  roorin  bodj  ber  eigentliche  ©runb 
liegen  mödjte,  ba$  ba§  2öol)tmotten,  momit  tdj  bie  ©djrift 
t>erfa|3t,  gerabe  von  ©etten  ber  $rebiger  mit  fo  viel  Wifc 
motten  exxoibext  unb  ba$  bk  frieblidjen  unb  freunbttdjen 
Slbfidjten  unb  (Seftnnungen ,  bie  tdj  in  bem  $udje  rjabe 
fuubgeben  motten,  gerabe  t-on  iljnen  mit  fo  triel  23ittetfeit 
unb  ©eljäfftgfett  aufgenommen  morben  feien.  Siegt  benn 
ber  (Brunb  baron,  Ijabe  i$  mteber^olt  midj  gefragt,  etxoa 
gar  in  beiner  eigenen  ©djrift,  inbem  etwa  beim  xoatjxen 
©cfü^lc  unb  ©efinnungen  baxin  nidjt  §um  rotten  unb  un* 
getrübten  SluSbrude  gelangt  finb?  £>u  bift  bir  aber  bodj 
bemüht,  antwortete  idj  mir,  ba$  bu  btdj  bei  Slbfaffung 
beiner  ©djrift  l;aft  von  %liü)t§  leiten  laffen  motten,  als 


günfteS  ©efpräd&.  141 

twn  2öa§r§ett  nnb  t>on  Siebe;  unb  bie  bloge  $erftdjerung, 
ba§  man  audj  bie  getrennten  Grübet  in  feinem  §erjen  trage, 
e$  mit  üjnen  wafjrljaft  gnt  meine  nnb  ben  grieben  mit 
tfjnen  wünfdje  nnb  erftrebe,  eine  foldje  blojse  $erfid)erung 
tft  bodj  nodj  ntdjt  fo  triel  wertlj,  als  ber  e^rtidje  $erfudj, 
biefe  mit  bem  3Jhtnbe  au^gefprodjenen  frieblidjen  nnb 
woljlwoEenben  ©eftnnnngen  audj  wirfltd)  p  betätigen, 
bie  einem  wahren,  aufrichtigen  grieben  entgegenfieberen 
^inberniffe  §n  befextigen,  23orurtt;eile  aufklären,  irrige 
Stuffaffungen  §n  berichtigen  n.  bgl.  Unb  bafj  nnr  hierauf 
nnb  auf  ntdjtö  anbereS  bie  2lbftd)t  beiner  ©djrift  tjinge* 
rietet  mar,  ba$  bift  bn  bir  bodj  benmjst  nnb  bn  Hfl  bir 
and)  berankt,  ba$  felbft  ba,  wo  bn,  t)teßeid^t  in  einem  gn 
fühlbaren  (Sifer,  bem  grieben  §u  bienen,  beine  geber  gerabe 
nid)t  in  £onig  getankt,  bod)  bir  bie  2lbfid)t,  irgenb  Qe- 
manben  §n  Herleiten,  burdjau£  fern  gelegen  Ijat,  wie  idj 
midj  benn  überhaupt  fo  gefinnt  weiß,  ba$  idj  wollte,  e3 
mödjte  mix  etjer  im  3)intenfaffe  bie  Qanb  erftarren  ober 
bie  3^nge  mir  am  (Daumen  Heben,  elje  idj  ba§  erfte  nnb 
größte  (Sebot  beä  (£t)riftentl)um3,  bie  djriftlidje  2iebe,  e$ 
fei,  gegen  wen  e§>  wolle,  burd)  SSort  ober  ©djrtft  abfidjt* 
lidj  t)erle|en  follte. 

Siegt  nnn  ber  waljre  @runb  ber  Erbitterung,  womit 
bie  $rebiger  beine  6d)rift  aufgenommen,  nidjt  in  beiner 
©djrift,  liegt  er  bann,  fragte  idj  midj  weiter,  triefleidjt  in 
ben  ^rebigern  felbft?  2)a{3  er  in  iljrer  freunblidjen  ober 
feinbfeligen  ®efmnung  liege,  tarnt  idj  ebenfalls  nidjt  an* 
nehmen.  5Die  einen  nnb  anbern  t)on  tljuen,  bie  ftdj  gegen 
meine  ©djrtft  fo  ereifert,  !enne  idj  perfönlid)  als  fe^r 
ad)tung3wertlje  3)Mnner.  Qdj  erinnere  rjier  nnr  an  ben 
geehrten  ^JUtimtergetdjner  ber  beiben  öffentlichen  ©egen* 


142  fünftes  ®efprädj. 

erflä'rungeu  ber  mMif$  *roeftfälifdjen  $rebiger;Eonferen§, 
&errn  ©upertntenbenten  Dr.  ßimig  in  Söttten,  ben  xd)  bei 
metner  2tmt)efenl)eit  in  S&ittm  vox  etwa  5  Qatjren  perfön* 
lid)  fennen  unb  f($ä|en  gelernt  Ijabe,  unb  berfelbe  barf 
über§eußt  fein:  bafj  bie  „liebe*  unb  friebe*att)menben 
Soafte",  bie  bamalS  t»on  mir  vor  ber  „gemifcfyten  ©efell= 
jdjaft"  aufgebracht  morben  unb  worauf  er  in  ber  ©egen* 
erflärung  vom  28.  (September  t>.  3-  anpfpielen  fdjetnt, 
mir  nidjt  BIojs  von  ber  Smtge,  fonbem  tief  aus  bem  fett* 
§en  gefommen  finb. 

2öenn  i§  mir  aber  bk  allgemeine  Erbitterung  ber 
$rebiger,  bie  auf  ber  6nnobe  in  Söefel  fogar  ben  $rm 
ber  Staatsgewalt  gegen  mid)  angerufen  l;at,  weber  aus 
bem  Etjarafter  meiner  ©d)rift,  nod)  aus  ber  an  fid)  fetnb* 
liefen  ©efinnuug  ber  ^rebiger  erklären  fann,  rootjer  foU 
idj  fie  mir  benn  erklären?  ES  bleiben  bann  als  ErflärungS* 
grünbe  nur  metjr  zufällige  Umftänbe  übrig.  2)a  [teilen 
ftdj  aber  meinem  ©eifte  roieber  gar  uerfctjiebene  2ftögltct> 
feiten  bar,  unter  benen  td)  bte  eine  ober  anbere  als  einen 
ErflärungSgrunb  herausgreifen  fonnte. 

£rug  gu  biefer  beflagenSwertrjen  Erbitterung  ber  $re* 
biger  üieEeidjt  bereu  Erwägung  oix,  ba%  wenn  baS  grie* 
benSwerf  mirfti($  ju  ©taube  fommen  tollte,  fie  mit  ben 
lieben  Sangen  einem  gerben  £ebenSgefd)id  preisgegeben 
wären,  unb  ba{j  es  für  fie  eine  $flid)t  ber  Setbft* 
ertjaltung  fei,  bafj  fie  fid)  ber  Bereinigung  ber  $riftlict)en 
Eonfeffionen  in  ber  Einen  ^eiligen  Ätrdje  Erjrifti  mit  alter 
©eraalt  entgegenftemmteu?  Slber  aus  einer  fo  wenig  eblen 
Duelle  fann  unb  barf  td)  bod)  t^r  feiubfeltgeS  3Serr)aIten 
gegen  meine  6djrift  ebenfalls  nidjt  ableiten,  ©inb  eS  ja 
bod)  alle  SJMnner,  bk  buret)  itjren  $eruf  oerpfltd)tet  finb, 


fünftes  ©efpräcfc.  14a 

bk  2Ba$r§eit  merjr  311  lieben  als  „$ater  unb  2ftutter,  unb 
SSeib  unb  $inber  unb  trüber  unb  ©djmeftern"*)  unb 
wie  tonnten  fie  bar>r  fo  engherziger  unb  unebler  (£r* 
wägungen  fätjig  fein! 

Ober  ift  bte  feinbfetige  ©timmung  melleidjt  baljer 
entftanben,  ba%  man  meint,  für  bm  gfall  ber  erhielten  SBie- 
beroereimgung  mit  ber  $ird)e  (grifft  muffe  man  audj  bm 
mand)erlei  läftigen  unb  befdjmerlidjen  Hebungen,  bem  gafteu 
unb  ber  Ibftineng,  ber  2kid)te  u.  bergl  ftd)  unterbieten. 
SJleljrere  ©teilen  in  ben  ©egenerflärungen  gegen  mäm 
©d)rift  fdjeinen  allerbing3  auf  tim  foldje  ^eforgnifc  rjin? 
Anbeuten,  ba  man  gegen  bk,  rate  man  meint,  r«on  mir  in 
2lnfprud)  genommene  geiftlidje  QuriSbiftion  l)auptfäd)lt$ 
beSljalb  fo  energtfd)  protefiirt,  weil  man  burd)  bk  2lner* 
fennung  einer  folgen  aud)  eo  ipso  ben  läftigen  unb  W 
fd)rt<erltd)en  gaften^,  Slbftinen^  Geboten  u.  bgt.  unterraor^ 
fen  fein  roürbe.  8ei  2iä)U  beferjen,  fd)eint  mir  aber  aud) 
biefer  ©rrTärungSgrunb  ntd^t  fttd)f)attig.  3d)  fann  mir 
nid)t  benfen,  ba$  Männer,  bk  einen  gekreuzigten  (Srlöfer 
nidjt  nur  glauben,  fonbern  aud)  prebigen,  felbft  fo  freu^ 
3e3fdjeu  fein  foEten,  bajs  fie  nid)t  il)m  §u  Siebe  felbft  aud) 
ein  fleineS  $reu$,  ein  fleineS  Dpfer  ber  Slbtöbtung  unb 
ber  ©etbftr-erteugnung  gern  auf  fid)  nehmen  motten. 

3ftöglid)er  Söeife  tonnte  man  bie  feinblidje  unb  er 
hitUxte  ©timmung,  bie  meine  ©d)rift  in  btn  $rebigern 
erregt  §at,  aud)  roorjl  barauS  erklären,  ba£  fie  tnefleidjt 
füllten,  mie  ilmen  burd)  biefe  SBiberlegung  ber  gangbaren 
proteftantifdjen  $orurtl)eile  gegenüber  benjenigen  guljörem, 
bie  bk  ©djrift  gelefen,  ber  ©toff  p  itjven  fonn=  unb  feft= 

*)  Suc  14,  28. 


144  pttfteä  ©efpräcf). 

täglichen  ^rebigten  um  etwaä  oerfür§t  xtnb  oerfümmert 
raorben  fei.  2ludj  btefer  @rflärung3grunb  erfdjeint  auf 
ben  erfteu  $ti<f  ptauftbel  unb  er  erfdjeint  e3  um  fo  mel)r, 
wenn  mau  erwägt,  baß  e3  immer  eine  gute  Stnga^I  (Efyxu 
fteu  fjüben  uub  brüben  gibt,  benen  feine  $oft  fdjmecfen 
mitt,  menn  fte  ntdjt  gehörig  gemurrt  ift,  unb  raie 
fdjraer  e§>  auf  ber  anberrt  <&eite  einem  proteftanttfäjen 
^rebiger  werben  muß,  mit  fo  gewürzter  geiftlidjer 
£oft  jeben  (Sonntag  feine  Sparer  ju  fpeifen.  S)ie 
allgemeinen  9Jtoral*$orfd)riften  finb  §iemliä)  befannt  unb 
ifjr  Vortrag  rjat  für  leiber  ju  $iele  feinen  Sfteij  me^r,  gu* 
mal  ba^jenige,  wa3  ben  Vortrag  noäj  allenfalls  beleben 
unb  mürben  fönnte,  baä  fogenannte  cafuiftifdje  Clement, 
auf  proteftantifdjem  $oben  niäjt  cultitrirt  ift  unb,  weil  in 
ben  proteftantifdjen  JHräjen  bie  iöetd^tftü^Ie  fehlen,  e3  audj 
nid)t  fein  fann.  Ueber  bie  Dogmen  §errf  djt  befanntlid) 
unter  ben  $roteftanten  viel  Uneinigfeit,  ober  wie  §err 
$reuß  fagt,  viel  „3erfal)renl)ett"  unb  rvaä  ber  ebenge* 
nannte  Sicentiat  ron  ben  Slubitorien  fagt,  baß,  wenn  in 
iljnen  ein  $rofeffor  t)on  8—9  bie  ©ott^eit  (grifft  leljrt, 
ein  anberer  $rofeffor  oon  9—10  biefe  Setyre  für  „finn^ 
lofe3  Seng"  erflärt:  ba$  bürfte  fid^  triettetdjt  audj  auf 
mand)e  proteftantifdje  Äirdjen  anwenben  taffen,  jumal  ber 
rationaltftifdjen  Sßaftore,  wie  berfelbe  liebe  £err  offen  ein* 
gefielt,  eine  große  9ftenge  oorfianben.  ©in  mnftertöfer 
(SultuS,  bem  fidj  etwa  fjergerquitfenbe  unb  (jergerfjebenbe 
©toffe  entnehmen  ließen,  ift  ebenfalls  ntdjt  ba.  £>as 
Zehen  ber  ^eiligen,  biefeS  t>erförperte  ©oangelium,  woran 
fidj  bie  £el)ren  be3  ©oangeliumS  fo  fyexxlitf)  vexanfäau* 
lidjen  laffen  unb  ba§  für  aUe  klaffen  unb  ©efdjtedjter 
von  9ftenf<$en  fo  triele  wirffame  $eifpiele  ber  djrtfiltdjen 


fünftes  ©eforäd^.  145 

Sugenb  barbietet,  fann  ein  proteftantifdjer  $rebiger,  roenn 
er  fMj  ntdjt  bem  Vorwurfe  beS  ^atrjoltfiren^  au^en 
will,  gleidjfatts  nid)t  ;benufcen;  was  bleibt  benn  nun  fo 
einem  guten  $rebiger,  ber  feine  $rebigten  buxfyauä  interef- 
fant  madjen  will,  in  btefer  feiner  %lofy  wol)l  nodj  anberS 
übrig,  als  baf*  er  feine  Sparer,  bk  bod)  nidjt  immer 
mit  l)o$  *  unb  wol)lflingenben  trafen  abgefpetft  fein 
motten,  mandjmal  t»om  eigenen  §aufe  (mit  beffen  Inge- 
legenljetten  ftd)  olme^in,  vok  befannt,  ntdjt  jeber  gern  be* 
fdjäfttgt)  hinüberführt  in'S  StadjbarljauS  unb  fte  mit  bem 
unterhält,  was  r)ter  sorgest  ober  bodj  r-orge^en  fott,  mit 
„Sftömifdjen  Ablafr^ram  unb  SBerfljeütgJett",  mit  ber 
„fatfjolifäen  ginfterniß  unb  bm  fat^olif^en  Aberglauben", 
mit  „fatlwlifdjem  Marien*  unb  §etligen*@ö|enbienft",  wol)l 
aud)  mit  ben  „$e(5er*®erid)ten  unb  ben  ©Weiterlaufen 
ber  Qnquifttton"  unb  was  bergleidjen  befdjrieene  ober 
t>erfdjrieene  £)tnge  me§r  finb.  SöenigfienS  liegt  bk  $er* 
fudmng  bagu  feljr  na^e  unb  ba$  biefe  $erfudmng  ntdjt 
immer  abgenriefen  wirb,  weifj  td)  aus  eigener  ©rfaljrung. 
SmQaljre  1830  bei  ber  breiljunbertjäl)rigen  geier  ber  lieber* 
gäbe  ber  AugSburgifdjen  ßonfeffion  I)abe  itf)  als  Sßrtma* 
ner  in  ber  proteftanttfdjen  fogenannten  $erg*$trdje  in 
igeiligenftabt  in  einer  Sßrebtgt  (eS  mar  bie  erfte  unb  legte 
proteftanttfdje  $rebigt,  bte  tdj  gehört)  ben  6uperintenben* 
ten  (Srxmm  (tdj  nenne  Saturn,  Ort  unb  tarnen,  auf  ba% 
man  nidjt  wieber  von  mir  fage,  bafj  idj  mit  meinen  (£r* 
fa^rungen  im  9Jlonbe  wanbele)  t»on  ber  ©todfftnfterntfc 
ber  ratljolifdjen  tirdje,  tljrem  Aberglauben,  Ablaf$anbel, 
^eiligen^ö^enbienfte  unb  bgl.  SDinge  gehört,  bk  tdj  nodj 
immer  nidjt  r-ergeffen  Ijabe.  Unb  bodj  galt  biefer  §err 
®rimm  im  Allgemeinen  als  ein  fonft  feljr  toleranter  unb 


146  fünftes  ®efpräc$. 

menfd)enfreunblid)er  Platin  unb  mandjmal  rjabe  i$  bei 
ber  Erinnerung  an  biefen  guten  toleranten  £errn  (Brimm 
gebaut:  „äöenn  ba$  fogar  am  grünen  £olge  gefdjierjt!" 
©ie  feljen,  £err  Jgofratl),  ber  genannte  ErtTärung^grunb 
empfiehlt  fidj  meljr  wie  oon  einer  6eite,  —  unb  bodj 
möchte  i<$  audj  biefen  nidjt  gern  gelten  (äffen.  3$  rjabe  oor 
bem  igettigtlmm,  rao  bie  Intentionen  unb  Sttjidjten  ge* 
boren  werben,  eine  p  grojse  $ere()rung,  als  baß  tdj 
irgenb  einem  ÜDlenfdjen  unb  nodj  oiet  weniger  einem  SSer^ 
fünbiger  ber  djriftlidjen  Seljre  eine  unlautere  unb  eigen* 
nüfeige  2lbftd)t  unterfdjieb  en  fotttc  3$  entfdjulbige ,  fo 
lange  td)  nur  entfdjutbtgen  fann,  unb  befonber^  mag  idj 
benen  feine  unreinen  tieblofen  2Ibfid)ten  unterlegen, 
bte  burdj  iljren  $eruf  oetpflidjtet  finb,  iljren  9Jtttmenfd)en 
ba§  ©efe$  ber  Siebt  p  prebigen.  Unb  roenn  man  burdj* 
au§  mit  ber  grage  nadj  bem  ©runbe  ber  oorltegenben 
£l)atfad)e  in  midj  bringt,  fo  miß  tdj,  efye  iä)  mitf)  gegen 
bie  cbrifttiä)e  2iebe  vevfetye,  liebet  meine  Unroiffenrjeit 
eingefterjen  unb  fagen :  bie  $rebiger  rjaben  ftdj  über  mein 
„btfdjöflidjeS  SBort"  aufs  rjeftigfte  ereifert  unb  idj  meifc 
nidjt,  warum  fte  fid)  barüber  fo  ferjr  ereifert  l)aben." 
§öd)ften3  tonnte  idj  mid)  t»erfud)t  füllen,  einen  Srjetl  ber 
6d)ulb  baoon  ber  oben  angebeuteten  mangelhaften  bogma* 
ttfdjen  2lu<3btlbung  ber  Erbitterten  beigumeffen.  2öie  idj 
aber  llnredjt  t^un  mürbe,  wenn  idj  ber  Erbitterung  ber 
^rebiger  uneble  3Jlotioe  unterfdjieben  wollte,  fo  mürbe 
id)  midj  aud)  gegen  bie  2öal)rl)eit  unb  ©eredjttgfeit  oer* 
fünbigen,  wenn  idj  biefe  Erbitterung  allen  ^rebigern  olme 
SluSnaljme  §ur  Saft  legen  wollte.  %lein,  id)  rjabe  einige 
xefyt  rürjmlidje  2tu3nal)men  regiftrirt.  60  befennt  3.  2L 
ber  ^ßrebiger  &  in  £).,  baß  er  mit  meiner  ©djrift  nidjt 


pnfteä  @efpräd[>.  147 

etoerftanben  fei,  aber  in  einem  eigenl)änbigen  aflerliebften 
©d&reiben  l)at  er  miä)  feiner  Siebe  üerftäjert.  Aelmltdje 
©djreiben  finb  mir  cmäj  von  einigen  anbern  ^rebigern 
jn  £l)etl  geworben,  benannten  unb  unbenannten,  r>on  fern 
nnb  von  naf)e,  bie  jidj  §roar  über  meine  ©djrift  nidjt 
buräjatuS  beifällig  äußern,  bocf)  aber  aud)  nidjt  bie  ©pur 
von  ®el)äfftgMt  ober  Erbitterung  geigen.  Qä)  fyabe  foldje 
Jhmbgebungen,  raie  fo  triele  anbere  unbenannte  entgegen* 
gefegter  2lrt,  (freilidj  mitunter  redjt  rolje  nnb  gemeine 
^ahxiiaU)  ad  perpetuam  rei  memoriam  mir  jd)önften3 
in  ^Berma^rfam  gebraut,  aU  3^wgniffe  ber  2t rt,  aber 
auä)  ber  Unart  unferer  3^- 

$)er  §ofrat§.  Aber  idj  mieber^ole  nochmals,  i$ 
nmnbere  midj,  bafc  ©ie  tro§  aller  ber  §af)lreidjen  gebrucf* 
ten  unb  ungebrucften ,  zornigen  unb  berben  ober  liebe* 
unb  rüdfiäjt^oollen  §erau3forberungen  fidj  bennodj  fortge* 
fe|t  in  ein  f)eitige3  ©djroeigen  gefüllt. 

3$.  £>aj3  iä)  aUen  biefen  §erau3forberungen  gegen* 
über  micf)  fortgefe|t  in  ein  l)eilige£  ©djmeigen  gefüllt  Ijaben 
fotte,  ba$  fagen  6ie,  §err  §ofratl),  olme  ®runb.  Qdj 
fjabe  t)ielmel)r  in  biefer  Angelegenheit  ein  paarmal  öffent- 
lich ba$  Sßort  genommen  unb  micf)  gegen  bk  öffentlichen 
Angriffe  auf  mein  „23ifd)öftidje3  2£ort"  unb  auf  meine 
$erfon  in  einer  nrie  ict)  glaube  niä)t  weniger  mürbigen, 
al£  gemeffenen  Söeife  t)ert|eibigt. 

2)er  ©ofrat^.  2Ba3  meinen  <5ie  für  eine  öffentliche 
Selbfroertljeibigung,  mir  ift  bavon  ni$t3  begannt  geroorben? 

3d).  Qdj  meine  bk  §mei  öffentlichen  Entgegnungen 
auf  bie  beiben  öffentlichen  Erflärungen  unb  33efcf)ulbigun* 
gen  be3  $orftanbe3  ber  3Mr£  $rebiger  ?  @onferen§  (vom 
26.  Auguft  unb  vom  28.  ©cpt  1864).    Unb  wenn  3$nen 

10* 


148  pnfte§.©eforäc§. 

baoon  nidjtä  begannt  geworben  ift,  fo  liegt  ber  ©tunb 
bat)on  wol)l  nur  barin,  bafc  bie  liebe  „teu^eitung",  töte 
(Sie  mir  gefagt,  ba3  einige  öffentliche  ^Blatt  ift,  ba$  Sie 
lefen;  benn  Mefe3  $latt  l)atte  wot)l  bie  $ef$ulbigung 
be3  gebauten  $orftanbe£  ber  9Jcärf.  ^rebtger  *  Eonf  eren§, 
aber  nidjt  meine  Entgegnungen,  in  feine  «Spalten  aufge^ 
nommen,  wenigftenS  ntdjt  meine  %xotite  Entgegnung,  wa£ 
itf)  üou  bem  fonft  fo  noblen  blatte  in  ber  £l)at  nid)t 
nobel  gefunben  fyabe.  £>a  idj  übrigen^  alle  bie  ©egen* 
fdjrtften  unb  Entgegnungen,  fo  wie  bk  Sdju^fdjriften  unb 
©egenerftärungen,  bte  ftdj  auf  mein  ,,$ifdjöflftdje3  Sßort" 
begießen,  fo  triel  i<§  bereu  fjabfiaft  werben  lonnte,  in  ein 
§übfd)e3  SBünbel  §ufammengepa(ft,  forgfättig  bewatjrt  liabe, 
fo  will  i§  Qljnen  bie  genannten  beiben  öffentlichen  ®nU 
gegnungen,  wie  bie  öffentlichen  Erflärungen  unb  $efdjul^ 
bigungen,  worauf  fte  fidj  Begießen,  näd)ften3,  wenn  Sie  e3  mm* 
fdjen,  mitteilen,  bamit  Sie  ftd)  über  ben  Stanb  ber  Streitfrage 
felbft  orientiren  unb  beurteilen  fönnen,  auf  welker  Seite 
Sftedjt  ober  Unreäjt  fei.  Sie  werben  barau3  erfe^en,  wie 
man  an  meinen  SBorteuljerumgerrt  unb  wie  man  aus  3JcMen 
Eleganten  gemacht  §at.  3$  l)atte  nt  meinem  „23ifd)öflidjen 
3Borte"  nebenbei  ber  ober^irtlic^en  $ flidjten  gebaut,  bk 
idj  audj  ben  Sßroteftanten  meiner  SHöcefe  fdjutbig  fei;  t)on 
SJiedj  ten  bm  Sßroteftanten  gegenüber  Ijatte  idj  Um  Silbe 
gerebet.  Qd)  meinte  es  mit  biefer  Steuerung  in  bm  unfdjut^ 
bigften  beften  Sinne  oon  ber  2Mt  unb  weit  entfernt,  ba$  i§ 
baburd)  proteftantifdje  $efül)le  gu  t>erte|en  geglaubt  Ijätte, 
glaubte  idj  t)ielmel)r  biefen  ©efü^len  entgegen  §u  fommen  unb 
burdj  bk  barin  liegenbe  Anerkennung,  bajs  aud)  bk  £aufe 
ber  $roteftanten  gültig  fei  unb  baf$  alle  audj  von  ben 
^roteftanten  gültig  Getauften  in  bk  Eine  waljre  $ir$e 


fünftes  (Sefprätf).  149 

@f)rifii  aufgenommen  feien,  einen  öffentlichen  23ewei3  von 
meiner  ädjtdjrifttidjen  Zolexan%  §u  geben.  IXnb  melden 
Särm  Ijat  man  ntdjt  über  biefe  meine  unfdjutbigen  unb 
ungefährlichen  Steuerungen  gemalt!  Wlan  §at  fogar 
aufmerffam  gemalt,  wie  burdj  biefe  meine  2lnfid)t,  wenn 
»erfudjt  mürbe,  fie  äujgerlidj  geltenb  §u  madjeu,  ber  33e* 
ftanb  ber  ganzen  gegenwärtigen  preufjifdjett  Staate  unb 
Jt'irdjen  *  SBerfaffung  bebrol)t  fei.  Man  iann  aber  lange 
warten,  e^e  idj  einen  folgen  $erfudj  machen  werbe. 

£)ann  §at  man  ftdj  an  bk  ebenfalls  gan§  beiläufig 
»Ott  mir  gemalten  Salilenangaben  gelängt,  betreffenb  bie 
2tbttal)me  ber  proteftantifdjen  Kirchengänger  unb  2lbenb* 
mdjteempfä'nger,  —  man  brang  in  midj,  idj  fottte  biefe 
3a^lenattgaben  beweifett  uub  bie  Drte,  auf  bk  fie  2fo* 
wetibung  fänben,  mit  Warnen  nennen.  3dj  benfe,  Zubern 
bie  Kreu^eitung  in  tyxem  23eridjte  über  bk  bte3jäl)rige 
2Beftfälifd)e  ^romnsial^tjnobe  itt  6oeft  felbft  auf  bk 
wenigen  unb  ttodj  §alb  leer  fte^enben  Kirchen  S3erlm'^  l)itt* 
gewiefen  fyat,*)  —  wirb  man  wofjl  mit  weitere«  ber* 
artigen  Sumut^ungeti  mitf)  t)erfc^onen;  wie  idj  benn  Ijier 
nodjmals  tjerftdjere,  ba%  tdj  überhaupt  bie  in  meiner  ©djrift 
aufgenommenett  ^toti^en  über  bk  proteftatttifdje  Mrdjett* 
notlj  waljrlidj  nidjt  au3  meiner  eigene«  Sßljantafte,  fonbem 
aus  fer)r  glaubwürbigett  proteftantifdjen  SBeridjtett  nnb 
6tmobal*$erI)attbIuttgett  gefcppft  l)abe. 

S)odj  tdj  will  Q^rem  Urteil  nidjt  vorgreifen,  lefett 
Bk  jelbft  baä  Pro  uub  ba$  Contra,  uub  urteile«  Bk 
bann  uttpartljeiifdj.  **) 

~~*)  3n  3to.  226  t).  & 
**)  SDie  fcetreffenben  ©rftärimgen  unb  ©egenerflärungen  finb 
aB  Hnfjang  Beigebrucft. 


150  fünftes  ©efpräc§. 

2llfo,  in  ein  abfoluteS  ©djwetgen  Ijabe  id^  mitf)  vocfyx* 
lidj  ni(§t  gefüllt.  Unb  ba  faft  alle  anbern  (Gegenerklärungen 
unb  $ritifen,  bie  in  proteftantifdjen  Tageblättern  unb 
$irdjenjeitungen  gegen  meine  ©djrtft  an'3  Sidjt  getreten 
fittb,  eigentlich  nur  al3  ein  2lbflatfdj  ber  oben  gebauten 
beiben  (Gegenerklärungen  ber  3Jlär!if$^2öeftfälif(^en  $rebi* 
ger  *  (£onferen§  gelten  fönnen:  fo  fonnten  meine  @r* 
wiberungen,  bte  biefen  genribmet  roaren,  §ugletdj  audj  für 
alle  jene  gelten.  Um  jebodj  nad)  beiben  Seiten  §tn  ge* 
redjt  ju  fein,  rnufc  tdj  fagen,  ba£  audj  proteftantifdje  23e* 
urtljeilungen  über  meine  ©djrift  erfdjienen  ftnb,  bk  ttyxU 
einen  triel  anftänbigeren,  tl>eil<8  aud)  einen  triel  unanftän- 
bigeren  £on  anklagen,  al§  bie  eben  genannten  beiben 
©rflärungen  ber  ,,$läri:ifd)  =  SBeftfälifdjen  $rebiger*(£on^ 
fereng."  3**  ber  erfteren  klaffe  gehört  unter  anbern  bk 
Beurteilung  in  htm  „£>alle'fdjen  Bolföblatte",  bkr  wenn 
fte  fidj  auf  bte  in  meiner  6d)rift  §ur  Spradje  gebrauten 
Se^r^unfte  fpecieffer  eingelaffen  fjätte,  eine  freunblidje 
(Srnrieberung  non  meiner  ©ette  erfahren  fjaben  mürbe.  Qu 
ben  lederen  bagegen  gehört  bie  in  ber  ®uerüe'fd)en  gtiU 
fdjrtft  für  lutlierifdje  Geologie.*) 

Beibe  werbe  idj  Qlmen  nädjften3  ebenfalls  mitreiten, 
aU  geugniffe  ber  2trt,  raie  ber  Unart  unferer  $tit 
2tu3  ber  (Guerile'fdjen  Beurteilung  werben  @te,  beiläufig 
gefagt,  pgleid)  erfeljen,  ba$  t%  wirflid)  in  unferen  Sagen 
nodj  9ttenfdjen  gibt,  bk  ben  ^ömifdjen  $apft  in  allem 
©rufte  für  ben  leibhaftigen  2lntidjriften  galten. 

3) er  £ofratf).  $l)ren  gegenwärtigen  Steuerungen 
lann  iü)  ba$  £ob  ber  aftäßigung  ntdjt  t)erfagen  unb  tdfj 

*)  1865.  IV.  —  Seibe  Beurteilungen  finb  e&enfatt§  at3  2tn- 
Ijang  fceigebrucft. 


pnfteä  ©efpräd).  151 

fyätte  3^nen  fo  tuet  StlligMt  unb  Söoljltuollen  in  $eur* 
Teilung  3$re  Gegner  faum  zugetraut,  SBieffeidjt  roerben 
6ie  aber-  bie  Erbitterung,  toomit  unfere  ^rebiger  im  5111* 
gemeinen  3§re  ©djrtft  aufgenommen,  nodj  billiger  unb 
tiadjftdjtiger  beurteilen,  raenn  Sie  bebenden,  bajs  ja  felbft 
manä)e  ^atljoltfen  an  3(jrer  ©djrift  2lnftojs  genommen. 
2ßenigften3.  erinnere  itf)  midj,  in  einer  ber  ®egenfd)riften 
(wenn  idj  nidjt  irre,  in  bem  erften  ober  %xoeiten  offenen 
©enbfdjreiben  be3  $erm  2lnbreä)  bk$  angemerkt  gefun* 
ben  %vl  Ijaben. 

Qdj.  Db  btefe  Angabe  ri$tig,  ift  nodj  fel)r  bie  grage. 
©o  weit  meint  Erfahrungen  reiben,  Ijaben  bte  nm^aft 
einfidjtigen  unb  §ugteid)  mo^lbenfenben  unb  gefinnung^ 
rüstigen  ^atrjoUfen  an  meiner  ©djrift  nichts  weniger 
als  Slnftoft  genommen  unb  xoaB  inSbefonbere  meine  getft* 
litten  3ftitbrüber  unb  Mitarbeiter  betrifft,  fo  Ijabe  i$ 
Urfadje,  an§unebmen,  bafc  fte  alle  ober  bodj  faft  alle 
(benn  einzelne  2lu£nabmen  hei  einer  fo  großen  äftenge 
gäblen  nidjt)  meine  ©djrift  üerftanben  unb  geroürbigt 
Ijaben.  2lber  angenommen,  e§>  fyätten  nrirfti<$  mel  mefyv 
Äatbolifen,  aU  idj  müfcte  unb  als  iä)  glaube,  an  ber 
Sdjrtft  8fttftof$  genommen  unb  ibr  Erfreuten  bebauert; 
roaS  folgte  barauS?  SDo<#  nur,  bajs  fie  bie  Aufgabe  eines 
SBtfäjofeS  anberS  auffaffen,  als  iü)  felbft  fie  auffaffe,  ober 
bafe  fie  ber  Slnftdjt  feien,  mit  bloßen  fjübfdjen  rofigen 
SSorten,  mit  referoirten,  ängftliäj  abraägenben  Lebensarten 
ober  einem  fingen,  feinen  btplomatifcben  $erfted:enSfpiele 
fomme  man  in  ber  $irdje  ®otteS  weiter,  als  mit  (^rlidj* 
fett,  Offenheit  unb  äöabrljeit;  ober  es  mürbe  enbliä)  barauS 
folgen,  ba$  fie  in  geraiffen  fingen  immer  gern  il)re  apar* 
ten  Meinungen  Ijaben  unb,  weil  fie  nun  mal  gerabe  §u  ben 


152  PnfteS  ©efpräd). 

fratres  murmurantes  (ben  murrenben  trübem)  gehören,, 
immer  baSjenige  §u  mißbilligen  pflegen,  ma^  von  ber 
SJkrfon,  bie  i|men  nun  einmal  gerabe  niä)t  besagt,  getfjan 
ober  gutgeheißen  nrirb.  5Da3  Mißvergnügen  ber  ©inen 
märe  alfo  nodj  immer  fein  ©runb  für  bk  Slnbern,  eben* 
falls  mißvergnügt  §u  fein. 

3)  er  £ofratl).  5lber  bie  £anb  auf's  §er§,  mürben 
6ie  Q^r  „SBifdjöflidjeS  2öort"  mol)l  Ijaben  erfdjeinen  laffen, 
fjätten  6ie  alT  ba$  Unertvünfdjte  unb  Unerfreuliche  vorauf 
gefeljen,  tvaS  barauS  gefolgt  i%  fo  triel  ^erfennung  unb 
@djmäl)ung,  bie  e%  Q^nen  felbft  eingebracht,  fo  viele 
Slergerniffe,  bie  e3  geftiftet,  audj  mol)l  gar  ben  Unfrieben, 
ber  baburdj  ift  auSgefäet  morben? 

$dj.  ©ine  fe§r  merftvürbige,  unb  faft  mödjte 
idj  fagen,  eine  feljr  munbertidje  grage.  2öenn  alle 
öanblungen  unterbleiben  müßten,  bk  außer  ben  etwa  he* 
jtvedten  guten  golgen  audt)  fä)limme  golgen  Ijaben  tonnen, 
rote  viele  §anblungen  mären  rool)l  nodj,  bk  ni$t  unter* 
Uexben  müßten?  SDenn  (äußere)  gute  föanbtungen,  au§ 
benen  mdjt  burd)  bk  ©djulb  ber  2Dfenfdjen,  burd)  iljre 
SöoSljett,  iljren  llnverftanb  ober  iljre  ©djroäclje  mögtidjer 
Söeife  audj  üble  folgen  entfpringen  fönnten,  bie  mödjten 
mol)l  nod)  §u  erbenfen  fein;  ba  gemiß  auf  ber  anbern 
6eite  \ebe  gute  %§oX  audj  tljre  guten  folgen  l)at,  menn 
fie  aud)  vieEeidjt  nidjt  fo  in  bk  Singen  fpringen.  3$ 
barf  nur,  menn  meine  fonft  gute  unb  ftttlidje  £anblung, 
gut  unb  fittlid)  bleiben  fott,  it)re  möglidjen  fdjtimmen  gol* 
gen  nidjt  beabfid)tigen;  vorau3fel)en  fann  tdj  fte^ 
o^ne  ba^  idj  fie  betyalb  §u  unterlaffen  brause  ober  unter 
Umftänben  audj  nur  unterlaffen  bürfte.  Renten  Sie  nur 
an  ba$  Söort  beS  frommen  ^tmeon,  ber  ju  3ftaria  über 


fünftes  ©efpräc^.  153 

i^ren  ©ofm  fpradj:  „©iefje,  biefer  ift  gefegt  &nm  %aUe 
nnb  gnr  2lnferftef)nng  Vieler  in  Qfrael  unb  als  ein  &i\tyxi, 
bem  man  miberfpredjen  wirb";  nnb  benfen  ©ie  an  ba§ 
eigene  Sßort  nnfereS  £etlanbe£ :  „3$  bin  niä)t  gekommen 
bm  grieben  gn  bringen,  fonbern  ba$  ©djroerbt." 

©ie  fpreä)en,  lieber  £err  £ofratf),  von  3Serf  ennung 
nnb  ©djmäljnng,  bie  meine  ©cfjrift  mir  eingebracht;  nnb 
nrie  fdjä^e  idj  miäj  glücfltdj,  baß  idj  ein  paar  tropfen  au£ 
bem  bitteren  JMdje  trinken  fonnte,  ben  nn£  nnfer  göttlicher 
£eilanb  oorgetmnfen  nnb  oor  bem  deiner  tjorbeifommt, 
ber  bie  2Baljr§ett,  bie  er  nn3  üerfnnbigt,  mefyr  liebt,  al& 
alle  ©iiter  biefer  @rbe! 

©ie  fpredjen  von  2tergerniffen,  bie  bnrdj  meine 
©d)rift  geftiftet  roorben  nnb  ©ie  brnden  fidj  in  biefer  §in* 
ftd)t  fef)r  nngenan,  menigften^  nidjt  tljeologifdj  richtig  ans ; 
©ie  bürfen  nidjt,oon  gegebenen,  fonbern  nnr  von  ge* 
nommenen  Stergerniffen  reben.  Unb  liat  benn  nnfer 
göttlicher  ^eilanb  beSljalb,  toeil  bie  ^Ijarifäer  nnb  ©djrift* 
gelehrten  an  mannen  feiner  ^anblnngen,  i.  23.  ber  £eilnn& 
ber  $ranfen  an  einem  ©abbaue,  Slergernifc  nabmen, 
biefe  £anblungen  besfyaVo  nnterlaffen?  äöe&e  benen,  bk 
Slergernif?  geben,  aber  melje  andj  benen,  bie  an  gnten,  vitU 
leidet  fogar  pflidjtmäjsigen §anblnngen togernig nehmen! 

2öa3  enbltdj  bie  ©törnng  betriebenes  betrifft,  bk 
bnrdj  meine  ©djrift  ^nmege  gebraut  fein  foff,  fo  glanbe 
id)  erftlid)  an  ba$  $orl)anbenfein  foldjer  $rteben3ftömngen 
einfad)  nic^t;  raenn  and)  in  $enrtl)etlnngen  nnb  Sßeridjten 
ron  $irdjenblättem  ober  $ird)engeitnngen  (wie  §.  23.  in  ber 
@o.$trdjen§ettnng*)  ober  in  gefaßten  ©tmobal^efolntionen 

*)  9k.  84.  SSeil.  be§  o.  & 


154  $ünfte§  ©efpräd&. 

(wie  §.  23.  ber  bte^jäljrigen  11.  Söeftfälifdjen  $rotrin§tal* 
6pobe  §u  6oeft)  noä)  fo  triel  baoon  gerebet  unb  gelärmt 
wirb.  Qdj  felbft  l)abe  t-on  folgen  grieben^ftörungen  nh> 
genbS  etxotö  erfahren,  ohnmächtige  SSerfuc^e  folget  gtteben^ 
ftörungen,  roie  §.  SB.  ber  t>on  ©etten  ber  $rebiger  in  §örbe, 
Bei  ber  Gelegenheit,  aU  id)  im  Saufe  btefe0  Qaljreä  bie 
neue  fatl)olifcf)e  $irdje  bafelbft  confecrirte,  —  fc^eiterten 
an  bem  gefunben  ©inne  forooljl  ber  l;atl)olifdjen  at3  ber 
proteftantifc&en  ^8et)öl!erung.  Unb  idj  l)abe  nid)t  nur  von 
folgen  grieben^ftörungen  nirgenb^  etroaS  erfahren;  td) 
fyabe  fogar  l)ier  unb  ba  ba3  gerabe  ©egent^eil  erfahren. 
<5o  §at  auf  ber  $rei3*6t)nobe  in  (Siegen  am  29.  Quni  b.  Q. 
(in  iljrer  29.  $erfammlung)  ba£  $re3brjtertum  t)on  -ftetpljen 
bie  au^brücflidje  ©rflärung  abgegeben,  tZ  fei  mein  23udj 
p>ar  fleißig  gelefen,  „ber  confeffioneHe  triebe  jebod)  nid)t 
geftört"  morben  —  alfo  über  biefen  ^unft  in  SIbftcjjt  auf 
meine  ©djrift  biefelben  Söiberfprüdje  hä  ben  ^rebigern 
unter  einanber,  mie  in  fo  trielen  anbern  fünften;  wo  bie 
©inen  fie  loben  unb  it)r  9Ud)t  geben,  tabeln  fie  bie  2ln* 
bern  unb  geben  iljrUnredjt;  bie  ©inen  benunciren  fie  bei 
ber  Staatsgewalt  unb  nehmen  ben  6dm£  ber  Gefege  ba* 
gegen  in  SInfprudj,  bk  Slnbern  rufen,  bie  ©djrift  üerbiene 
nidjt,  bajg  r>on  ^mt^megen  ein  ©d)ritt  bagegen  gefdjelje, 
fonbern  fie  raerbe  am  beften  tobtgefcfjnriegen  ober  nur 
fd)riftftellerifd)  befämpft  u.  f.  n>.  u.  f.  ro.  ©otfte  e£  §roei=, 
ten3  aber  audj  nrirflidj  roaljr  fein,  baß  burd)  meine  ©djrift 
ber  griebe  geftört  raorben  märe,  fo  könnte  ber  griebe,  ber 
baburä)  geftört  roorben  ift,  femeSroegS  ber  ma^re  unb 
rechte  geroefen  fein,  fonbern  nur  ein  griebe,  mie  ilm  unfer 
göttlidjer  §eitanb. meint,  menn  er  fagt,  er  fei  nidjt  ge^ 
fommen,  ben  grieben  $u  bringen,  fonbern  ba$  @$merbt. 


fünftes  ©efpräd^.  155 

gür  einen  folgen  faulen  unb  fallen  grteben  lieber  eine 
Reinigung  ber  £uft  burdj  ©türm  unb  Ungemitter. 

UebrigenS  tft  e§  bo$  feljr  fonberbar,  bafj  mir  immer 
bie  griebenäftörer  finb,  unb  wenn  mir  audj  nichts  anbereS 
tl)un,  a(0  bajg  mir  bie  ungereäjten  Singriffe  auf  ba$  heilig* 
ttyum  unfereS  ©laubenS  abmelden.  2Ber  l)at  j.  53.  bie 
„proteftantifdje  $olemif"  von  §afe  „gegen  bie  römifdj* 
fatfjoltfdje  JHrd)e"  eine  grieben^ftörung  genannt?  2ötr 
üben  bodj  nur  eine  geregte  %lotf)voe$xr  finb  unb  bleiben 
aber  begungeadjtet  bodj  bie  grieben^ftörer ! 

2lu3  ©efagtem  fönnen  6ie  nun  bie  2lntmort  auf  3§re 
$rage,  ob  idj  hei  ber  $orau3fiäjt  aller  ber  golgen  meiner 
©djrtft  btefe  bocfj  herausgegeben  liaben  mürbe,  ftc§  felbft 
abnehmen.  34  mürbe  fte,  Sitten  in  2lttem  genommen, 
atterbingS  herausgegeben  Ijaben.  £)odj  mie  weit  finb  mir 
nidjt  t)on  unferm  eigentlichen  £l)ema  abgefdjroeift!  Sfädjt 
um  mein  „SßtfäjöftidjeS  Söort"  Ijanbelt  e£  fidj,  fonberu  nur 
allein  um  (Sie,  §err  §ofratlj,  unb  um  Q^re  unfterblidje 
©eele.  ©ine  fonft  fo  tmrtrefflidje  ®eftnnung,  ein  fo 
meite3  unb  ebleS  £erj,  fo  viel  $ntereffe  für  bie  djriftlidje 
Söa^r^eit;  —  voa$  lönnte  ©ie  mol)l  noäj  surüdfjalten, 
ben  testen  entfdjeibenben  ©djritt  in'3  §etltgtl)um  ber  djrift* 
lid)en  SBa^r^eit  ielbft  gu  tlmn!  D  tl)uen  <Sie  ilm,  um 
3*)ter  (Seele  unb  ©eligfeit  mitten  bitte  idj  (Sie,  tljuen  (Sie 
tl)n.  %liü)t  tdj,  aber  <Sie  fjaben  ben  $ortl)eil  baoon,  menu 
(Sie  um  tfjun.  SXber  waä  (Sie  tl>un  motten,  tlmen  (Sie 
balb,  unb  nod)  dje  (Sie  jtdj  3§rcm  götttidjen  Sfttdjter  gegen* 
übergeftettt  feljen,  ber  (Sie  pr  Sftedjenfdjaft  liefen  mirb 
über  atte  bie  loftbaren  ©aben,  bie  er  $$nen  gefdjenft  §at 
unb  ber  bann,  wenn  <Sie  in'S  §eiligtl)um  ber  äöafyrljett 
ntdjt  eintreten,  audj  be^atb  (Sie  gur  Sftedjenfdjaft  fielen 


156  pnfieä  ©efaräd&. 

wirb,  ba%  Bie  in  biefe^  &eiligtl)um  eintreten  konnten  unb 
bo$  in  baffelbe  nid)t  eingetreten  finb.  Unb,  bebenfen  Sie 
eS  woljl,  biefer  Sftidjter  entfdjeibet  über  baS  Sdjicffal  ^rer 
gangen  (Swigfeit.  2öelä)'  ein  2öort  baS  Söort  ©wigfeit 
unb  wie  muffen  nidjt  vor  biefem  2Borte  alle  Sdjeingrünbe 
unb  alle  $lenbwerfe  eitler  Selbfttäufdjung  gerftieben! 

D  ©wtgfeit,  o  ©wigfeit;  unb  wie  halb  werben  wir 
fdjon  eingetreten  fein  in  biefe  ©wigfeit,  iü)  fowoljl  als 
Sie,  benn  unfere  iQaare  finb  fdwn  gebleut  unb  fie  fagen 
uns,  ba$  wir  jebenfatts  fdjon  mel)r  3al)re  hinter  uns  als 
noäj  vor  uns  Ijaben.  28aS  Sie  alfo  t^un  motten,  ix)m 
Sie  eS  balb.  Ueben  Sie  bie  Söerfe  ber  SBarm^ergigfeit 
an  Sliren  leibenben  9ftitmenfdjen,  bamit  ©Ott  audj  ^Imen 
barm^erjig  fei,  unb  verbinben  Sie  bamit  baS  bemütljige 
unb  inbrünftige  fäehet  um  bie  $nabe  ber  (Meudjtung. 

$raf  QuliuS  fdn'en  burd)  biefe  Söorte  bis  px 
grauen  gerührt  unb  er  wieberl)olte  mehrmals :  ja  lieber, 
teurer  Qugenbfreunb,  nur  Uebung  ber  ^8arm§er§ig!eit 
unb  fäehetl  Unb  wir  werben  Sie  burä)  unfer  fdjwad)eS 
($ehet  unterfingen,  $ott  erhört  baS  ($ebet  unb  er  fann 
bem  vereinigten  ®ebet  glei^fam  nidfjt  wiberftefyen. 

2ludj  ber  £ofratl)  lonnte  bie  tiefe  Bewegung  feines 
§er§enS  nid&t  verbergen  unb  in  feinem  2luge  blinlte  eine 
2#räne.  @S  trat  eine  längere  feierliche  Stille  ein,  ber 
§ofratl)  ftf)ien  fel)r  nadjbenllid),  unb  wie  in  einer  Slrt  von 
Verlegenheit  mahnte  er  enblitfj  an  bie  fpäte  Stunbe.  Sßir 
f Rieben  in  ernfter  unb  bewegter  Stimmung  auSeinanber  l\ — 


„SiKc  SBBcflC  führen  naä)  mota." 

Wxx  roaren,  glaube  ify,  fämmtlidj  feljr  bamit  §u* 
trieben,  baß  wir  btefe£  9ftal  ftatt  in  bem  alten  SfUtterfaale 
be3  ©djloffes  unfere  Slbenbunterljaltung  wieber  in  ®otte£ 
freier  9totur  unter  ber  Mannten  fd&attigen  @idje  gelten. 
2tudj  ber  @ommercten*9ftatl)  unb  ber  junge  Slbtiofat  Ratten 
fidj  bap  nrieber  eingefunben.  Sitte  fdjienen  sott  guter  Saune, 
tooju  ba3  atterltebfte  Sßetter,  ber  unumraölfte,  fdjöne,  blaue 
§immel,  bk  milbe  unb  ftdj  gegen  Slbenb  etvotö  abruljlenbe 
Suft,  fonrie  bie  gan§e  äußere  Umgebung  nidjt  unwefentliäj 
beitragen  modjte.  9iur  ber  £ofrat§  fdjien  ernfter  unb  nad^ 
benflidjer,  als  geroölmltdj;  er  nalim  aber  gleidjrooljl  perft 
ba3  2Bort,  inbem  er  ben  hüben  (Mften,  bk  an  ber  Unter* 
Haltung  be3  t)or^erge^enben  £age3  ntdjt  3%ett  genommen, 
hierüber  fein  ljer§lid)e3  Söebauern  auäfpradj.  „2öie  SSiele^/' 
fagte  er,  „|)aben  ©ie  geftern  ntdjt  Derfäumt,  unb  jumal 
6te,"  rebete  er  bm  jungen  Slboofaten  an,  ,,©ie  hätten 
genrifj  aus  perfönlirfjen  (Mnben  bie  Unterhaltung  feljr 
intereffant  gefunben,  ifjr  aber  aud)  anbrerfeits  aus  bem 
<5d)a§e  3§rer  eigenen  (Mebniffe  notf)  ein  befonbereS  3n= 
tereffe  mitteilen  fönnen."  Unb  als  er  fobann  SBeibe  über 
ben  ©ang  unb  Hauptinhalt  be£  geftrigen  @efprädje£  nä^er 


158  ©ed&fteä  ©efpräd). 

aufgeklärt  l)atte,  fpradj  er  bem  jungen  2lbt)ofaten  in  redjt 
artigen  bo$  au<$  bringenben  ^Borten  ben  Sßunfä)  unb  bie 
Sitte  au3,  er  möchte  burd)  offene  unb  freie  Sftittljeilung 
ber  ©efdjidjte  feiner  9flüdfe§r  §ur  fat^olifdjen  Ätrdje  unb 
in^befonbere  ber  »eranlaffenben  ttrfaäjen  unb  £riebfebern, 
bie  babei  mitgenrirft,  ftdj  nod)  naäjträglid)  gegen  bk  2In* 
raefenben  gefällig  ermeifen.  SDtefe  feine  Sitte  fanb  aber 
ntdjt  bk  erwartete  gute  Aufnahme,  ber  Angerebete  fdjien 
baburdj  feljr  unangenehm  berührt  unb  roäljrenb  ber  @om* 
mercien*9tatl)  einmal  über  baä  anberemal  ba§>  3Bort 
£aftlofigfeit  au^fprad),  entgegnete  er  bem  SittfteHer 
in  einem  $temlidj  heftigen  unb  gerben  £one :  „S)a3,  §err 
$ofratf),  finb  £)inge,  bie  Qeber  mit  jtdj  felbft  absumadjen 
Ijat  unb  roegen  bereu  tdj  am  attermenigften  Qlmen  9tebe 
fielen  mödjte."  Sto'dj  biefe3  unangenehme  3nterme$o 
war  bk  gute  Saune  aud)  ber  übrigen  £l)eilnel)mer  auf 
einmal  mie  uerfdjeudjt ,  e£  trat  eine  allgemeine  SJttjsftim* 
mung  unb  Verlegenheit  ein  unb  baä  ©efprädj  geriet^  in'3 
©toäen.  2)em  ©rafen  Quliu^,  roegen  feinet  treuherzigen, 
hkbexn  unb  grunbeljrlidjen  SöefenS  t)on  OTen  gleid)  t)er* 
el)rt,  gelang  e3  enblidj,  burd)  begütigenbe  SBorte  bk  böfen 
(^elfter  roieber  ju  bannen  unb  jht  ber  ©efettfdjaft  roieber 
eine  Slrt  von  ©letdjgeroidjt  fjerjuftetten.  3a,  nat^bem  er 
bem  2lbt)o!aten  weitläufig  unb  mit  trieler  3Jlül)e  auSgu* 
reben  gefudjt,  ba%  bem  Segeljren  be3  §ofratIj3  irgenb 
roeldje  Slrglift  ober  ©djalfljett  %vl  ©runbe  liege,  braute  er 
e3  plefct  M  tym  fogar  baljin,  bafc  er  rotrflid)  in  ber  oom 
£ofratl)  angeregten  Angelegenheit  atter^anb  §utraulidje 
Eröffnungen  mafyte.  „8$  mar/'  l)ub  er  an,  „$atl)olirV 
nodj  el)e  i(5  ßatljolif  mürbe,  b.  Ij.  e^e  idj  midj  äufeerlidj 
pr  fatl)olifd)en  $trd)e  bekannte;  unb  i§  hin  anfänglid* 


@ec^§te§  ©efprätf).  159 

nid)t  fo  fel;r  buräj  tljeologifdje  als  trielmel)r  burdj  juriftifdje 
Btubkn  für  ben  $atlj oliciSmuS  gewonnen  morben.  Steine 
juriftifdjen  (Stubien  nämtid)  madjte  idj  in  Berlin  unb  meine 
ftrd)enreä)tlidjen  unter  ber  Settung  be3  jüngft  verstorbenen 
mit  3ied)t  fo  gefeierten  $rofeffor  9ftid)ter,  burd)  ben  i$  aufy 
ju  genauerem  6tubium  ber  ftrdjenredjtlicfjen  SDecrete  be£ 
allgemeinen  ßoncils  ju  Orient  angeregt  marb.  £)a  lernte 
i$  §um  erften  3JlaIe  bk  IXmftd&t  unb  2öei3&eit  ber  f  atfjolt* 
f$en  $ird)e*  in  itjrer  ®efe£gebung  berounbern,  unb  e3  ging 
mir  §ier  §urn  erften  3Jtale  ber  llnterfäjieb  auf  prifdjen 
einer  fatljolifdjen  $trdjenoerfammlung  unb  proteftantifdjen 
^rooingtal*  ober  allgemeinen  2anbe^6tmoben.  3öo  fyahtn 
mir,  badjte  tdj  bei  mir  felbft,  folgen  Seiftungen  etma$ 
2Iel)nltclje3  an  bie  &dtt  ju  fefcen,  unb  xok  ftimmen  mit 
biefer  2Baf)mel)mung  bk  gangbaren  proteftantifdjen  $or* 
Stellungen,  roie  fie  ftd&  burä)  Qugenbunterricfjt  unb  Seftüre 
aud)  bä  biv  feftgefefct,  roonad)  bodj  alle  Sötffenfdjaft  unb 
8itbung  nur  bei  uns  §u  §aufe  ift  unb  bort  brüben  ba* 
gegen  Sitten  in  Sftadjt  unb  in  bide  ägnptiftfje  ginfterntjs 
gefüllt  ift?  $on  ben  üräjenredjtlidjen  ^efreten  be3  ge* 
nannten  (£oncil3  fdjroeifte  id)  aber  mitunter  aucf)  auf  feine 
(StfaubenSbefrete  hinüber,  anfangt  feltener  unb  gleidjfam 
vok  pix  $eränberung,  bann  aber,  als  idj  biefe  $oft  ein* 
mal  gefdjmedt  Iwtte,  öfter  unb  gefliffentlid).  Unb  bem* 
fetben  ©etftc  ber  2öei3§eit,  bm  td)  bort  in  ber  ©efe|gebung 
benmnberte,  begegnete  idj  audj  t)m  in  ber  Seiire  nrieber: 
meld)'  eine  Marijett  unb  gafjlidjfeit  in  biefen  ßeljrbeftim* 
mungen,  ungeachtet  bk  Materien,  roorauf  fie  ftd)  be&iel)en, 
oft  fo  fdjnrierig  unb  t>emri<felt ,  meld)'  eine  ($enauigfeit, 
gdjärfe  unb  $eftimmtljett;  nrie  gan§  unb  gar  nidjtfdjul* 
mäßig  erfdjeinen  fie  mxb  bodj  feine  irgenb  berechtigte  <Sd)ul* 


160  .         ©ecpieä 

meinung  tjerrounbenb,  rote  oernüuftig  unb  bur$  ftdfj  felbft 
über^eugenb  unb  bod)  audjj  roieber  mef)r,  aU  oernünftig,  roie 
ben  gorberungen  be3  SßerftanbeS  genugtljuenb  unb  bodfj 
pgletdjj  allen  ^erftanb  überftetgenb ,  roie  bk  Wla^t  be3 
freien  SBiffens?  aufforbernb  unb  bodfj  audjj  roieber  tl)m  feine 
Unmadjt  oorfyxltenb,  üjn  auf  bk  ^öljere  göttliche  9flac(jt 
^inroeifenb  unb  §u  bereu  bemütl)iger  Anrufung  iljn  an* 
treibenb !  Qn  ber  %fyat  empfanb  id(j,  fo  oft  tcfj  biefe  £e§r* 
befitmmungen  burdjjging,  ein  gan§  eigentümliches  S5er^ 
gnügen  unb  je  mefyr  tcl)  micfj  in  btefelben  Ijineinbadfjte 
unb  hineinarbeitete,  befto  mel)r  roucf)3  baffelbe  unb  e3 
fteigerte  ftdfj  oft  big  jum  lauten  (Sntpden.  3öo  ift  benn 
nun,  fagte  idj  hei  tnir,  ber  ®runb  §u  aEen  ben  $or* 
roürfen  unb  ©dmicttjungen,  roomit  unfere  proteftantifdfjen 
Sftebner  unb  ©djriftfteller  bk  fatljolifdfje  tirä)e  immer  fo 
freigebig  überf glitten?  2öo  ift  l)ter  auf  ber  einen  <St\te 
bk  fatljoltfdfje  £)umml)eit  unb  ber  fatfjolifdfje  Aberglaube, 
ber  abgöttifdje  ^eiligen*  unb  ^eliquienbienft  unb  roo  ift 
auf  ber  anbern  <Seite  ber  ber  fatljolifdjen  $ird(je  t)on  un* 
fem  proteftantifdjen  Eiferern  fo  oft  uorgeroorfene  Vernunft* 
ftol§,  bk  pl)arifäifdje  SBerftjettigfeit ,  ber  $elagiant3mu3 
ober  ber  @emi*$elagiant3mu3?  D,  roaS  'jeib  i§r  bodfj  für 
blinbe  £äfterer,  rief  idj  bann  manchmal  in  meiner  ©yftafe 
au§,  iljr,  bk  tyx  uns  oon  ber  fatfjolifdjen  $irclje  ein  fo 
abfd&recfenbeS  unb  abfcljeutidtjeS  SSilb  oormatt,  blinbe 
Säfterer  unb  obenbrein  blinbe  $ül)rer,  bk  fyv  felbft  nifyt 
in  baä  Sfteiclj  ®otte£  eingeben  mottet  unb  anbere,  bk  Jjtn* 
eingeben  motten,  baxan  t)inbert;  unb  fahret  nur  immer 
fort,  fo  §u  läftern  unb  IXnroiffenbe  unb  Arglofe  an  eurem 
©ängelbanbe  ju  sieben!  Mix  ift  ber  6taar  nun  geftod&en 
unb  eure  fügen  unb   fü&licSJen  hieben   vom  „lauteren 


@ed&§te§  ©efpräd&.  161 

eoangeltfd&en  ©otteSworte"  werben  fo  wenig  rote  eure 
bitteren  ©djmcu>9ieben  gegen  „Dömlinge  unb  ^äpftlidje" 
fünftig  auf  mi(§  trgenb  weldjen  ©mbruä  meljr  madjen. 
SBill  unb*  fott  tdj  bodfj  einmal  djrifilidj  fein  (benn  bamalS 
fdtjtoebte  idj  mit  meinem  (S^riftentljum,  mie  fo  Diele  meiner 
€onfeffionS genoffen,  nod?  prifdfjen  §immel  unb  ©rbe),  fo 
tritt  tdj  eS  au$  gan§  fein.  Unb  von  ba  an  mar  mein 
(£ntfä)luf3  gefaßt.  3$  madjte  auc^  üon  meinen  Heber* 
Beugungen  fein  £el)l,  fonbern  fprad)  fie  offen  aus  in  t>er* 
trauteren  (Sirfein,  wie  in  üerfdjiebenen  firdjenrec&ttidjen 
Sfaffäfcen,  bie  tdf)  in  litterarifdjen  geitf^riften  bod)  unbe* 
nannt  t>on  3^  P  3^  seröffentlid&te.  ©ine  mir  mittler* 
weile  wie  zufällig  in  bie  §änbe  gefallene  Dotij  regte  in 
mir  ebenfalls  allerlei  ©ebanfen  auf,  bie  aber  mit  meiner 
fonftigen  ©timmung  üottfommen  liarmonirten.  2)iefe  fJZott^ 
be§ieljt  fidj  auf  bie  £utl)erS*Ulme  bei  $feberSl)eim ,  „baS 
gemeinte  Söa^rgci^cn  ber  Deformation",  mie  fie  genannt 
warb  unb  worüber  uns  ein  fefjr  gefragter  proteftantifdfjer 
Sdjriftfteller  wörtlich  golgenbeS  mitteilt:  „Site  Sut^er 
üon  ber  ©bernburg  fjerab  nad;  SßormS  50g,  tarn  il)tn  eine 
6d)aar  @bler  entgegen;  unter  iljnen  grunbsberg.  flehen 
bem  „DoHroäglein"  beS  9ftönd)S  einfyerreitenb,  l)ub  ber  er* 
graute  gelboberft  an:  §err  £)octor,  glaubt  Ql)r  benn  in 
SBaljrljeit,  ba$  Sure  £el)re  befteljen  werbe?  ©ie  ift  ©otteS, 
fagte  Sutljer,  unb  was  aus  ©ott  ift,  rann  ntdjt  erliegen, 
fanget  Qiüdj  titelt  oor  bem  Deid^Stag?  fragte  grunbs* 
berg  weiter.  £)a  fprad)  jener  baS  glaubenStulme  £ro£* 
wort:  Unb  wenn  fo  riel  Teufel  $u  SöormS  wären  als 
3iegel  auf  ben  ©ackern,  bodj  wollt'  tdj  rjinein!  unb  auf 
ein  fd)wad)eS  23äumcr)en  am  SBege  beutenb,  fefcte  er  fjm§u: 
60  warjr  biefeS  Leislern  &um  23aum  erwäcfjft,  fo  werben 

SttetteS  Mfööfli$e8  25ort.  11 


162  6ed|5teä  ©ejpracf). 

fie  meine  £el;re  nidjt  beimpfen!  ~  £a<8  RetS,  fäljrt  her 
proteftantifd^e  ^eri^terftatter  fort,  ift  bie  Suttjerulme. 
Rod)  WS  t)or  einem  $ierteljat)rrjunbert  frtfd)  unb  voUr 
rjaben  enblicrj  ©turnt  unb  Alter  ba$  prächtige  ®eroäcb3 
gebrochen,  ©eine  £age  finb  gegä^It ;  bie  forgfame  Um* 
mauerung  rann  nur  furje  grift  gewähren.  £)enn  ber 
23aum  fterjt  allein,  frei,  allen  Elementen  preisgegeben. 
Aber  unt>ergeffen  roirb  fommenben  ($efd)tedjtern  bie  ©teile 
bleiben,  an  roetdje  ber  große  Reformator  feine  2£eiffagung 
fttttpfte."  ©o  alfo  roörtlid)  ber  proteftantifdje  ©tfiriftfteller 
ÜIÄaftuS.*)  3$  &w  gewiß  nidjt  abergläubifäj  unb  gebe 
fonft  nidjts  auf  bloße  bunfele  Anregungen  ober  Ahnungen: 
aber  ba$  ©djicffal  bietet  „geroeiljten  2Barjrjeid)en3"  ber 
Reformation  regte  bodj,  roie  gejagt,  in  mir  allerlei  feit* 
fame,  ®efü§Ie  unb  ®ebanfen  an,  unb  roie  meine  ehemaligen 
proteftantifdfjen  @onfeffion3*®en  offen  in  biefem  immer  prää> 
tiger  tjeranroaä)fenben  Reislein  ba§  ©nmbol  ber  ftdj  immer 
merjr  ausbreitenben  Reformation  erbiicft,  fo  erblicfte  id)  in 
bem  burd)  Alter  unb  ©türm  gebrochenen  ®eroäcrj3  eine  üble 
Sßorbebeutung  für  bereu  unabroenbbareS  unb  unaufhaltbare^ 
©crjicffal.  %lati)bem  fte,  bad)te  idt)  bei  mir  felbft,  roie  jene  Ulme 
einft  fo  rjerrlid)  unb  tüett)erfprecl)enb  aufgeblüht  unb  ftcf/ 
entfaltet  rjat,  ift  fie  nunmerjr  burdj  ©türm  unb  Alter  ge* 
fnidt,  unb  audj  irjre  Sage  finb  gejault  unb  felbft  hu 
forgjamfte  Ummauerung,  bie  Pflege  unb  ber  ©$u|  ber 
3Jtäd)tigen,  fann  ttjr  nur  nodt)  eine  fur^e  SJrift  geroärjren^ 
3a,  im  ©runbe  rjat  fie  je|t  fdjon  ju  jein  aufgehört,  benn 
burd;  bie  umroanbelnbe  Seit  unb  unter  ben  §änben  iljrer 
tjercmberlidjen  ©cfjüler  unb  Qünger  ift  fie  gu  etroa3  ge* 


*)  Dr.  Hermann  3Raftu§,  STCaturfiubien,  6.  2lufl.  ©.  40. 


<2ed^ie3  ©efaräd).  163 

Sorben ,  voa$  ber  Intention  unb  bem  (Seifte  il?re3  Ur= 
J)eber3  gang  unb  gar  fremb  mar.  SDenn  mürben  £ut^er'^ 
Seiten  nod)  geglaubt,  o,  wie  gang  anber3  ftänbe  e3  ba? 
3dj  milf  biefen  äftann  t)on  ben  mandjerlei  äßorroürfen,  bie 
t§m  feine  Gegner  maäjen,  gemij3  nidjt  freifpredjen ;  er  mar 
aber  bod)  trog  aller  feiner  geiler  unb  ©djroädjen  ein 
Biaxin  von  üöhttl)  unb  großer  S^atfraft  unb  er  l)atte  au§ 
ber  alten  2ftutterür$e  nod)  t)iele  foftbare  (srbftüde  üom 
(£l)riftentl)um  mit  ftd)  Ijerübergenommen,  bie  er  treu  genug 
üertoertrjet  unb  etyrtidj  unb  mannljaft  gegen  greunb  unb 
geinb  t)ert|eibigt  l;at.  2Bie  finb  aber  feine  Sdjüler  unb 
Qünger  mit  biefem  loftbaren  ©rbgute  umgegangen  unb 
wo  überhaupt  finb  beren,  bie  ftd)  am  (Seifte  i^reS  2fteifter3 
nod)  erwärmten?  $a,  fie  finb  mol)t  nod),  aber  raie  ge* 
ring  ift  ntdjt  iljre  Scfyl  unb  biefeS  geringe  Häuflein  ftrenger 
2lltlutl)eraner  fie^t  ftdj,  roie  einer  tljrer  l)err>orragenben 
gütjrer  (®uerife)  fagt,  „be£  ftrdjlidjen  23efenntntffe3  fjalber 
in  aller  Söeife  geftofjen  unb  getreten,  gurüdgefegt  unb  t>er* 
morfen."  $ur§,  an  bem  Tiamen  biefe£  mächtigen  ßuttyer 
In'ng  für  miäj  immer  nod)  ein  gemiffer  3a^ber;  nad)bem 
aber  mal  burd)  ba£  jämmerliche  (Sefdjicf,  ba3  biefen  Sßlann 
unb  feine  <5a$e  ereilt,  aud)  biefer  QavA^x  gefdjraunben, 
fo  löften  fidf)  bie  bereite  lofen  unb  geloderten  23anbe,  bie 
midj  mit  bem  proteftantifdjen  ^efenntniffe  nod)  notdürftig 
gufammengeljatten,  gang  unb  gar;  i$  füllte  mid)  frei 
unb  lo§  unb  manbte  bem  gangen  $roteftanti£mu3 ,  bem 
fnmbolgläubigen,  mie  bem  nid)tfnmbolgläubigen  ben  Sftücf en. 
23ei  folgen  ©efinnungen  aber  mar  e%  mir  nid)t  allein  fein 
Dpfer,  fonbern  fogar  ein  IBebürfni§  bes  £er§eu£,  meiner 
ermatten  23raut,  bie  eine  $atl)olifin  mar,  r»or  i^ren 
©Item  unb  bem  fatfjoliftyen  Pfarrer,  ber  bie  @t)e  einfegnen 


164  ©echtes  ®efpräd&. 

follte,  baä  $erfpred)en  ber  f atfjolifdjen  @r§ie§uncj  ber  ßittber 
abzulegen,  unb  il)r  nod)  obenbrein  meinen  ©djug  für  bie 
freie  unb  ungetjinberte  2lu3übung  aller  itjrer  religiöfen 
$flid)ten  aufrichtig  pjufidjertt.  Unb  rote  grofj  mar  ntdjt 
unfer  e§eüd&e£  ©lud!  Qu  meiner  t)ortreffttd)en  (Sattin 
gerabe  fanb  ify  ba^jenige,  raa3  i<§  fyatbhewufct  immer  ge= 
münfdjt  unb  gefugt,  tdfj  fanb  in  tyx  bie  meiblidje  £ugenb 
unb  bie  rcaljre  grömmigf eit  gtetäjfam  oerförpert:  e§>  ift 
eine  grömmigfeit,  bie  felbft  bemjenigen  roofjl  tlmt,  ber  fie 
nidjt  E)at  unb  it;m  ben  2Bunfdj  unb  ba$  Verlangen  ein* 
flögt,  baß  er  fie  Ijabcu  mödjte,  —  feine  jur  <S§an  ge* 
tragene,  feine  $opfi)ängeret  ober  falfdje  ©mpftnbelei,  feine 
füge  ©efüfylsfc^märmerei,  fein  budmäuferifdjes,  mudertfd)e3 
ober  fauertöpftfdjeS  2Befen,  fur§,  ntdjt  jene  raibrtge  Sßiettfte* 
rei,  wie  mir  fie  $.  23.  an  jener  „frönen  ©eele"  fetjen,  bereu 
„SBefenntniffe"  un3  ©oetlje  in  feinem  „2Biltjelm  3Jteifter'v 
aufbetoatjrt ;  —  nein,  t)on  allem  bem  ift  niü)t§  in  ober 
an  \tyc\  bie  grömmigf eit  meiner  Gattin  ift  fdjön  unb  wo§U 
tfjuenb,  wie  über  un3  ber  blaue  £immel,  fie  ift  natürlidj, 
unb  mädjft  an§  bem  ©runbe  t^re^  fatl)olifd)en  ©taubens 
fo  leid)t  unb  ungezwungen  Ijetüor,  wie  biefer  ©idjbaum 
au£  ber  @rbe  gemadjfen  ift,  unb  wäfyxenb  fie  in  bem 
tiefften  ©runbe  itjre^  £>er§en£  feft  eingemur^ett  ift,  feljtt 
e»  il)r  audj  nidjt  an  einem  ljerrltd)en  ©ipfel,  ber  fidj  felm* 
füäjtig  gum  Fimmel  aufmenbet,  weil  bie  @rbe  für  fie  §u 
ftein  ift  unb  ifjre  tiefften  SBebürfniffc  nid)t  befriebigt;  unb 
raenn  id)  mein  £Mlb  fortfefeen  barf,  fo  ift  biefer  fdjöne 
prächtige  $8aum  mit  feinen  Ijerrlidjen  ßmeigen  unb  feinem 
frifdjen  Saubraerf  ntdjt  blo3  mot)ttl)uenb  für  ba§  Sluge, 
fonbern  er  bringt  audj  tmrftidje  grüßte  Terror,  benn  bie 
grömmigfeit  meiner  Gattin  oercbelt  unb  vexfläxt  alP  tyx 


<5edj3ie§  ©efpräcfj.  165 

£lmn  unb  madjt,  ba§  fie  iljre  $flid)ten  nitf)t  nur  erfüllt, 
fonbern,  baft  fie  fie  aud)  leidet  unb  mit  einem  froren 
Weiteren  4Blt<f  erfüllt,  wa$  für  mid)  ber  fidjerfte  5ßrüfftein 
für  il)re  ©üte  unb  2ledjtf)eit  ift.  <£o  lebte  idj  einige  3al)re 
glüdlidj  an  ber  <&eite  meiner  Gattin ;  mir  rebeten  oft  über 
religiöfe  3)inge  unb  unfere  ©ebanfen  ftimmten  hierüber 
ebenfo  gufammen,  mie  unfere  §er^en,  unö  wie  id)  mit  ivjv 
fatljoiifd)  bafyte,  fo  betete  iä)  and)  mit  it)r  bie  alten  fräf* 
tigen  fatl)oltfd)en  $erngebete,  bie  id)  nie  olme  SCnbadjt  unb 
Qnbrunft  mieberf)olen  fonnte.  $on  bem  äußeren  SBefennt* 
niffe  be3  $atl)olici3mu3  lu'elt  id)  mid)  aber  nod)  forgfältig 
fern  unb  id)  meig  ntd&t,  meld/  eine  feltfame  Scheue  id) 
baoor  nod)  in  mir  trug,  raä^renb  mir  boc§  anbrerfeii£ 
mieber  nidjtS  natürlicher  voxlam,  als  meine  (Gattin,  bie 
id)  überall  l)in,  fetbft  auf  i^ren  53etfiul)l  in  einfamer  geUe 
begleitete,  audj  in  bie  Mxtye,  pm  öffentlichen  feierlichen 
®otte3bienfte  gu  begleiten.  3)a  fügte  e£  fid),  baß  id)  auf 
einer  @rl)olung3reife  eines  SageS  mit  einem  gleidjgefinnten 
proteftantifdjen ,  b.  I).  ebenfalls  fatliolifirenben  öugenb* 
freunbe  bei  einem  l)od)  geseilten  Spanne  oorfprad),  ber  im 
Stufe  eines  ebenfo  entfd)iebenen  unb  übergeugungStreuen 
Mafyolifen,  als  eines  einftdjtigen  unb  erleuchteten  Staats* 
mannet  ftanb  unb  an  ben  mir  burdj  einen  iv)m  befreun* 
beten  dritten  empfohlen  maren.  3Mn  3teifegefäl)rte  lenlte 
baS  ©efprädj  auf  religiöfe  unb  balb  and)  auf  confeffioneHe 
fragen,  unb  rnüpfte  baran  ein  p>at  mit  aller  $efd)eiben* 
Ijeit  auSgefprodjeneS,  aber  bod)  fel)r  munberlid)eS  anliegen. 
„2öir  beibe,"  fagte  er,  „mein  greunb  l)iex  ebenfomol)l,  mie 
idj,  finb  oon  ber  2Bal)ri)eit  beS  £  atljoliciSmuS  geroife  nidjt 
weniger  überzeugt,  als  @ie;  mir  ftellen  and)  unfer  £id)t 
nidjt  unter  einen  Steffel,  fonbern  mirlen  ourd)  SBort  unb 


166  ©echtes  ©efpräd^. 

Schrift  ^ur  Verbreitung  fat^oltfdjer  ^been  rebtid)  mit  unb, 
o^ne  unbef  Reiben  §u  fein,  bctrf  tdj  tuof)I  fagen,  ba§  mir 
bnrdj  unfer  ftilleS  Söirfen  ber  fat^olif^en  $irdje  trieEeidjt 
f$on  mannen  £)ienft  geleiftet;  benn  ba  mir  als  äu&erlidj 
nid)t  §ur  fatr)olifc^en  $emetnfdjaft  gehörig,  immer  no# 
als  ^roteftanten  gelten,  mögen  mir  es  audj  an  fid)  nod)  fo 
menig  fein,  fo  bürfen  mir  uns  unter  biefer  proteftantifdjen 
2ftaSfe  SftanäjeS  ertauben,  raaS  man  einem  erflärten  $a* 
tfyoltfen  nifyt  mürbe  lungeren  laffen.  2ftan  rjat  eS  ja  gefetjen 
g.  8.  an  §urter,  ©frörer  unb  an  mie  oielen  anbern,  bk 
ebenfalls  lange  oor^er  fatl)oltfdj  bauten  unb  fd)rieben, 
erje  fie  fidj  äu^erti^  §ur  fattjolifdjen  Jlirrfje  befannten; 
bamals  las,  ftubirte  unb  bemunberte  man  it)re  ©Triften, 
rcenn  man  audj  xueEettfjt  mandjeS  barin  munbertidj  unb 
mit  ben  hergebrachten  Vorftellungen  nidjt  übereinftimmcnb 
fanb ;  faum  aber  roaren  fie  auä)  äu§erti$  in  ben  SdjooJ3 
ber  fatrjolifdjen  Jlirdje  aufgenommen,  fo  mar  eS  mit  it)rer 
SBirffamfett  für  bte  fatljolifdje  ©adje  unter  ben  ^roteftan* 
ten  §u  (£nbe  unb  man  raarf  iljre  Vüdjer  in  bie  Pumpet* 
lammer.  3Bir  möchten  nun  gern  in  ber  bisherigen  Sßeife 
unter  ben  $roteftanten  fortioirfen,  tt)re  Vorurteile  unb 
äftijsoerftänbniffe  berichtigen,  il)re  Steifet  unb  Vebenfen 
aufflären  unb  nad)  unfern  fd)mad)en  Gräften  in  unfern 
Greifen  bk  Qntereffen  ber  Sßa^r^eit  unb  ber  fatfjolifdjen 
$ird)e  förbern  Reifen.  $)a$u  ift  aber,  mie  eben  gefagt, 
nottjmenbig,  baf$  mir  uns  äu£erlid)  nodj  als  $roteftanten 
geriren  unb  eben  über  biefen  $un!t  möchten  mir  uns,  ge* 
ebrter  §err,  Qrjre  Meinung  unb  Qfyren  guten  Sftatlj  ex* 
bitten.  @rmibern  <Bk  unfere  Offenheit  t)on  Qr/rer  (Seite 
mit  einer  gleichen  unb  belohnen  6ie  fo  öaS  Qutxauen, 
baS  uns  in  Qlmen  r)ingefür)rt."    £>er  genannte  §err  er* 


©erstes  ®eforäd&.  167 

fieberte:  „Sie  betbe  tjaben  ein  §u  eljrlidjeS  ®efid)t,  fonft 
würbe  idjj  benfen,  Sie  gälten  ein  (Somplot  gegen  mid)  ge* 
fd^miebet  unb  wollten  midj  mit  Q^rer  grage  in  Sßerfuajung 
führen,  fo  eigen  fommt  mir  btefe  gragetwr.  Söenn  e3  3(men 
-aber,  wie  \§  annehmen  barf,  mit  3^rer  grage  wirfttd)  ©ruft 
ift,  barf  i§  fie  3l)nen  benn  aud)  fo  beantworten,  wie  eS 
mir  babei  um'3  §er§  ift  nnb  motten  Sie  jtdfj  ntd;t  be* 
leibigt  füllen,  wenn  iä)  Qlmen  meine  Meinung  in  etwa3 
Iraftigen  unb  berben  SBorten  fage?"  „Qe  berber  unb 
tjerber,  befto  beffer,"  ermieberte  mein  greunb,  „oon  einer 
^öeieibigung  !ann  babä  feine  Sftebe  fein."  „Nun,  bann 
muß  id)  3t?nen  benn  bod)  fagen,"  fuljr  er  fort,  „bafj  Sie 
ßin  paar  redjt  eingebildete  unb  bünfelljafte  Männer  finb, 
üon  bem  tjeuct;lerifd)en  Spiele,  was  Sie  treiben,  nidjt  ein* 
mal  ju  reben.  2Bie?  ®ie  bitbeu  fxdj  ein,  ber  fattjoltfdjen 
üirdje  befto  metjr  nützen  su  fönnen,  wenn  Sie  auger  it)rer 
$emeinfd)aft  bleiben?  S)ie  fatt)oiifd)e  $ird)e  bebanft  fidj 
für  3§re  SDienfileiftuugeu,  wenn  'Sie  fid)  felbft  in  einer 
oornet)men  Entfernung  oon  iljr  galten  unb  iijr  nidjt  als 
tmrflidje  Sftüglieber  angehören  motten.  S)ie  fattjolifdje 
$iraje  bebarf  Ql)rer  unb  Qtjrer  S)ienfte  m'a)t,  fie  $at  otjne 
Sie  beftanben  unb  mirb  aud)  ol)ne  Sie  fortbewegen ;  S  i  e 
bagegen  bebürfen  ber  fatfjoüfdjen  $ird;e!  ©3  ift  eine 
bloße  Qttufion,  wenn  Sie  glauben,  e3  Ijanbele  ftd)  hü  ber 
grage  um  bk  $irc&e  in  lefcter  Qnftans  um  etwas  Ruberes, 
aU  um  Sie  felbft,  benn  bie  OJknfctjen  finb  nid^t  ber  $ird)e 
wegen,  fonbern  bie  $ird)e  ift  ber  üUlenfdjen  wegen  ba; 
ü)re  unfterblidjen  Seelen  $u  retten  unb  fie  bat)in  ju  leiten, 
baß  fie  etnftenS  im  ©ertöte  befielen,  öas  ift  it)re  $e* 
ftimmung.  Unb  bebenfen  ©ie  es  batjer  wot;l,  nur  um 
$ljre  eigenen  unfterblidjen  Seelen  t)anbelt  e3  ftct);  Sie,  unb 


168  ©echtes  ©efprärf). 

jraar  Qeber  für  fid)  allem,  raerben  balb  t)or  bem  9ttd)ter* 
ftufjle  ßljrifti  p  erfdjeüten  imb  f)ier  für  fidj  fclbft  SRcd^eti*- 
fdjaft  abzulegen  ^abert,  unb  geraifs  werben  «Sie  audj  barüber 
pr  Sftedjenfd&aft  gebogen  werben,  bafc  Sie  bie  2öat)rr)eit 
erfannt  nnb  il)r  bennodj  fein  ©efjör  gegeben  Ijaben."  £)iefe 
2ßorte,  bie  ber  bebädjtige  9ftann  pmr  olme  alle  £>eftigfeit, 
aber  boäj  mit  ®efü§t  unb  einem  geraiffen  feierlidjen  ©rnfie 
p  un3  fpradj,  roirften  auf  un3  raie  "ein  SDonnerfdjtag. 
2öir  raaren  $etbe  fe§r  erfdjüttert,  als  mir  un3  balb  barauf 
Don  iljm  üerabfdjiebeten.  2ftein  greunb  aber,  ben  tdj  feit* 
bem  ntc^t  raieber  gefeiert,  unb  mit  bem  id)  mid)  nur  oon 
3eit  p  3«t  uodj  brieflich  unterhalte,  fdjeint  ftdj  von  buht 
@rf Fütterung  balb  raieber  erfjolt  p  Ijaben,  benn  gletdj 
in  bem  erften  Briefe,  ben  idj  nad)  biefem  merfraürbigen 
Auftritte  von  tym  erhielt,  fdjreibt  er  mir  jiemlidj  fdjer^ 
§aft :  „$)te  $apuptabe  unfere3  guten  $atl)geber3  §abt  td> 
graar  nod)  immer  nifyt  sergeffen,  aber  raenn  i($  and)  nidjt 
fo  groftmütljig  benfe,  raie  £eo,  e3  fei  lö'bltdjer,  in  einen 
ftnfenben  $tafyn  p  fteigen  unb  ilmt  aufhelfen,  aU  mit 
bem  flotten  ©djiffe  barjinguf egeln ;  fo  benfe  idj  bodj,  eine 
©djraalbe  ma$t  nodj  feinen  ©ommer  unb  raenn  mir 
$roteftanten  pr  fatl)oltfd)en  $irdje  prütffefjren  wollen, 
fo  muffen  rair  maffenraeife  p  tyt  prüdfeljren."  ^Dagegen. 
raar  bie  Söirfung  hei  mir  eine  nad$altige.  Qd)  backte, 
e3  ift  beffer,  bu  raäljleft  ba$  @id)ere,  nnb  e§e  nod)  brei 
Monate  vergingen,  raar  ber  entfdjeibenbe  ©d&rttt  fdjon  getrau. 
£)er  2lbt)ofat  raar  im  beften  3«ge  nodj  raeiter  fort* 
pfaljren,  als  ber  ßommercien^ftatl),  ber  feinem  Vortrage 
bis  baljitt  ebenfo  üerbriefclidj,  als  bie  Hebrigen  tfjeilne^ 
menb  pge^ört,  ilm  fjter  plö§tidj  unterbrad).  „Unb  raenn 
audj,"  fagte  er  in  einem  giemlid)  gereiften  £one,  „bie  $ro* 


<3erf)3te§  ©efpräcf).  169 

teftanten  in  gangen  Waffen  §ur.  fatrjolifdjen  ßirdje  gurütf* 
lehrten,  fo  würbe  idj  mtdj  bod)  unter  biefen  Waffen  nid)t 
befinben,  vunb  jtoar  hielte  mtdj  ein  gtt)tefa<$er  ®runb  ba* 
t)on  gurücf.  2)enn  erftlid)  fage  id)  mit  unferm  ©oet§e  im 
geben  beS  berühmten  2öinMmann  (ber  befanntlid)  eben* 
falls  §ur  fatljolifdjen  Religion  übergetreten):  „es  bleibt  jeber, 
ber  bie  Religion  neränbert,  mit  einer  2Irt  von  3JJa!el  befprifct, 
von  ber  es  unmöglich  fdjetnt,  ilm  §u  reinigen.  28tr  feiert 
barauS,  bajg  bie  3flenfd)en  ben  be^arrenben  2öiIIen  über 
alles  in  fragen  nriffen. . . .  2IuSbauern  foll  man  ba,  roo  uns 
mel)r  baS  ©efdjicf  als  bie  2öal)l  IjingefteHt.  Sei  einem  SSolfe, 
einer  Stabt,  einem  gürften,  einem  greunbe,  einem  %&eibe 
feftlmlten,  barauf  alles  begießen,  befföalb  alles  nrirfen, 
alles  entbehren  nnb  bulben,  baS  rairb  gefragt;  SlbfaU 
bagegen  bleibt  üer^afjt,  Sßanfelmutlj  wirb  lädjerlid)." 

SmeitenS  hielte  mid)  aber  non  einem  IXebertritte  bie 
©rmägung  gurärf ,  baf3  bie  verriebenen  djriftltdjen  (Sonf  ef* 
fionen  mir  überhaupt  nur  gorm  nnb  9tebenfad)e,  nur  Sdjale 
finb ;  ber  eigentliche  $ern  ber  d)riftlid)en  Religion  ift  bie  djrifi* 
lidje  Sittenlehre  unb  biefe  ift  bei  allen  (Scmfef fionen  biefelbe." 

2)er  2lbt>ofat,  augenfdjeinlid)  t>erbriej3lidj,  ba§  er  mit* 
ten  im  gluffe  feiner  9tebe  mar  unterbrochen  roorben,  fdjien 
feine  Suft  §u  Ijaben,  auf  ben  ©inraanb  beS  ßommercien* 
SftatrjeS  etraaS  ju.  ermiebern  unb  überhaupt  baS  ©efprädj 
fortpfe|en.  3laü)  einer  eingetretenen  tagen  $aufe  nal)m 
id)  barjer  fiatt  feiner  baS  2$ort,  unb  hat  ben  (Sommercien* 
9tafy  um  (Srlaubnife,  auf  jeben  feiner  beiben  ©rünbe  iv)m 
befonberS  antworten  gu  bürfen.  2BaS  Sfyxen  erften  ©runb 
betrifft,  fu|r  t$  bann  fort,  fo  rjaben  6ie  von  ber  2leufee=- 
rung  QijreS  @oet$e  gmar  ben  $orberfa§  angeführt,  aber 
ben  9?ad)fa£  ^aben  <Ste  roorjlraetSlidj  Derfdjmiegen.    Senn 


170  ©ec^§te§  ©efpradj. 

ba  tdj  für  SöinMmann  fdfjon  t)on  Qugenb  an  tin  befon* 
bere*  Qntereffe  liege  unb  bie  auf  ilm  bezüglichen  Wafy 
rieten  unb  Urteile  forgfälttg  äufammengefuätf  §abe,  fo 
ift  mir  bie  Reflexion,  bie  ©oet^e  über  feinen  9ieligion0* 
toedjfel  unter  ber  lleberfd&rift :  „ÜatljolicimuS"  ft<$  erlaubt, 
noä)  red?t  moljl  erinnerltrf).  %la§bem  er  in  bm  Porten, 
bie  Sie  uns  angeführt,  bie  üermetnten  Säjattenfeiten  beS 
ttebertritt3  t)on  2Bmfelmann  l)eroorgel)oben,  mürbigt  er, 
freilid^  nur  von  feinem  fpecififd)  fünftlerifdjen  ober  b'xfyti* 
rillen  Stanbpunfte  au3,  au<$  bte  8irf)tfeiten  beffelben- 
„3)enn  mar  btefeS  nun",  fäljrt  er  nadj  Syrern  (Sitat  fort, 
„bxt  eine  fdjroffe,  fe^r  ernfte  Buk,  fo  lägt  fidj  bie  ©adfje 
aud)  oon  einer  anbern  anfeljen,  oon  ber  man  fie  Weiterer 
unb  leidjter  nehmen  iann.  ©euriffe  Suftänbe  be3  9flen* 
f$en,  bie  mir  MneSroegS  billigen,  gemiffe  fittlidfje  glecfen 
an  brüten  ^erfonen  Ijaben  für  unfere  Sßbantafie  einen 
befonberen  9tei^.  2Biß  man  um§  ein  ©leidmift  erlauben, 
fo  möchten  mir  fagen,  t§>  ift  bamit,  xoie  mit  bem  28ilb= 
:pret,  ba§  bem  feinen  (Daumen  mit  einer  flehten  Slnbeutung 
von  gäulnif3  weit  beffer,  al$  frtfdjjgebraten  fdfjmedl  ®inz 
$efdfjiebene  grau,  ein  Renegat,  machen  auf  un§  txmn  be* 
fonberl  reigenben  ©inbrud.  ^erfonen,  bk  un$  fonft  triel* 
leidet  nur  merfroürbig  unb  lieben^raürbig  oorMmen,  er* 
f  cbeinen  uns  nun  als  munberfam ,  unb  eS  ift  nidjt  gu 
läugnen,  bajs  bie  SfteligionSoeränberung  2ömfelmann73 
ba3  9tomantifd)e  feinet  £eben3  unb  SBefenS  oor  unferer 
ßinbilbungSfraft  merflidf)  erl)öl)t."  ©o  alfo  3^r  gefeier* 
ter  ©oetl)e.  (Glauben  @ie  aber  ja  nid)t,  ba$  idj  auf  biefe 
SBorte  irgenb  welches  ©emid)t  legte,  ober  ba$  fie  meiner 
2Infd)auung  biefeS  $erl)ältmffe3  audfj  nur  entfernt  genug 
tljäten,  idjj  §abe  fie  l)ier  blofe  Slmen  gegenüber  angeführt; 


©ec^äteä  ©efprädj.  171 

tdj  fdjäge  ©oet^e  als  SDidjter  fel)r  f)od),  aber  in  religiöfen 
ober  religtö^nriffenfdjaftlidfjen  gragen  ift  feine  Autorität 
bei  mir  oollfommen  %lutt.  Qdj  laffe  für  Ql)re  Slnftd^t  von 
ber  Unjtemli<$feit  eines  9teligionS  =  ober  (ScmfefftonS* 
2Bed)felS  raeber  baS  $ro  QljreS  ®oeil)e  gelten,  nodj  nebme 
idj  bagegen  baS  ©ontra  beffelben  in  2lnfprudj ;  idj  Ijabe  bage* 
gen  gan$  anbere®rünbe  in'S  gelb  $u  führen.  @m  Sttann,  ber 
es  im  regten  unb  magren  «Sinne  beS  SöorteS  ift,  ift  oor  OTem 
roatyr  nnb  el)rlid),  roaljr  nnb  etyrlid)  in  feinem  £)enfen,  wie  in 
feinem  Sieben  nnb  £anbeln,  nnb  er  fragt  hei  feinen  £>anblun= 
gen  nidjt,  was  werben  bie  ÜDlenfdOen  ©uteS  ober  ©djlimmeS 
baoon  urteilen,  fonbern  roaS  wirb  ©ort  baoon  urteilen. 
9ttd}tS  erfdjeint  mir  bai)ev  läppifdjer,  als  menn  man  in  genrif* 
fen  fertigen  Lebensarten  über  gemiffe  ^anbtungSroeifen  eines 
9ttenfd)en  aburteilt,  alfo  fagt,  idj  Ijalte  anf  foldje  nidjtS, 
bie  baS  nnb  baS  tljun.  Unb  anftatt  bafy  man  alfo  fagen 
fottte,  i§  Ijatte  auf  ben  nidfjtS,  ber  feine  Sieligion  roedjfelt, 
follte  man  lieber  fagen,  idj  fyalte  fe^r  oiel  anf  ben  üDlann, 
ber  totrfttd)  mannhaft,  gemäfc  feiner  2JtanneSpflid)t  nnb 
SftanneStoürbe,  b.  I).  nad)  feiner  genriffenljaften  Ueberjeu* 
gnng  rjanbelt.  ©afj  idj  oon  'fatljolifdjen  ©Item  geboren 
bin,  ift  nidjt  mein  Sßerbienft,  nnb  ba§  @ie  oon  proteftan* 
ttfdjen  Altern  geboren  finb,  ift  nifyt  Qljre  ©dfjulb.  SSenn 
6ie  aber  als  ^roteftant  fid)  oon  ber  Söaljrtjett  ber  fatljo* 
lifdjen  $irdje  überzeugen,  fo  ^anbeln  «Sie  unmännltd)  nnb 
unehrenhaft,  raenn  ©ie  biefer  3l)rer  IXebergengung  feine 
golge  geben,  nnb  toenn  audj  ber  urtl)eilSunfcil)ige  $öbel 
taufenbmal  baS  (SegentljeU  für  unehrenhaft  erflärt.  3** 
fünften  eines  ^roteftanten  läfet  ftdj  aber  ber  ©runbfafc 
-oon  ber  IXn^iemlic^feit  ober  Hnel;renl)aftig!eit  etneS  Sielt* 
a,ionS=2öed)felS  am  aller roenigften  geltenb  mafyen.    9ftan 


172  ©ec$3te§  @efprä$. 

rairb  hierbei  nnnrißturlxd)  an  ba$  ©efprädj  erinnert,  ba£ 
ein  genriffer  giirft  mit  bem  berühmten  ßont-ertiten  trafen 
öeopolb  'von  ©tolberg  anfnüpfte.  ,,Qd)  liebe  btejenigen 
nidjt,"  fagte  ber  gürft  $um  ©rafen,  „bk  iljre  Religion 
toedjfeln."  „Qdj  audj  nidjt,"  erroieberte  iljm  btefer,  „unb 
beftljalb  bin  id)  §ur  Religion  meiner  sßäter  §urüdgefel)rt." 

2öenn  ®ie  fidj  aber,  lieber  igerr  ßommercien * 9iatl), 
gegen  ben  Uebertritt  ju  einer  anbern  (Sonfefftott,  nnb  na* 
mentlid)  gu  ber  fatl)olifd)en,  fo  feljr  fperren  nnb  t-erroarjren, 
fo  finbe  id)  ben  ©runb  Neroon  hei  Qlmen  roeniger  im  Mangel 
an  Ueber^engnng^trene,  aU  oielmeljr  im  Mangel  an  $er* 
ftänbnijs  für  bie  tmrflidjen  großen  nnb  roefentltdjen  Un* 
terfdn'ebe,  bie  §ttrifd)en  ben  oerfdjiebenen  djriftlidjen  @on* 
fefftonen  obwalten.  3r)r  inbifferentiftifdjer  ©tanbpunft, 
oon  roo  au$  6ie  bie  oerfd)iebenen  djrtftiidjen  (Sonfefftonen, 
inbefonbere  bk  proteftanttf^e  unb  bk  fatijolif$e,  für  gleidj 
gnt  nnb  für  gleid)  fd)led)t  anlegen,  beruht  felbft  nnr  anf  einer 
Stfufton,  nnb  baä  fü^rt  miti)  anf  ben  groeiten  @runb, 
ben  @ie  für  Qrjr  fid)  nidjt  beteiligen  28ollen  an  einem 
etwaigen  maffenroeifen  IXebertritte  ber  ^roteftanten  §ur 
fatrjolifcfyen  JHrdje  geltenb  gemadjt  Ijaben. 

@ie  betrauten  bk  (Sonfeffton  als  üftebenfadje,  als  eine 
bloße  ©djale  ober  gorm.  2Ber  IjeifH  6ie  biefelbe  aber 
fo  betraäjten?  S)er  Sßaljr^ieit  entfpridjt  biefe  23etraa> 
tungSroeife  nidjt.  £>ie  2öal)rl)eit  ift,  ba%  ber  fogenannte 
Christianismus  vagus  b.  r).  fo  ein  allgemeines  felbftprä* 
parirteS  confefftonSlofeS  (£rjrifientl)um  nnb  ein  nadteS  2ln* 
ti$riftentl)nm  nidjt  roeit  auSeinanber  liegen.  £)aS  erfte 
tft  nnr  eine  2lrt  $orfdmle,  bk  für  ba$  festere  bie  Ole^ 
!mten  |eran§iel)t  nnb  fie  bafür  beftenS  oorbereitet.  £)er 
plumpe  nnb  rorje  Materialismus  ober  $eftialiSmuS ,  mie 


©edjäteä  ©efpräty.  173 

tfjn  §.  23.  bie  belgifdjen  6otibatre3  benennen,  ift  bodj  ein  gu 
öarftige^  Sßefen,  als  ba§  es  für  Me  2ftenfd)en,  rate  fte 
getoölmltö)  ftnb,  etwas  StngieljenbeS  rjätte.    60  ein  wenig 
Religion  tft  ben  meiften  2Jtenfd)en  boü)  SBebtirfmfj  unb 
wäre  eS  aud)  nur,  ba§  man  fte,  tüte  3Mfter  ©oetfje  fagt, 
<xlS  einen  Sparpfennig  für   bie  fünftige  3eit  ber  9totl) 
prüdlegte.    Unb  fo  wenig  wie  ber  üUtenfd)  auf  einmal 
ein  §elb  in  ber  £ugenb  wirb,  fo  wenig  wirb  er  aud)  auf 
einmal  ein  üottenbeteS  Sdjeufal;  SSermittetungen,  Heber* 
gangSfütfen,  $orfdmlen  ftnb  bort,  wie  l)ier  für  tyn  notfj* 
raenbig.    S)te  oberften  9tatl)Sl)erm  ber  ©e^eimbünbe,  bie, 
wie  j.  SB.  in  Belgien,  ben  23oben  beS  ßljrtftentlmmS  noto* 
rifdj  untergraben,  fennen  biefe  @igenl)eit  ber  menfdjlidjen 
Statut  feljr  gut  unb  fte  tragen  i^r   audj  ganj  gehörig 
3ieä)nung.    6ie  ftnb  fo  organiftrt,  bajs  baS  Ie|tc  3H 
woljin  fte  tfjre  ©ingeweil)ten  bringen  motten,  ntdjt  allein 
für  ben  „profanen  $öbel",  ber  mit  irjnen  md)tS  $u  fdjaffen 
fyaben  will,  fonbern  aud)  für  bie  eigenen  Sftitglteber  ber  nie- 
bereu  ©rabe  mit  bem  bieten  Soleier  beS  ®el)eimntffeS  bebedt 
ift,  unb  biefe  verriebenen  ®rabe  ber  ©efellfdjaft  ftnb  nur  befc 
fjalb  eingeführt,  bamit  eben  biefe  unfertigen  (Sprünge  fopf* 
unter,  fopfüber,  möglidjft  tjermieben  werben.  Qu  ben  ersten 
(Kraben  fteljt  ftd)  alles  ungemein  fd)ön  unb  unfdmlbtg  an,  fo 
baf$  man  bie  nur  in  biefe  eingeweihten  Neulinge  oft  üerwun* 
bert  fragen  l)ört,  raie  benn  nur  bie  fatljoüfdje  $ird)e  von 
einer  fo  unfdjulbigen  ©adje  fo   triel  SCuftjeben^  mad)en 
fönne.    SJiir  felbft  finb  fdjon  merjr  als  einmal  im  Seben 
foldje  Neulinge  begegnet,  bie  tdj  als  $atl;olifen  an  il)re 
$flid)t  erinnerte,  um  jjeben  $retS  aus  einer  von  ber  ßirdje 
mit  bem  tarnte  belegten  ®efettfd)aft  auSgufdjeiben.    @ie 
Derftdjerten  mir  Ijod)  unb  heilig,  gute  Triften  mb  ßafyo* 


174  ©edjste§  ©efpräd). 

lifen  wollten  fie  fein  unb  bleiben,  it)r  religio jer  ©laube 
fei  aber  audfj  nxdjt  ber  minbeften  ©efaljr  auSgefefct,  ba 
üjnen  ja  umgefeljrt  burd)  bie  Statuten  ber  ©efeüfdfjaft 
bie  ungeftörte  2lu3übung  ttjrer  religiöfen  ^fti^ten  nidjt 
nur  geftattet,  fonbern  audj  au^brütflid)  jur  $füdjt  ge* 
madjt  fei.  So  unfdjutbig  alfo  fielet  fitf)  in  ben  erften 
Kraben  bie  Sadjje  an.  Sftan  i$t  unb  trinft,  man  conoer* 
ftrt  f  fptelt  unb  fdjmütft  ftd)  ba$  §aupt  mit  Sftofen, 
man  umarmt  fidj  unb  wedjfelt  ^ruberfuß,  man  bejaht 
feine  Beiträge  in  bie  $erein3raffe,  unterfingt  unb  förbert 
fidfj  gegenfeitig,  gewinnt  ober  r»erleil)t  ^roteftion  für  fdmel* 
lere  2loancement3  —  unb  p  allem  bem  nod)  etwa3  Singen^ 
t)erblenberei  — ;  ba$  ift  bod^  aEe3  fo  unfdjulbig,  aU  nur 
etvoaä  fein  !ann.  £>a3  9teligiöfe  bleibt  bahei  gan§  au£ 
bem  Spiele,  nur  bafj  r-iellei^t  gan$  unmerflidfj  bie  fdjar^ 
fen  Tanten  be3  religiöfen  23efenntniffe3,  an  benen  bk 
SörüberltäjMt  ftdfj  flogen  fönnte,  ein  wenig  abgeftumpft 
werben,  gür  bk  hiäfyev  ßrjriftgläubigen  unb  al3  d^rift^ 
gläubig  in  bie  ©efellfcfjaft  ©ingetretenen  bleibt  neben  bem 
großen  2Mtbaumeifter  audfj  @l)riftu3  immer  nod;  ber 
große  ©Ott.  Qn  ben  weiter  fortgefd^rittenen  ©raben  aber 
nimmt  bk  Sad)e  f$on  eine  etwas  anbete  ©eftalt  an;  bem 
©otte^Solme  (St)riftu3  wirb  attmäpg  ber  „Söeife  r>on 
üftagaretl)"  fubftituirt;  unb  $u  ben  Eingeweihten  nodj  rjöljerer 
©rabe  rebet  man  bann  auü)  worjl  nod6  beutUc^er.  ©enug, 
für  allerlei  ftfjöne  Ermittelungen  unb  UebergangSftufen 
ift  in  folgen  ©eljeimbünben,  wie  fie  j.  23.  in  Belgien,  aber 
audfj  nodfj  anberwärt^  befielen,  trefflidf)  geforgt,  unb  ba$ 
„confeffionMofe  (£ljriftentl)um,"  bem  Sie,  gewiß 
perfönltdjj  gan$  unf^ulbig,  ba3  SBort  reben,  ift  audlj  nur 
fo  eine  angenehme  Ermittelung ,  eine  einftweilige  f($öne 


<5ed)§te§  ©efpräd).  175 

$erf)ütfung  oon  fingen,  bk  man  Anfängern  ober  3ReuIingenr 
nid&t  gern  in  i^rer  wahren  ©eftalt  geigt.  9JUt  bem  con* 
feffton3lo(en  ß^riftentfmme  pngen  bann  natürlich  auä)  bie 
confefftonMofen  ©ämlen  §ufammen,  wie  man  fie  jefct  &.  23.  in 
SBaben,  unb  geroijg  aucfj  ntd)t  bem  Gtyrifientfyume  $u  Siebe, 
in  6cene  fegt.  SDenn  btejenigen,  bie  ft<^  für  biefe  confef= 
fton^lofen  ©dfjulen  fo  feljr  ereifern,  ftnb  efjer  aEeS  2lnbere, 
als  gnte  gläubige  Triften.  £)odfj  entf^ulbigen  «Sie,  lieber 
£err  @omntercien*3ftat§,  biefe  flehte  St&fdljroeifung.  Slber 
tdj  mei§  $u  gut,  raaS  e3  mit  bem  confefftonSlofen  Triften* 
tarnte  auf  fxdj)  f)at,  als  ba%  midj  3$re  Sobrebe  auf  baf* 
felbe  l^ätte  gleichgültig  laffen  fönnen.  IXnb  gubem  fyaben 
6ie  tnelleidjt  audj  nidjjt  hebatyt,  ba%  biefe  Sobreben  auf  ba$ 
confeffton^lofe  (£f)riftentf)um  gegen  bk  Urheber  unb  23e* 
fßrberer  ber  Deformation  eigentlich  eine  SBeleibigung  au3* 
fpredjjen.  $)mn  ftnb  e3  blofce  SBagateE'SacJen,  unt  bereu 
voiUen  fie  ben  $ örper  ber  <£f)riftenf)eit  entgraet  geriffen,  fo 
gereicht  ilmen  ba§  genrift  nidjt  jum  £obe.  IXnb  Sie  fe^en 
alfo,  burd)  3^rc  ßobrebe  auf  ben  confefftoneEen  Qnbiffe* 
renti3mu3  cerbienen  Sie  fiä)  im  ©runbe  bei  ben  $rote= 
ftanten,  bie  aufy  nur  nodj  etroaä  für  bk  Deforma^ 
tion  übrig  §aben,  ebenfo  roenig  2)anl;,  mie  hü  ben  $atl)o* 
lifen.  2Ba3  aber  fdjliefjlidj  bk  §auptfacbe  ift,  biefer  confef* 
ftonette  Qnbifferenti^mu^  ift  in  ftd)  felbft  Ijoljl  unb  nichtig. 
2)i  e  mefentli^en  IXnterf^iebe  jnrifdjen  ben  t)erfcf)iebenen 
djrtftltdfjen  ©  onfeffionen,  bie  Sie  läugnen,  befielen  in  ber 
£Ijat,  unb  fie  befielen  nicfjt  M0J3  §inft d&tUäj  ber  Dogmen 
ober  ber($lauben3lef)ren,  fonbern  audlj  rjinftdjtlicl)  ber 
Sittenlehren.  £)en  gnrifdjen  ben  d^riftlid^ett  (Sonfeffionen 
befte^enben  Unterfcrjieb  in  ben  ©lauben^le^ren  übergeben 
Sie  unb  geben  iljn  alfo  ftißfdjttieigenb  ju,  unb  in  ber 


176  ©ed)3te§  ©eforädj. 

£§at  wüßte  wem  blinb  fein,  uw  tiefen  Unterfä)ieb  nidjt 
3U  fefcen,  fo  baß  e§>  ftdj  ntdjt  ber  IDWtye  totmt,  hierüber 
audij  nur  no$  ein  SBort  §u  verlieren.  SSeftänbe  aber  audj 
ber  Unterfc&ieb  puffen  ben  ßonfeffionen  nur  in  ttjren 
t>erfd)iebenen  (Glaubenslehren,  fo  wäre  btefer  Unterfdjteb 
iwwer  nodj  ntdjt  ein  bloß  nebenfädjlidjer  ober  unwefent* 
lieber.  £)enn  ba^  ber  $em  ber  djrtfttidjen  Religion  bloß 
in  iljrer  Sittenlehre  liege,  ba§  fagen  Sie;  ber  (Stifter  ber 
djrtftüdjen  Stetigion,  auf  ben  e3  bodj  fjier  allein  anfowwt, 
l)at  bie$  nidjt  gefagt;  er  fagte  trietwefyr  in  feinew  t)ot)en= 
priefterüdjen  lebete  p  feinew  göttlidjen  SSater :  „£>a3 
aber  ift  ba3  eraige  £eben,  ba^  fie  btdj,  ben  allein  wahren 
©ott,  erfennen  unb  ben  bu  gefanbt  fjaft,  Qefuw  ßtjriftuw"*). 
ttnb  wäre  e§>  ja  bodj  aud)  gewiß  feljr  fonberbar,  wenn 
bei  ber  wahren  Religion,  bereu  ganjeS  SBefen  in  ber  ©r* 
lenntniß  ©otteS  unb  in  ber  üiebe  ©otteS  aufgebt,  bie 
©rfenntniß  ©otteS  baä  Unwef entließe,  Untergeorbnete  unb 
$ebenfM)ltd)e  fein  foEte,  inbew  ja  bod)  erft  üou  ber  red)* 
ten  Gsrfenntniß  eineä  ®egenftanbe3  bie  red)te  Ziehe  befiel* 
ben  bebingt  ift.  £)te  Siebe,  wenn  fie  feine  blinbe  fein 
fott,  fegt  iwwer  ba$  ©rfennen  üorau3;  unb  nadj  bew  t>er* 
fdjtebenen  ©rfennen  wirb  audj  iwwer  ba$  Sieben  ein  üer* 
fd)iebene3  fein,  unb  e3  werben  atfo  üerfdjtebene  (Glaubend 
letjren  audj  rerfdjiebene  Sittenlehren  üou  felbft  bebingen, 
w.  a.  2B.,  ber  Unterfdn'eb  ber  djriftltdjen  ©onfeffionen  in 
itjren  Sittenlehren  wirb  iwwer  gerabe  fo  gering  ober  ge* 
rabe  fo  groß  fein,  al$  ber  Unterfdjteb  in  tfjren  (Glaubend 
teuren.  SDenn  bie  djrifitidjen  (Glaubenslehren  ftnb  feine 
bloßen  abgezogenen  ^eorien   ober  fpeculatioe  Sefjrfäfce, 


*)  30$.  17,  13. 


©ed)äte§  @efpräc§.  177 

bxe  mit  bem  ßeben  nichts  gu  Raffen  Ratten  unb  bte 
djriftlidjen  Sittenlehren  fäjweben  anbererfeitS  nidjt  ljaltung3= 
loS  in  ber  ßuft.  £)a3  ädjt  d)rift(id)  ftttttdjje  Seben  ift 
r-ielmefyr  nur  bte  $lütl)e,  bte  aus  bem  23iumenMdje  be£ 
äcf)t  djriftltdjen  (Blaubens  ftdj  gleiä)fam  wie  t)ort  felbft 
entwickelt.  SDcr  3ftenfdj,  wenn  er  fjanbelt,  fyanbelt  nie  oljne 
Motive,  unb  für  fein  d^riftltd^  jtttlidJjeS  §anbeln  finbet  er 
eben  bxe  Wlotive  in  ben  Söa^r^eiten  be$  djriftlidjen  ®lau* 
benS.  Söerben  alfo  biefe  ($laubew3wal)rl)eiten  verfällt, 
fo  werben  e%  mit  ilmen  aud)  bxe  entfpreäjenben  Motive 
be£  fittti^en  §anbeln3  ober  fte  fallen  ganj  hinweg,  ba£ 
fittlidje  £anbeln  felbft  unterbleibt.  3$  ftmnte  Qljnen 
hierfür  eine  3flenge  t)on  belegen  anführen,  idj  müßte  aber 
befürchten,  buräj  eine  nähere  Erläuterung  einer  an  ftdj  fo 
flaren  ©adje  Qljren  Berftanb  ju  beleibigen.  3$  fagte: 
wenn  ber  Itnterfdjieb  ber  djriftlidjen  ßonfeffionen  aud) 
nur  in  ii)xen  untergebenen  Glaubenslehren  beftänbe, 
fo  wäre  ber  fäjon  groß  genug  unb  er  bebingte  an  fiäj 
auäj  einen  ebenfo  großen  Unterfdn'eb  in  iljren  bitten- 
lehren.  3$  ö^be  §u,  baß  bie  tlnterfc^iebe  ber  cf)riftli$en 
(Sonfefftonen  in  xfyxen  Sittenlehren  niä)t  ganj  fo  flar  unb 
fdjarf  hervortreten,  inbem  eine  glücftidje  Snconfequenj 
aus  ben  befeitigten  ober  t)eränberten  Glaubenslehren  nidjt 
immer  aud)  bie  notl)wenbig  ftdj  ergebenben  ftrengen  gol* 
gerungen  50g  —  baS  gefunbe  ftttltdje  Gefühl  gemattete  es 
nidjt  unb  olmeljin  finb  bie  fittttdjen  3)inge  im  allgemeinen 
unferer  natürlichen  Beurteilung  §ugänglid)er.  „£)eßun* 
geartet  finb  aber  bie  Berfdjiebenljeiten  ber  proteftan* 
ttfd)en  unb  ber  fatljolifdjen  Religion  in  iljren  fittltdjen 
Sefyxen  immer  nodj  groß  genug,  fo  baß,  bie  <5a$e  aud) 
nur  nadj  bem  twn  $i)nen  angelegten  engen  SJtaßftabe  ge= 

StoeiteS  bif<$öfU<$e8  2Bort.  12 


17  8  eecpteä  ©efpräefc. 

meffen,  ber  confeffioneEe  QnbifferentiSmuS  immer  nodj 
eine  £üge  bleibt. 

2)er  (£ommercien*$atl).  $)ie  nrirflidjen  großen 
Unterfdjtebe  sroifdjen  ber  proteftcmttfdjen  unb  ber  fatfyolu 
fdjen  (Sittenlehre  fennen  ju  lernen,  barauf  bin  ify  boc^ 
fel)r  gefpannt.  23iS  bal)in  meinte  itf),  es  Ijinge  ba8  ©efe§ 
unb  bie  $ropl)eten  an  ben  beiben  ©runbgeboten :  „Stiebe 
©ott  über  2llleS  unb  beuten  9läcl)ften,  mie  bidj  felbft",  unb 
in  ber  Anerkennung  unb  geftl)altung  tiefer  beiben  djrtft* 
liefen  £auptgebote  reiften  fidj  über  allen  il)ren  anbexweu 
tigen  Streitfragen  £atl)olifen  unb  Sßroteftanten  einanber 
freunblid)  unb  friebliä)  bie  feänbe. 

3$.  3<x  wor^l,  §err  ©ommercien  =$atl) ,  in  ber 
äußeren  Anerkennung  b.  ^.  in  ber  Anerkennung  be^  23ud)- 
ftabenS  biefer  heiben  Jpaupt*  unb  ©runbgebote  ftimmen 
fte  mit  einanber  überein,  in  ber  Auflegung  beS  ©inneS 
biefer  beiben  ©ebote  aber,  baxin  weisen  fie  non  einanber 
in  mefyXf  als  einem  fünfte  ah]  unb  barauf  ergeben  ftdj 
bann  aud)  bie  Xtnterf^iebe  in  ber  beiberfeitigeh  (Sitten- 
lehre. $$  befdjrcfttfe  miäj  l)ier  auf  einzelne  fttr^e  Anbeu- 
tungen.  %$etxaü)ten  mir  §unä$ft  bie  Sßflidjten,  bie  in  bem 
erften§auptgebote,  bem  ©ebote  ber  Ziehe  ©otteS  über 
Sitten,  enthalten  finb,  fo  tritt  uns  barin  gleid)  ber  Unter- 
fdjjieb  entgegen,  baß  ber  föafyolit  l)ier  mandjeS  als  ^flicfyt 
ernennt,  maS  ber  Sßroteftant  üermirft,  ba%  ber  erftere  burd) 
biefe  ober  jene  §anblung  ©Ott  §u  r»erel)ren  glaubt,  maS 
in  ben  Singen  beS  lederen,  getinbe  gefagt,  nidjts  als  leeres 
ßeretnoniel  ift.  Qdj  redjne  l)ierl)in  vox  allem  baS  ftets  er* 
neuerte  ftdjtbare  Dpfer  beS  neuen  23unbeS,  baS  fogenannte 
SJifefcopfer.  SDem  ßatfjolifen  ift  es  ein  ©auptbeftanbtljeil,  ja 
ber  Mittelpunkt  beS  ganzen  djrtftlidjen  ©otteSbienfteS,  es 


©etfjSteä  ©efprädEj.  179 

iftin  2fafe§ung  beffen,  bafc  e§>  nid)t  unfere  mutigen  ©efüljle, 
©eftnnungen  ober  SSerfe  jtnb,  bie  wir  ^icr  ©ott,  bem 
§erm,  darbringen ,  fonbern  bafc  mir  baxin  ©ott  bem 
Xjimmltfdjett  SSater  feinen  vielgeliebten  @o§n  felbft  bar* 
bringen  ober,  ba£  oielmeljr  biefer  burd)  nnfere  §änbe  ftdj 
felbft  ©ott  feinem  $ater  barbringt,  —  bie  mürbigfte, 
er^abenfte  unb  gottmoljlgefälligfte  £anblung,  bte  e%  geben 
tarnt,  eine  toirHidje  Anbetung  ©otteS  im  ©.eifte  unb  in 
ber  2öa§r§eit.  2öa3  ift  aber  biefeS  Dpfer  für  6ie  $ro* 
teftanten?  Qm  günftigften  gatte  nid)tS  als  ein  eitler,  leerer 
(£eremonien=  ober  SBerfbienft;  mäljrenb  e3  Ruberen  unter 
3§nen  ein  ^offenfpiet  unb  nrieber  Ruberen  fogar  „ein  x>ex* 
malebeieter  ©ö|enbtenft"  ift.  Unb  mo  ift  alfo  In'er  bie 
Uebereinftimmung  ?  ©3  gibt  nodj  anbere  unmittelbar  auf 
©ott  ftdj  bepe^enbe  §anblungen,  moburdj  ber  $atf)olil! 
©ott  nurfticf)  §u  verehren  glaubt,  ber  Sßroteftant  aber  nidjt, 
unb  iäj  nenne  unter  biefen  beifpielSmetfe  baß  ©elübbe. 
SDaS  ©elübbe  ift  bem  Äatfjolifen  ein  ©ott  mol)lgefälItger 
2lft  ber  ©Ijrfurdjt  unb  §ulbigung  gegen  ©otteS  |ö$fte 
9ftajeftät  unb  Dber|errli$feit,  moburd)  man  in  freier,  be* 
geifterter  2iebe  ©ott  meljr  gibt,  als  er  oon  uns  forbert, 
md)t  allein,  wie  ber  1)1.  SBernarbuS  fagt:  bie  grüßte 
be£  Raumes  b.  1).  bie  über  baß  ftreng  gebotene  ober 
pflidjtmäfnge  £l)un  l)inau3greifenbe  gute  %$at,  fonbern 
aud)  ben  $aum,  b.  1).  ben  Söitten,  ben  man  nadj  einer 
beftimmten  uns  nid)t  oorgefdjrtebenen  Stiftung  l)in  ©ott 
unbebingt  Eingibt  ober  opfert,  entmeber  für  eine  geroiffe 
Seit  bes  SebenS,  ober  unnriberruflid)  unb  für  immer. 
2Btr  laffen  uns  burd)  leine  ©op^ifü!  ^inmegbemonftriren, 
ba%  in  folgen  ©elübben  unb  bereu  unoerbrüdjlidjen  $aU 
tung,  befonberS  wenn  fie,  wie  bie  fogenannten  DrbenS* 

12* 


180  @edj§teä  ©efprädj. 

getübbe,  unnriberruflid(j  für  bte  ganje  SebenSgeit  übernom* 
men  unb  gehalten  merben,  unb  toemt  fte  anbererfeit^,  rate 
bte  ebengenannten,  fäjmere  unb  grofce  Seiftungen  betreffen, 
ftdj  nrirfltd)  eine  größere  unb  t)oEfommenere  djriftlidje 
£ugenb,  gleidjfam  an  Heroismus  ber  Stebe  ©otteS  offen* 
bart.  £)enn  fo  mentg  tdj  audj  ©ott  gebe,  b.  b.  bem  gött* 
lidjen  ©teufte  auSfdjtiefjltdj  mibme,  wenn  iaj  t^m  auä) 
im  6tnne  ber  ebengenannten  ©etübbe  meine  gan^e  $abe, 
meinen  2äh  unb  meine  ©eele  gebe,  fo  gebe  id)  üjm  bamit 
botf;  alles,  maS  tä)  tl)m  überhaupt  geben  fann  unb  meljr 
als  er  von  meiner  ©djroad&fjett  fdjledjtljin  forbert. 

gür  ben  $roteftanten  bagegen  eyiftiren  ©elübbe  ein* 
fad)  nid)t,  weil  für  ilm  feine  9ftät§e,  alfo  audj  bte  eoan* 
gelifdjen  Sftätije,  tooju  idj  mtd^  bur$  bk  DrbenSgelübbe 
t)erpflid)te,  ntdjt  eyiftiren.  gür  ilm  löf't  ftdfj  alles  ftttltdj 
®ntt  ins  reine  $ftid)tmäj3ige  auf:  freiließ  eine  Sfaftd&t, 
bereu  ßonfequenj  man  raobl  ntdjt  bebadjt  ober  audj  nur 
gealmet  §at.  ©enn  ift  aEeS  ©utef  maS  tdj  tfjwt  fann, 
für  midj  immer  ftreng  pfüdjtmäjBtg,  fo  bin  tdj  audj  in 
jiebem  Slugenblid  immer  §um  heften  t)erpflid)tet;  nnb  es 
motten  bann  moljl  wenige  fein,  bk  ntdfjt  iebett  5lugenblid 
fünbigten.  Erlaubte  ^anblungen  gibt  es  bann  über* 
Ijaupt  ntdjt  meljr.  Db  ein  folget  Rigorismus  f^riftge* 
mäjs  fei,  mögen  biejenigen  hü  ftdjj  erwägen,  meldje  Rätlje 
unb  ©elübbe  als  ni<$t  fdjriftgemäjs  t)ermerfen. 

©eljen  mir  §um  ^weiten  §auptgebot  über,  fo  gibt 
eS  audj  !jter  für  ben  Äatljoltfen  SßfHdfjten,  bk  ber  Sßrote* 
ftant  ntdjt  fennt,  ja  bereu  Dbjefte  für  tlm  nic^t  einmal 
e^iftiren.  ©er  tatljolif  l)at  &.  23.  audj  ftttltdje  $e§ie$un* 
gen  &u  ben  leibenben  Seelen  im  ReinigungSorte,  fo  mie 
in  ben  t)er!lärten  ^eiligen  beS  §immelS;  nnb  es  ift  ifjm 


6etf)Ste§  ©efpräc^.  181 

ein  nic$t  Geringer  £roft,  mit  feiner  über  £ob  unb  @rab 
l)inau3reiäjenben  Siebe  feine  jenfeitigen  leibenben  ober 
tjerflärten  trüber  in  (£t)rifto  nod)  gu  umfaffeu  imb  biefe 
Siebe  in  einer  entfpredjenben  Söeife  betätigen  %u  tonnen. 
Unb  bk  gnten,  toirflid)  au$  bem  Glauben  lebenben  $atr)o* 
Ufert  mürben  raot)i  er)er  ein  ©lud  t)on  itjrem  bergen  t)in= 
geben,  et)e  fie  anf  biefe  irjnen  an'3  £>er$  geroacrjfene  Siebe 
gegen  irjre  jenfeitigen  trüber  in  ßrjrifto  t»ergt(^ten  motten. 
Unb  ba3  oft  erneuerte,  fromme  unb  liebeooEe  SInbenfen 
an  biefe  hinübergegangenen  ober  t)ottenbeten  trüber  übt 
aucr)  auf  unfer  gan§e3  ®emütl)^  unb  (Seelenleben  einen 
fortmärjrenben  unb  genriß  feinen  nad)tr)etligen  fittticfjen 
Einfluß.  @3  erneuern  ftd)  mit  biefem  2lnben!en  gugleidj 
Siebe,  Sreue,  ©anfbarfeit,  Hoffnung  unb  ©erjnfuäjt,  fur$ 
alle  jene  ebleren  unb  marteren  ©efürjte  unb  ©efinnungen, 
bk  Übet  ba$  bloße  ©Innenleben  un3  r)ocfj  emporheben. 
2lucr)  üon  einem  unmittelbaren  füttiäjen  Einfluffe  ift  bk 
Uebung  biefer  ^flidjten.  Qd)  rann  ntcfjt  an  bie  nodj  einer 
jenfeitigen  Säuterung  unterworfenen  ©eelen  benfen  unb 
für  fie  ®otte3  SBarmr)er§igfeit  anflehen,  orjne  baß  ber  ®e* 
banfe  an  bie  ($ere$tigfeit  $otte3  mir  felbft  eine  r)eilfame 
gurdjt  einflößt  unb  bie  Erinnerung  an  bk  ©trafen,  bk 
fie  fetbft  für  geringere  gerjter  unb  ^tadjläffigfeiten  nodj  p 
erfterjen  tjaben,  muß  miä)  fetbft  mit  einem  befto  größeren 
unb  lebhafteren  SIbfäjeu  vov  ber  ©ünbe  erfüllen.  Unb 
toa3  bie  $eret)rung  ber  Eiligen  be£  §immel3  betrifft,  fo 
entflammen  bk  Sitgenbbeifptele,  bk  idj  an  ilmen  t>erer)re, 
in  mir  felbft  bie  Siebe  unb  ben  Eifer  für  bie  djrtftlidje 
Stugenb  unb  sieben  mid)  nrirffam  §u  bereu  Uebung  r)in. 
Unb  wie  ftärfenb  unb  ermutlngenb  ift  nict)t  pgleidj  ber 
£htbtict  auf  fol^e  £ugenbbeifpiele?  %Ran  muß  fein  menfd)* 


182  ©echtes  ©efpräc^. 

ItdjeS  ©er§  f)abett,  um  nidjt  ju  füllen,  tüte  erljebenb  unb 
ermunternb  in  fdjtoeren  kämpfen  unb  Setben  ber  ©ebanfe 
fei:  auü)  biefer  ober  jener  üoEenbete  ©eilige  war  nur  du 
fcf)raac§er  äftenfcf),  rate  bu  bift  unb  er  §atte  es  nidjt  beffer 
als  bu,  unb  er  darrte  bennodj  au$  unb  fiegte.  —  2M)  maS 
bie  ^flidjten  ber  Siebe  gegen  mtdj  felbft  betrifft,  fo 
finb  fie  nad)  ber  fat^olifd^en  unb  ber  proteftantifdjen  @tt= 
tenleljre  buxfyauä  nidjt  btefelben.  £)ie  faüjoltfdje  $Ur<$e 
f treibt  für  genriffe  Seiten  unb  £age  ba$  gaften  vox  unb 
empfiehlt  e£  anberfetts  nid)t  allein  als  IjeilfameS  £ugenb* 
mittel,  fonbern  auü)  als  gottmoljlgefällige  £ugenbübung. 
@tmaS  ©leidjgültigeS  ift  baS  gaften  bod)  genrifj  nidjt,  fonft 
fyätten  mol)l  au^er  ben  ©eiligen  beS  alten  23unbeS  nidjt  audj 
bie  ©eiligen  beS  neuen  SBunbeS  unb  (SljriftuS  felbft  es  fo  fleißig 
geübt  unb  empfohlen.  28o  toeijs  man  aber  bei  ben  $roteftan* 
ten  nodj  etwas  oom  gaften  ober  gar  einem  gaftengebote? 
SDeSgleidjen  forbert  bk  fatljolifdje  ^ird^e  ^Bujgübungen 
§ur  Slbbüftung  ber  oerwirf  ten  seitlichen  ©trafen  ber©ünbe; 
fei  es  audj  nur,  ba$  mir  (£l)riftuS,  bem  Könige  ber  23üf$er, 
äljnlidjer  unb  gleichförmiger  werben.  @in  unwichtiger 
©ebel  für  baS  ftttlidje  ßeben  finb  redjte  Söüjgungen  unb 
bie  einem  rechten  ^u^eifer  entfpringenben  guten  äöerfe 
gewi£  ebenfalls  nidjt.  S)ie  fdjönften  unb  l)elbenmütl)Lgften 
Aufopferungen  unb  Unternehmungen  im  £)ienfte  ber  üftädj* 
ftenliebe,  womit  bk  Blätter  ber  $efd)id)te  ber  djriftlidjen 
JUrdje  betrieben  finb,  oerbanfen  eben  biefem  djriftlidjen 
23uf3eifer  i^re  ©ntfte^ung;  unb  bk  grüßte  beffelben  forn* 
men  oft  audj  benen  nod)  §u  ©ute,  bk  ftdj  je|t  fo  feljr 
bagegen  ereifern.  £)ie  proteftanttfdje  (Sittenlehre  forbert 
weber  S3uf$eifer  nod;  ^Buftübungen  ober  SBujswerfe,  unb  ba 
fie  mit  iljrem  alleinfeltgmadjenben  ©lauben  ba&  föinb  mit 


©echtes  ©efpräd).  183 

bem  33abe  ausgefluttet  §at,  fo  ift  freiließ  ber  ©pott  ber 
proteftanttfdjen  Geologen  über  ben  Slblaß,  woburdj  bie 
$irdje  b$n  wahren  äußern  bei  Erfteljung  ber  $uße  §u 
§ülfe  fommt,  etwas  feljr  woljlfeileS. 

2öaS  fott  idj  nun  noäj  twn  mannen  l)eroifd)en  Xu* 
genben,  5.53.  ber  ewigen  jungfräuli$en$eufd($eitreben, 
beren  SBltitlje  bie  proteftajttifäje  Sittenlehre  einfadfj  abge* 
ftreift?  2Sa3  fott  iä)  ferner  t>on  ber  $eiäjte  reben?  ©ine 
xoie  wichtige  unb  ftttlid)  Ijeilfame  2lnftalt  fie,  au$  nur 
natürlidfj  betrautet,  fei,  baS  wiffen  audj  bie  proteftanttfdjen 
^rebtger  redjt  gut;  benn  umfonft  »erlangen  bie  Eifrigen 
unter  ilmen  ni<$t  fo  fe^r  i§re  28iebereinfül)rung ;  ba  fie 
bie  $etä)te  aber  nid^t  als  göttlidje  Slnftalt  gelten  laffen, 
fo  fage  idj  iljnen  olme  $ropl)etengabe  twrauS,  ba$  alles 
$emül)en,  fie  allgemein  wieber  bei  tljnen  einzuführen, 
bodj  nur  eine  t-erlorne  9Jlül)e  fei.  Ebenfowenig  brause  id) 
fäjließliclj  Don  ber  1)1.  (Kommunion  §u  reben.  gür  ben 
Rafyolvten  ift  fie  xoixilitf)  bie  göttliche  ©nabenquette,  aus 
ber  trinfenb  er  fein  geiftltdjeS  £eben  gefunb  unb  frifdjj 
erhält  unb  woraus  er  $u  ben  immer  neuen  kämpfen  unb 
Opfern  auef)  immer  neue  Gräfte  fdjöpft:  was  ift  fie  ba* 
gegen  für  ben  $roteftanten?  (Sin  «Seiten,  ein  $ilb,  eine 
Erinnerung  an  ben  abxoe\enben  EljriftuS,  nifyt  ber  wal;r* 
l)aft  unb  wirflidj  anwefenbe,  nidjt  ber  walire  Emmanuel, 
©ott  mit  uns,  unb  alfo  audj  feine  reale  Bereinigung  mit 
©ott.  Unb  bie  Sßirrungen  werben  gewiß  nifyt  größer  fem, 
als  bie  IXrfa^e. 

ES  finb  bie%  alles,  lieber  §err  Eommercien*9tatl), 
nur  bloße  Slnbeutungen,  bie  iü)  mir  über  bie  frag* 
lidjen  Unterfd)iebe  ber  proteftantifdjen  unb  ber  fatljolifdfjen 
(Sittenlehre  liier  erlaubt  Ijabe;  benn  tdfj  fann  biefe  &n* 


184  <£ecpte§  ©efpräd). 

beutungen,  o*me  §u  weitläufig  gu  werben,  ntdjjt  weiter  aus* 
führen,  unb  baä  2Werwid)tigfte  IjaBe  td)  nod)  nidjt  einmal 
angebeutet. 

@ommercten*9tatf).  Unb  biefeS  OTerwidjtigfte 
wäre? 

3dj.  2)af3  im  Spfteme  be3  firengen  fymbolgläubigen 
$roteftantt3mu3  bie  Sittenlehre  überhaupt  feine  ©teile 
finbet. 

(£ommercten*9ftatJj.  2)a3  pre  idj  bod)  jefet  §um 
erftenmale;  warum  fottte  benn  in  bem  genannten  Strfteme 
bte  Sittenlehre  feine  Stelle  finben? 

3$.  SBetl  biefeS  Softem  bem  gefallenen  Sttenfdjen 
bie  2öitfen3freil)eit  ober  bie  SBafjlfreiijeit  prifdjen  gut 
unb  böfe  abfpric^t,  unb  weil  es  of)ne  biefe  2öal)lfret* 
l)ett  aud)  leine  $erantwortlidjleit,  leine  Sdjulb  unb  lein 
SBerbienft,  überhaupt  lein  fittltdjeS  §anbeln  gibt.  Unb 
abgefe§en  fyiexvon  l)at  bie  ftjmbolgläubige  protefiantifdje 
£el)re  vom  „aKeinfeltgmadjenben  Glauben"  allem  ftttlidjen 
fingen  unb  Streben,  um  ben  gelinbeften  2Iu3brud  gu  ge* 
brausen,  von  norn^erein  bie  glügel  abgefdmitten. 

ßommercien^atf).  ®a£  finb  aber  bod)  bei  uns 
längft  überwunbene  Stanbpunlte. 

Qdj.  SlUerbing^  finb  e%  bei  bei  immenfen  Wieweit 
ber  heutigen  ^roteftanten  überwunbene  Stanbpunlte  unb 
betyalb  legte  unb  lege  iti)  barauf  audj  lein  weiteres  $e* 
wi^t.  @S  Rubelte  ftdj  mir  l)ter  nur  baxnm,  Qlmen  §u  zeigen, 
ba%  ber  confeffioneUe  ^nbifferentiSmuS,  bem  Sie  fo  ba$ 
28ort  gerebet,  mnerltdj  unwahr  unb  in  attweg  unhaltbar  fei, 
bamit  Sie  bod)  ba3  Sßodjen  auf  benfelben  lünftig  Zubern 
überliegen.  £>enn  in  Q^xem  Wlunbe,  geehrter  §err  (Sommer* 
äen  =  $atl),  Hingen  gewiffe  ftol^e  fertige  Lebensarten  am 


©ecpteä  @efpräd&.  185 

töcnigften  fc&ön.  2Ba3  Qljnen  unb  8§rer  $tlbung  giemt, 
ift,  baft  (Sie  ba3  glittergolb  von  altern  (Mbe  unterftf)et* 
ben,  unb  bajs  ©ie  über  eine  &atf)t  nie  aburteilen,  bi£ 
©ie  fte  xgenau  geprüft  unb  unterfu^t  rjaben.  SRö^ten 
©ie  boä)  biefen  $lafy  befolgen!  <Ste  würben  ben  maffen* 
haften  Xlebertritt  8§rer  @onfeffion3 genoffen  §ur  fatrjolifdjen 
kirdje  wettetet  nidjt  einmal  abwarten,  fonbem  mit  bem  be* 
rühmten  £a  £arpe  fagen:  „Qäj  Ijabe  geglaubt,  fobalb  tdj 
unterfud)t  Ijabe."  Qn  ber  £§at  erflehten  ©ie  mir  gu 
ebel,  als  baß  iä)  ba3  ©egentljeil  annehmen  foKte.  £)ie 
religiöfe  äßaljtfjeit  nidjt  erlennen,  ift  oft  nur  ein  Xtnglüct 
unb  feine  ©djulb;  aber  bte  SBa^r^eit  ernennen  unb  fie 
nidjt  benennen,  ift  unehrenhaft  unb  eines  freien  3Jton* 
neS  unmürbig. 

£)er  (Sommercien  *  $tat§  fd)ien  §toar  burdj  baS  Sfte* 
fultat  unfereS  ^efpräd^e^  nidjt  feljr  befriebigt,  fefcte  aber 
baffelbe  aud)  nt<$t  fort.  ®raf  QuliuS  unb  ber  igof* 
ratij  Ratten,  ber  erftere  mit  meljr  ©ruft,  ber  anbere  mit 
me^r  igetterfeit,  aber  Mbe  mit  ftdjtltdjem  gntereffe  bem 
©efprädje  pgerjört,  nur  ber  Slbfofat  blieb  bis  §um  ®nbz 
tjerfttmmt.  £)erfelbe  befäjleuntgte  audj,  nac^bem  er  feine 
®efdjäfte  erlebigt,  am  anbern  borgen  feine  Slbreife. 


©teöentes  ©eforäd)* 

„3$r  ebten  2>eutfdjen  reißt  ttotfi  ni#t, 

2Ba8  eine«  treuen  Se&rerS  SPf(t$t 

gür  eud)  roetjj  ju  Befielen; 

3"  3«gen,  wa§  moraliffl  fei, 

(SrlauBen  wir  un8  fran!  unb  frei, 

(Sin  galfum  ju  Begeben. 

£ierju  Ijaben  Wir  dtttyt  unb  £itei 

©er  Btoeci  heiligt  bie  Mittel. 

SSerbammen  wir  bie  Gefuiten, 

<So  gilt  e§  bocfc.  in  unfern  ©itten." 

(@cet$e,  ja^me  Xenien.) 

HUemt  i<§  ^nen  audj  Sitten  pgeben  tmtt,  begann 
<xm  anbern  £age  ber  §ofrat|  p  mir  fytngeraenbet,  —  roaS 
Sie  un3  geftern  über  ben  Unterfdjteb  ber  fattyolifdjen  nnb 
ber  proteftantifd^en  Sittenlehre  gefagt,  unb  wenn  tdj  fo* 
gar  in  ben  fünften,  bte  Sie  l)erau3gel)oben  §aben,  ber 
fatljolifdfjen  Sittenlehre  gern  ben  $or§ug  einräume,  fo  Ijabe 
i<$  bod)  gegen  btefelbe  nodf)  ein  paar  53eben!en  auf  ber 
Seele,  bie  mir  burdj  $$xen  geftrigen  Vortrag  erft  nrieber 
redfjt  §um  SBenmfjtf ein  gekommen  ftnb,  unb  Sie  erlauben 
mir,  baß  itf)  midj  barüber  ganj  offen  unb  freimütig  aus* 
fpredje.  SDaS  (Srfte,  n>a8  mir  53eben?en  erregt,  f  leibe  tdj 
in  bk  grage  ein:  wenn  bie  fatl)olifdfje  Sittenlehre  in 
i^rem  Hnterf^iebe  t)on  ber  proteftantifdjen  etm$  fo  $or* 


©ieknteä  @efpräd>.  187 

treffliches  i%  raarum  trägt  fie  benn  feine  ebenfo  vortreff* 
lidjen  grüßte?  Sclj  bezweifle  ntcljt,  bag  es  unter  bm 
RatfoliUn  rec^t  viele  gute  ttnb  treffliche  ©Triften  gibt, 
aber  gibt  es  beren  nidfjt  audfj  unter  ben  $roteftanten? 
Unb  rao  es  beren  metyr  gibt,  l)ier  ober  bort,  barüber  liege 
ficlj  vielleicht  nod)  fel)r  ftreiten.  2Mre  alfo  bte  fatljolifdjje 
Sittenlehre  in  attraeg  beffer  als  bk  proteftantifd^e,  fo  mügte 
man  bieS  offenbar  aufy  an  tfjren  befferen  Söirftmgen  fefyen, 
wovon  i$  aber,  fo  weit  meine  Erfahrungen  reiben,  fo 
tuet  ehen  nodlj  nidfjt  gefeljen  l;abe. 

£)er  jtoeite  $un!t  betrifft  bie  ,3efuiten*3ftoral, 
bk  Sie  bocr)  geraig  nid)t  raerben  ganj  rein  raafdjen  motten, 
ba  fie  ja  meinet  SBiffenS  felbft  von  tatljolifdfjen  ®e* 
lehrten  unb  Geologen  mitunter  redjt  ftarf  mitgenommen 
roorben  ift.  SDodlj  biefe  Sad&e  könnten  mir  l)ier  einfach 
auf  ft$  berufen  laffen,  raenn  nur  nidjjt  bk  fatljoüfdje 
$ird()e  burdfj  bk  SDulbung  -unb  Empfehlung  ber  Qefuiten 
ftd(j  für  ü)re  layen  unb  fittenverberblicljen  Seiiren  unb 
®runbf%  mitveranttvortlidjj  machte.  £)ag  aber  bie 
latl)olif$e  $ird)e  fid;  auf  ber  einen  &t\k  in  iljren  ®lau* 
benS^  unb  Sittenlehren  für  unfehlbar  erflärt  unb  bodj 
auf  ber  anbern  <5tiU  fo  laye  unb  fittenverberblidje  Seljren 
rul)ig  gemäßen  lägt,  ja  burdf)  bk  ^Begünstigung  ber  @e* 
fellfcljaft,  bk  fie  verbreitet,  ilmen  fogar  nodfj  $orfd(jub 
leiftet:  —  baS  reime  pfammen,  raer  es  fann. 

£)er  Einbrucf  btefer  Söorte  auf  bk  2tnraefenben  mar 
ein  fel)r  vergebener.  2tm  unangeneljmften  raarb  ®raf 
Julius  bavon  berührt  unb  p>ar  aus  einem  ^raeifadjjen 
©runbe.  Er  Jjatte  fdfjon  lange  M  ftdfj  bie  fülle  Hoffnung 
genährt,  bm  §ofrat§  in  bm  ©d^oog  ber  $ird(je  jurücf* 
froren  unb  fo  um  bk  vielen  frönen  $anbe,  bie  i^n  mit 


188  ©iefcenteö  ©efprätf). 

biefem  teuren  Qugenbfreunbe  t>erfnüpften,  nocf)  ba3  $anb 
be£  gemeinfamen  ©laubew*  gefäjlungen  §u  feiert;  unb 
burtf)  ba3  Sßeneljmen  unb  bie  2Jeußerungenx  beffelben  in 
ben  ©efprädjen  ber  legten  Sage  t;atte  er  in  biefer  ©off* 
nung  nur  beftärft  werben  fönnen.  Unb  nun  plö$lt$  wieber 
biefer  tt)ibrige  unb  Werbe  3Jli§tonf  woburdjj  alle  feine  ©off* 
nungen  mit  einem  SÜMe  lieber  fo  tjeruntergeftimmt  wur* 
ben!  SIber  faft  eben  fo  unangenehm  war  tym  biefer 
©ereingieWen  ber  Qefuiten  in  bie  3)tScuffion.  £)enn  ba  er 
von  feinen  wenig  freunbltdfjen  ©efinnungen  gegen  biefe 
©efeKfdjaft  aud)  feinem  Qugenbfreunbe  hin  ©eWeimntß 
gemalt,  fo  brüdte  tfm  ba$  $ewußtfetn,  ba%  er  ben  t>or* 
murf^ooEen  £abel,  ben  fidj  ber  greunb  Wier  gegen  bie 
Sefuiten  wie  gegen  bie  fatWoItfäje  MrcWe  erlaubt,  woWl  felbft 
mitoerantaßt  §abe.  ©an$  entgegengefe|t  mar  ber  ®in* 
bxud  ber  genannten  (Sinrebe  auf  ben  @ommercien*9fatW. 
Man  tonnte  tWm  beutlicW  anfeWen,  wie  M  biefen  SBorten 
feinet  23ruber3,  bk  er  t)on  iWm  gewiß  ntd)t  erwartet,  feine 
Ettifjlaune,  bie  er  me  gewöWnlicW  cmä)  bie^mal  p  unfern 
Unterhaltungen  mitgebraä)t,  aEmäWlicW  fdjwaub  unb  fein 
©efidjjt  ftdj  erweiterte.  2Ba3  midfj  felbft  betrifft,  fo  tarn 
mir  gwar  biefe  neue  unb  etwaä  heftige  unb  Werbe  @in* 
rebe  be3  ©ofratp  auä)  etwa3  unerwartet,  id)  ließ  mtdfj 
aber  baburdfj  nidjt  im  äJUnbeften  au3  ber  gaffung  bringen. 
SDenn  tWetlS  Watte  iä)  in  Stöfidjt  auf  eine  balbige  Sftütf* 
feljr  be3  ©ofratW^  §ur  fatWoltfäjen  ßirdje,  fo  günftig  unb 
freunblicW  aucW  in  ben  legten  Sagen  feine  Äußerungen 
waren,  boäj  midf)  ntdjt  benfetben  Sttufionen  Eingegeben, 
wie  unfer  ebler  ©aftfreunb,  t^eilS  war  idfj  gerabe  an  biefe 
©inreben,  bk  idjj  je$t  wieber  gu  Wären  befam,  fo  gewöhnt, 
baß  fic  auf  mid)  feinen  (Stnbrud  meljr  matten.  Qu  aller 


(Siebentes  ©efptäd).  189 

Sftufje  erwieberte  t<$  ba^er  bem  £ofratl) :  Qdj  wmnbere  midj 
über  3§re  Betben  ©inrebeu  unb  idj  wunbere  midj  barüber 
aud)  toterer  nidjt;  unb  bie  ®rünbe  für  ba$  (£ine  wie  für 
ba3  Inbere  Ijier  nodj  weiter  §u  erörtern,  werben  Sie  mir 
erlaffen.  2öa3  aber  bk  ©acfye  felbft  angebt,  fo  fann  td) 
3fönen  für  bk  Offenheit,  womit  @te  fid)  barüber  erftärt, 
getütis  ntdjt  beffer  bauten,  aU  inbem  i$  fte  mit  einer 
gleiten  Offenheit  erwiebere.  3Sa3  alfo  Qljre  erfte  @tn* 
wenbung  betrifft,  fo  unterfdjeibe  itf)  mit  einem  erleuchteten 
$eifte3manne  üier  Betriebene  klaffen  von  Stiften:  idt) 
unterfeljeibe  fettige,  gute,  laue  unb  fdjledjte  ßljttften. 
6d)ledjte  Triften  gibt  e£,  wie  wir  gewig  etnoerftanben 
finb,  Ijüben  unb  brüben  letber  in  groger  galjl;  voenn  tdj 
audj  annehmen  will,  ba$  bk  meiften,  bte  fdjledjt  finb,  e$ 
weniger  finb  ober  e3  anfänglich  würben  burdj  einen  pofitit) 
t)er!el)rten  obet  bo^ljaften  Söillen,  aU  trielmeljr  burd) 
@<$n)äclje,  ^adjläffigfeit  unb  Itnadjtfamfeit.  2öa3  bk  1)1. 
©djrift  Don  @fau  fagt:  ,ßx  afytete  e£  gering,  baf$  et  bte 
©tftgebutt  t>etfauft"f  ba§  fann  man  audj  twn  gat  trielen 
Stiften  fagen,  bk  e3  audj  nidjt  achten,  bte  ©rftgeburt, 
bk  tljnen  (SljrtftuS  erworben,  für  einen  Stnfenmug  prei^* 
zugeben,  ©erabe  Ijerau3  fonnte  man  audj  fagen,  bk 
meiften,  bk  fdjledjt  finb,  finb  mel)r  fdjledjt  burd)  2)umm* 
Jjett  aU  burdj  SBoSfjeit  2öo  e§>  nun  ber  fdjledjten  Triften 
meljr  gibt,  unter  ben  $roteftanten  ober  unter  ben  Äatljo* 
lifen  —  biefe  grage  ift,  wenn  fie  ftdj  aud)  mit  mat$e= 
matifdjer  Genauigkeit  beantworten  liege,  für  ben  vorliegen* 
ben  Qvoeä  §iemltdj  gleichgültig;  benn  bk  $atljoltfen,  bk 
fdjledjte  ©Triften  finb,  finb  e<8  roaljrltdj  nidjt  burdj  bk 
fatliolifdje  Religion,  fonbern  meintest  burdj  ba$  gerabe 
Gegenteil,  burd)  ein  (£ntgegenl)anbeln  gegen  bk  fatbolifdje 


190  ©te&ente§  ©efpräd). 

Religion ,  burdj  $eraä)tung  ober  SJiifcbraud)  t^rer  Seiten, 
i^rer  ®naben*  unb  igeüSnuttel.  Unb  fie  beftättgen  nur 
bie  t)on  ber  latl;olifä)en  ®ird)e  fo  conftant  feftgeljaltene 
unb  t>erfod)tene  Se^re  von  untrer  fortbauernben  2Bal)l= 
freist.  Söenn  man  nadj  jenem  2lu3fprud)  unfere3  £eilan* 
be$:  „@in  jeber  gute  $aum  bringt  autf)  gute  grüßte 
l)ert)or"  bie  grüßte  ber  latljolifdjen  $tr$e  unterfudjen 
nriE,  muft  man  biefe  grüßte  bei  £)enen  fudjen,  bie  nrirl* 
lidj  nad)  biefer  Religion  leben,  nifyt  bei  benen,  bk  il)r 
entgegenlianbeln.  Unb  bafyer  lege  ify  aud)  auf  bie  von 
Seit  §u  3e^  W  Deffentltdjfett  gelangenben  ftattftifäjen 
^aäjroetfe  über  ba3  gal)lent)erl)äTtm|3  ber  ^erbredjer  in 
fatljpltfdjen  Säubern  unb  Sßrotrinsen  p  bem  in  proteftan* 
tifdjen  ©egenben,  romn  fie  auä)  im  allgemeinen  §u  fünften 
ber  $atl)olilen  auffallen,  bod)  lein  fonberltd)ej3  ©eroid)t. 
Qa  iä)  ftnbe  e3  fogar  fe§r  natürlich,  bajg  ba§  Safter  ober 
Sßerbred)en  bei  einem  aerlommenen  $atljolilen  nodjj  in 
einer  Ijäftfidjeren  unb  fdjred; liieren  ©eftalt  auftritt.  2)er 
alte  @rfal)rung3fa£ :  corruptio  optimi  pessima  (wenn  ba§ 
^Befte  oerborben  nrirb,  fo  nrirb  e£  erft  red)t  üerborben)  — 
rmeberliolt  ftdj  l)ter  nur.  Unb  fo  gut  fdjle^te  Triften 
in  ber  Siegel  fdjtedjter  finb,  als  fdjledjte  Reiben,  —  roa£ 
aber  lein  SBemetS  gegen  ba§  ©fjrtftentyum,  fonbern  vieh 
meljr  ein  SöeroeiS  für  baffelbe  ift;  fo  gut  finb  audj  fäjleä)te 
$atl)olilen  in  ber  Siegel  fdjledjter,  als  fdjledjte  proteftan* 
tifdje  Triften,  rcenigftenS  finb  fie  unter  gleiten  Urnftän- 
bm  vox  ©ott  fdjulbbarer.  $ie  Dielen  größeren  äußeren 
unb  inneren  ©naben,  bk  fie  miPrauäjt,  finb  ebenfo  triele 
^erfdjärfungen  tfjrer  <&fynlb  uub  i^rer  ©traftoürbigleit. 
Qu  ber  unmenfdjliäjen  SBoS^eit  unb  SSermorfen^eit  3.  $• 
ber  Solidaires  in  Belgien  liefert  uns  ba§>  alte  §eibentl)um 


<Sie6ente§  ©efprädE).  191 

wfjl  taum  ein  ©eitenftüä;  unb  unter  ben  3Rt<^t^tt)ürbigften 
biefer  9cid)t3it)ürbtgen  fpielen  geroifj  üerfommene  Katt)o* 
iihn  bie  Hauptrolle.  3)a3  2öort  unfere3  göttlichen  §etlan* 
be£:  „SSefy  bir,  ßorogain,  roe§e  bir,  $ett)faiba l"  u.  f.  tu. 
gilt  bem  SSefen  nadj  für  alle  Triften,  aber  oorsugSmeife 
boä)  für  bie  Katljoltfen.  lieber  biefen  $un!t  alfo,  ibenfe 
tcfj,  finb  mir  »ottftänbig  einig.  £)te  lauen  ß^riften  (unb 
t§r  3uftanb  ift  auäj  ntdjts  SBeneibenSroertfjeS,  unb  um  fo 
weniger,  ba  fie,  häufig  in  gefährlicher  ©elbfttäufämng  be* 
fangen,  jidj  notf)  für  redjt  correct,  für  eljrltd)  unb  brat) 
galten,  fo  bafj  bei  iljnen  ein  Stuffdjtmmg  p  etroa3  SBefferem 
unb  Höherem  nodj  feltener  ift,  aU  eine  grünblidje  $e* 
lel)rung  bei  ben  fdjledjten)  —  fie  finb  audj  eben  nic^t 
bünn  gefäet,  meber  $ü&en  nod)  brüben.  £)oäj  finb  fie 
jebenfalte  M  un£  bünner  gefäet,  als  bei  Qljnen,  roooon 
man  ftdj  tagtäglich  burdj  ben  2lugenfd)ein  überzeugen  fann. 
SDenn  t)ergleid)en  @ie  boä)  einmal  in  einem  unb  bemfelben 
Sanbe  (§.  §ö.  in  unferm  lieben  SBaterlanbe)  bie  3al)l  ber 
Kirchengänger  unb  2lbenbmal)l3empfänger  (£)inge,  bie  bodj 
§ier  offenbar  mit  in  SBetradjt  fommen)  unter  ben  Katljo* 
lifen  im  SBerpltniß  §u  ber  unter  ben  Sßroteftanten.  SDurd^ 
manbern  ©ie  mal  an  einem  beliebigen  ©onntage  &.  23.  bie 
beiben  §anbel<oftäbte  Köln  unb  3Jlagbeburg,  bie  Sitten 
in  Ottern  genommen  gu  einem  SBergleidje  in  ber  genannten 
§8e§ie§ung  ftdj  gan§  befonberS  eignen  möchten,  ©o  weit  id) 
entfernt  bin,  ba$  fdjmücfenbe  23eituort  heilig  aud)  auf  ba$ 
heutige  au3  allen  möglichen  Elementen  sufammengemifdjte 
Köln  nod)  anmenben  gu  motten,  fo  nrill  iä)  bodj  mit  3l}nen 
wetten,  um  roaS  6ie  motten,  bafj  in  biefer  rl)einifdjen  6tabt 
ber  fonntäglidje  Kirdjenbefudj  roenigftem§  um  ba$  Qman^ 
fad&e  beffer  ift,  als  in  ber  genannten  ©tabt  an  ber  @lbe. 


192  eiefcenteä  ©efpräd). 

33on  bem  $erl)ältniffe  ber  3$eifaaljme  an  bem  merftägigen 
öffentlichen  ©otteSbienfte  (ber  ja  bei  ben  ^roteftanten  burd)* 
geljenbs  gang  auger  Uebung  gekommen  ift)  will  idj  l)ier  gan§ 
abfegen.  Dber  vergleichen  Sie,  um  in  berfelben  ^rot)in§  ju 
bleiben,  in  biefer  $e§iel)ung  ba§  weftfälifdje  2)ortmunb 
(nadj  2lbjug  feiner  fat^olifc^en  Sßeoölferung)  unb .  baS 
raeftfälifdje  fünfter.  2)ie  <&atf)e  erftärt  ftdj  aber  audj  fe^r 
leidet  unb  einfach,  olme  ba$  man  notljmenbig  fyat,  beSljalb 
ben  $atl)oltfen  als  folgen  ein  befonbereS  Kompliment  §u 
matten.  S)a3  Kompliment  gebührt  l)ier  aEein  ber  fcttljoli* 
fdjeu  Rivfye  unb  i^rer  meifen  ®efe|gebung.  6ie  roeif*  §u 
gut,  bafc  ber  Sttenfdj  M  feiner  natürlichen  Unaufgelegtljeit, 
£rägl)eit  ober  SJtotttgfeit  für  ben  Stfenft  ©otteS  eines 
äußeren  Sporns  bebarf;  unb  biefer  äußere  Sporn,  womit 
fie  t§re  ©lieber  %ux  £l)eilnal)me  am  öffentlichen  fonntäg* 
liefen  (MteSbienfte  antreibt,  ift  eben  tl)r  ftrifteS  @ebot. 
(SS  mag  baffelbe  manchem  $atl;olüen  oft  redjt  unbequem 
fein,  aber  er  ift  einmal  tum  Qitgenb  auf  att  öfe  sgeobadh 
tung  beffelben  gewöhnt,  unb  wenn  er  es  audj  fonft  mit  ber 
Erfüllung  feiner  retigiöfen  Sßfftdjten  ntdjt  befonberS  ftreng 
nimmt,  fo  will  er  bodj  wenigftenS  über  bie  3ftarffteine,  bie  baS 
©ebot  iljm  gefe|t,  nidjt  gerabe^u  hinweggehen.  §alb  wiEig, 
Ijalb  unwiEig  ftdj  bemfetben  fügenb,  gel)t  er  vkMtyt  oft 
lalt  unb  lau  in  bie  Jftrdje  hinein,  unb  er  gel)t  erwärmt  ober 
boä)  in  etwa  belebt  nrieber  heraus  unb  nrirb  fo  üor 
gänjltdjer  retigiöfer  £rägl)eit  unb  ©ottoergeffen^eit  be= 
wal)rt.  §ter§u  fommen  audj  manche  anbere  IXmftänbe,  bie 
uns  bie  genannte  Krfdjeinung  letdjt  erflärlidj  machen, 
^roteftanten  l)ört  man  ja  felbft  oft  genug  barüber  flagen, 
ba$  man  burdj  fein  fatl^olifdjeS  £anb  reifen  fönne,  oijne 
faft  auf  jebem  Stritt  öffentlich  aufgefteEten  $rucift£en, 


(Siebentel  ©efprädj.  193 

Statuen  ober  23ilbniffen  ber  Sungfr au  3^wia  unb  ber 
^eiligen  ober  aud)  ben  „blutenben  2Bunben  bei  §etfatt- 
bei"  §u  Begegnen.*)  Aber  eben  foltfje  äußere  religiöfe 
Seidjen  nnb  ©mnbilber,  bie  ben  Äatfjolifen  redjtl  unb 
linU  umgeben,  brängen  il;m,  aud)  wenn  er  fidj  fonft  mit 
Religion  nid)t  gern  ju  Raffen  madjt,  bodj  bann  unb  mann 
faft  untmttruljrlidj  religiöfe  ©efuljle  ober  Erinnerungen 
auf  ober  meden  unb  beleben  ben  unter  ber  Afdje  weit* 
lidjer  ©orgen  ober  Streuungen  verborgen  glimmen* 
ben  religibfen  gunfen,  bafc  er  nidjt  oöffig  erlöfdje.  Aud) 
bie  in  ben  fatljoltfdjen  ©egenben  entmeber  aul  alter  Seit 
nod)  erhaltenen  ober  in  ben  leiteten  Seiten  eine!  regeren 
fattyoltfdjen  SOßirfenl  unb  ©djaffenl  mteberl)ergeftellten  ober 
neu  erridjteten  Möfter  finb  für  unjäl)ltge,  bie  fie  tägltdj 
ober  ftünblidj  fel)en,  eine  fortmä^renbe,  wenn  audj  ftumme, 
bodj  fel)r  berebte  Sßrebigt  gegen  ben  überl)anbnel)menben 
äöeltgeift.  £>al  SBetfpiel  ber  freiwilligen  Armut^  unb 
Aufopferung,  mie  el  uns  bie  barmherzige  ©djroefter,  bie 
arme  grangiltanerin  ober  ein  armer  $arm§iner=$ater  leib* 
Ijaft  t>orfül)rt,  wirft  M  §unberten  r-on  Sftenfdjen  gegen 
bie  fo  um  fid)  greifenbe  £ab*  unb  ®enu|3fudjt  meljr  all 
attel  blofte  SDetlamiren  gegen  biefe  Safter.  Umfonft  finb 
bie  ©egner  ber  djriftltdjen  Religion  auf  bie  JHöfter  nid)t 
fo  übel  §u  fpredjen.  Söenn  biefe  ber  t&afye  ber  Religion 
tii<^t  fo  nüfclidj  mären,  mürben  fie  gemiß  nid)t  fo  gegen 
fie  eingenommen  fein. 

S)o$  gel;en  mir  §u  ben  beiben  nod)  übrigen  Haffen 
t)on  Triften  über;  §u  ben  guten  unb  §u  ben  ^eiligen 
Triften. 


*)  ®oetf)e  in  ber  ^ecenfion  ber  „ 2ttlem<mmf djen  ©ebidjte"  v.  $e6ef. 

BtoeiteS  &if#öfU<$e§  SÖBort.  13 


194  ©iefamteä  ©efpräc§. 

©Ute  ©Triften  nenne  idf)  biejenigeu,  bk  btn  guten, 
ernften  unb  ftanbfyaften  SBiEen  Ijaben,  allen  Geboten  ßfjrifti 
treu  §u  entfpredjen.  £>enn  gut  ift  man,  wenn  man  mit 
©ott,  ber  allem  gut,  vereinigt  ift,  unb  man  ift  mit  ©ott 
vereinigt  burd)  bie  Siebe  unb  man  liebt  ©ott,  wenn  man  feine 
©ebote  l)ält  nadfj  ber  au^brüdli^en  (Mtärung  unfere£ 
£eilanbe£:  „2öer  meine  ©ebote  fyat  unb  fte  l)ält,  ber  ift  e3, 
ber  midj  liebt".  Unter  biefen  ©eboten  SfcrifH  befinben  jtdfr 
nun  pmr  mand&e,  von  benen  man  nidfjt  fagen  fann,  bafj 
proteftantifdje  Triften  fte  gelten,  %.  $.  ba$  ©ebot  p  betdfj* 
ten,  ba3  ©ebot,  ba$  ty.  (unblutige)  Dpfer  be3  neuen  $unbes 
p  feiern,  ba3  ©ebot,  fein  §1.  gleifä)  §u  effen  unb  fein 
1)1.  $tut  §u  trinlen  u.  f.  m. ,  aber  gteidfjrootjl  mödf)te  i$ 
bodfj  Dielen  unter  tlmen  ba$  $räbifat  gut  noä)  nid&t 
abfpredfjen.  ©ie  beobachten  biefe  ©ebote  (Sljriftt  ni^t  ber 
£l)at  nad),  aber  bod)  bem  SBiUen  nadfj,  unb  ©ott  nimmt 
ben  guten  3öiHen,  ber  olme  unfere  Sdjjulb  nifyt  §ur  £ljai 
nrirb,  für  bie  %^at  felbft.  SDajs  aber  bei  benienigen^roteftan* 
Unf  bk  ify  Ijier  im  Singe  l)abe,  ber  gute  2öiEe,  äße  ©e= 
böte  (£l)rifti  §u  beoba^ten,  nid^t  pr  3$at  mirb,  baran 
finb  fic  felbft  ntdjt  6$ulb.  Qu  golge  einer  unoerfdmlbeten 
Unmiffenljeit  ernennen  fte  nifyt  alle  ©ebote  (£t)rifti  al$ 
nrirflielje  ©ebote  @l)rifti,  wie  namentlidfj  ni$t  bk  oben- 
genannten, wie  fie  audfj  in  gotge  unoerfd)ulbeter  Un* 
wiffenljeit  bk  fatljoiifdje  ßircjje  ntdjt  für  bk  einzig  wa^re 
$ir<$e  ©fjrifti  erfennen,  unb  baljer  aud)  ba$  ©ebot  @l)rtfii, 
in  feine  malire  fi ird)e  einzutreten,  ber  £l)at  nad)  unerfüllt 
laffen,  obgleich  fte  e£  bem  BiEen  nadj  vooty  (erfüllen; 
benn  fte  finb  fo  gefinnt,  ba$,  wenn  fte  bie  fatl)olifdfje 
$trd(je  für  bie  einzig  wafyxe  Mrdfje  <£l)rifti  ernannten,  fte 
Don  feiner  Wlatyt  ber  SBelt  ft$  ^inbern  laffen  mürben 


©tefcertteä  ©efpröd).  195 

in  bie  fatf)olif<i)e  JHrdje  einzutreten  unb  fomit  btefeS  $t* 
bot  Gtfjrifri  ebenfo  nrie  bte  t»orl;in  genannten  audj  ber 
X^at  naä)  §u  erfüllen.  <Solä)e  ^rotefianten  gä^Ie  id)  aber 
meljr  §u  ber  fatlw(ifd)en,  als  gu  ber  proteftantifäjen 
©^rifien^eit.  £)em  äußeren  SBefenntnifc  nad)  ^roteftanten, 
finb  fie  tfjrer  inneren  ®efinnung  nad)  $atf)oltfen,  3ftit* 
gfteber  ber  ©inen  wahren  fatljoltfdjen  ^ird^e.  Qdj  felbft 
fenne  eine  ^iemlidS)  gute  SCn^arj!  foldfjer  eblen  proteftanti^ 
fd)en  Triften,  bte,  wenn  fie  auü)  äufjerlidj  pr  fatfjoiifdjen 
$trdje  gehören  würben,  biefer  pr  wahren  Sterbe  gereichen 
würben.  SDenn  wenn  fie  jejt,  wo  fie  bodj  fo  vieler  £etl3* 
mittel,  vox  allen  ber  rjl. 33eidr)te  unb  ber  §1.  Kommunion, 
entbehren,  f<$on  fo  ebel  geftnnt  finb  unb  fo  ebet  fidj  t)er* 
galten,  bafe  ftdfj  tnantfie  $atf)olifen  an  ifjuen  ein  SBeifpiel 
neunten  fottten,  wa£  würben  fie  erft  fein,  wenn  fie  au3 
biefen  Quellen  be3  §etl£  öftere  übernatürliche  ©rfrifdjung 
unb  ©tärftmg  fdjöpfen  könnten !  2öie  aber  au£  ®efagtem 
erftdfjtlidj,  fottte  ntan  bie  grage,  wo  e%  meljr  unb  wo  e3 
weniger  gute  (Sljriften  gebe,  unter  ben  ^at^olüen  ober 
unter  ben  $rotefianten,  etgentltdj  gar  nidjt  aufwerfen.  Qu* 
fofern  bie  Sßroteftanten  gute  ©Triften  finb,  finb  fie  nidfjt 
Sßroteftanten,  unb  würben  fie  bei  bem  gleiten  guten 
SBillen,  ber  fie  befeelt  unb  burä)  ben  fie  eben  ber  fattyo* 
Iifdt)en  ®ixä)e  geiftig  eingegtiebert  finb,  aud)  aU  TOtglie* 
ber  ber  äußeren  fatljolifdjen  ©enteinfdjaft  bie  mannigfaltigen 
ftrdjlidjen  ®naben*  unb  reügiöfen  görberungSmittel  be* 
nufcen  fonnen,  fo  würben  fie  nod)  foffere  Triften  fein. 
©3  würben  ftd)  bann  gewifc  bie  ©inen  ober  5lnberen  unter 
i^nen  jur  rjerotfdjen  djriftltd)en  Sugenb  aufzwingen,  unb 
aus  ber  ^weiten  klaffe  ber  Triften  in  bie  erfte  ßfaffe 
aufrüden,   aus  ber  klaffe  ber  guten   Triften  in   bie 

13* 


196  Sie6enteä  ©efprädj. 

Maffe  her  fettigen,  ober,  ba  audj  gute  ©Triften  vermöge 
ber  wahren  Siebe  ©otte3,  bie  fte  befeelt,  im  gettriffen  (Sinne 
fdjon  heilig  ftnb,  fie  mürben  aus  ber  klaffe  ber  „ftetnen 
©eiligen"  in  bie  klaffe  ber  „großen"  ober  ber  eigentlidj 
unb  im  ftrengen  6inne  fogenannten  §  eiligen  aufrüden. 
IXnb  au3  biefen  meinen  SSortcn  boren  <5ie  roobt,  £err 
§ofratb,  fdjon  fjerauS,  baß  tdj  ber  fatbolifdjen  ßtrdje  aus* 
f$ließti<$  ba3  $orred)t  $uerf  ernte,  biefe  fogenannten  großen 
§  eiligen  beroorpbringen.  Sßunbern  6ie  ftdj,  lieber  §err 
©ofratb,  über  ba3,  wa$  tdj  l)ier  fage,  nidjt.  ®$  ift  mir!* 
itdj  fo.  3$  febe  unter  benen,  bie  ftdj  äußerlidj  §um 
proteftantifc^en  SBefenntniffe  galten,  nodj  gar  manche  gute 
eble  SJlenfdjen  ober  Triften,  aber  §  eilige  fe§e  i<§  unter 
iljnen  nidjt ;  ber  i  atbolifdjen  Mrdje  aber  bat  e^  an  §  eiligen 
niemals  gefeblt,  e£  fehlte  baran  raeber  ber  alten  unb  ber 
fpäteren  mittelatterlicben ,  nod)  aud)  fehlte  e§>  baxan  ber 
JHrdje  in  ber  neueren  unb  ber  neueften  $eit,  alfo  ber^ 
jenigen,  von  ber  ber  $roteftanti3mu3  ftd&  loSgeriffen  unb 
ber  er  ftdj  gegenüberftellt.  üftebmen  <5ie  boc§  '§.  23.  bas 
fedj^ebnte  Qabrbunbert,  alfo  ba3  Qabrbuubert  ber  „9le* 
formatton",  <3te  jinben  ba  einen  §1.  3gnatiu3  oon  So^ola, 
einen  §1.  $xan%  Xaver,  einen  Subnrig  oon  ©onjaga,  einen 
grans  von  23orgia,  einen  §1.  üart  S8orromäu3,  einen 
Qoljann  von  ®ott,  einen  ty.  %$oxna%  oon  $iffanoüa,  einen 
Qobann  üom  $reu§,  eine  %  Xtyxelia,  unb  wie  viele  an* 
bere?  ©eben  @ie  tn'3  ftebjebnte  Qabrbunbert  unb  (Sie 
finben  fyei  einen  §1  granj  von  @ate3,  einen  b*-  Stianj 
SftegiS,  einen  b*-  S^fepb  ßupertino,  einen  §1  $tncen§  von 
$auta,  eine  §i.  !Rofa  t)on  Sima,  eine  1)1  granjisfa  von 
©bantal;  unb  wie  viele  anbete  Warnen  müßte  idj  nodj 
nennen,  wenn  idj  bie  Sijle  t)ott8ä§Itg  madjen  wollte!  2öa§ 


QkWnkä  @efpräcfj.  197 

I;at  benn  ber  $rotefiantt3mu3  folgen  f)eroifd)en  ©eftalten 
gegenüberstellen?  Unbefangene  ^roteftanten,  betten  bie 
2ßa§rf)eit  lieber  ift,  al3  tl;r  engherziger  $artei*6tanbpunft, 
galten  aü(^  in  biefem  fünfte  iljre  Meinung  ntdji  gurtitf. 
<So  fagt  ber  berühmte  Seibnig,  beffen  Urteil  in  meinen 
Singen  t>a$  Urteil  tjunbert  Ruberer  feiner  proteftantifäjen 
ßonfefftonSgenoffen  Dottfommen  aufwiegt,  in  feinem  „Aftern 
ber  Geologie"  mit  natften  Söorten:  „@3  gehört  nitf)t  §u 
ben  geringften  fingen,  bk  §u  ©unften  jener  $trdje  fpreäjen, 
bie  allein  ben  tarnen  unb  bie  2öal)räetdjen  ber  fat^olifd^en 
ftdj  bema|rt  fjat,  ba$  fie  äftänner  von  afcetifdjer  Sugenb 
unb  innerlichem  Seben  Ijat,  benn  in  tl)r  allein  fefyen  mir 
jene  l)ert)orragenben  Söetfpiele  ^eroifdjer  %ugenben  unb 
eine3  ütnerliäjen  ßeben^  u.  f.  ro.  *) 

Unb  ger abe  bieg,  §err  §ofr atfj,  ift  ein  $un!t,  auf 
ben  6ie  Q^r  ^la^benlen  l)inricl)ten  foHten.  25arf  i$ 
Qljnen  meine  tua^re  Meinung  barüber  ausfpredjen ,  fo 
fäjeint  e£  mir,  ©ott,  ber  ja  fo  mannen,  bie  außerhalb  ber 
ftäjtbaren  ©emeinfdjaft  ber  fat§olif<$en  $trdje  leben,  unb 
nxfyt  beren  orbentliäje  ©naben*  unb  §eit3mittet  benu|en 
fönnen,  auf  einem  aufcerorbentltcljen  Söege  $u  §ü(fe 
fommt,  ba%  fie  ein  im  ©an^en  e^rbare^  djriftU<$e3  2ehzn 
führen,  fönnte  fie  ja  bod)  {jetmfi  auf  bemfelben  aufter= 
orbentlidjen  Sßege  audj  §u  einer  §ö§eren  «Stufe  ber  §eilig* 
feit  emporheben:  er  I)abe  aber  bie  §eilig!eit  beSfwlb  feiner 
$irdje  al3  befonbere^  $orredjt  angeeignet,  bamit  biefe3 
Sebzm  t)erftänbli(^e  Seiäjen  unb  3flerfmaf  it)rer  ausließ* 

*)  Neque  id  (homines  habere  ascetivos  et  contemplativos)  ex 
minimis  eorum,  quae  Ecclesiam  illam  commendant,  quae  una  catholicae 
nomen  et  insignia,  in  qua  sola  videmus  excellentium  virtutum  asceticaeque 
vitae  exempla  passim  edi  et  curari  etc. 


198  «Siebentes  ®efprä$. 

lidjett  Söa^r^eit  jebem  rjeE  genug  in  bte  klugen  leudjten 
möchte. 

6el)en  ©ie  alfo,  £err  £ofratr),  fo  t>erl)ält  es  fidj  mit 
3§rer  erften  ©inrebe.  ©cfjleäjte  unb  laue  üatr)olifen,  bereu 
es  leiber  §u  Diele  gibt,  madjen  §mar  ber  $irdje  triel  Kummer 
unb  £er§eleib,  unb  fte  trauert  um  biefe  i§re  verlorenen 
ober  mit  bem  Untergänge  bebrol)ten  $tnber  noä)  mel)r  als 
eine  leibliche  SJlutter  über  ben  leiblichen  £ob  iljrer  $inber 
trauern  rann;  ja  unter  allen  Seiben,  bie  fte,  in  btefem 
xrbifdjen  Qammertrjale  ftets  mit  ifyxem  geilanbe  ans  treuj 
gefdjlagen,  gu  befielen  l)at,  ift  baS  Seiben,  baS  tfjr  biefe 
fc^lec^tgerat^nen  $inber  machen,  gerotf$  baS  aflerempfinb* 
lic&fte.  Slber  wie  man  biefe  fd)led)ten  ober  lauen  ßat^olifen 
aB  einen  beweis  gegen  bie  2öafyrl)eit  ber  fatfjolifdjen 
$ird;e  ober  ber  $ortrefflidtfeit  unb  ©ötttidjleit  i^rer  £el)re 
aufteilen  fann,  baS  in  ber  £§at  begreife  idj  nidjt.  £>ie 
SBeiffagung  t)on  bem  auf  bem  2lder  ber  Jürdje  mit  bem 
SBeigen  üermifdjten  IXnlraute  fann  bod)  nidjt  fergeblid)  ge= 
fprodjen  fein.  Qeber  einzelne  gute  unb  ^eilige  Äatljoftf 
geugt  für  bie  fatfjoltföe  JHrdje,  aber  taufenb  unfyeütge 
unb  fdjledjte  geugen  nidjt  gegen  fie.  2)enn  ber  gute  unb 
^eilige  Rafyolii  ift  beSljalb  gut  unb  heilig,  weil  ex  ber 
£el)re  unb  Leitung  ber  Rixfye  folgt  unb  iljre  ®nabenmittel 
treu  benu^t,  ber  fdjledjte  unb  unfertige  ÄatljoHf  aber  ift 
ntd&t  beSljalb  fdjledjt,  weil  ex  ßatfjolif  ift,  fonbern  weil  ex 
fidj  als  ^atliolüen  tjertäugnet  unb  mit  ber  Seljre  unb  bem 
Reifte  ber  $ird)e  fid)  in  SBiberfprud)  fe|t. 

£>  e  r  §  o  f  r  a  t tj.  Seither  maren  mir  guten  ^roteftan* 
ten  in  ber  $egel  bie  6ünbenböde,  benen  ©ie  baS  eine* 
mal  über  baS  anberemal  irjre  ^erftöfee  gegen  bie  gefunbe 
Sogt!  vorwarfen;  aber  \e%i  ertappe  tdj  ©ie  bodj  aud) 


Siebentes  ®efpräd&.  199 

einmal  auf  einem  togtfdjen  @<$ni|er.  geber  gute  tatljo* 
lifdje  ßtjrtft  foU  für  bie  SQBa^r^eit  ber  fat&oüfdjen  ttrdje 
jeugen,  aber  nidjt  aud)  jeber  gute  proteftantifdje  (^^rxft 
für  bk  x2öat)rl)eit  ber  proteftantifdjen !  Qdj  f ottte  bodj 
meinen,  roa0  bem  ©inen  re<$t  märe,  märe  bem  Slnbern 
nidjt  unrecht. 

Qdj.  ®er  äöiberfprud),  ben  6ie  in  meinen  Porten 
finben,  ift,  fo  augenfällig  er  Qljnen  Dotfommen  mag,  bod) 
nur  ein  fd)einbarer  unb  ben  ©djlüffel  gur  Sluftöfung  be$* 
fetben  ijabe  idj  S^nen  ja  im  ®runbe  sorljer  fdjon  in  bie 
§anb  gegeben.  £)er  tatf)olifdje  ©Ijrift  ift  gut,  weil  er  als 
fat^olifd&er  @I)rift  lebt,  ber  proteftantifdje  ßljrift,  ber  gut 
ift,  ift  niäjt  gut,  weil  er  ^roteftant  ift,  fonbern  weit  er 
ben  guten  unb  ftanb^aften  SBillen  tjat,  alte  (Gebote  be» 
§errn  §u  erfüllen,  atfo  aud)  §ur  magren,  b.  t).  fatfjoUfdjeit 
üirdje  ju  gehören,  menn  er  biefe  nur  errannte;  weil  er  atfo 
wemgften3  feinem  SBiffcn  unb  §er§en  nad)  $att)olif  ift,  unb 
bte  ©ebote  (grifft  unb  feiner  Rixd)e  erfüllt,  inforaeit  er  fie  er* 
füllen  iann  unb  ifm  eine  unoerfdjulbete  IXnmiffen^eit  nidjt 
baran  §inbert.  $ur§,  ber  gute  Äatljolif  ift  gut,  meit  er  ein 
confequenter  ßatyoltf  ift,  b.  §.  ein  $atl)olif,  mie  mit  feinem 
$opfe,  fo  audj  mit  feinem  ^Bitten  unb  feiner  £tjat;  ber 
gute  proteftanttfdje  ßtjrift  ift  aber  gut  burdj  eine  gtüd> 
Hdje  Snconfequenj.  Sluäj  ber  befte  fatljolifdje  Gtjrift  ift 
immer  nod)  nid)t  fo  gut,  bajg  er  in  @emäf$eit  be3  tafyolu 
fdjen  <Snftem3  ntdjt  nod)  beffer  merben  müßte,  benn  felbft 
ber  ^eitigfte  foll  nadj  ber  fatf)otifd)en  8ef)re,  fo  lange  er 
^ienteben  lebt,  immer  nodj  Zeitiger  werben  —  einen  ©tili* 
ftanb  gibt  unb  foll  e3  für  iljn  nid)t  geben  — ;  ber  gute 
proteftantifdje  (Sljrift  aber  ift  immer  beffer,  als  ba$  pro* 
teftanttfdje  ©nftem.    SDie^  ift  eben  ber  Sßunft;  über  ben 


200  6te&enie3  ©efpräc$. 

man  Qljrerfeitl  fo  leidjt  t)inmegfiet)t  unb  ber  bod)  ben 
frfjeinbaren  2Biberfpruä) ,  ben  6ie  in  meinen  SBorten  ge* 
funben  §aben,  ooEfommen  aufflärt. 

(Sine  getüiffe  Partei  nnter  ben  ^roteftanten,  nnb  fie  ift 
niäjt  bte  ftf/led&tefte,  nnb,  wenn  td)  ntdjt  irre,  fielen  <5ie,  £err 
£ofratfy,  all  ein  guter  $reu^ettunglmann  felbft  in  einiger 
$erwanbtf<$aft  §u  iljr,  —  ftöjst  gewaltig  in  bk  $ofaune 
unb  läßt  ben  ^ujseruf  erf Ratten,  ben  fie  an  2We,  natür* 
lid)  aber  oor§uglweife  an  bk  fatljottfdje  JHrdje  rietet. 
Seil  bn  md)t  23u|ge  tljun  willft,  fagt  man  ü)r,  bel^alb 
fönnen  wir  mit  bir  feine  ©emeinfcfjaft  macfjen,  unb  bidj  nidjjt 
für  bie  waljre  Mxfye  @l)rifti  ernennen.  SDiefe  guten  £eute  be* 
greifen  aber  nitf)t,  ba$  fie  ber  fatfjolifdjen  $ird)e  mit  iljrem 
^BuJBerufe  uidjts  (Sertngerel  pmutljen,  all  i^jre  «Selbftoer* 
nidfjtung  aul§ufpred)en.  6te  wiffen  nidjt,  mal  waljre  $ir$e 
ift,  fonft  mürben  fie  eine  fo  unfinnige  3umutl)ung  nid^t  an 
fie  fteHen.  2)enn  nidjt  bie  $trdje  @t)rifti,  biefe  wirflid)  von 
(£l)riftul  geftiftete  unb  vom  1)1.  (Seifte  regierte  unb  ge^ 
leitete  $ird(je  ift  el,  bie  fie  bahei  im  ^ime  ijahen,  fonbern 
biejenige  &hü)e,  bk  felber  niä)t  weift,  was  fie  ift  unb  bie, 
ruie  ein  wahrer  $roteul,  nafy  ben  wedjfelnben  Meinungen 
unb  Liebhabereien  bei  £agel  immer  neue  ©eftalten  an* 
nimmt  unb  §eut  baljenige  verwirft,  mal  fie  geftern  an* 
genommen  $at,  alfo  eine^irdje,  bk  noä)  nid)t  ift,  fonbern 
—  bie  erft  werben  foE,  bk  ibeeEe  3ul;unftl*$ird)e.  2Bir 
laffen  unl  $ielel  oon  @u$  guten  ^roteftanten  gefallen, 
aber  ba§  3^r  unferer  SJhttter  ben  £obelftreid(j  oerfe^en 
wollt,  bagegen  wehren  wir  unl  mit  allen  Seibelfräften. 
3)enn  wer  bk  ÜXftutter  entehrt  ober  fie  ftiEfd)wetgenb 
entehren  läfjt,  e§rt  auä)  ben  $ater  nid^t.  £>te  &tf)ma$; 
bie  man  jener  §ufügt,  fällt  auf  biefen  felbft  prüdf ;  $umal 


©iefcenteS  ©efpräd).  201 

ber  göttliche  Stifter  ber  $irä)e  gu  i^ren  erften  Vorfielen 
auSbrttcflidj  gejagt  t)at:  mer  eud)  oeradjtet,  ber  oeradjtet 
m§,  unb  wer  mid)  oeradjtet,  ber  oeradjtet  ben,  ber  mity 
gefanbt  Ijat.  ©agte  man  allenfalls :  3$r  $atl)olif  en,  Qljr 
l)abt  aud)  oieleS  lieber  gutgumadjen,  unb  oor  hm  23uj3e* 
tljun  fommt  3$*  <™dj  nidjt  oorbei,  fo  wäre  gegen  fold)'  eine 
©rmaljnung  nidjt  allein  nichts  Vernünftiges  gu  erinnern, 
fonbern  man  mügte  bafür  fogar  banfbar  fein.  $enn  aller* 
bingS  Ijaben  wir  $atf)oltfen  Dielet  gutzumachen,  mir  l;aben 
triel  in  unfern  Vorfahren  gefünbigt,  unb  fünbigen  nodj 
tagtäglich  triel.  feätkn  mir  immer  unfere  ©dmlbigfett  ge* 
tl)an,  fo  mürbe  ber  $roteftanti£muS  ntdjt  eyiftiren,  unb 
bafc  ba§  2öerf  ber  SBteberoereinigung  ber  Sßroteftanten 
mit  ber  $irdje  befonberS  in  £)eutfd)lanb  fo  fdjmadj  unb 
tangfam  oorangel)t,  baoon  tragen  mir  einen  guten  Sljeil 
ber  ©djulb  mit]  ber  @<$luf$,  ben  <Sie,  föerr  £ofratlj,  oon 
ben  oft  fo  menig  erbaulichen  «Sitten  oieler  $atl)oltfen  auf 
bie  $irdje  felbft  gemacht,  ift  freiließ,  rote  ify  Qlmen  gegeigt, 
ein  gel)lfd)lu|s,  aber  ungä|lige  anbere  ^roteftanten  machen 
biefen  gefclfdjlufj  mit  Qlmen.  2Bir  9Jtenfd)en  finb  einmal 
fo;  mir  finb  meit  meniger  befliffen,  bie  Sünbe  unb  Itn* 
treue  gu  oermeiben,  als  bafür  eine  ©ntfdjulbigung  §u 
fud)en;  unb  bafj  mir  ^atljolifen  oft  uns  fo  Jdjroadfj  geigen 
in  ber  d)riftltd)en  £ugenb  unb  unfer  Seben  mit  ber  §1. 
£el)re  uuferer  iUrdje  nod)  fo  menig  in  ttebereinftimmung 
§u  bringen  miffeu,  ift  für  gar  oiele  $roteftanten,  befonberS 
für  foldje,  bte  ba$  $ebred)lid)e,  baS  Unpfammenl)ängenbe 
unb  ttnbefriebigenbe  beS  $roteftantiSmuS  gut  genug  ein* 
fel)en,  fo  redjt  ein  gefunbener  Vorroanb,  nm  ba  gu  bleiben, 
mo  fte  finb  unb  baä  laum  ermatte  ©emiffen  mieber  ein* 
pfdjläfern.    3a,  befennen  mir  nur  unfere  Sdmlb,  mir 


202  ©ie&enteS  .©efprädj. 

Mafyoliten  tljun  triel  §u  triel,  um  bie  $roteftanten,  Me  in 
i^rer  ©efmfudjt  nadj  ettoa^  SBefferem  ftd)  uns  nähern 
möchten,  gleic^fam  mit  §anb  unb  guft  t)on  uns  wegp* 
ftojsen,  unb  wir  tl)un  auf  ber  anbexn  (Seite  p  wenig,  um 
fie  ju  gewinnen,    ©ar  trielen  Äatijolifen  genügt  es,  bie 
eigene  SBurg,  worin  fie  wohnen,  geftdjert  gu  wtffen,  unb 
ftatt  ba$  fie  biefeS  @efü§l  ber  6idjerl;ett  gegen  ©Ott,  bem 
fie  bieS  ©lud  bodj)  allein  t)erbanfen,  banfbar  madjen  unb 
fie  alfo  aufmuntern  unb  antreiben  fottte,  nadjj  tfjren  ge* 
trennten  trübem  liebevoll  ix)xe  Slrme  auSjufireden  unb 
fie  ebenfalls  in  bie  fefte  $urg  be3  §etleS,  in  ben  ©inen 
(SdjafftaK  El)rifti  gurütfäugtefjett ,  maä)t   fie  baS  ©efüljl 
tljrer  eigenen  ©tdjjerljeit  gegen  hie  üftotlj  iljrer  trüber  in 
El)rifto  nur  gleichgültig.    2öir  arbeiten  für  tlire  2öieber= 
Bereinigung  mit  ber  Rixfye  ntcljt  genug,  wir  beten  bafür 
ntdfjt  genug  unb  wir  bringen  bafür  §u  wenig  Dpfer.  ®in 
Uinbex  polternber  (Stfer  freiließ  taugt  ni^t  unb  Erbitterung 
an  ber  Stelle  ber  Siebe  taugt  nod)  weniger.    Stöer,  itf) 
glaube,  nicljt  ber  blinbe  Eifer  ober  biefe  Erbitterung  gegen 
Euclj  ^roteftanten  ift  jefct  unfere  größte  ©efaljr,  fonbern 
trielmel)r  baS  Umgefeljrte,  bie  traurige  Erlahmung,  ©djlaff* 
Ijeit  unb  tobti^te  ©leidfj  gültigfett.    ES  ift  von  uns  un* 
tjerantwortlid) ,  wenn  wir  unfer  §er§  »on  ®uü)  jurücf* 
gießen  unb  Eudj  ruljig  Eures  2öegeS  weiter  sieben  laffen. 
tiefer  ©eift  ber  ©leidjgültigfeit  unb  ber  egoiftifdfjen  ©etbft* 
öenügfamfeit  ift  nicljt  hex  ©eift  Qefu  Eljrifti,  ber  betenb 
§u  feinem  Ijimmltfdjen  ^ßater  gefagt  Ijat:  „$ater  gib,  ba§ 
alle  (bie  an  midj  glauben)  Eins  feien,  wie  £)u,  SSater ! 
in  mir  bift  unb  idj  in  £)ir,  bamit  auclj  fie  in  uns  Eins 
feien,  bamit  bie  Söelt  glaube,  baß  £)u  midj  gefanbt  §aft!" 
3u  einer  folgen  «Spraye  flingt  bie  Sprache,  wie  man  fie 


<5ie6ente§  ®e)"präd).  203 

jefct  fo  häufig  au3  bem  9ftunbe  t)ott  $at§oftfen  §ört,  baß 
man  bie  $roteftanten  rufytg  möge  ifjreS  2öege3  sieben 
(äffen,  faft  mie  Mter  £ofm.  üftein,  wenn  ber  ©eift  (grifft 
un3  befeett,  werben  wir  ntdjt  fagen,  mir  ^attyolifen  motten 
un3  rufytg  unb  frieblidj  mit  @udj  ^roteftanten  »ertragen, 
unb  e3  unfern  unfein  nnb  Urenfeln  überlaffen,  nnfere 
gegenfeitigen  ^Differenzen  auszutragen :  benn  ba|3  mir  uns 
gegenfeitig  ntdjt  in'3  2lngeftdjt  plagen,  ober  einanber  be* 
fdjtntpfen,  üerläumben  unb  üerläftern,  —  ba$  ift  bodj  wofyt 
ba$  Söenigfte,  wa$  mir  einanber  tfjun  fönnen;  bamit  tfjun 
mir  aber  aU  Triften  lange  nod)  nidjt  genng.  !ftein,  <3Ijr 
feib  $leifdj  t)on  unferm  gleifdj,  unb  (Gebein  t)on  unferm 
$ebein,  fagt  ber  ma^re  Jlat^olif  §u  feinen  getrennten 
trübem,  —  unb  mir  tonnen  unb  bürfen  ba^er  non  @udj 
nifyt  laffen.  2)a3  $anb,  ba$  un3  oerbinbet,  ift  tmn  $ott 
felbft  um  un3  gef Ölungen;  in  fo  meit  es  5ttenfdjen  §er* 
reifjen  fönnen,  ift  es  t)on  unglücüttdjen  9flenfdjenl)änben 
gerriffen  roorben,  aber  ganz  fann  e§  t)on  9flenfd)en  ntdjt 
jerriffen  merben,  fo  menig  mie  es  t)on  iljnen  gefnüpft 
morben  ift.  3§r  ()abt  nod)  3^^  genug  an  ®nti), 
moran  3Jfjr  als  bie  ehemals  tlnfrigen  erfennttid)  feib, 
maljre  SDenfzettel  an  jene  grofce  ®ine  unb  ungeteilte 
$emeinfd)aft ,  ber  Qljr  entfprungen  feib,  an'S  SßaterljauS, 
ba$  @udj  mit  fo  triel  6djmerj  Reiben  falj  unb  baS,  menn 
Qlir  zurücffeljrt,  @udj  als  bie  ©einigen  mit  offenen  Ernten 
wieber  aufnehmen  mirb. 

Unb  fo  fpridjt  ntdjt  nur  ber  maljre  Äatljoüf,  bamit 
ftimmt  audj  überein  fein  $ebet  unb  feine  £  l)  at.  SDiefe^ 
marme  Qntereffe  ber  ©Triften  für  einanber,  wie  es  attein 
ber  Triften  mürbig  ift,  fudjt  man  aber  ntdjt  bloß  bei 
unfern  heutigen  Sßroteftanten,  fonbem  aud)  Ux  unfern 


204  ©ieknieä  ©efprätf). 

heutigen  Stafyolihn  melfadj  vergebens,  e&er  finbet  man 
wo§l  jene  SBeftrebnngen,  bie  ans  einem  folgen  warmen 
Qntereffe  *jen)orgef)en  nnb  anf  bk  Söieberoereinignng  ber 
Getrennten  hingerietet  finb,  no$  obenbrem  üerbäcpgt, 
bekrittelt  nnb  t>er^d^nt.  2)a3  ift  bie  6<$nlb,  worein  $a= 
tfjolifen  nnb  ^roteftanten  fidj  teilen,  fie  fottten  beibe 
biefe  «Säjnlb  redjt  bemiitbig  anerkennen  nnb  bef$atb  beibe 
griinbli^e  SBnjse  t^nn,  aber  bie  fatfjoliftfje  Bixfye,  als 
foldje,  trifft  babei  fein  SBorwnrf  nnb  bie  ©rmatmnng  $nr 
^öuge  ift  M  tyx  f<$lec$t  angebracht. 

9k$  biefen  Sorten,  beren  iefcter  3$eU  befonberS  mit 
bewegtem  ©efüfjle  gefproäjen  wnrbe,  trat  eine  ttvoaä  län* 
gere  $anfe  ein.  SDer  §ofratf)  fdjten  bnrä)  biefe  (£rwxebe* 
rnng  feiner  erften  @inwenbnng  anwerft  befriebigt  nnb  er* 
ging  ftdj  über  bk  meinerfetts  geänderten  ©efinnnngen  ber 
Skbt  in  meiern  £obe,  worin  ü)n  ber  ßommercien^atf) 
äroaä  nnfanft,  nnb  faft  nngeftüm  mit  bem  ShtSruf  nnter* 
bradj :  Sob^nbeleien  finb  fiter  nidjt  angebracht  nnb  nodfj  ift 
nityt  aller  £age  Slbenb.  £)enn  wo  bleibt  benn  bie  Qe* 
fniten*9ftoraI?  Sie  Sefutten^Söloral,  fufjr  iä)  gelaffen 
fort,  ift  eine  fet)r  nnfd^nlbige  ©acfje.  SBenn  tä)  tjößig 
barüber  gewiß  wäre,  bafj  id)  nad)  ber  9itdf)tfämnr  biefer 
3efutten*3Jtoral  gan§  mein  SBerljalten  einrichtete  nnb  ba$ 
iäj  es  bis  ans  @nbe  meinet  £ebenS  banad)  einrichtete,  bann 
wäre  id)  nm  meine  fünftige  ©eligfeit  nidjt  bange.  Sie 
$efniten  =  2floraI  b.  §.  bte  Sftoral,  wop  fxd&  bie  Qefniten 
t)on  je^er  befannt,  bte  fie  gelehrt  nnb  geprebigt  fyabzn  nnb 
Ijente  nod)  lehren,  nnterfdjetbet  ftdfj  nm  fein  §aar  oon  ber 
djriftltdjen  Floxal,  wie  fie  fonft  in  ben  fatfjolifdjen  ©dju* 
len  gelehrt  nnb  überall  in  ben  fat^olifdfjen  ©otteSf)änfem 
geprebigt  wirb.    Qeber,  ber  feiert  wiU,  brancljt  ni$t  bie 


©ieöenteS  ©efprätf).  205 

fcicfen  golianten  von  SefftuS,  Sandjez,  Sa^mann,  £acroir. 
it.  a.  burdjzuftubiren,  fonbern  fann  fitf)  auf  eine  t)iel  teidj* 
tere  Söeife  unb  jwar  audj  burdj  bert  Slugenfcfjein  felbft 
bat)on  überzeugen.  ®$  roanbem  fäjon  feit  einer  9tetf;e 
t)on  Sauren,  3al)r  ein  3al)r  aus,  beutfäje  günglinge  nacfj 
ber  §auptftabt  ber  @l)riftenljeit,  um  bort  im  Collegium 
Germanicum  ifyre  tl)eologtftf)en  ©tubien  zu  machen  unb 
bann  als  getoei^te  Sßrtefter  in  iljr  $aterlanb  zur  Arbeit 
im  SSeinberge  be3  §erm  zurüdzufeljren,  benn  jur  $IM* 
iet)x  in  it)xe  feeimati)  muffen  fie  fidj  bei  tljrem  Eintritt  in 
bie  genannte  Slnftalt  eiblid)  üerpfltdjten.  £)iefe  Inftalt 
fteljt  aber  befanntliä)  unter  ber  Leitung  ber  Qefuiten,  unb 
von  bem  Ijerrlidjen  (Reifte,  ber  barin  maltet,  Ijabe  tdj  miä) 
me§rmal3  perfönlidj  überzeugen  fönnen,  ba  idj  hex  meiner 
zweimaligen  2lnroefenl)eit  in  ber  igauptfiabt  ber  Triften* 
ijeit  manchmal  £age  lang  barin  zugebracht  rjabe.  Rubere 
beutfdje  Jünglinge  befugen  feit  einigen  $ai)xen  bte  Uxxk 
fität  in^nn^brucf,  wo,  nrie  bie  Geologie  überhaupt,  fo 
au§  bie  9Jloral  ebenfalls  von  ben  gefuiten  vorgetragen 
wirb.  2tudj  fommt  e3  vooi)l  bann  unb  wann  voxf  ba% 
folclje,  bk  in  bie  ®efeEf$aft  eingetreten  finb  unb  xi)xe 
t^eologifc^en  ©tubten  beenbigt  i)aben,  fpäter  roieber  barau£ 
anreiben  unb  ein  feelforgerltdjeiS  2lmt  übernehmen.  3$ 
l)abe  aber  nie  gehört,  baft  man  in  2lbfi$t  auf  ben  Unkt* 
rtdjt  in  ber  djrtftlidjen  Sittenlehre  in  ©djule  unb  JHrdje 
ober  in  Slbfidjt  auf  bk  (Sntfdjeibungen  im  $eidjtftu§te 
ober  in^ber  $rit)at*©eelforge  zwifc§en  folgen  $rteftern, 
bk  il)re~  ©tubien  bei  ben  Qefuiten  gemacht  nnb  anberen, 
bk  fie  in  anberen  tljeologifdjen  Spulen  gemalt,  einen 
mefentlidjen  ttnterfdjieb  malgenommen  l)ätte  ober  bafj 
etwa  ba$  $riftli$e  $otf,  menn  es  ^rebigten  foldjer  ange* 


206  Siebentes  ©efpräd). 

t)öxt,  über  eine  Weutyit  ober  eine  Sßerfd;iebeu§ett  ber  £ef)re  oon 
ber  be£  d)riftlid)en  $atedjt3mu3  *Unterrtd)te3  fidj  bef  lagt  Ijätte. 
2luf  baffelbe  laufen  bie  Erfahrungen  rjinauS,  bie  man  bei 
ben  nunmehr  faft  in  äffen  größeren  ©tobten  2)eutfd&IanbS 
abgehaltenen  3efutten*ÜRiffumen  gemalt  $at.  gaft  überall 
wohnten  biefen  3efuiten*3fliffion3''$rebigten  and;  §al)lreidj 
$roteftanten  bei,  ja  trielfad)  fogar  proteftantifdje  $rebiger, 
proteftantifdje  ^rofefforen  ber  Geologie  unb  proteftantif($e 
6tubirenbe  ber  Geologie,  wie  in  £etbelberg,  $onn,  £affe, 
(Sföttingen  unb  anberroärt3.  %U  $ogelfdjeud)e  erfdjienen 
§mar,  wie  vox  nidjt  langer  Seit  nod)  in  3ttinben,  vox  bem 
beginne  foldjer  3efuiten*9JUfftonen,  in  ben  betreff enben 
Sofalblättern  Annoncen  über  bie  abfdjeultdje  ©itten*  unb 
Ijer^ergiftenbe  3efuiten=3ftoral;  —  bie  guten  proteftantu 
fdjen  ©Triften,  oft  Don  junger  nad)  äfytem  fdjmadljaften 
geiftlid)en  £eben3brote,  oft  roolji  aud),  menigftenS  2lnfang3 
t)on  ber  üfteugterbe  getrieben,  an  ben  oerfdjrieenen  armen 
SRifftonären  irgenbmo  ben  $ferbefujs  §u  entbeden,  Heften 
fidj  aus  i^ren  ^rebigten  nidjt  megfdjeudjen  unb  bann  erft 
red)t  nid)t,  wenn  fie  bie  iljnen  t)orgefe|te  Äoji  einmal  ge* 
fdjmedt  Ratten.  2ldj,  ba  fal)  man'3  roieber  fo  red)t,  wie 
tief  ba$  (£l)riftentl)um  in  unferm  beutfdjen  $olfe  murgelt, 
unb  wie  e%  ben  geinben  @§rtfti  tro§  aller  Enftrengung 
no<$  nid)t  gelungen  ift,  bie  Söurjeln,  bie  e§  in$  £erj  be£ 
beutfdjen  $olfe3  hineingetrieben,  gän^lid)  §u  jerfdmeiben. 
3Jton  fal)  aber  audj,  bafc  fid)  im  (Befühle  ber  unbefangenen 
§örer  magres  @l)riftenti)um  vom  fatljolifdjen  (Hjriftentlmm 
in  ni$t3  unterfd;eibet.  £)enn  mie  t)on  mannen  foldjer 
unbefangenen  proteftantifdjen  3ul)ö*er  biefer  3efuiten* 
^rebtgten  weift  idj  e%  perfönlid),  baft  fie,  von  tyxen  $re* 
bigern  ober  t>on  wem  aud)  immer,  wegen  iljrer  eifrigen 


©te&enteS  ©efpräd).  207 

%l)tiinal)me  an  ben  $rebigten  gur  Sftebe  gebellt,  in  offener 
6prad)e  ernnbert,  baß  fie  nie  etwaä  Sßefferel  unb  nie 
eiwa$  ßfjrifilidjere^  geijört.  $Dte  $fltd)ten  ber  djriftlidieu 
(Steredjtigfeü  unb  ber  djrtftlidjen  Siebe,  bie  $fltd)ten  ber 
Untergebenen  gegen  üjre  Oberen,  bie  ber  gamilienglieber 
gegeneinanber,  bte  $flidjten  aller  <5tänbe  finb  mol)l  einem 
djrtftlidjen  Stubitortum  nod;  nie  fo  faßlidj  unb  flar,  nodj 
nie  fo  marm  unb  bringenb  an 's  §er$  gelegt  morben,  — 
unb  babei  auü)  nidit  ein  2Börtd)en,  moburd)  ftd)  $rote^ 
ganten  fyätten  verlebt  füllen  tonnen;  fo  lautete  ba$ 
Urteil  biefer  Unbefangenen,  unb  fo  lautete  ba$  allgemeine 
Urtivit  überhaupt.  2öo  ift  alfo  Ijier  bie  aparte  Qefuiten* 
äftoral;  roenn  e$  etwaä  £)erartige£  gäbe,  muffte  e3  bodj 
bei  folgen  Gelegenheiten  bann  unb  mann  einmal  gum  $or= 
fdjein  gefommen  fein. 

gerner:  etne£  ber  je£t  am  meiften  in  ben  t^eotogi 
fdjen  Sdjulen  ber  2öelt  oerbreiteten  unb  benu|ten  @om^ 
penbien  ber  fat^olif^en  Ttoxal  ift  nid)t  bie  medulla  t)on 
SBufenbaum,  beren  £eyt  ein  gemiffer  Qemanb  (§err  2lnbreä 
in  $e§eim)  in  feinem  neulidj  erfd)tenenen  Elaborat  tljeilä 
fel)r  üerftümmelt,  fyeilä  fel)r  mifwerftanben  Ijat  *),  unb  an 
bie  ftdj  faft  burdjgetyenbs  ber  §1.  2üpl)onfu3  Siguori  an^ 
fdjliefct  (biefer  leitete  mar  befanntttdj  fein  Qefuit,  fonbern 
©tifter  ber  Kongregation  ber  Sftebemptoriften  unb  feine 
Sttoral  enthält  nadj  ber  (Sntfdjeibung  be8  1)1  <&tul)le3  nitf)t§, 
voaä  man  ntd)t  mit  ruhigem  Genriffen  unb  olme  gurdjt 
einer  ©ünbe  befolgen  !ann)  —  fonbern  ba$  \e%t  in  ben 
fat^olifdjen  <Sdmlen  ber  SBelt  am  meiften  verbreitete  unb 


*)  S)ie  Belege  finbet  man  ga^treid^  im  jd^mar^n  S3uc£e  von 
Dr.  §enn. 


208  ®ie&ente3  ©efpräd&. 

benufete  ©ompenbium  ber  Floxal  ift  ba$  ©ompenbium 
von  ®uxi).  tiefer  ®urn,  berfelbe,  ber  audj  bie  fatfjolt* 
fc&e  Söelt  mit  einer  vortrefflichen  ßafuiftif  befdjenft  §at,  *) 
ift  aber  autf)  Qefuit:  rate  ftimmt  e£  nun  Rammen,  bafj 
bk  ^efuiten  *3Jtoral  etroa3  23efonbere3  unb  apartes  fein 
fott,  unb  baft  bod)  bk  Sftoral  uad)  tfjren  §anb-  ober  £e£)r* 
büdjern  faft  überall  in  btn  6d^ulen  ber*  fat^oüfdöett  SBett 
vorgetragen  wirb?  ign  ber  %fyat,  bk  aparte  „Qefuiten* 
9Koral",  wovon  manfovtel2luflieben3  mad&tunb  wovon  nidjt 
allein  jeber  fortfdjrittlidje  $ammerrebner  ober  Stit\m$$* 
©cribent,  fonbern  audj  jeber  ßommi^ovageur  §u  reben 
weif3,  wenn  er  ftdj  au<$  fonft  um  Wtovai  blutwenig  be* 
flimmert,  —  fie  ift  tudjte  me^r  unb  ntdjt£  weniger,  als 
ein  §tibfdje3  ober  audj  feljr  unfyübf$e3  Sßfjantafte  *  ©tüd, 
ba3  guerft  —  i§>  finb  aber  fdjon  §wei  Qa^unberte  §er 
—  ber  berühmte  ^asfal  burd)  feine  pfeubonvmen  foge* 
nannten  5ßrot)tngtaI  *  SBricf e  **)  in  ©cene  gefegt  l;at.  Qd) 
beftreite  weber  btö  gewaltige  ®enie  biefeS  2ftanne3,  nod) 
viele  feiner  fonftigen  vortrefflichen  ©tgenfdmften;  aber  id) 
beftreite,  bafjer  in  ber  genannten  ©djrift  gegen  bk  $e* 
fuiten  mit  el)rlidjen  Sßaffen  gekämpft.  2113  Qanfenift 
war  er  iljr  abgefagter  unb  unverföl^nlidjer  geinb,  unb 
biefem  unverfölmltdjen  §affe  gab  er  in  ben  genannten  $rte* 
fen  nur  einen  berebten  2tu3brucf.    3Jlan  fagt,  &kU  madjt 


*)  Unter  bem  Stiel :  Casus  conscientiae  in  praecipuas  quaestiones 
Theologiae  moraiis ,  n>o»on  je|t  eine  2ht§ga&e  bei  üDianj  in  ^egen^ 
buxQ  seranftaftet  wirb. 

**)  £)er  ooUftänbige  Stiel  btefe3  berühmten  unb  berü^tigten 

3Jlad^raer?eä  ift :  Les  provinciales,  ou  lettres  ecrites  par  Louis  de  Mon- 
talt  ä  un  Provincial  de  ses  'amis  et  aux  RR.  PP.  Jesuites  sur  la 
inorale  et  politique  de  ces  Peres. 


Siebentes  ©efpräd).  209 

bltnb,  aber  ber  igafj  madjt  e£  gewiß  nidjt  weniger,  ©eine 
Jetbenfdjaftlidje  Siebe  311  ben  ^anfeniften  färbte  ilmt  Alles, 
ma3  er  an  ilmen  falj,  fdjön,  unb  fein  leibenf^aftli^er 
§ag  gegenx  bie  Qefutten  färbte  tfjm  an  biefen  Sitten  fdjraarj. 
Unb  bte  ßunft  biefer  6djraar§färberei  practicirt  er  eben  in 
feinen  „$rooin3ial*23riefen"  nrirflidj  meifterljaft 

Um  3^nen  bie  Art  itnb  Sßeife  gu  f enn&eidjnen ,  in 
ber  er  gegen  bie  Sefuiten  §u  gelbe  jie^t,  imtt.tdj  eine 
einige  SBerceiSfüljrung  auä  biefen  feinen  Briefen  anführen, 
beren  So  gif  mal)rl)aftig  nid)t  von  Gsljrlidjfeit  §eugt.  3^ 
feinem  5.  Briefe  befpridjt  $a3fal  bie  3Jloraliften  beS  Qe* 
fuiten^DrbenS  im  allgemeinen  unb  brücft  feine  ^erraun- 
berung  barüber  au3,  ba$  neben  fo  Dielen,  bie  ber  von 
ilmt  fo  feljr  gefdmtäljeten  Seljre  be3  $robabtli3mu3  Imlbigen, 
auü)  einige  3ftoraliften  be3  Drben$  fe^r  ftrenge  ®runb* 
fä|e  aufgeteilt  Ratten.  6tatt  nun  biefe  £l)atfad)e  babuxü) 
§u  erklären,  bag  ber  Drben  feinen  einzelnen '  Angehörigen 
ein  paffenbe3  Sftajs  oon  grei^eit  in  ifyxen  nriffenfdjaft* 
lidjen  Arbeiten  Derftatte  unb  alle  Anftdjten,  bie  nidr)t  gegen 
ben  djriftlidjen  Glauben  unb  bie  gefunbe  9ftoral  ber 
$irdje  verflogen,  fidj  frei  entfalten  laffe  (unb  fo  würbe 
bodj  jeber  vorurteilsfreie  Mann  gefdjloffen  fyaben),  friert 
$a3fal  folgenben  ©djlug:  „£)ie  Sefuiten  §aben  eine  fo 
gute  Meinung  von  fidj  felbft,  ba$  fie  e$  für  notfytvenbig 
gum  äßoljle  ber  $ird;e  anfeljen,  bajs  il)r  (Sinflujg  ftd)  über^ 
aftfyin  verbreitet  unb  fie  AUer  ©enriffen  leiten.  Unb  ba 
bie  bem  ©vangeltum  eigenen  ftrengen  ©runbfäfce  jur  Sei- 
tung  getviffer  Sßerfonen  fidj  üortreffltdr)  eignen,  fo  bebienen 
fie  fidj  biefer,  wo  fie  ilmen  bienlidj  f djeinen.  Aber  ba 
biefe  ©runbfä^e  ber  Wlefyzaty  von  Sftenfdjen  fo  wenig 
pfagen,  fo  laffen  fie  biefelben  für  bie  grofje  3flenge  hei 

Bwcite«  fcifct>öfli<$e«  SöJort.  14 


210  6iefcente§  @eforäd&. 

©eite,  bamit  fie  auf  foldje  2Beife  ber  sanken  äöelt  ftd)  ge* 
fällig  geigen.  8ie  fmben  eben  (Safuiften  oon  allen  ©orten 
notf)roenbig."  IXnb  einen  folgen  ©^lujg,  ber  einem  gan* 
§en  Drben  eine  ganje  9tetf)e  oon  Verbredjen  aufbürbet, 
fpridjt  $a£fal  gang  leichtfertig  au3,  ofme  audj  nur 
ben  geringsten  53ett)ei^  bafür  §u  erbringen.  Qf)m  §at 
natürlich  bie  gan§e  aufgeklärte  Söelt  baffelbe  in  allen 
Variationen  nadjgefprodjen  —  gebanfenlo3  unb  beioei3lo3. 

Qu  ben  <Sä|en,  bie  er  bei  ben  ßafuiften  be$  Drben£ 
(ßßa$quq,  @$fo6ar,  SeffütS,  ^egtnalb  u.  a.)  gefunben 
Ijaben  w\U  unb  au3  benen  er  ehen  ben  obengebadjten 
©djlufj  %iet)t,  bajg  bie  ^efuiten  ftdj  in  iljrer  £eljre  ben 
menfcjjlidjen  ©djn>ad$etten  unb  ßeibenfd)aften  anbequemt, 
gehören  unter  anbem  folgenbe: 

,,©idj  au3  bloßem  ftnnlidjen  Vergnügen  fättigen,  ift 
feine  ©ünbe,  wenn  nur  bie  ®efunbl)eit  baburcl)  feinen 
Stäben  leibet." 

,ffian  barf  bie  Slbfolutton  foldjen  nidjt  üerweigeru, 
bie  in  ber  nääjften  (Gelegenheit  ber  ©ünbe  wbleiben, 
wenn  fie  biefelbe,  oljne  bie  SBelt  t)on  fidj  reben  §u  madjen, 
nidfjt  oerlaffen  fönnen." 

„(Bin  oornetymer  9flann  fann,  wenn  er  pm  £>uell 
l)erau3geforbert  wirb,  erfreuten,  bamit  er  ni(§t  von  %n* 
bexn  für  eine  feige  klemme  gehalten  werbe." 

„(Sin  twrneljmer  Söcann  fann  ben,  ber  il)n  mit  einem 
©tocfe  geftf)lagen  ober  tym  eine  Ohrfeige  gegeben  §at, 
tobten,  nid)t  um  fi<$  gu  rädjen,  fonbern  um  feiner  grob* 
lid)  befd)impften  ©fjre  (Genugtuung  p  üerfdjaffen." 

„SBenn  Qemanb  ba$  Weine  genommen  Ijat  unb  bann 
flieget,  fo  fann  iä)  tyn  verfolgen  unb  auf  tyn  loSljauen 
ober  aufy,  fall«  i§  tyn  ni$t  mit  bem  $>egen  erreichen 


eie&enieä  ©efpräcfl.  211 

fann,  auf  tfjn  fliegen,  g.  53.  menn  er  mir  mein  $ferb  ge* 
(lofjlen  §at,  fid)  barauf  fefet  unb  entflieget." 

„SDie^efege  ber  $ird)e,  bk  allgemein  nid)t  mel)r  &e= 
obadjtet  werben  unb  alfo  außer  Hebung  gekommen  finb, 
l)aben  it)re  tjerbtnbenbe  Äraft  verloren." 

„30er  an  einem  gafttage  olme  eine  gehörige  Bäüu 
gung  md)t  fe§Iafen  ftmnte,  ift  ^um  gaften  nidjt  üerpfttdjtet." 

„Wlan  fann  an  einem  gafttage  2ßein  trinfen,  mann 
unb  fotriel  man  will,  olme  baburdj  baS  gaften  §u  bredjen." 

„2Ber  an  dmm  gafttage  öftere  etwa§  genießt,  bricht 
baS  §aften  nid^t." 

„Wan  erfüllt  ba$  jftrdjengebot  ber  fonntäglidjen  2ln* 
Körung  einer  1)1.  Sfteffe,  roenn  man  bie  legte  §älfte  ber 
2Reffe  eines  ^riefterS  unb  bie  erfte  Hälfte  ber  SD^effe 
eine!  anbexn  ^riefterS  prt,  bmn  pei  Ijalbe  mad)en  eine 
gan§e  an§.44 

£)afj  eS  mit  biefen  6ä§en  ntdjt  in  Orbnung  ift, 
räume  id)  ein  nnb  mehrere  bavon  finb  audj  t)om  §1.  ©tufjle 
cenfurirt  toorben.  Slber  Nota  Bene  finb  bie  mctfkn 
biefer  £ä$e  ntdjt  nrirflidj  Seljren  ober  Behauptungen  ber 
©afuiften  beS  3efuitenX)rbenS,  bei  bmn  fie  SßaSfal  ge* 
funben  Ijaben  will.  <5ie  fommen  mol)l  in  btn  Sdjriften 
ber  Qefuiten  vor,  aber  nidjt  als  tljre  6ä($e  obereren, 
fonbem  als  ©äfce,  bie  fie  befämpfen  ober  bie  fie  bodj  als 
menig  bewährte  2lnfid)ten  Ruberer  gurüdmeifen.  £)er  gute 
$aSfat  f>at  alfo  ben  Qefuiten  2tnfid)ten  unb  Behauptungen 
unterfdjoben,  gegen  bie  fie  fid)  auSbrüdlid)  oermal)rt ;  ober 
er  tjat  tyre  eigenen  2lnftd}ten  unb  Seljren  tjerftümmelt  unb 
einfadj  aerfctlfcfjt.  Unb  er  l)at  anberfettS  für  bie  irrigen 
SfafidjteTt,  bie  fid)  bei  einzelnen  (Safuiften  beS  DrbenS  fm* 
btn  (irren  ift  bodj  gewiß  menfdjlid)  unb  gerabe  in  bm 

14* 


212  @ie6ente§  ®efpräd). 

ftttüdjen  Materien,  in  ber  Slnwenbung  ber  allgemeinen 
ftttltdfjen  $orfd(jriften  auf  befonbere  gätte,  mo  bte  matlje* 
matifc^e  £tnie  groifdjen  bem,  roaS  red^t  ober  unredjt,  maS 
erlaubt,  ober  ntd)t  erlaubt,  oft  fefyr  fdfjroer  fid)  sieben  läßt 
ift  es  fogar  feljr  menfdfjlidfj)  einmal;  ben  gangen  Drben 
t>erantroortIi(^  gemalt,  unb  bann  bem  einzelnen  trrenben 
9ftitgliebe  unb  bem  gangen  Drben  bte  teufCifd^e  2lbfid()t  einer 
(Sntftellung  unb  $erfälfd)ung  ber  djriftlidjen  «Sittenlehre 
unterfd^oben.  3n  atttoeg  erweift  fiel)  alfo  ^aSfal  als  einen 
^erläumber ;  aber  er  war,  wie  ßljateaubrianb  tyn  nennt,  ein 
„genialer"  $erläumber,  unb  weil  er  ein  „genialer"  SSer^ 
läumber  war,  besljalb  mafyte  er  mit  feiner  $erlä'umbung 
fo  t)iel  ©lud.  geiner  2£t|  unb  6att)re,  glängenber  6tt)l  unb 
SBerebtf  amMt ,  bte  er  an  feine  $romn§ial^riefe  fo  frei^ 
gebig  serwenbet,  finb  ©igenfdjaften,  benen  mau  nidjt  leidet, 
unb  benen  ber  graugofe  am  wenigsten  wiberfteljt  unb  dou 
ba  an  war  ba$  ©efpenft  einer  „aparten  Qefuiten^oral" 
ft£  unb  fertig.  @3  §at  baffelbe  in  ber  äöelt  fdfjon  md 
Särm  gemadjt,  unb  gewiffe  $öpfe,  bie  fid)  nun  einmal 
gegen  $ernunftgrünbe  Ijermetifd)  üerfdfjliefcen,  Jönnen  e£ 
uodj  immer  ntdjjt  loS  werben. 

«pofratl).  Unb  bocf)  fpuft  biefeS  ©efpenft  aufy  fo* 
gar  in  mannen  !at|olifd;en  köpfen  nod)  fort,  unb  es 
lann  ba^ex  bod)  nifyt  gang  oljne  fein. 

$d).  Qa  wo^l,  in  folgen  fat^olifd;en  köpfen,  tote 
weitanb  ©llenborf.  $er  mar  ein  ^rad^tftüd  eines  fatl>oli* 
fd&en  fopfeS,  unb  auf  ben  fönnen  wirfttdj  bte  Qefuiten* 
$etnbe  ftolg  fein. 

£ommercien*9latl).  Slber  es  fdj)eint,  Sie,  £err 
SBtfdfjof,  ge^en  audfc  mit  ben  3efuiten  burdlj  $i<f  unb 
bur<$  £)ünn. 


@ie5ente§  ©efprä$.  213 

3$.  $id)t  mit  ben  Sefuiten,  aber  mit  ber  faiijoU* 
fd&en  $ir<*)e,  bie  bk  Qefuiten  als  macfere  Streiter  (grifft 
feljr  fdjäfct  unb  liebt. 

@omntercten*9ftatlj.  Slber  wie  ftimmt  benn  ba$ 
ju  ber  gerühmten  Unfehlbarkeit  ber  fatl)olifä)en  $irä)e  unb 
iljrer  $ä'pfte,  baß  ber  eine  $apft  biefe  ©efellfdjaft  aufgebt 
unb  ber  anbere  fie  roveber^erftettt  ? 

3$.  3)ie  Unfel)ibarfett  ber  $ird)e  ober  ber  köpfte 
wirb  baburä)  gar  nid)t  tangirt,  benn  bie  son  uns  be* 
Ijauptete  Unfehlbarkeit  ber  $ird)e  erftredt  fidj  blo3  auf  bie 
®lauben£*  unb  (Sittenlehren,  unb  ber  fraglidje  $unlt  iffc  ein 
$)i$ciplinar*s$unft,  ber  mit  beiben  fingen  ntdjts  gu  f Raffen 
fjat.  ©in  $apft  fann  $u  bi^ciplinären  Slnorbnungen  ober 
Maßregeln  ®rünbe  Ijaben,  bie  ein  nadjfolgenber  Sßapft 
nid)t  mel)r  §at.  2)er  eine  lägt  ftcfy  §u  feinen  bisäplinären 
9)ta§nal)men  ungern,  aber  burä)  bie  Erwägung  beftimmen, 
bajs  man  jnrifdjen  peien  Uebeln  ba$  kleinere  wählen 
muffe,  unb  ber  anbere  ift  frol),  bajg  biefe  traurige  2lltema* 
tioe  graifd^en  gweien  Uebeln  für  ilm  nid)t  mel)r  befielt 
unb  er  eine  ÜDlaßnalmie,  bie  fein  Vorgänger  ungern  er- 
griff,  wieber  prücfnel)men  fann.  Unb  wie  man  baljer 
bem  einen  unb  bem  anbern  au3  il)rer  üerfd^iebenen  §anb* 
lungSweife  einen  Vorwurf  machen  fönne,  begreife  iti)  niä)t. 

§of  ratl).  Slber  fdfjmeifen  mir  bod)  nidjt  von  unferm 
ipauptgegenftanbe,  ber  3efaiten*9ftoral,  ab.  3)aß  bte 
%einbe  ber  Qefuiten  bereu  3floral,  wie  ©ie  fi<$  auSgebrücft, 
mögüdjft  fdjwarj  färben  unb  alfo  fie  t)erläumben,  gebe  idjj 
§u;  aber  ben  SBerläumbungen  liegt  boä)  in  ber  Siegel 
etwas  2öal)re3  p  (Srunbe,  e3  mag  fo  gering  fein,  wie  e3 
miß.  Dber  follte  benn  j.  $8.  ber  fo  oft  angeführte  jefut* 
tiftf)e  ®runbfa$ :  „ber  $wd  heiligt  bie  Mittel"  ganj  unb 


214  «Siebentes  ©efpräc§. 

gar  aus  ber  ßuft  gegriffen  fein?  unb  bann  ift  bo$  bie 
gau§e  (Safutfltf,  wie  gang  befonberS  bie  Qefuiten  fie  ge- 
pflegt Ijaben  fotfen,  woljl  aud)  nid^t  t>om  ©uten ;  über  ben 
SßrobabiliSmuS,  beffen  ©rftnbung  man  i^nen  üorrairft,  l)abe 
tdjj  freilid)  fein  Urteil,  weil  idj  baoon  ntdjtS  nerfte^e. 

3$.  SltlerbingS  ift  ber  jefuüifd)  fein  fottenbe  $runb- 
fa|,  ba$  ber  3wd  ^ie  DJlittel  ^eilige,  fo  wie  er  gewöhn* 
lidj  genommen  wirb,  unb  wie  ifjn  bie  Qefuiten-'getnbe, 
bie  üjn  ben  ^efuiten  in  bie  ©dju&e  Trieben  r  leiber  all* 
häufig  felbft  practiären,  in  bem  ©inne  nämlidj,  bafc  ein 
guter  Qweä  ein  fdjledjteS  Mittel  Ijeilige,  eine  gan$  unb 
gar  aus  ber  ßuft  gegriffene  SSerläumbung.  @S  fyat  nod) 
9ttemanb  biefen  ®runbfa§  als  einen  jefuitifäjen  nadjweifen 
können,  ungeachtet  man  neulich  auf  ben  erbradjten  %laü)* 
weis  einen  anfelmlidjen  $reis  gefegt  unb  alle  biejenigen, 
bie,  olme  biefen  ^adjweis  erbradjt  §u  fyahen,  bie  Qefuiten 
bennodj  biefeS  imfamen  ©runbfa^eS  §u  befdmlbigen  fort* 
fahren,  öffentlidj  für  elirlofe  SBerläumber  erflärt  l)at. 

©er  6a|:  ber  Swed  Ijeiligt  bie  ÜJlittel,  fann  aber 
aud)  einen  guten,  wentgftenS  einen  erträglidjen  ©tun 
Ijaben.  @S  gibt  nämlidj  §anblungen,  bie,  infowett  fte  $u 
einem  beabftdjtigten  $wede  rjinbegogen  werben,  in  ber 
9ftoral  Mittel  genannt  werben,  unb  beren  Sfloralität 
von  ber  üDtoralttät  be^  ßmedeä,  auf  ben  man  fie  Ejtn&e* 
Stellt,  allerbingS  ftar!  beeinflußt  wirb,  bie  burd)  ben  gwed 
fowoljl  geheiligt  als  entheiligt  werben  tonnen. 

©aS  Sadjüerljältntft  ift  fürs  biefeS: 

1-.  ©er  allgemeine  ©runbfa|  ift:  eine  §anblung  ift  nur 
bann  gut,  wenn  fie  fowo^l  bem  Mittel  als  bem  Qwede  nad) 
gut  ift;  idj  begwede  %. 23.  burdj  ein  ätmofen  fdjledjtljm  bie 


©teöenteä  ©efpräd).  215 

Unterftügung  eines  üftotftfeibenben ;  btefer  groedf  ift  gut 
unb  ba£  SDWttel,  eben  ba$  Stfmofen  felbft,  ift  ebenfalls  gut. 

2.  @tne  §anblung  ift  fdtfedjt,  wenn  ifyr  bittet  sroar 
<m  fid^  gut,  aber  ifjr  ßtoeä  fd)ledjt  ift;  5.  $.  ba$  SWmofen 
geben,  moburd)  man  Qemanbcn  gur  Sünbe  tjerfil^ren  will, 
ift  nid)t  etroa  eine  fyalb  gute  unb  eine  fjalb  fdjledjte,  fonbern 
eine  gan$  fdjledjte  £anblung,  vomn  fte  aud)  it)rem  Mittel 
nadj  gut,  benn  ba$  Sllmofen,  ba$,  an  fid^  betrautet,  etraa3 
($ute$  ift,  roirb  burd)  ben  fd)led;ten  ftvoiä,  bem  e3  bienen 
fott,  in  feiner  ©üte  alterirt. 

3.  $De3gleidjen  ift  eine  §anbtung  fdfjledjt,  wenn  fte 
$roar  ifjretn  Sruede  fl<*dj  pt,  aber  iljrem  Tlittei  naty 
f d^tec^t  ift ;  j.  23.  fteljlen,  um  mit  bem  $eftol;tenen  2l(mofen 
ju  geben;  lügen,  um  bem  üftädjften  au$  bcr  91ot£j  gu 
Reifen ;  ber  Qweä  ift  t)ier  gut,  aber  ba$  bittet  ift  fd)ted)t 
unb  be^atb  ift  bie  gan^e  ^anblung  fdjledjt  unb  ba$ 
fd)led)te  oter  unfertige  Mittel  mirb  burd)  ben  guten  3roecf 
nidjt  geheiligt. 

4.  Söenn  aber  aud)  ein  fdjtedjte^  ober  unljeüigeä 
Mittel  burdj  einen  guten  unb  ^eiligen  Qmeä  nidjt  ge* 
Zeitigt  wirb,  fo  mirb  bofy  ba$  ©tinbfjafte  ber  £aubhtng, 
bie  eleu  fitnbfjaft  ift  unb  Ueiht  burd)  ba$  fünbtjafte 
Mittel,  beffen  man  fidj  babei  bebient,  —  burd)  bie  ©üte 
ober  §ei(igfeit  if)re£  Qxoeäeä  in  etwa  gemilbert;  unb 
[testen  j.  23.,  um  mit  bem  (Seltenen  einen  armen  Rxanten 
§u  unterftü|en,  ift  feine  fo  große  <5ünbe,  aU  fielen,  um  ftd& 
mit  bem  ©eftofjlenen  felbft  ju  bereitem,  ober  e<§  §u  t>er* 
praffen.  2öenn  in  biefer  Seljre  3emanb,  ber  mit  Qefuiten^ 
riedjeret  ftdj  befaßt,  eine  au^fd^Iießtid^  jefuitifdje  ße^re  ent* 
betien  unb  barauS  metteid&t  ein  $letf)t  herleiten  wollte,  bte 
Sefuiten  jene!  oben  gerügten  @runbfa|e^  §u  befdjulbigen. 


216  ©ie&enteä  ©efprcidj. 

ber  würbe  bodj  fe§r  fehlgreifen.  3Hit  ben  Qefuiten  [teilen 
btefe  £el)re  alle  fatfjolifrfjen  Geologen  olme  2lu3nal)me 
auf.  2)enn  fd)on  ber  1)1.  2luguftinu3  le^rt:  fd)led)ter  ift 
berjenige,  ber  aus  Qatfufyt,  als  ber  aus  3Jtttleib  fttetylt.*} 
Unb  weiter  vernünftige  Sftenfdj  ober  (£§rift  !ann  ftdj  aud) 
wol)l  über  biefe  £el)re  nmnbern?  £>enn  eine  ©ünbe  ift 
bod)  rooljl  um  fo  größer,  je  größer  bie  ©elbftfud)t  ift,  bk 
idfj  baburdj  beliebigen,  ober  bk  Suft  am  ©rgö§lid)en,  bie 
i<$  barauS  fdjöpfen  null;  unb  umgefe^rt,  fie  ift  unter  fonft 
gleiten  Umftänben  um  fo  geringer,  je  geringer  jene 
'©elbftfudjt  ober  biefe  ßuft  am  ©rgöpdjen  ift.  £>ie  8ht* 
wenbung  auf  üorltegenben  gatt  ma$t  fiel)  tion  fetbft. 

5.  (Snblidj  gibt  e§  auä)  fogenannte  inbifferente  §anb- 
lungen , .  bie  an  ftdj  ober  tyrem  Dbjecte  nad)  weber  gut 
nod)  fd)ledjt  finb,  bie  aber  burdj  ben  guten  Swecf,  %vl  bem 
man  fie  unternimmt,  gut  unb  burdj  ben  fdjledjten  Sroed, 
gu  bem  man  fie  unternimmt,  fdjledjt  werben.  3-&  fpagieren^ 
ge^en  ift  an  ftdj  etwas  QnbifferenteS;  fpa§ierengel)en ,  um 
ft$  für  neue  Winsen  p  erholen,  ober  einen  franfen  troft* 
bebürftigen  greunb  aus  menfdjenfreunbtidjer  £iebe  §u  be* 
gleiten,  ift  etwas  fäuteä;  fpajierenge^en ,  um  bie  $eit  p 
t)ertänbeln,  ift  etwas  ©djledjteS. 

hierauf  ungefähr  rebuciren  ftdj  bie  Se^ren  t)on  bem 
(Sinfluffe,  ben  bie  äftoralität  beS  Qmäeä  auf  bie  äftoralität 
beS  Mittels  ausübt ;  —  idj  Ijabe  fie  nidjt  erfdjöpfenb  vox* 
getragen,  aber  bodj  fo  weit,  all  es  für  unfern  Swecf  ge* 
nügt;  biefe  Seljren  finben  6ie,  wie  bei  atten  fat^olifdjen 
Geologen,  fo  natürlich  audj  bei  ben  Sitten;  aber,  wa& 
finben  ©ie  benn  aud)  baran  2htftößigeS  ? 


*)  Contr.  mendac.  c.  8. 


©ie&cnteä  @efpräd&.  21? 

2)aj3  ©ie  auf  bk  (Safuiftif  ni$t  befonberS  gut  ju. 
fpredjen  ftnb,  neljme  idj  8§nen  nid&t  übel,  ©ie  wiffen 
nid&t  au3  @rfal)rung,  wa3  e3  fjeifjt,  Qemanben  im  23eid)t* 
finale  ober  fonft  als  ©ewiffenSrati)  in  feljr  complicirten, 
gToeifel^aftett  ©ewiffenSfällen  9ktt)  erteilen  muffen.  SDafr 
aber  Qlire  Ferren  ^rebiger,  2tnbreä  u.  2t.  barüber  fo  »er* 
ädjjtlidj  uub  wegwerfenb  reben,  madjt  iljnen  in  ber  %fyat 
feine  @§re.  93on  il;nen  mügte  man  in  folgen  fingen 
mefjr  ©infidjt  erwarten.  Unb  wenn  fie  audj  feltener  in 
bie  Sage  fommen,  oon  ber  ©afuiftif  ©ebrauci)  §u  madjen, 
weil  fie  nidjt  im  23eidjtftul)te  arbeiten  unb  audj  fonft  wol)l 
in  fdjnrierigen  ©ewiffenSfällen  von  iljren  ^Pflegebefohlenen 
feiten  um  sJtatl)  ober  ©ntfdjeibung  angegangen  werben,  fa- 
fottten  fie  bodj  fo  bittig  fein,  auf  unfern  ©tanbpunft  fidj 
gu  t>erfe£en  unb  twn  unferm  ©tanbpunft  au3  bie  ©a$e 
§u  beurteilen,  Sidfjere  unb  fefte  ^rincipien  muffen  ber 
(Safutftif  atterbing£  §u  $runbe  liegen,  fonft  finb  i^re  ®nU 
f^eibungen  unfidf)er,  willfürti^  ober  blinb,  aber  man  fann 
alle  Sftoralprtncipien  unb  9ftoratgefe£e  fefyr  gut  inne  l)aben, 
unb  bo$  ein  fd^le^ter  23eidjtoate%ober  9tatl;geber  in  ($e* 
wiff entfallen  fein,  fo  gut,  mk  man  bie  2öiffenfd)aft  ber 
äJlebicin  ober  ber  Qurilprubenj  grünbltdj  t)erftet)en  unb  bocf> 
in  bem  ©inen  wie  in  bem  Ruberen  ein  fdjted[)ter  $raftifer 
fein  fann,  roaä  fogar  feljr  liäuftg  begegnet.  3$  fannte 
einen  au3ge§eidmeten  $anbeften*£el)rer,  ber  nid)t  im  ^tanbt 
war,  in  $roceJ3  =  ©ad)en  ein  richterliches  Urzeit  ju  for* 
miren  unb  oon  einigen  febr  gefeierten  Sehern  ber 
£t)erapeutif  weiß  man,  bafc  fie  in  ber  $el)anbtung  it)rer 
Patienten  entfefciiclj  tuet  Unglücf  Ijaben.  Qm  Seben  ge|t 
ntd)t  OTe3  fo.feid)t  unb  glatt  ao,  wie  in  ber  SBiffenfdjaft 
unb  wenn  man  meljr  für  bie  ©dmle,  aU  für'3  Sebeu 


-218  ©te&enteä  ©efptäd&. 

lernt,  fo  nerbirtbet  man  fid)  roeber  6taat  noäj  $ircf)e  ju 
befonberem  £>an£e.  23efonberS  aber  ift  bie  djriftlidje  2Roral 
fo  redjt  eine  SBiffenfdjaft  für'S  £eben  —  nnb  t)on  iljr  be* 
fonberS  gilt  beS  SDtdfjterS  ©prudfj: 

„©ran,  teurer  greunb,  ift  alle  Xljeorie, 
3)od)  grün  beS  SebenS  golbener  £3aum."*) 
SDie  allgemeinen  2ftorat*8e$ren  ober  *Pflid)ten=@ebote  mögen 
mir  noclj  fo  flar  üor^toeben:  nnb  wenn  idj  Ijanbeln  ober 
mtbern  ratzen  fott,  wie  fie  $u  Ijanbeln  Iwben,  wenn  tdj  alfo 
btefe  allgemeinen $flic^ten^el)ren  amoenben  fott  auf's  mir!* 
üd)e  praütifdje  £eben,  baS  oft  anwerft  t)ernricfelte,  jebenfatts 
aber  immer  feljr  concrete,  üon  Imnbertfältig  üerfd^iebenen 
Umftänben  umgebene  gätte  barbietet,  roerbe  idj  bod^  wol)l 
oft  mit  bem  SMjter  aufrufen  muffen: 

„£)a  ftelje  idj  nun,  tdjj  armer  %f)ov, 
IXnb  hin  fo  fiug,  als  wie  §uoor!"**) 
Qdj  will  meine  23el)auptung  burd^  ein  paar  SBetfpiele  aus 
bem  &eben  erläutern. 

®ie  Vßfiifyt  hex  Sfteftitution  ift  befanntlid;  eine  ftreng 
Derbinbenbe  SßfCid^t  ber^eredjtigfeit;  bie  allgemeinen  ße^ren 
barüber,  roie  mcl?  mann?  n)o?§ureftituirenfei,  forool)l  vom 
SfteftttuttonSpflid&ttgen,  ber  fid)  bis  bat)in  im  reb.licljen,  als 
t)on  bem,  ber  jtdjün  unreblidjjen  $efif$e  fremben  ©igen* 
tljumS  befanb  —  biefe  finb  im  allgemeinen  ebenfalls  oon 
3ebermann  aneiiannt.  3öie  mürbe  aber  rcoljl  §err  Slnbreä 
entf^eiben,  roenn  ilmt  folgenber  concrete  gatt  vorgelegt 
würbe,  auf  ben  er  jene  allgemeinen  ßetjren  anmenben  fottte? 
3m  Monate  ^ooember  entmenbete  ein  armer  £agelölmer 


*)  ©oetlje'S  gauft.   I.  %f>. 
**)  «.  a.  0. 


@ie6enteä  ©efprftdfr.  219 

Einern  jiemli$  begüterten  $auer  einen  kalter  Joggen,  23er* 
liner  ®emäf$,  baS  er  mit  feiner  gamitte  audj  balb  oer§el)rte. 
damals  warb  baS  DJlalter  Joggen  um  ben  $reiS  t)on 
6  %i)lx.  ©erfauft;  im  Monate  SDecember  foftete  baffelbe 
5  xijlx.,  im  Monate  Qanuar  ftieg  ber  ^rets  rafdj  bis  §u 
10  i^lr.;  in  bemfelben  Monate  Sanuar  gel;t  nun  ber 
arme  £agelölmer  in  feiner  ©emtffenSangft  §errn  Slnbreä 
um  eine  ©ntfdjeibung  an,  wie  triet  er  benn  nun  eigentlich 
bem  begüterten  $auer  §u  reftituiren  l)abe.  $ietteicl)t  mürbe 
iQerr  Slnbreä  nod)  einige  Vorfragen  für  nötl)ig  galten, 
er  mürbe  ben  beängftigten  £agelölmer  tnelleidjt  nodj  fragen, 
ob  ber  Söauer  mol)l  biefeS  SMter  Joggen,  menn  es  tfjm 
im  Monate  9tot)ember  nidjt  entroenbet  morben  märe,  ixt 
biefem  3ftonate  oerfauft  l)aben  mürbe.  „£>aS  üann  id)  nid)t 
für  gemife  fagen,"  antmortet  er  iljm;  „er  Ijat  jroar,  mie 
id)  meifc,  mehrere  kalter  Joggen  bamals  oerfauft:  anbere 
aber  l;at  er  fpäter  oerfauft,  im  Monate  8<muar."  2Bie 
$efagt,  id)  mödjte  bod)  gern  miffen,  mie  bie  ©ntfdjetbung 
beS  §errn  5lnbreä  Ijier  ausfallen  mürbe. 

®in  anberer  Sagelölmer  ober  §anbmer^maun  fommt 
ju  tlmt  unb  begehrt  feinen  3ktl;  in  folgenbem  ©emiffenS* 
falle ;  Qdj  ^)abe  oor  Qaljren  einem  moljlliabenben  ®ef$äft3= 
manne  eine  ©umme  Selbes  geftofylen,  bie  id)  aber  nid)t 
genau  meljr  angeben  fann,  benn  ein  %tyil  beS  ©elbeS 
uerlor  id)  nod)  an  bemfelben  2lbenbe,  mo  id)  es  geflogen, 
aus  meiner  £afd>e.  2113  id)  bk  ©umme  p  §aufe 
§ctylte,  raaren  es  nod;  18  Xl)akx.  8$  mitt  jefct  aber  enb* 
itdj  ben  ©emtffenSbrud  loS  werben,  unb  erftatten,  wa$  id) 
vox  @ott  unb  meinem  ©emiffen  bem  betrogenen  ju  er* 
ftatten  fdmlbig  bin.  2lud>  ^ter  mürben  moljl  mieber  einige 
nod)  genauere  ©rfunbigungen  beliebt  werben,  j.  23.  mie  oiel 


220  6iebente§  ®efpräc§. 

s$rocente  n>ol)l  ber  betrogene  alljctljrlidj  oon  bem  Kapitale, 
womit  er  lianbelt,  gewonnen  fyabe.  2)enn  baß  bem  be- 
trogenen nia;t  bto3  ba3  if)tn  emwenbete  ®ut,  fonbern  audr 
ber  il)m  burdf)  ba$  ©ntbefyren  feinet  ($ute$  entftanbene 
©dfjabe  ober  ber  entgangene  ©ettrinn  gu  erftatten  fei  — 
barüber  finb  aKe  c^riftlid^en  Geologen  eint)erftanben. 
2öenn  aber  ber  (Gewinn,  ben  btm  23eftol)lenen  ba3  @nt* 
wenbete  gebraut  l)aben  würbe,  fid)  aud)  nid^t  genau  be* 
rennen  läßt,  rate  wirb  bann  ba3  anrief  adje  £)ubium 
gu  Iöfenj  fein?  @3  finb  bie3  nur  jraei  ga'tte,  i$  fönnte- 
aber  in  2lbftd)t  auf  biefe  @ine  $flid(jt  ber  Sfteftitution 
meljr  aU  ein  £)u£enb  anführen,  bei  benen  bk  ®nU 
fdjeibung  nid)t  leidster  ift.  2tber  £err  Stnbreä  möge  aus 
biefen  Seifpielen  entnehmen,  wie  leidet  man  frier  in  fei- 
ner (Sntfdjeibung  fehlgreifen  fönne,  o^ne  ba^  man  babei 
gerabe  Sayift  &u  fein  brauet.  Unb  auger  bem  Schaben, 
bm  iä)  bem  -ftädjften  an  feinem  jeitlid^en  ©ute  jufügen 
iann,  gibt  e3  aud)  Söefdfjäbigungen  beffelben  an  feiner 
@§re  unb  feinem  guten  tarnen,  an  feiner  ©efunbl)eit  unb 
Seben,  unb  enbltdf)  an  feiner  «Seele;  unb  bie  Irier  t>or* 
fommenben  !Heftttution^ ^gätte  finb  manchmal  nodf)  m* 
gleidf)  t>ernri<Mter  unb  fdfjwieriger ,  all  bie  oortrin  ge* 
nannten;  unb  bod)  fyanbelt  e£  fidj  ^ter  immer  nur  nodj 
um  eine  einige  $flid)t,  bie  in  ber  Stfjeorie  fo  flar,  wie 
möglidjj  ift,  bie  aber  in  ber  SßraytS,  wo  fie  gleicl)fam  gleifdfj 
unb  $lut  annehmen  foll,  ^unbertfältig  variablen  $eftim* 
mungen  unterliegt.  Unb  nun  benfe  man  an  bie  Sttenge 
ber  anbem  $flid)ten,  ber  unjä^tigen  fogenannten  $flid()ten* 
(SoIIifionen.  £)te  £et)re  ber  2öiffenfdjaft  über  biefe  ^flidrien* 
(Sofltftonen  ift  fet)r  leidet  unb  einfad) ;  fie  beljanbelt  fie  als 
einen  bloßen  ©d^ein,  worin  fie  im  ©runbe  aud;  gan$ 


©ieöenteä  ©efarädj.  *  221 

tedjt  fyat,  xoenn  nur  ber  6d)ein  im  nririftdjen  üeben  au$ 
immer  fo  lei^t  &u  befeitigen  raäre.  Söarum  tjat  benn  fd^on 
ber  (jeibntfäje  $ljilofopl)  ßicero  in  feiner  ©djrift:  „lieber 
bie  ^fttdjten"  mit  folgen  ©emiffen^fätten  unb  $f(idjten* 
€ottifionen  ftdj  fo  tuet  §u  fc^affen  gemadjt?  Unb  foll  benn 
triettetd)t  an  djriftltd)er  Pjüofopf)  ober  £(;eolog  für  fttt* 
lidje  fragen  weniger  Qntereffe  tjaben  unb  fie  leidster 
nehmen,  als  ein  Ijetbnifdjer? 

Wlan  wirft  ber  ßafuiftif  i^re  un&äpgen,  feinen,  Ijaar* 
fpattenben  ©iftinltionen  oor,  als  ob  man  olnte  foldje  ge* 
naue  SDtftinftionen  unb  $eftimmungen  auf  biefem  Gebiete 
irgenb  etwas  ausrichten  fönnte  unb  als  ob  man  baf  wo 
von  einer  ©ntfdjeibung  oft  bas  ®lüd  ober  Ungtücf  nid)t 
blofj  @tn§elner,  fonbern  ganzer  gamilien  abfängt,  in  ber 
Abwägung  beS  §ür  ober  Söiber  wofyl  jemals  §u  viel  tfynn 
unb  gtt  forgfältig  gu  9Ber!e  ge^en  tonne.  Söatjrttd),  baS 
Nabeln  ober  @djmä§ett  ift  wohlfeil,  befonberS  voenn  man 
ben  SBerfljj  ber  gefd)tnäl)ten  <5afye  gar  nidjt  einmal  fennt 
ober  baoon  (gebrauch  p  madjen  nie  in  bie  Sage  fommt. 
3$  bebaure  von  bergen  jeben  ^riefter,  ©eelenfüfyrer  unb 
(SewiffenSratlj,  ber,  trietteidjt  nodj  obenbrein  jung  unb  un* 
erfahren,  olnte  einen  anbern  ^ompafc,  als  ben  einer  bünnen, 
etwas  wiffenfdjaftüdj  unb  fyftematifd)  gugeftu|ten  atfge^ 
meinen  $fttd;ten*£el)re,  auf  S  fttppenreid)e  SJJeer  beS  Sebens 
InnauSfteuern  foll;  unb  idj  finbe  eS  waljrli$  nidjt  fd)ön 
unb  ebel,  bafj  man  biejenigen,  bie  il;m  einen  folgen  £ow> 
ya§  in  bie  feanb  geben,  für  if)xe  guten  £>tenfte  antf)  nocf) 
obenbrein  üerl^nt  unb  befpöttelt.  äöetdj'  ein  ©efttftf  ober 
einen  begriff  fefet  baS  vorauf  t)on  ber  ferneren  Verant- 
wortung, bie  einft  Wirten  unb  ©eetenfü^rer  gu  geben  fyaben, 
—  unb  wenn  bie  §öljnenben  unb  ©pottenben  nodj  gar  felbft 


222  eie&enteä  ©efprärf). 

©eelenfüljrer  fein  wollen!  2Iber,  f)öre  id)  im  Reifte  einen 
folgen  @afuiften*©d()mäl)er  in  tugenblwfter  ßntrüftung  aus* 
rufen :  „£>a3  ift  bodj  fdf)mäl)lidS)  unb  abfd^ettlid^,  bafc  bie 
ßafuiftif  fo  t)iete  §äßüä)e  unb  obfcöne  ®inge  gegen  baä 
ferf;3te  ©ebot  fo  nacft  aufbecft  nnb  x>or  ber  Seit  bloßlegt  I" 
£)u,  guter  ©Ott,  fold^e,  weldfje  bie  $ibel  unb  befonberä 
bie  altteftamentlidfje  $ibel,  bie  boä)  befanntlicf)  fo  manti)t$ 
biefen  $unft  SBetreffenbe  mit  nacfteu  unb  bürren  Sorten 
au3fprirf)t,  in  Sut^er^  Xteberfe&ung  aller  Seit  unb  felbft 
einer  gang  unerfahrenen  ^ugenb  in  bie  £anb  ni($t  hinein* 
geben,  fonbern  Innetnbrücfen  unb  pmngen,  bie  wagen 
e£  abfd^eulidf)  p  ftnben,  baß  folrfje  abfdfjeulidfje  2)inge 
in  23üd(jern  aufgebedft  werben,  getrieben  nidjjt  für  bie 
gange  Seit,  noä)  in  einer  ber  gangen  Seit  üerftcmb* 
lid&en  Sprache,  fonbern  nur  gefd^rieben  unb  beftimmt  für 
einen  feljr  Keinen  23ruäjtf)etf  ber  Seit,  für  bk  Seelen* 
füfyrer,  bereu  ©a$e  e3  bodfj  ift,  ben  2lu3fa§  oom  StuSfatje 
p  unterfcljeiben  unb  bie  Sinbungen  unb  Krümmungen 
be3  SafterS  bis  in  feine  legten  ©ä)lupfwinM  p  verfolgen. 
Sollte  ©ott,  bie  abfdjeuliäjen  Sünben  gegen  ba§  fedfjste 
©ebot  eytftirten  nitfyt  unb  würben  unter  G^riften  nityt 
geübt,  batnit  fte  nicl)t  nur  nic^t  genannt,  fonbern  au<§ 
ntd^t  einmal  gerannt  p  werben  brauchten,  namentlich  ge* 
fannt  p  werben  brausten  ron  benen,  bie  fte  fennen  muffen, 
um  fte  p  beljanbeln  unb  Mittel  ber  Teilung  bagegen  an* 
geben  p  fönnen,  fo  gut  wie  Ijäpc&e  leibliche  Kranf^eiten 
üou  bem  leiblichen  Strjte,  ber  fte  bejubeln  foll,  ebenfalls 
gekannt  fein  muffen.  SDurcl)  ba$  blofje  nidjt  kennen  unb 
nidfjt  Kennen  werben  fo  abfd&eulidfje  $)inge  nic^t  au$  ber 
Seit  gefdljafft.  ©ott  fennt  ober  erlennt  fie  aud^  unb  er 
nennt  fte  uns  audj)  fogar  in  feinen  ^eiligen  6d;riften  mit 


©ie&enteä  ®etyrärf).  22S 

Flamen,  nnb  wie  man  p  fagen  pflegt:  castis  omnia  casta 
(ben  deinen  ift  aEe3  rein).  —  @§  bleibt  mir  nur  nod) 
übrig,  ba%  trf)  Q^neu,  £err  §ofratf),  auf  3före  etit)a^ 
fd)ü<$tertte  grage  über  ben  $robabüt3mu3  antworte, 
t>on  bem  @ie  fagen,  baf$  ©ie  baoon  fein  Hrt^eit  fyaben 
(motten  nur  2lUe,  bie  com  $robabiligmu3  nidjts  weiter 
a(3  ben  tarnen  lernten,  ebenfo  befdjeiben  über  ifm  urteilen), 
ben  man  aber  bodj  ebenfalls  mit  ber,gefuiten=9ttorann$er* 
binbung  bringe.  Sßenn  ify  bie  ©a$e  mit  %wei  SBorten 
abtfmn  foH  (wa3  allerbing3  ferner,  bod^  nötfyig  ift,  nm 
unsere  liehen  beiben  anbern  greunbe  ni<^t  auf  eine 
§u  fernere  ®ebulb#probe  $u  [teilen)  fo  mufi  id)  3§nen 
erftenS  fagen,  bajs  e£  unwahr  ift,  wenn  man  e3  autfj 
noä)  fo  oft  wiebetfjott  §at,  bafc  ber  $robabili3mu3 ,  ber 
allerbing^  mit  ber  (Safuifttf  auf3  engfte  oerflocfyten  ift  (hei 
?ßa$M  erfdjetnt  er  fogar  als  gunbament  unb  als  A  B  C 
ber  Qefuiten^Jioral),  oon  ben  Qefuiten  in  ®ang  gebraut 
worben  fei.  Qdj  formte  Qlmen  ba$  fogar  fdjwarj  auf  weifc 
na$weifen,  mit  Saturn  unb  mit  Warnen. 

Sßäre  biejs  aber  %  weitend  aud)  ma^r,  fo  mürbe  e§> 
ben  Qefuiten  nidjt  gerabe  gur  Unehre  geretdjen.  £>ie  ©ad&e 
nämttd),  bie  man  ebenfalls  fo  oft  fä)mctf)t,  olme  fie  §u 
lennen,  ift  etwa§  fe§r  Unfdjulbtges,  unb  grofje  ^eilige, 
wie  ber  1)1.  $lpl)onfu3  t)on  Siguori,  finb  autf),  ma^  man 
fo  nennt,  Sßrobabiliften.  Sflit  ber  6a$e  vexfyalt  e§>  fitf; 
fttr§  alfo:  Qu  mannen  fingen,  bie  ftd)  auf  3  unmittelbare 
fittlidje  §anbeln  befielen,  entbehren  mir,  wie  Qlmen  fdion 
aus  ben  oben  angeführten  ©ewiffenSfätlen  Har  geworben 
ift,  einer  göttlidj  fixeren  unb  gewiffen  Siegel ;  ba%  yiainx* 
red)t,  bie  §1.  ©d&rift  unb  bie  göttliäje  5trabition  laffen 
uns  babei,  fo  in  fagen,  ebenfo  im  ©tidje,  wie  bie  Sei)re 


224  (Siebentes  ©efyrädj. 

ber  allgemeinen  ßoncilien  ober  bk  (Stimme  be3  apoftoti 
fd^ert  (StuljIeS.  SBenn  man  bodj  aber  nun  Rubeln  unb 
fid)  §u  bem  einen  ober  anbem  entfdfjeiben  muß,  n>a3  foH 
man  tljun?  S)te  einen  Geologen  (genannt  Sutioriften, 
Don  pars  tutior,  b.  §.  bem  fixerem  Steile)  fagen,  man 
muffe  bann  immer  ben  fixerem  %$eil  mahlen,  b.  ^.  ben^ 
jenigen  ££)etf,  ber  von  einer  möglichen  ©ünbengefa^r 
weiter  entfernt  ift.  Qu  ifynen  gehört  natürlich  audj  ber 
obengenannte  tyaätal  mit  ben  Qanfeniften  überhaupt,  bk 
ba^jemge,  ma3  fie  ber  fatf)oltfd)en  ©faubenäieljre  genom* 
men  Ratten,  um  bodj  eine  2trt  $u3gleid(jung  tmeber^erju* 
(teilen,  ber  fatljoltfdjen  Sittenlehre  burtf)  eine  rigoröfe 
(Strenge  naä)  einem  richtigen  ©tfenmafje  gern  nrieber  %u* 
gefegt  Ratten.  @ie  bauten  aber  ntd^t  baxan:  a%t  fptfe 
•ftidjt  nid)t  unb  aßju  fdjarf  f^neibet  nidjt,  unb  bajs  man 
Memanben  größere  Saften  auferlegen  barf,  als  man  fefljft 
tragen  möchte,  unb  ba$  man  ben  fdjon  o^ne^in  engen 
2öeg  §um  §immel  mtf)t  nrilltul)rlid(j  no$  mel)r  verengern 
barf.  2öie  e3  benn  auü)  von  t)orurtl)eil3freien  unb  felbft 
proteftantifdjen  gorfdjem  unb  Kennern  ber  ©ittengefd)tdjte 
anerfannt  rvixb,  ba$  ein  franQaft  rigoröfer  $a3fal  ber 
djriftüdjen  Religion  unb  Sftoral  meljr  gehabet  §at,  atö 
felbft  ein  gottlofer  Voltaire  unb  bajß  bie  Qanfemften  ber 
^Resolution  ebenfo  feljr  in  bk  feänbe  gearbeitet  l)aben, 
aU  bk  freigeiftertfdjen  @nct)clopäbiften.  £)te  ^eiligen  W 
folgten  ftets  ben  ©prudj  be%  Iji.  (SfjrpfoftomuS:  fei  ftrenge 
gegen  bitf),  milbe  gegen  anbere;  fie  waren  alfo  gerabe 
ba£  Umgefel)rte  ber  $ljarifäer,  bk  Slnbern  Saften  auf* 
bürbeten,  bie  fie  felbft  nifyt  tragen  konnten.  2öie  mele 
Pjartfäer  Naturen  aber  gab  e3  woljt  gerabe  unter  ben 
Sanfeniften!  $on  allem  anberen  will  idj  fdjweigen,  unb 


<3ie&entes  ©efpräd).  225 

namentlich  baoon,  ba§  e3  ja  oft  fo  entfe|lidj  fdjtuer  fei,  ben 
fixerem  ktyit  nid)t  etroa  nnr  $u  wägten,  fonbern  and)  nur 
p  beftimmen ;  wie  e3  bie  oben  beigebrachten  23eifpiele  ttäx* 
lidj  geigen.  £)enn  toa£  ^)ier  bie  £utiortften  breift  unb 
Uä  für  ben  fixerem  $fjeil  erklären  mürben,  ba$  nämlid; 
ber  gute  Sagelölmer  ober  ^aubmert^mann  ba3  9ftarimum 
reftituire  unb  ft<$  bttyalb  lieber  aller  feiner  wenigen  Qab* 
feligfetten  entlebige:  ba§  bringt  ttjn  mieber  in  ßonffift  mit 
feinen  anbermeiten  ^flidjten,  ben  $flidjten  ber  djrift- 
liefen  @r$iel)ung  unb  $erforgung  feiner  $inber.  £)ie 
$träje  ijat  baljer  audj  in  Stnfcetradfjt  biefer  Umftcmbe  ben 
S£utiort3mu3  tro§  feinet  frommen,  tugenbljaften  @d)ein<3 
nidjt  in  <5d)u|  genommen,  fonbern  tlm  t)ielmel)r  üermorfen. 
£)te  anbern  Geologen  (unb  e£  finb  biefj  eben  bie 
^robabtliften)  fagen:  man  barf  in  bem  unter ftefften 
gatte,  ba$  eine  untrügliche  $orfd)rift  be3  ganbelnl  ntdfjt 
vorliegt,  unter  gewiffen  @inf$rän!ungen  auefj  eine 
probable  (b.  \  eine  burä)  gute  unb  folibe  (Mnbe 
unterftü|te  unb  begrünbete  Meinung  —  fei  e£,  ba$  ein* 
(tätige  unb  genriffenljafte  Männer  fie  gebilligt,  fei  e$,  ba$ 
fte  burdj  innere  (Mnbe  empfohlen  mirb)  jur  Leiterin  fei* 
ne3  ©eraiffenS  mäljlen  (inbem  man  nämltd)  auf  ©runb 
biefer  probablen  Meinung  ba$  ©ettriffen^Urtljeil  t)on  ber 
(Maubtfyett  ber  §anblung  fiäj  bilbet;  —  benn  ba$  man 
nie  in  einem  praftifdjen  $ennffen3§raeifel,  ob  eine  t)orlja- 
henbe  §anblung  erlaubt  ober  unerlaubt  fei,  bie  §anblung 
unternehmen  barf,  ba$  man  melmeljr  immer,  roenn  man 
erlaubt  Rubeln  fott,  tum  ber  ©rlaubt^eit  ber  §anblung 
aufy  moralifd)  überzeugt  fein  mujs,  ba*  oerfteljt  ftdj  aon 
felbft,  —  benn  ma3  nidjt  aus  bem  ©emiffen  ober  nadj 
bem  ®euriffen  ift,  fagt  ber  »poltet,  ba$  ift  ©ünbe)  unb 


226  ©iefonteä  ©efpräd). 

man  barf  bann  nad)  einem  fo  begrünbeten  ©enuffenS* 
Urteile  fein  Qanbeln  einridjten.  9tur  unter  geraiffen 
(Sinfdjränfungen,  fage  idj,  lehren  ober  behaupten  bie 
$robabiliften  bie  (Mtigfeit  ober  Slnraenbbarfeit  biefer  irjrer 
Se^re;  benn  oerfdjiebene  £)inge  nehmen  fie  ein  für  alle* 
mal  baoon  au3,  g.  23.  roo  e^  fidj  um  bie  lunarjme  be3 
wahren  ®lauben£  ober  um  bie  pm  §eile  fdjledjtljin  notf)* 
raenbigen  £)inge,  ober  roo  e3  fidj  um  bie  ©ültigfeit  ber 
©aframente,  and)  um  $efd)äbigung  eine3  dritten  fyanbelt, 
roie  fie  audj  bem  2lr§te  hei  feinem  §eiIoerfa§ren  unb  bem 
Sftidjter  bei  feinen  ridjterltdjen  (Sutfdjeibungen  bie  Slnmenbung 
biefer  tljrer  Serjre  nidjt  geftatten.  ®et)en  bie  Qefuiten- 
geinbe,  bie  burdjau3  audj  bie  ^ehiten  für  ben  $robabi* 
lilmuS  üerantroortlidj  madjen  motten,  gumal  bie  prote* 
ftantifdien,  auf  biefe  ©infdjränfungen  Ijin,  fp  rjaben  fie 
genriß  am  atterroenigften  ttrfadje,  ftc§  barüber  §u  be!(agen. 
£)urdj  bie  3ra9e^  ^e  flftäj  öem  $robabüi3mu3  entfdjteben 
werben,  werben  fie  meift  gar  ntdjt  tangirt.  £>ie  meiften 
gragen  biefer  SXrt  be^ierjert  fidj  auf  Erfüllung  ber  tirdjenge* 
böte,  $u  benen  ja  bie  ^roteftanten  fid)  orjnerjin  nid)t  für 
flerr>ftid)tet  Ijalten,  3.  35.  bie  grage,  roenn  idj  peifte,  ob 
12  lXr)r  3JHtternadjt  vorüber  ober  nidjt  r-orüber,  barf  idj 
bann  bodj,  roenn  idj  nodj  um  biefe  Qeit  Speife  ober  ^ranl 
genoffen,  am  folgenben  %age  bie  I;(.  Kommunion  empfangen 
ober  bie  ty,  Sfteffe  celebrtren;  ober  bie  grage,  roenn  iä) 
§roeifle,  ob  ber  £)onner3rag  aufgehört  unb  ber  greitag 
fdjon  angefangen,  barf  idj  bann  roegen  be£  für  ben  grei* 
tag  r>erbinbenben  2lbftinen^©ebote3  nod)  gleifdjfpeifen  ge* 
niesen;  ober  bie  grage,  roenn  idj  peifle,  ob  fjeute  ein 
gafttag  fei,  bin  idj  bann  junt  gaften  r<erpflidjtet  ober  nidjt 
r-erpflidjtet ;  femer,  bie  grage,  wenn  idj  jmeifele,  ob  idj 


©fe&enieS  ©efpräc§.  227 

ba$  einunbgman&igfte  3af)r  fdjon  angetreten  ober  nodj  nidjt 
angetreten  Ijabe,  befielt  bann  bie  $flid)t  be3  gaftenS, 
bie  befanntlid)  erft  vom  21.  Sebensjarjre  an  t>erbinbet," 
für  midj  ober  beftetjt  fie  niä)t?  SInbere  biefer  fragen  be* 
§ier)en  fitfj  anf  £>inge,  woran  bie  Sßroteftanten  einfach  nidjt 
glauben  ober  mo$u  fie  fid)  nic^t  für  t>erpflidjtet  eradjten;  j.& 
bie  grage,  ob  i<$  eine  Sünbe,  t)on  ber  idj  pjeifelljaft  bin, 
baß  id)  fie  begangen,  beizten  muffe;  bie  ^roteftanten 
glauben  aber  nidr)t  an  bie  göttliche  (£infe|ung  ber  23eid)te; 
femer  bie  grage,  °^  i$  e*ne  *n  öer  33et(3t)te  auferlegte  SBufce, 
oon  ber  id)  zweifle,  ob  idj  fie  fdjon  geleiftet  Ijabe,  nod) 
einmal  gu  leiften  Detpfftdjtet  fei ;  für  btn  ^roteftanten  er> 
ftiren  aber  foldje  SBufetoerfe  einfad)  nicfjt;  ober  bie  grage,  ob 
tdj  ein  (Mübbe,  mooon  idj  groeifle,  ob  tdj  t§>  abgelegt, 
ober  ob  idj  e$,  wenn  idj  e3  abgelegt,  fdjon  erfüllt  Ijabe, 
erfüllen,  rüdfidjtlid)  e3  nod)  einmal  erfüllen  muffe;  ber 
Sßroteftant  erfennt  aber  (Mübbe  einfach  gar  nidjt  an. 

3d)  felje  aljo  nidjt,  roarum  fidj  befonberS  bie  prote^ 
ftantifdjen  3efuiten  *  geinbe  fo  triel  Sorge  um  bm  $ro* 
babtliSmuS  machen,  ba  ja  feinet  trjrer  Qntereffen  baburdj 
berührt  ober  »erlebt  roirb. 

3dj  fjabe  mid)  nun,  §err  §ofratl),  fuljr  idj  fort, 
meiner  Aufgabe  gegen  Sie  entlebigt.  Sie  l;aben  gtoar 
nodj  r>erfd)tebene  fünfte,  megen  bereu  bie  Sefuiten  geinbe 
bie  3efuitett*3ftoral  in  2lnfprudj  §u  nehmen  pflegen,  gan§ 
unermäljnt  getaffen;  %.  SB.  fpielten  M  spaSfal  unb  feinen 
gebanfen-  unb  urtr)eil£unfäl)tgen  üftadjbetern  im  Sßroceß 
gegen  bie  Sefiuten^üUtoral  audj  bie  fogenannten  geheimen 
$orbel)altC  ( restrictiones  et  reservationes  mentales) 
ebenfalls  eine  nidjt  untergeorbnete  Stoffe.  &af$  aber  audj 
in  biefem  fünfte  bie  Qefniten  ganj  correct  benfen  unb 


228  6tefcente§  ©efyräd?. 

mit  ben  übrigen  fatt)olif<$en  Geologen  gaus  im  (£inflange 
ftdj  befinben,  mürbe  mir  §u  bemeifen  ntdjt  ferner  merbett. 
■3$  würbe  §.  33.  ebenfalls,  menn  man  mtd^  fragte,  ob  t<§ 
t>on  bem  $erbred)en  eines  SJtenf  d&en,  ba3  idj  nur  au  3  ber 
Sßeifyte  wei%  etxoaä  miffe,  mir  fein  ©etmffen  barauS  ma* 
<$en,  runbmeg-  §u  befennen:  nein,  tdj  weit}  bat)on  niä)t£; 
tnbem  tdj  mir  babei  badete,  i$  weift  e3  ntdjt  fo,  bafs  idj 
e3  trgenb  einem  3Jlenf(^en  offenbaren  fann  ober  barf,  unb 
tdfj  formte  nttdj  hierfür  fogar  auf  feine  geringere  Autori- 
tät berufen,  aU  auf  ba§>  23eifpiel  unfereS  göttlichen  §ei= 
lanbes,  ber  ja  aud)  fagt,  er  miffe  ben  ©ertd)t§tag  ntdjt, 
nämlid)  ni&jt  in  beut  genannten  Sinne,  obgleidj  er  tfjn  bodj 
gemifj  fo  gut  mutete  unb  meifj,  mie  fein  t)tmmltfd)er  $ater; 
—  fur§,  iü)  tjalte  foldje  unb  ätjnltdje  9flental=2teftrtctionen 
unter  Umftänben  ntdjt  nur  für  erlaubt,  fonbern  audj  unter 
getoiffen  Umftänben  fogar  für  geboten  unb  tdj  befenne  midj 
in  biefem  fünfte  frei  unb  offen  für  einen  äfyten  Anhänger 
unb  $ertt)eibiger  ber  jefuitifdjen  9ttoral*($runbfä|5e,  b.  t).  ber 
$runbfä|e  unbSetjren  ber  djrtfilidjen  unb  fattjolifdjenSttoral 
überhaupt.  Aber  e3  mirb  enblidj  3^,  bajg  wir  unfere  $)i§? 
cuffion  fdjliefjen  unb  id)  münfd^te  nichts  metjr,  aU  baft  i$ 
Sie  unb  ben  feexxn  ßommercien  ^att)  überzeugt  l;ätte, 
bafj  bie  apaxte  3efuiten*2ftoral  überhaupt  ein  Unbing  fei 
unb  bafj  man  entmeber  raie  ein  23ltnber  von  ber  garbe 
ober  fetjr  lieblos  unb  üerleumberifd)  rebe,  menn  man  von 
einer  fotdjen  aparten  Qefuiten^oral  überhaupt  nodj  rebe. 
3)er  §ofratl;  antwortete  mir  burdj  einen  innigen  unb 
freunbltdjen  Qänbebxnä,  i<$  mar  aber  biefen  £änbebrutf 
fdjon  gewohnt,  fo  ba$  tdj  ttjn  für  ntdjt  meiter  bebeutfam 
^ielt;  unb  mir  münzten  uns  gegenseitig  unb  aEfeitig 
angenehme  9ftul;e. 


2td)tcö  ©eforäd). 

„35er  9?u$m  eine«  ftteid&eg  ift  He  üiebe  jur 
Oere^tißfeit."  (^Jlato.) 

@3  mar  jefct  ba$  legte  Mal,  baß  wir  uns  ju  fo  trau^ 
lidjem  ®efprädje  sufammenfanben ;  benn  bringenbe  Um* 
ftänbe  nötigten  mid),  am  anbem  borgen  abstreifen,  raa£ 
idj  auä),  als  mir  uns  einanber  begrüßt  fjaiten,  ber  ©efeff= 
f$aft  gleidj  erklärte.  2lber  um  fo  meljr,  §ub  ber  (Som* 
mercien^atlj  an,  fottten  mir  uns  benn  bod)  Ijüten,  uns 
audj  nod)  biefen  legten  traulidjen  2tbenb  mit  tljeologifdjen 
3än!ereien  &u  oerberben,  unb,  gu  mir  Ijtngeraenbet,  fu^r 
er  in  einem  fort:  „2BaS  fagen  6ie  benn,  §err  $tfdjof, 
ju  ber  ©afteiner  (Sonoentton?  —  £)enn  fur§  §uoor  ah* 
gefd)loffen,  mar  biefe  ßonoention  als  baS  große  politifdje 
£ageS  =  @reignif3  bamalS  in  SlHer  9Jtunbe.  Sßolttif,  er* 
rateberte  id),  ift  meine  <Saä)t  nid)t;  bie  überlaffe  id)  gern 
Sollen,  bie  fte  beffer  oerfteljen;  unb  roenn  id)  bod)  baxan 
benfe  ober  baran  gu  benfen  genötigt  raerbe,  fo  ift  baä 
einige  Slugenmerf,  raaS  id)  babei  Ijabe,  ob  bie  reltgiöfen, 
ober  bie  fatf)olifd)  fird)li$en  Qntereffen  babei  gerainnen 
ober  üerlieren.  llnb  betradjte  idj  bie  genannte  (Sonoention 
unter  biefem  $efid)tSpunft,  fo  glaube  id),  fann  man  fidj 
nur  barüber  freuen,  —  DorauSgefegt,  bafj  eS  babei  mit 


230  SW&te8  ©efpräd&. 

bem  Sftedfjtöpunfte  in  Drbnmtg  ift,  benti  roa3  gegen  ba3 
fH;e(^t  tft,  ba3  tft  natiirlid;  audfj  gegen  bie  Religion. 

„2öie  fo?"  entgegnete  ber  ßommeräen^atl),  „roa3  §at 
benn  bie  ©aftetner  (Sonoention  mit  ber  Religion  gu  ttjun?" 

©benfooiel,  erroieberte  tdj,  wie  alles  anbete,  roa»  unter 
ber  6onue  gefd)iel)t.  2öir  feljen  e§>  freiließ  meift  ttidfjt, 
ober  fönnen  e3  nic^t  ftfjroars  auf  metfe  nadjroeifen,  —  aber 
SltteS,  roa£  gefc&ieljt,  beförbert  entroeber  ober  fyinbert  bte 
8aäje  (Sfjriftt  unb  feiner  $ird)e;  unb  oon  ber  genannten 
ßonoentton  mödjte  idj  efyex  annehmen,  ba%  fte  bie  6ad)e 
ber  Religion  förbere.  £)enn  e3  mirb  bod)  rool)l  in  ©djteS* 
mig^otftein  „meerumfrfjlungen"  fürber^in  nirf)t  jebe  fatfjo* 
lifdje  £eben3regung  mefjr  mit  brutaler  ©eroalt  nieber* 
gebrückt  werben.  2ßo  ber  preufcifcfje  Slbler  roeljt,  lann 
audj  bie  ?att;olif$e  JHrdje  frei  itjr  Banner  entfalten.  Ueber* 
§aupt,  fuljr  idj  fort,  brängt  ftdj  mir  im  Qntereffe  ber 
firdjlidfjen  gretl)eit  rooljl  oft  ber  fülle  Söunfdj  auf,  e3 
mödjte  unfer  liebes  ^reuften,  roenn  e3  fonft  o^ne  bie  $er* 
le^ung  ber  ©ered)tigMt  gefdjel)en  ftmnte,  no$  ben  einen 
unb  anbevn  unfrer  beutfdjen  £)uobe§ftaaten  in  aller  2tul)e 
unb  ©emütfjücfjfeit  ftdj  anneftiren.  (Siner  ber  §auptfdjäben, 
tooran  bie  Regierungen  biefer  ftetnen  Staaten  leiben,  tft, 
baf;  fte  §u  roenig  ju  regieren  fyaben  unb  meil  fte  $u  roenig 
ju  regieren  Ijaben,  be3§alb  motten  fte  ju  triel  regieren  unb 
tyxe  §änbe  aud)  in  baSjenige  mtfdjen,  xoa$  fie  im  ©runbe 
gar  nid^ts  angebt.  Unb  über  biefe  $tel*  unb  OTeSregiereret 
fommt  bie  gretl)eit  ber  JHrdfje  in  ©efa^r,  benn  burd)gel)enb£ 
(2lu3nal)men  freiließ  giebt  es  unb  §u  biefen  SluSna^men  ge= 
|)ören  gtücflidjer  2Mfe  faft  alle  btejenigen  kleineren  Staaten, 
über  meldte  fidjj  meine  SDiöcefe  erftreeft)  roirb  bie  $ird(je  in 
biefen  kleinem  beutfdjen  (Staaten  gerabe  am  ärgften  gefnebelt. 


2tdfjte§  ©efpväcfj.  231 

©er  §ofratt),  bem  Bei  meinen  Söorten  bie  Singen  t)or 
greube  glänzen,  fiel  ein  nnb  fagte :  „!>ftun  ba$  ift  bod) 
einmal  ein  2öort  tum  Seiten,  ba3  ftd)  tjören  lägt,  ©ine 
fo  preuftifdje  itnb  ää)t  patriotifdje  ©eftnnung  Ij&tte  tdj 
Qtjnen  wat)rtidj  nid)t  sugetraut!" 

Söarumbenn  ntdjt?  erwieberte  tdj;  (Sie  meinen 
alfo  aud),  ein  guter  ^reufje  unb  ein  guter  Ratfyolit  feien 
gwei  ftdj  einanber  an^f^liegenbe  begriffe,  greitid),  wenn 
6ie  mit  ben  Scannern  ber  $reu§§eitung  auf  3t)re  galme 
bie  formet  treiben:  „^reugen  ein  eüangetifdjer  Staat"  — 
fo  tonnen  Sie  einem  guten  ^at^olifen  patriotifdje  {$efüt)le 
nidjt  wotjt  ^trauen. 

2Sir,  ^attjolifen  finb  nidjt  ein  ($efd)led)t  erft  von 
$eftern,  mix  finb  im  23eftj$e  alter  verbriefter  9fted)te,  nnb 
aU  wir  unter  ^reufeen^  ©cepter  famen,  ift  un3  ber  gort* 
genug  berfetben  feiertid)  sugefic^ert  worben.  Qn  bem 
„eoangelifctjen  Staate  ^reugen"  aber  ftimmen  9iedt)te ,  xoie 
fie  un3  §ugeftd)ert  finb,  einfadr)  nidjt,  mir  fyätten  vielmehr 
nodj  t)on  ©lud  gu  reben,  wenn  wir  in  einem  fotdjen 
6taate  nur  gebulbet  mürben,  unb  ba$  mir  uns  bafür 
auct)  nod)  bebanfen  follten,  ba$  mürbe  uns  bodr)  etmaä  ju 
viel  §ugemutl)et  fein.  gutn  ©lücf  aber  ift  jener  „evan* 
getifdje  &taat  ^reufcen"  nur  ba$  ^reujgen  einer  flehten 
preu&ifdjen  Partei  unb  nidjt  ba$  ^reujsen  ber  preufnfdjen 
Regierung,  nod)  Diel  weniger  ba$  ^reugen  be3  Jtömg3 
ooit  ^reufcen.  W.%  man  an  eine  $erfaffung  nodj  nidjt 
bafyte,  Ijatte  fdjon  ein  l)oct)t)eräige^  $önig3wort  ben  üatljo* 
lüeu  ^reufjenS  etne3  ttjrer  wesentlichen  ftrd)fidjen  Sfiedjte, 
ben  freien  $er£et)r  mit  üjrem  firdr)fldr)en  Dbertjaupte,  %n* 
tüdgegeben  unb  eine  ber  ©auptfeffeln,  womit  mir  ge* 
fnebelt  waren,  war  barmt  gerfprengt    2ln  ftd;  feine  he* 


232  Siebtes  «präc§. 

fonbere  ©unft,  ja  überhaupt  feine  ©unft  (benn  mit  iljrent 
fird^Ii($en  Dberrjaupte  frei  p  r>erfel)ren,  war  ben  ©Triften 
felbft  in  ben  fdjlimmften  Reiten  be£  d)rifient)erfoIgenben 
alten  $ömifd)eu  ^aiferreic§^  ntdfjt  oerfagt),  mürbe  biefer 
föniglidje  2I!t  bo$  unter  ben  bamaligen  Umftänfcen  von 
unä  a'U  befonbere  ©unft  aufgenommen  unb  empfunben. 
SlHen  übrigen  beutfdjen  dürften,  bie  fatrjoiifdjen  nidjt  au3- 
genommen,  ging  ber  l)od)felige  $önig  grtebrtdj  2Bill)elm  IV. 
mit  biefem  23emeife  ljocf)l)er§igen  föniglidjen  $ertrauen3 
gegen  feine  fatfjolifdjen  Untertanen  t«oran,  unb  §ubem 
umfjten  unb  füllten  roir,  bie  %i)at  ging  rein  rjeroor  au£ 
einem  freien  frmigliäjen  (ümtfdjluffe,  au3  einem  eblen  unb 
golbenen  §er§en.  '8a,  in  biefem  Könige  fä)tug  roar;rr)aft 
ein  eblel,  golbenen  £erj  unb  e3  üerläugnete  fidj  baffelbe 
aurf)  gegen  un3  $atrjolifen  nidjt.  £>a3  2öort:  „3$  unb 
mein  igauS  motten  bem  §errn  bienen",  mar  in  feinem 
SDfcunbe  feine  blo£e  Lebensart,  unb  \va§  er  beim  eintritt 
ber  Regierung  fpradj:  „3$  merbe  gern  fefyen,  baft  bie 
fatrjolifcfje  $irdje  bie  2öunben,  bie  fie  fidj  felbft  gefdjlagen, 
auclj  felbft  rjeile"  —  btö  l;at  er  auäj  roä^renb  feiner 
gangen  9iegierung^eit  treu  unb  reblidj  §u  galten  ftd)  be* 
ftrebt.  3ftittlermeüe  aber  erhielten  mir  eine  ^erfaffung, 
meldje  ben  königlichen  Intentionen  einen  entfpreä)enben 
unb  bleibenben  2lu3brud  gab.  3)urd)  fie  mürbe  bie  fatfjo* 
lifdje  $trdje  von  ber  6taat^  ^eoormunbung  emaneipirt 
unb  für  eine  ©efettfdjaft  erflärt,  bk  irjre  innern  2(nge* 
legen^eiten  felbft  orbne  unb  vermalte.  8m  ©enuffe  biefer 
uns  von  ber  $erfaffung  verbrieften  grei^eit  füllen  mir 
umS  moljl,  mir  finb  äff)te,  lotjate  ^reufeen,  nid)t  btoS  mit 
ber  QunQt,  fonbern  audj  mit  bem  §er§en  unb  in  ber  £fjat, 
—  unb  tdj  glaube,  mir  Ijaben  von  biefer  unferer  loyalen 


2Tc§te3  ©efprädj.  23£ 

($eftnnung  fdjon  oft  genug  ffjatfäd&Udje  33eweifc  geliefert. 
2Bir  fagen  e3  mit  6tol§,  waä  itf)  fo  eben  fagte:  mo  ber 
preufeif^e  2lbler  meljt,  ba  entfaltet  audj  bie  fatrjoltfdje 
Religion*  fro§  unb  frei  üjre  ©Urningen. 

3)ßr  $ofrat§.  2tber  um^  £>immel3  mitten,  marum 
benn  nun  in  ber  fatl)olifrf)en  treffe  btefe  fortroärjrenben 
JHagelteber? 

%ä).  £>iefe  $lagelieber  begießen  ftd),  fo  meit  iä)  ba* 
üou  9toti§  genommen,  burdjauS  niä)t  auf  bie  preufeifcfje 
$erfaffung,  fofern  fte  bk  $irdje  betrifft,  fonbern  nur  auf 
bie  mirflidje  unb  reette  2Ku3fürjrung  ber  $erfaffung,  unb 
namentliä)  auf  ben^unft.ber  Rarität.  £)enn  eine  pari* 
tätifäje  $erjanblung  freiließ  können  unb  muffen  mir  preufci* 
fäjen  ßatrjolifen  im  Tanten  ber  ®eredjtigfeit  f orbern;  mir 
Jonnen  forbern,  bafc  mir  mit  unfern  proteftanttfdjen  9JUt* 
bürgern  gan§  auf  gleiten  gujs  geftettt,  bafj  un£  ftaatlidje 
$ortl)eite,  Unterftü|ungen  u.  bergl.  naclj  gleichem  Wlaafo 
unb  $emid)t  pgemeffen  raerben,  ba%,  mo  e3  fidj  g.  93.  um* 
^eförberung  $u  «Staate  Remtern  Ijanbelt,  bie  üatrjolifen 
um  i&reS  religiöfen  Sclenntmffes  mitten  niä)t  jurüdf gefegt 
unb  bie  $roteftanten  um  be3  proteftantifäjen  $efennt* 
niffe£  mitten  nidjt  tmrgejogen  merben,  ba$  tnSbefonbere 
vei  ben  p^eren  ober  rjödjften  ©taatSämtern,  in  ^n  9JHni* 
fterien,  in  ben  9<iegierung^  Kollegien,  an  ben  Pieren  ober 
ruften  $erid)t3l)öfen  u.  bergl.,  bk  ^atrjolifen  ni$t  über* 
gangen  ober  boä)  fe§r  unoer^ältnifemäJBig  berü(Jftä)tigt 
merben,  bafe  gleichfalls  ein  richtiges  SSerrjältnifj  ^ergeftettt 
werbe  in  Slbftdjt  auf  rprjere  XtnterridjtSanftalten,  llnioerfU 
täten,  (Stnnnafien,  S^ultel)rer^6eminarien  u.  bergt,  baft 
bie  $atrjoltfen  eine  oerljältnijgmägig  gleite  garjl  fol^er 
Slnfialten  befreit,  mie  bie  ^roteftanten,  unb  bafc  bie  fatlio* 


234  Stc^teä  ©efpräd;. 

Itfdfjen  Stnftalten  biefer  2frt  aud)  gleid)  gut  botixt  werben, 
bajs  alfo  5.  $•  eine  uerfjä(tm{jmä&ig  gleite  $av)l  tatv)oiu 
fdjer  tüte  proteftanttfdjer  Uttberfttäten  erridjtet  roerbe  unb 
bafj  bie  gefe&lid)  paritätifdj  errichteten  aud)  mxtlid)  all 
paritätifdje  ber)anbelt  toerben;  —  alles  ba$,  meine  vfy, 
bürften  bie  föafyoliien  im  Warnen  ber  ©ere^tigfeit  forbertt, 
unb  bieg  ift  aud)  morjt  ber  §auptpunft,  um  bett  bie 
klagen  ber  fatt)olifc^en  treffe  meinet  Söiffenl  fidj  brerjen, 
meldjer  klagen  ©runb  ober  Ungrunb  idj  aber  Ijter  nic^t 
weiter  unterfudjen  will.  @l  mag  fein,  baf$  fid)  in  foldje 
klagen  fyier  unb  ba  aud)  einige  Sitterfeit  einmifdjt;  tdj 
tr-ttl  biefelbe  nidt)t  gutljeijgen,  man  fotttc  aber  aud)  §u 
iljrer  (gntfdjulbigung  mdr)t  rergeffen,  ttrie  ungeheuer  fd)tner^ 
lidj  ba$  ©efüljl  gef ränfter  ifted&te  fei,  unb  bafe  bie  ®e* 
redjtigfeit  bodj  bal  alleinige  fefte  gunbament  ber  (Staaten  fei. 
©ommercien-Diatl;.  £)a3  einige  $ftabifat*3JtftteI 
pr  SBefeitigung  fold)er  Uebelftänbe  befielt  meiner  2lnftdjt 
madj  barin,  baß  ber  ©taat  fidj  um  bie  Religion  feiner  Untere 
trauen  gar  nidjt  fümmere,  fonbern  bafj  ber  oberfte  <5taatä* 
lenfer  ein-  für  allemal  mit  griebrid)  bem  ©rojgen  erkläre : 
„Qu  meinen  Staaten  iann  Qeber  nadj  feiner  gaoon  feiig 
werben";  begabt,  wa$  iljr  foHt  unb  glaubt,  mal  iv)x  wollt. 
Utur  müßte  biefer  ©runbfafc  aud)  o§ne  alle  §intergeban!en 
el)rlid)  unb  confequent  burdjgefürjrt  werben;  man  müßte 
ttidjt  mit  ber  einen  §anb  nehmen,  mal  man  mit  ber  an* 
bem  gegeben  unb  umgefeljrt.  3Jtan  bürfte  alfo  ben  $ro* 
teftanten  nid)t  oor  bem  ^atrjolüen ,  unb  beibe  nidjt  cor 
bem  greigemeinbler,  bann  audj  ben  (Getauften  ntdt)t  ror 
bem  ^lic^t^ Getauften  in  irgenb  einer  ©adje  betrugen. 
Mux%,  ber  Staat  all  foldjer,  bürfte  gar  feine  Religion 
§aUn,  unb  el  müßte  ifjm  gletdjgüttig  fein,  ob  unb  weldje 


»d&teS  ©efp«äd&.  235 

Religion  feine  Untertanen  Ijaben;  wenn  fie  nur  iljre 
Mrgerltdjen  ?ßfCid^ten  erfüllen. 

Qdj.  Mit  anbern  Söorten  ift  e3  alfo  ber  reügtonS* 
Xofe  ©tränt,  ber  &taat  ofme  ©Ott,  ma*  Sie  perlangen, 
unb  Sie  üerfefcen  ftdj  bamit  gang  anf  ben  Stanbpunft  ber 
fogenannten  Männer  be3  gortfdjrttts,  biefer  $ropl)eten  be3 
entfeffelten  mobernen  3eit*®eifte£ ,  benn  beren  erfte3  nnb 
legtet  Söort  ift  immer  ba3  Sßort  mobern.  9fl  o  b  e  r  n  e  3 
Seit^erougtf ein ,  moberne  2Infd)auungen  nnb  Qbeen, 
moberne  (Sbitifation,  moberne  SBifjenfdjaft,  m oberner 
Staat;  fürs,  afle3  beraegt  ftdj  bei  iljnen  nm  ba3  Sßort 
mobern.  Unb  roa£  fie  mit  biefem  2öorte  etgentUdt) 
fagen  wollen,  miffen  mir  redjt  gut,  wenn  audj  ntdt}t  immer 
<xuä  i&ren  Haren  Porten,  bodj  auä  ifjren  §anblungen. 
£)enn  in  ben  Söorten  finb  wofyl  bie  $erfd)ämteren  unter 
ilmen  nodj  §iemttdr)  f$üd)tern  nnb  gurücfljaltenb ;  aber  t§re 
Sifyaten  reben  befto  lauter.  Sie  fagen  5.  $.,  um  bie  Religion 
bekümmerten  fie  ftd)  nidt)t  unb  fie  wollten  Qebem  bie 
feinige  laffen.  Sie  belümmern  ftdj  aber  wol)l  um  bie 
Religion,  nämttd)  in  einem  umgekehrten  Sinne  bekümmern 
fie  fid)  barum,  fie  nehmen  md)t  Qntereffe  für  fie,  woljl 
aber  gegen  fie.  £)enn  bekümmerten  fie  fidj  nifyt  um 
bie  Religion,  warum  fe|en  fie  benn  (wo  fie  ben  einen  bem 
anbern  üor^ieljen  ober  nad)$ufe|en  Ijaben)  benjenigen,  ber 
no<$  eine  poftttoe  Religion  jjat,  immer  bemjenigen  nadj, 
bem  fie  abljanben  gekommen  ift,  ben  altmobtfdjen  Sfraeltten 
bem  ^teform*3uben,  ben  fpmbolgläubigen  $roteftanten  ben 
getauften  greibenfern,  greigemeinblern  unb  Freimaurern, 
enbüdj  ben  Ratlplifen  aßen  anbern  9ieligton3*  unb 
Qrreligion^  =  ©enoffen.  SDenn  mit  einer  3urü(ffe|ung 
ober   Seüorjugung  im  umgekehrten  Sinne,  wooor  Sie 


236  2l^te§  ©efpräc§. 

fo  bange  §u  fein  fdjetnen,  bamit  I;at  es  feine  guten 
Söege. 

$or  nidjt  langer  $dt  oer^anbelten  |.  SB.  nad)  ben 
öffentlichen  blättern  Männer  ber  ebengenannten  IRt^tung. 
über  bie  grage,  ob  an  ber  Unioerfttät  $önig3berg  audj 
nidjtproteftantifdje  ©eleljrte  ^u  einem  Sefjramte  foUten  beför* 
bert  werben  fönnen ;  —  nnb  ftelje  ba,  ba§  9iefultat  ber  $e* 
ratlmng  (outete:  3 ü b i f  d) e  (Meierte  f ollen  aU  Sßrofeff oren 
an  ber  genannten  Unberfttät  angeftellt  werben  fönnen,  aber 
fatl)olifdje  (Mehrte  nid)t.  SDiefe^  eine  SBeifpiel,  in  welchem 
Sinne  man  auf  biefer  Seite  bie  geprieferie  %oleran§  unb 
©enriffen^greifyeit  t)erftel)t,  gilt  für  (junberte,  unb  er- 
füllte eigentlich  auf  allen  £)äd)ern  nerfünbigt  werben,  bamit 
bod)  ben  SBlinbeu  einmal  bie  Singen  aufgingen.  £olerang  unb 
$reil)eit  für  alle  irreligiöfen  unb  ungläubigen  $efirebungen, 
nur  nid)t  für  ben  pofitioen  djriftüdjen  Glauben  ber  $at§o* 
lifcttl  §inau3  mit  bem  abgelebten  ßljriftentlmme  unb 
$atf)olici3mu3  au3  ber  gamilie  unb  au§  ber  ®emeinbe^ 
l)inau£  mit  ifym  au$  ber  Schule  unb  2Btffenfdjaft,  au3  bem 
Staate  unb  aus  ber  gangen  öffentlichen  ®efellfdjaft.  3öer 
biefe  2lrt  Religion  überhaupt  nod)  mag,  möge  fidj  mit  il)r  in 
fein  ftiUe£  Kämmerlein  ober  §wifd)en  bie  oier  Sßänbe  eine£ 
abgelegenen  fteinernen  $trd)engebäube3  einfdjliefeen !  darauf 
foll  e3  föliefcltdj  l)inau3.  Unb  wenn  man  e£  audj,  wie  thm 
bemerlt,  nid)t  mit  SBorten  fagt,  bie  §anblungen  fagen 
e£  befto  beuttidjer.  @3  gibt  aber  in  biefer  gortfdjritt3* 
Partei  auc^  Seute  genug,  bie  t§>  mit  nadten  Porten  fagen. 
SDa3  Ecrasez  l'infame  be£  3JMfter3  Voltaire  ift  bann 
immer  ba§  erfte  unb  legte  2ßort,  wa$  fie  fagen  unb  wa& 
fie  in  allen  möglidjen  Xonarten  tmriiren. 

5Der  (£ommercien*$atl).    Sie  bringen  midj  aber, 


3tc$te§  ®t\p:äd).  237 

lieber  §err  SBifäof,  fo  ^ne  fe^  ^übfd^e  ©efellf^aft.  So 
arg,  rate  (Sie  e3  mit  meinen  SBorten  nehmen,  fyabe  idj  e3 
botf)  gerabe  bamü  ni<$t  gemeint;  unb  überhaupt  feinen 
Sie  mir  bie  3)inge  $u  f<$roar§  angufeljen. 

3(5.  3JHt  ber  Sdjraargfeljerei  famt  fid)  $iemanb 
weniger  befaffen,  aU  idj.  Unb  roaS  Sie  felbft  betrifft,  fo 
§alt  idj  nidjt  gefagt,  baß  Sie  tti  bie  gefd)itberte  ©efeff* 
fdmft  ber  offenen  ober  geheimen  ©Sjriftu3*geinbe  hinein* 
gehörten,  td)  l;abe  nur  gejagt,  bajs  Sie  ftdj  mit  Syrern 
Staate  olme  Religion  auf  beren  Stanbpunft  fiettten  unb 
au£  tljrer  Seele  rebeten.  $ur  in  il) rem  SDiunbe,  b.  I;.,  im 
■äftunbe  derjenigen,  bie  bk  @efettfd)aft  ber  Wenden  in 
einen  orbnungSlofen  Raufen  nritber  unb  oom  bloßen  üftatur= 
infttnft  getriebener  Spiere  ummanbeln  motten,  l)at  ber 
„Staat  olme  ©Ott"  Sinn,  in  Q^rem  Söiunbe  §at  er  feinen 
Sinn.  3)enn  ber  Staat,  mie  Sie  iljn  motten,  unb  mie 
iljn  Sitte  motten,  bie  am  menfd)lidjen  $erftanbe  ober  an 
menfd)enmürbiger  ©eftnnung  nidt)t  gerabeju  23anferott 
gemadjt,  beftanb  nie  olme  Religion  unb  mirb  nie  olme 
Religion  befielen,  meil  er  olme  Religion  nidjt  befielen 
fann.  £>a6  ein  <5taat  nie  olme  Religion  beftanben,  ba$ 
%.  33.  in  allen  altljeibnifdjen  Staaten  ebenfo,  wie  in  bem 
ehemaligen  jübifdjen  Staate  bk  Religion  mit  ber  Staate 
serfaffung  fogar  innig  Dermalen  mar,  bafc  felbft  in  ben 
fogenannten  altgriedtffdjen  gretl)eit^  Staaten  eine  Säug* 
nung  ©ottel  ober  ber  ©ötter  al3  eine!  ber  abfdjeulidtften 
$erbred>en  gegen  ben  Staat  mit  bem  £obe  beftraft  marb, 
—  ba$  fagen  ^Imen  Q^re  eigenen  §tfiortf<$en  @rtnne* 
rungen.  2lber  ein  Staat  fann  audj  überhaupt  o^ne 
Religion  nid)t  befielen,  ein  Staat  olme  Religion  märe, 
mal  man  fo  nennt,  eine  contradictio  in  adjecto,  ein  SBiber* 


238  2Ic§ie§  ®efpräc§. 

fpru$  in  fidfj  felBft.  2)enn  welken  Segriff  man  über* 
Ijaupt  com  Staate  l;aben  unb  weldje  $eftimmung  matt 
irjm  aud)  geben  mag,  er  ift  pm  wentgften  ba§u  ba,  ba$- 
$teti)t  gu  fd)ü§en ;  benn  barin  ftimmen  wobjl  alle  2)enf en*- 
ben  überein,  bajs  ber  Staat  oor  allem  Red)tSftaat,  9fle$t^* 
fdju^nftalt  fei.  Slber  ba  ergebt  jidj  gleid)  bie  grage: 
wa§  ift  benn  Sfle^t?  ©ewift  ift  eS  bo$  ntd^t  ein  t)on 
2ftenfd)en  willtuljrltdj  $eftgefe£te3,  möge  eS  nun  ein  eingel* 
ner  äftenfdj,  etwa  ber  £>errfd)er,  ober  eine  ?ttel)r§al)l  r>on 
Sftenfdjen,  etwa  eine  Kammer* Majorität  im  Flamen  be£ 
Golfes  feftfe|en.  £>a£  9te^t  fte^t  über  allen  9Jlenfd)en 
unb  eS  ift  nur  infofern  unantaftbar,  unr»erle|li$  ,  heilig, 
als  eS  über  menfdjlidfjem  2lbcrmi§  unb  Eigenwillen  weit 
ergaben  ift.  S)te  9ftenfd(jen  fönnen  unb  f offen  worjl  ba# 
$ie§t  beuten,  es  auSfpredjen  unb  t>erfünben,  eS  auf  befon* 
bere  gälle  anmenben,  aber  machen  fönnen  fie  eS  nidjt. 
IXnb  wenn  j.  $8.  nodj  fo  triete  3ftenfdfjen  es  für  9de<$t  er* 
Härten,  bafc  man  anbere  moralifdfje  ober  pfn)fif<#e  ^erfonen 
plünbern,  berauben  ober  betrügen  bürfe,  fo  wäre  eS  ba* 
mit  immer  nod)  nidjt  Redjt;  unb  wenn  man  biefe  ober 
älmltdje  3flarjmen  fogar  in  aller  gorm  in  bie  gaffung 
dou  ©efefcen  braute  (wie  ja  bieä  gerabe  rjeut'  &u  £age 
von  Regierungen  wie  ßammermajoritäten  fo  trielfad)  oer= 
fudjt  wirb),  fo  wäre  eS  immer  nodj  ni<$t  $leü)L  SBlofje, 
wenn  audj  menfdjlid;  nod)  fo  ferjr  fanctionirte  WlafyU  ober 
®ewaltau£fprüd)e  —  nad)  bem  beliebten  stat  pro  ratione 
voluntas  —  nennt  man  wo^l  mifibräudjlid)  $efet$e,  unb 
bie  ^ortrjeile,  bie  barauS  brüten  $erfonen  ober  audj  triel* 
letdjt  bem  Staate  felbft  gufließen,  Redete,  aber  wollte 
©ott,  es  gäbe  fold>e  ©efe^e  unb  Redjte  nidjt  unb  eS 
würben  3.  23.  üon  unfern  Regierungen  ober  liberalen  unb 


2Tdjte§  ©efpräd).  239' 

fortfdjrittlidjen  üammermajoritäten  tfjrer  nidjt  täglid)  nocr) 
neue  gemadjl,  bamit  man  ntdjt  mit  SJtep^tfto  &u  fagen  ptte  t 

„@3  erben  ftdj  (Sefefc  unb  Sftedjte, 

2öte  eine  ero'ge  $ranfljeit  fort; 

@ie  fdjleppen  oom  ©efdjledjt  ftdj  gum  $efdjledjte 

Unb  rüden  fadjt  üou  Drt  gu  Ort. 

Vernunft  roirb  Hnfinn,  2M;ltrjat  $Iage; 

2öerj'  £>ir,  baf3  £)u  ein  @nfel  bift! 

23 om  9iedjte,  ba$  mit  un3  geboren  ift, 

$on  bem  ift  leiber  nie  bie  grage."*) 
2öie  if)m  aber  aud)  fein  mag:  fein  einzelner  9ftenfdj  unb 
feine  nodj  fo  grofee  $ielrjeit  r>on  9Jtenfdjen,  alfo  audj  fein 
Btaat,  fann  offenbaret  ttttredjt  in  Sftedjt  oerroanbeln; 
unb  offenbaret  Unredjt  iftSltfeS,  roaä  bem  Sftedjte, ba$  unferer 
Statur  eingetrieben,  ober  ba$,  roie  ber  £)idjter  fagt,  „mit 
un£  geboren  ift",  tmberfpridjt.  Unb  ein  Staat,  Iber  roie 
j.  SB.  ber  neue  ttalienifdje ,  bennodj  ein  fo!dt)e^  2öageftüd 
unternimmt  unb  offenbaret  tlnredjt  in  Sftedjt  oerroanbeln 
will,  ber  ©efe^e  madjt,  bie  feine  ®efe£e  finb  unb  bie  in 
(Sroigfeit  feine  ©efe^e  ober  Sftedjte  werben  fönnen,  roeil  fie 
nur  ungerechte,  befpotifdje,  abfolutiftifdje  ©eroalt^afj* 
regelungen  finb,  ein  Staat,  ber  ba§>  $edjt,  ba$  er  fdjü|en 
füll,  unter  feine  güfte  tritt,  ober  ber  tfiut,  aU  ob  er  allein 
berechtigt  unb  ber  alle  anbern  prjuftfdjen  unb  moratifdjen 
$erfonen,  bie  gamilie,  bie  ©emeinbe,  bie  $irdje,  bie 
religiöfen  ®enoffenf<$aften  u.  bergl.  irjrer  Sflefyte  beraubt 
unb  fie  mit  $efdjlag  belegt,  ein  .foldjer  Staat  ift  nur  eine 
Qronie  auf  ftdj  felbft  unb  er  gräbt  ftdj  felbft  fein  eigene^ 
®rab. 


*)  ©oetfje'JS  $<mft.  I.  %$. 


240  2Tc§te§  ©efpräd&. 

6ie  feiert  alfo,  £err  Sommer  cien^attj,  ein  Staat 
ift  al3  f old)er  nodj  ntdjt  ein  omnipotente^  Söefen ,  ba£ 
er  auger  fidj  eines  anbern  ntdjt  bebürfte.  dasjenige, 
wooon  er  allein  lebt,  ba<3  gunbament,  worauf  er  ruljt, 
ift  ba$  Dtedjt,  unb  bie  Duette  be-3  dlefyfö  entfpringt  nid)t 
in  i|m  felbft,  in  fetner  §anb  ruljt  nodj  ni<^t  einmal  bie 
SBage,  worauf  ba$  Sftedjt  ober  Itnredjt  p  meffen  ift. 
£)ie  alten  Ijetbnifdjen  2Betfen,  bie  freilid)  hierin,  wie  noäj 
in  manchen  anbern  fingen ,  tiefer  bauten,  als  unfere 
tnobernen  ©taatsredjtSrunftler,  ©efe|e£madjer  unb  9tedjt3* 
fabrifanten,  leiteten  ba£  Sftedjt  von  oben,  nidjt  oon  unten, 
nifyt  t)on  fterblidjen  9)tenfdjen  ober  eigenwilligen  SDefpoten, 
fonbern  von  ber  2öei3l)eit  unb  bem  Söitten  ber  unfterb* 
Udjen  ©ötter  abr  unb  in  unfere  «Sprache  |überfe|t,  rjeijst 
baä:  alles  fRed^t  unb  alle  wahren  menfd)lidjen  ©efe§e 
fliegen  aus  bem  ewigen  ©efe^e,  baS  ewig  in  ©Ott  ruljt 
unb  baS  ©ott  (in  ber  Seit)  in  bk  menfdjlidje  $atur,  als 
!ftaturred)t,  Itfneingefdjrieben  l)at.  2)ieS  fagen  ungefähr 
mit  benfelben  Porten  aud)  unfere  Geologen  ju  allen 
Seiten  unb  an  allen  Drten.  $m  9taturred)te  ift  ber  Btaat 
felbft  begrünbet;  bk  3ftenfdjen,  bk  uon  Mnbrjeit  an  in 
Hubert  fingen  auf  einanber  angewiefen  finb  unb  alfo 
nottjwenbig  mit  einanber  in  ©emetnfdjaft  leben  muffen, 
einer  ©emeinfdjaft,  wie  fie  oon  ber  Anerkennung  unb 
Ausübung  gegenfeitiger  9tedjte  unb  ^fticrjten  bebingt  ift, 
fönnen  in  georbneter  Söeife  nic^t  §ufammenleben  olme 
©taat  —  unb  ber  ©taat  ift  alfo  fo  gut  wie  bk  menfdj* 
lidje  üftatur  mb  bk  menfdjiidje  ©efellfdjaft  von  ©ort,  er 
ift  nnb  lebt  nur,  man  mag  fidj  bagegen  fträuben,  wie 
man  will,  oon  „©otteS  ©naben",  nnb  bk  wefentlidjen 
$ietf)k,  bk  er  $u  fdjü|en,  nidjt  ju  jerftören  §at,  finb 


2ld)te3  ®eft>rädj.  241 

^ebenfaH^  im  9kturrerf)te  begrünbet,  fitib  alfo  ebenfalls 
Don  ©ott  uttb  bk  $erle|ung  eines  leben  fotd)er  9ltü)tef 
jumal  wenn  fie  t)om  ©taate,  ber  geborenen  9ftedjtS*@dju^ 
2lnftalt,  felbft  ausgebt,  ift  ein  roa^aft  l)immelfdjretenbeS 
Unrecht,  ein  $erbred)en  gegen  ©otteS  ljö<$fte  Sftajeftät 
felbft.  2Bie  man  nnn  hä  allem  bem  bm  Staat,  ber  mit 
allen  $it§itnf  bk  er  gu  fdmfeen  unb  gu  wahren  §at,  nnr 
t)on  ©otteS  ©naben  lebt,  bodj  von  ©ott  fann  loSreijsen 
wollen  —  baS  begreife,  wer  es  fann.  SSon  $erftanb  unb 
§Ra$benfen  §eugt  es  wentgftenS  nidjt. 

gerner  entfpre<$en  bin  Sftedjten,  bie  ber  Staat  ju 
fdjüfsen  l)at  auf  ber  anbern  Seite  aud)  ebenfo  triele  $flic(^ 
ien,  benn  fRed^te  finb  nur  infofern  etwas,  als  Slnbern  bie 
Sßfftdfjt  auferlegt  ift,  fie  anperfennen  unb  i^ren  gorbe* 
rungen  §u  entfpredjen.  fürs,  Sfteäjt  unb  $  flicht  finb 
§toei  ungertrennltd)  mit  einanber  oerbunbene  correlatioe 
begriffe.  @ine  ©efetffd)aft,  in  ber  Qeber  forbern  unb 
Sftiemanb  leiften  will,  ift  ein  Unbing.  $on  $fltdjten 
!ann  man  aber  wteber  nifyt  reben,  wenn  man  üou  ber 
eigentlid)  t>erpfltd;tenben  3Ka$t  ober  bem  t)erpflid)tenben 
leeren  unb  l)öd)ften  SBefen,  alfo  von  bem  ©ewiffen  unb 
»on  ©Ott  wegfielt.  2)enn  eine  äußere  blofj  menfdjlidje 
Wlafyt  tann  mid)  nie  unb  nimmer  innerltd)  binben,  wenn 
fie  niä)t  anknüpft  an  baS  Ijöljere  $anb,  baS  in  meine 
innerfte  üftatur  hineingelegt  ift  unb  baS  nur  twm  Schöpfer 
meiner  Sftatur,  von  ©ott  felbft,  in  biefelbe  hineingelegt  fein 
fann,  —  alfo  an  baS  ©ewiffen.  OTeS,  was  $flid)t  Reifet, 
muß  burdj  biefen  2Beg,  burdj  baS  ©ewiffen  Irinburdj ;  eine 
äußere  3Jla$t  fann  mir  meine  £änbe  unb  güße  binben, 
unb  bk  ©lieber  meines  SeibeS  in  Stüde  serljauen,  aber 
fie  tann  mir  hin  %anb  anlegen,  was  in  meine  innerfte 

3»eiteö  6tf$öfü#e3  SBott.  16 


242  2W&ie8  ©efprädfj. 

6eele,  in  baS  £eiltgtl)um~  meinet  £er§enS  l)ineinreid)t,. 
wenn  fie  nidjt  ©ott  unb  bie  Religion  §u  £ülfe  nimmt. 
Unb  audj  in  biefem  ^öetrad^te  ift  ber  retigtonS*  ober  gott* 
lofe  Staat  du  reiner  Unfinn;  unb  ber  jenige  Staat,  ber 
ftdj  felbft  religionslos  nennt  nnb  fi$  t)on  ©Ott  loSfagt,  ger^ 
ftfmeibet  feinen  £ebenSnero  unb  wül)tt  nur  in  feinen  eigenen 
(Singeweiben.  &aS  ttnbing  beS  gott*  ober  reltgionStofen 
Staates  tritt  aber  noäj  greller  l;eroor  in  bem  geriäjtttdjen 
ober  aud)  in  bem  ^eamten^tbe,  fo  wie  in  ber 
%obeSftrafe,  bie  ber  Staat  über  $erbred)er  oerljängt 
&en  gerid)tlidjen  @ib  §at  bis  je|t  meines  2Btffen£ 
no$  feine  moberne  ©efe^gebung  abgerafft  ober  für  ent* 
beljrtid)  gehalten,  unb  fo  feljr  man  aud)  im  ^ntereffe  ber 
Religion  unb  ber  öffentlichen  Sitttiä)feit  münf^en  muß, 
er  möchte  bodj  ntdjt  für  jebe  23agateEfacf)e  auferlegt  unb 
er  möchte  t>ielfad&  mit  mel)r  2Bürbe  unb  größerer  geier* 
lid^feit  abgenommen  werben,  —  aber  entbehren  wirb  man 
if)n  utdjt  fönnen;  er  bleibt  in  trielen  gätten  baS  einige 
lefcte  InSfunftSmittel,  um  3ted&t  §u  f  Raffen  ober  eS  we= 
nigftenS  p  fpredjen.  Unb  was  bk  ^ulbigungS^ibe,  Me 
Beamten *@ibe,  bie  Militär *@ibe  unb  bgl.  betrifft,  fo 
finb  fie  freiliä)  leiber  oft  nur  geleiftet,  um  gebrochen  §u 
werben;  audj  bie  größten  ©d&urfen,  bk  balb,  nacljbem  fie 
bem  £anbe  ober  bm  Könige  ben  @ib  geleiftet,  £anb  unb 
$önig  oerriett)en,  fal)  man  fol^e  ®ibe  leiften,  bamit  fie 
nur  erft  gu  Sfait  unb  SBürbe  gelangten  (idj  erinnere  §ier 
an  $aben,  tdj  erinnere  an  alle  bie  meineibtgen  unb  treu* 
brühigen  6iml*  unb  2JUlitär*  Beamten,  bk  am  Wufiau 
beS  neuitalienifdjen  $önigSreidjS  mitgearbeitet  §aUn)  — 
a  felbft  foläie,  bie  öffentlich  ©ott  unb  bie  Religion  oer* 
$itynen  unb  für  bk  bie  (SibeSleiftung  bod)  bloß  tin  tyufy 


lerifd)e3  Reffen*  nnb  ßornöbienfpiel  ift  —  felbfi  fie  unter* 
werfen  fidj,  wenn  e3  nidjt  anberS  fein  fann,  biefer  @ere* 
monie.  2Iber  abgerafft  finb  Uä  je|t  aud)  biefe  @ibe 
nid)t.  Qft  e£  nun  nid)t  fetter  Unt-erftanb  unb  $löbfinn, 
foldje  @ibe  befielen  laffert  ober  alä  notfjwenbig  anerkennen 
unb  bodj  von'  einem  gott  =  unb  religion^lofen  Staate 
reben?  Unb  wie  fann  überhaupt  ber  <5taat  bie  offenbaren 
$eIigion^$errätljer,  bte  Reiften,  $antf)eiften  ober  2fta* 
ierialiflen  in  fiel)  bulben  ober  gar  §u  Slemtem  unb  2Bür* 
ben  sulaffen,  wenn  er  fidj  felbft  nidjt  in3  2Ingeft$t  fdjlagen 
miß?  2öa3  mad)t  benn  g.  23.  ber  Staat  mit  foldjen,  bie 
gum  3eugeneibe  t)orge(aben  t»or  ©eridjt  erklären,  fie 
fäjwörten  feinen  @tb,  weil  fte  überhaupt  an  feinen  per* 
fö'nlidjen  $ott  glaubten,  tiefer  %aU  foll  t)or  bürgern  in 
einer  Stabt  ber  ^rotrins  Saufen  t-orgefommen  fein,  inbem 
ein  ad)tgel)njäl)riger  Qüngling,  ein  2Inf)änger  t)on  lll)ttclj, 
Bälger  unb  ©enoffen  (bie  befanntlid)  rjerumgteljen  unb  e§ 
laut  r-erfünbigen ,  bajs  ber  perföntidje  ®ott  ber  Triften 
ein  bloßer  $ö§e  unb  baß  mir  Triften  ©ö^enbiener  feien) 
vox  ®erid)t  au^brücfliä)  btn  (Sib  verweigert  l)at  unb  §toar 
mit  ber  ©rflärung,  ba$  ex,  um  nid)t  §u  f)eud)eln,  bm 
tl)m  auferlegten  (Sib  nidjt  fdjwören  fönne.  3öa3  in  folgen 
gä'Hen  bie  ©ertöte  ober  bie  StaatSberjörben  tljuu,  weiß 
idj  nidjt.  Iber  idj  frage,  ob  e3  nidjt  eine  ^ßerblenbung 
olme  gleiten  fei,  auf  ber  einen  Seite  r»on  einem  religion£* 
lofen  Staate  reben,  ober  aud)  bem  Staate  nur  gumutljen, 
er  foEe  bie  Religion  al3  etrva$  ®leid)gülttge3  beljanbeln,  er 
foHe  bm  Sdju|,  ben  er  fyx  fdjufbig  ift,  i§r  ent§iel)en,  ober 
er  folle  fogar  audj  Reiften  unb  2ftaterialiften  an  UnU 
t>erfitäten  ober  anbexn  r)ö§eren  unb  nieberen  Sdjulen  ober 
fonft  im   öffeutlidjen   Seben  unge^inbert  i^ren  gottlofen 

16* 


244  3W&te§  ®e[präd). 

ttnftnn  frei  auftauten  (äffen,  —  unb  bo<$  auf  her  an- 
bern  ©ette  nodjj  ben  @ib  feftljalten  ober  jur  (SibeSab* 
legung  pungett? 

SIeljnlidj  t>erfjält  es  ftcfj  audfj  mit  ber  $erl)ängung  ber 
SobeSftrafe.  Qu  ben  meiften  ©taaten  befielt  fte  nod)  unb 
roaS  man  audjj  bafür  ober  bagegen  vorbringen  mag  (merf* 
roürbigerroeife  ereifern  ftd^  im  Qntereffe  ber  Humanität 
für  bie  SIbfdfjaffung  berfelben  tnelfa<$  gerabe  biejenigen 
am  meiften ,  bk  btm  Quelle,  ba$  bodj  ein  offenbarer 
3Jlorb  ober  9Jlorboerfud;  iffc,  baä  Söort  reben):  ba$  bie 
Dbrigfeit  §ur  $erl)ängung  ber  £obeSftrafe  baä  9te<$t  §at, 
ift  un§roeifell)aft  unb  wirb  audj  von  betten,  bie  fte 
abgefdjafft  rotffen  motten,  mdjt  bezweifelt.  2Bol)er  §at 
aber  bie  Dbrtgfeit  biefeS  Sftedjt  über  Seben  unb  £ob? 
S)o$  nur  oon  bern  eigentlichen  unb  magren  i&errn  über 
Seben  unb  £ob,  t>on  ©Ott.  9Jur  als  „Wienerin  ©otteS" 
roie  ber  Sipofiel  fagt*),  trägt  fte  baS  Sdjroert,  unb  §at 
fte  bie  ©eroalt,  als  9tädjerin  beS  $öfen  fogar  mit  bem 
Stöbe  gu  beftrafen.  Sitte  anberen  ^eorien,  biefeS  Sftedfjt 
ober  biefe  ©eroalt  ber  ftaatliäjen  Dbrigfeit  ju  begrünben, 
ru^en  auf  einer  feljr  morfdjjen  $aftS.  ©agt  man,  $er* 
bredjer,  bk  ber  menfd&lidjen  ©efettfdjaft  gefcüjrlid)  ftnb, 
muß  man  unfdfjäbltdj  mafytn,  unb  fte  t)om  Körper  ber 
menfdjjlidjjen  ©efettfäjaft  abfdjnetben,  roie  man  ein  faulet 
branbigeS  ©lieb  com  leiblichen  Organismus  abfc^neibet: 
fo  antroorte  kfy,  baS  ©leidmifc  tyntt.  ®te  einzelnen  $er- 
fönen  ftnb  atterbingS  ©lieber  ber  menfdjlidjen  ©efettfdfjaft 
unb  fie  oerlmlten  ft<#  ju  tl;r,  roie  bie  ©lieber  beS  menfd^ 
tigert  Seibe^,  aber  fte  ftnb  boclj  ntdfjt,  roie  bie  ©lieber 

*)  hörnet  13,  4. 


2Id&te3  ©eforäc§.  245 

für  bm  £etb,  bloß  für  bie  menftf)li<$e  ©efeüföaft  ba, 
fonbern  fie  finb  aud)  um  ityrer  felBft  wegen  ba,  nnb  fie 
ijaben  auger  ber  23eftimmung  für  bie  menfd)lid)e  ©efett* 
fdjaft  aüdj  nod)  eine  SBeftünmung  für  ftdj,  fie  finb  eben 
Verfemen,  unb  finb  für  ft<$  felbft  verantwortlich  Sßefen, 
rna^  bie  ©lieber  am  ßeibe  tticjt  finb.  2tud)  ift  bie  £obe3ftrafe 
nidjt  ba£  einzige  bittet,  fiaatl  gefährliche  ©ubjefte  unfdjäblid) 
%n  matten;  baä  ©efängnijs  unb  bk  ©aleerenftrafen  mafytm 
fie  pr  üftot§  ebenfo  unfc^äblidj,  wie  ber  %ob.  Unb,  wa$ 
man  fcfylieglidj  ttid&t  üergeffen  barf,  twn  branbigen,  faulen 
©liebern  be3  Seibe^  fann  man  wol)l  fagen,  fie  bebro^en 
ben  gangen  £eib  mit  Störung  unb  werben  felbft  nie 
wieber  feilen;  wer  fann  bieg  aber  oon  nodj  fo  großen 
Sßerbredjem  fagen?  diejenigen,  bie  jefct  fe^r  unnü|e  unb 
ber  ©efellfd&aft  fdjabli<$e  6ubjefte  finb,  fönnen  fpäter, 
nadjbem  fie  gebeffert,  ber  ©efellfdjaft  nodj  fe§r  wesentliche 
SDienfte  leiften.  Ober  ift  ba3  benn  trielleidjt  etma$  fo  fe^r 
feiten  $orgefommene£,  ba$  biejenigen,  über  bk  bie  £obe£* 
jfrafe  oerl)ängt  mar  unb  bk  ans  befonberen  Urfadjen  be* 
gnabigt  mürben,  fpäter  nod)  bie  beften  Bürger  gewor* 
b^n  finb?  Unb  manchmal  merben  ja  fd)on  wirflid)  gebef* 
ferte,  reuig  gerfnirfdjte  Uebeltl)äter  bod)  nod)  mit  bem 
£obe  beftraft. 

SKlfo  bie  auf  bk  Unf$äbtid)*3ftad)Uttg  aufgebaute  %ty$* 
rie  flef)t,  mie  Sie  feljen,  auf  fe§r  fd)le$ten  güfeen.  £>ie  an* 
beren  Sljeorien,  bie  man  aber  ju  biefem  QtnU  nod)  auf* 
gefteüt  §at,  finb  um  nidjtS  beffer.  SBte  fann  man 
ftd)  §•  33.  für  bie  $egrünbung  be£  fraglichen  9tzü)k$ 
auf  ba3  fogenannte  jus  talionis  (9fta$e-*  SRecfct)  „3alm 
um  $af)n"  unb.bgt.  berufen,  unb  fagen,  wer  $tut  »er* 
gießt,  beffen  33lut  barf  wieber  üergoffen  werben?  3<rn>o§I, 


246  2td&te§  ©efpvädj. 

infofern  baä  jus  talionis  in  einem  göttlichen  9ted?te  k~ 
grünbet  ift,  unb  infofern  bk  Dbrtgfeit  als  Wienerin  ®otte3 
unb  fraft  ber  trjr  t>on  ®ott  übertragenen  ©eroalt  bie 
£obe<3ftrafe  t>erl)ängt  unb  aotfjiefjt,  —  rann  üftiemanb 
etroa3  bagegen  einguroenben  rjaben:  ba$  aber  bie  Dbrigfeit 
auf  eigene  §a"hb  unb  olme  eine  foldje  ^öt)ere  SBeoolImä'dfj* 
tigung  t-om,  jus  talionis  einen  folgen  ©ebraud)  madjen 
unb  baJ3  fte  btn,  ber  anbere  getöbtet,  roieber  tobten  bürfe, 
eine  foldje  Srjeorie  roürbe  am  @nbe  barjin  führen,  ba§ 
bk  Dbrigfeit  ftdj  audj  überhaupt  unb  in  aEroeg  mit  htm 
Serbredjer,  roa3  feine  Söeftrafung  betrifft,  auf  gleiten  gu§ 
ftetten,  bafj  fte  biefelben  Unikaten,  bie  er  an  2lnbern  t»er* 
üU,  an  irjm  roieberoerüben  bürfe  unb  fie  aud)  in  berfelben 
2Irt,  unter  benfelben  IXmftänben  an  irjm  verüben  bürfe, 
wie  er  felbft  fte  t)erübt;  alfo  etroa  mit  benfelben  SBaffen, 
mit  berfelben  graufamen  Q^ftücfelung  feiner  ©lieber,  mit 
berfelben  £interUft,  mit  ©inflofmng  berfelben  $urdjt  unb 
SIngft,  mit  ben  unsittlichen  %lehmum$änben  berfelben  2Irt. 
Saa  roäre  ba§  aber  für  ein  merfroürbigeS  6trafred)t, 
ba$  ben  Untaten  ber  Färber  unb  Räuber  nad)gebtlbet 
märe,  unb  biefe  fid)  §u  i^rem  Sßorbtlbe  ober  3ftaJ3ftabe 
nähmet  (Sine  ©letdjförmigfeit  ber  ©träfe  mit  bem  §u  be= 
ftrafenben  $erbredjer  ift  oft  aber  and)  gar  nidjt  möglid), 
roenn  fie  audj  an  fidj  jtattljaft  märe.  (Stn  TOrber,  ber 
$er;n  Ottenfcrjenmorbe  t-otfbradjt  l)at,  !ann  bod)  nur  einmal 
mit  bem  Stöbe  beftraft  roerben;  ber  ©emorbete  ftanb,  burd) 
einen  Soldjftidj  ins  §er§  augeublicflid)  ntebergeftrecft 
leine  Sfogft  au$,  ber  3ttörber  fte^t  roärjrenb  ber  fielleidjt 
jahrelang  gegen  ilm  geführten  ©riminaMlnterfu^ung  eine 
ganj  entfe|ltd)e  2Ingft  aus  u.  f.  n>. 

(Snbltd)  fommt  hierbei  nodj  in  $etracr)t,  ba$  eS  ja 


2W&te8  ©efprädj.  247 

ttW&t  blofce  9Jtörber  fütb,  über  bic  bie  SobeSftrafe  »errängt 
ttrirb  ober  verfängt  werben  barf. 

£)ie  5tt)eorte,  welche  ba3  9te$t  ber  ftaatlidjen  Dbrig* 
tot,  übet  $erbretf)er  bie  Stobe^ftrafe  §u  verhängen,  au£ 
bem  abfdjrecfenben  Momente  berfelben  herleitet,  ift  ebenfo 
luftig,  wie  bie  beiben  vorhin  genannten.  (&§  ift  feljr  bie 
grage,  roa3  mefyr  abfdjrecft,  eine  fdjnette  ©recution  ober 
eine  lebenslängliche  3ucWaU!§*  0Der  ®aleeren^6trafe ; 
eine  einmalige  furje  ober  eine  lange,  fdjmer$afte  nnb 
§ugletdj  fe^r  fdjanoootte  $ein.  Unb  wenn  bie  £obe3- 
[träfe  fo  fe^r  abfc^recfenb  fein  fott,  roarum  erprobt  fie 
benn  biefe  $re  abfdjrecfenbe  Kraft  mdjt  meljr?  2)ie  @r* 
fa^rung  lefyxt,  bafc  bie  2öirfung  ber  £obe3ftrafe  oft  gerabe 
bie  entgegengefe|te  ift,  nidjt  2lbfd)recfung  vor  ben  alfo 
bestraften  $erbred)en,  foubern  eine  gan§  feltfame,  faft 
^auberifd^e  £in§tel)ung  $u  benfelben,  roa3  audj  roofjt  mit 
©ä)ulb  fein  mag,  ba$  bie  (Syecutionen  jejjt  in  ber  Sftegel 
ftatt  an  öffentlichen  plagen  unb  am  listen  gellen  £age 
an  weniger  zugänglichen  Orten  unb  am  früljeften  borgen 
vorgenommen  werben.  £)odj  id)  will  biefe  Materie  ntc§t 
weiter  verfolgen,  ©ie  feljen  aber,  §err  (£ommercten*$ftatfj, 
unter  wie  vielerlei  ©eftdjtlpunften  man  ftdfj  auü)  bie  6a$e 
betrautet,  mit  bem  reltgionSlofen  (Staate  §at  e$  nun  einmal 
feine  2lrt.  Wlan  barf  tt)n  hei  Sichte  nidjt  befe|en  ober  i^n 
anfaffen,  olme  baß  er,  wie  ber  Sdmee  vor  bem  ©onnenlidjte, 
einem  unter  ben  §änben  verrinnt ;  unb  biejemgen,  bie  ifyn 
motten,  finb  entweber  ftoÄbltnb  ober  feljr  übelgeftnnt 

@ommercien*$Hatl).  greilidj  machen  Sie  mir  ba 
lein  f$öne3  Kompliment,  aber  tdj  geftelje,  3$re  Argumente 
feinen  mir  unwiberleglt$,  unb  wenn  i§  jttriföen  bem 
^unangenehmen  ©ntweber  —  Ober  fter  nur  bie  2Ba$t  JaBc, 


248  Slc^teg  ®efprä$. 

fo  will  iü)  lieber  ftodfblinb,  als  übelgefinnt  feigen,  benit 
i($  roxIX  offen  bef  ernten,  ba$  itf)  mir  roeber  bte  %oxau$* 
fe^ungen  nod)  bk  ßonfeauengen  meinet  Staates  olme  ®ott 
bi^er  fo  redjt  flar  gemalt.  Hm  aber  gang  aufridjtig 
gu  fein,  mufc  i$  beifügen,  baß  idj  gu  „bem  religionSlofen 
Staate"  auger  burdfj  bk  trielfaä)en  TOjgtJerpltniffe ,  bie 
aus  ber  gegenwärtigen  Sage  l)eroorgel)en,  oorgüglic!)  and^ 
burcfj  ben  ®eift  be§  SöiberfprudfjS  Ijingebrängt  raorben  bin, 
nämlid)  burdfj  ben  ©eift  be3  2Biberfprud(je3,  ber  burdfj  bie 
päpftlidfje  @ncr>clica  vom  8.  SDecember  t).  Q.  unb  bie  (Sen* 
für  ber  berfelben  beigefügten  adfjtgtg  Sä|e  in  mir  erregt 
roorben  ift.  (Ehen  weil  ber  ^ßapft  in  ber  genannten  fo 
Diel  befprodfjenen  (Snqjclica  fo  nrieberljolt  unb  fo  nadf)brücf* 
lidfj  „ben  Staat  mit  ®ott"  betont,  oerliebte  idfj  midfj  nur 
um  fo  mel)r  in  ben  „Staat  oijne  ©ott";  meil  er  gegen 
ben  religionSlofen  Staat  fo  laut  feine  Stimme  ergebt, 
glaubte  idfj  midfj  um  fo  meljr  beS  religionSlofen  <&taate$ 
annehmen  §u  muffen,  —  benn  e3  ift  nun  mal  eine  Sdf)ttmdf)* 
l)eit  oon  mir,  ba$  idfj  midfj,  olme  t)iel  §u  fragen,  too  SFlec^t 
ober  Unredfjt,  immer  gern  auf  bk  Seite  beS  fdfjwadfjen, 
beS  bebrütten  ober  befämpften  £ljeile£  werfe. 

5lber  faft  nodfj  meljr  als  an  ber  @nct;clica  §abe  ify 
^Inftofc  genommen  an  ber  ©enfur  ber  gleidfjgeitig  mit  iv)x 
»eröffentltdjten  fogenannten  ad)t§ig  Sä$e,  befonberS  an 
ber  (Senfur  einiger  unter  benjenigen  t)on  ilmen,  bk  fidfj 
auf  bie  bürgerte  ©efeEfdfjaft  unb  iljr  $erl)ältmj3  jur 
Religion  ober  ßirdje  begießen.  Qdfj  fage  an  einigen 
berfelben,  benn  mehrere  von  ilmen,  bk  ber  $apft  cen* 
furirt  §atf  würbe  idfj  nadfj  meinet  gangen  SDenfweife  bk 
(Senfur  ebenfalls  ntd^t  paffiren  laffen.  £>enn  ba%  j.  ^ 
bie  ßtrdjje  in  2lu3übun9  i^rer  ©ewalt  von  ber  StaatSge- 


2Tc§te§  ©efpräc^.  249' 

n>alt  ntdjt  gel)inbert  werben  bürfe,  fo  lange  fie  fttf)  habet 
innerhalb  ber  rein  geiftltd&en  ober  religiöfen  ©pljäre  §ält, 
bafj  fidj)  il)re  $orftel)er  bei  iljren  ©rlaffen  an  i^re  Unter* 
gebenenxoon  ber  Staatsgewalt  nic^t  ba$  $enfum  com* 
gtren  §u  laffen  branden  ober  rote  man  i§>  nennt  eines 
Exequatur  berfetben  bebürften,  baf3  fiel)  bie  Staatsgewalt 
überhaupt  in  ©aäjen  ber  Religion,  beS  geiftlidjen  Sftegt* 
ments,  in  $erroaltung  be£  ®otte3btenfteS,  ber  §1.  Safra* 
menU  w.  bgl.  ntd&t  einaumifcfyen  l)abe,  alle  biefe  2)inge 
t)erfter)en  ftd^  oon  meinem  Stanbpunfte  aus  gan§  oon 
felbft  unb  idfj  nelmte  eS  bem  $apfie  raar^rlid)  ntdfjt  übel, 
bafe  er  bie  entgegengefefcten  Behauptungen  cenfurirt  Ijat 
Qn  Stöfidjjt  auf  bie  (Senfur  anberer  Berber  gehörigen  6ä§e 
fanb  irf)  aber  bie  Gmtrüftung,  bie  fie  in  ber  cbilifirten 
SBelt  hervorgerufen  l)atf  nirf)t  nur  erffärltä),  fonbern  i<§ 
t)abe  fie  felbft  geseilt  unb  tdfj  b^be  micb  baoon  immer 
nod^  nic&t  wieber  erholt.  2ludf)  fann  icf)  mir  nicbt  benta, 
bafj  6ie  felbft  bie  (Senfur  fol^er  £ä|e  aufrichtig  unter* 
treiben  motten. 

Qä).  Qcb  untertreibe  bk  (Senfur  aller  biefer  adjtgik 
©äfce,  vom  erften  bis  gum  legten,  unb  $war  oon  ©runb 
beS  £er§enS  unb  olme  allen  Sßorbeljalt. 

(£ommercien*9ftatl).  2tlfo  au<§  bk  (Senfur  beS 
@a^e^:  „@S  frommt  in  unferer  $tit  ntdfjt  mel)r,  bafj  bk 
i at|olif$e  Religion  als  einige  ©taatSreltgion  unter  2luS* 
?<$lufj  ßHcr  anbern  (Suite  gelte"  (ber  77.)  ober  bie  (£en* 
für  beS  folgenben  ©a|eS  (78): 

„Qn  lobenswerter  9ßeife  mürbe  in  geroiffen  fatrjo* 
lifdjen  Sänbern  burd)  ein  ©efc|  beftimmt,  ba|3  ben  ©in*- 
wanberern  bafelbft  bie  öffentliche  Ausübung  il)reS  ©ultu^ 
melier  er  aud(j  fei,  geftattet  fein  foEe." 


250  «c$te§  ©efpräd&. 

$Rit  ber  ©enfurirung  btefer  @ä|e  §at  ber  $apft  bod) 
offenbar  bie  ©ewiffett3'  unb  (Slaubett^grei^eü  felbffc  cett* 
furtrt.  S)enn  bte  genannten  6ä|e  cettfuriren  Ijeißt  bodj 
nur  mit  anbern  Porten  lehren :  bie  alleinberechtigte  9telt* 
giott  ift  unb  !ann  nur  bk  fatfyolifcfje  fein,  riehen  Ujr  bür* 
fen  anbere  SMigtonett  ober  ßottfefftottett  ttidt)t  einmal  ge* 
bulbet  werben.  SDte  Rarität,  wofür  Sie  ja  fo  eben  ftdj  nocfy 
fo  fefyr  ereifert,  barf  bann  natürlidj  au<§  nur  im  üfllonbe 
eyiftirett.  üftetn,  icij  fann  mir  nidjt  betten,  ba$  Sie  M 
ben  gemäßigten  ©efütttungett,  bk  Sie  geäußert,  foldje  @e* 
wiffett^  Uttb  ©lauben$s£grattnet  gut  Reißen  ober  baß  Sie, 
wenn  Sie  bie  9ftad)t  ba§u  fyättett,  über  bie  worjlerworbettett 
Sflzfyte,  §.  $.  ber  ^Sroteftanten  in  bett  beutfc^eu  Staaten, 
'eittfadj  mit  bem  Schwamm  ^mmegfa^rett ,  unb  un3  $ro= 
teftanten  att  bte  Suft  fegen  mürben. 

3$.  2Xuf  (£onfequen^3ttacf)eret  t>erftel)en  Sie  ftdj  bodj 
aud)  ein  wenig.  £)entt  wa$  Sie  bem  $apfte  in  bert  äftuttb 
lege«,  baratt  Ijat  er  itt  bem  Sittne,  mie  Sie  e§  nehmen, 
bei  ber  ©enfur  jener  Sä|e  gewiß  nidjt  gebaut.  £)er  $apft 
§at  nie  gelehrt  unb  wirb  nie  lehren,  ba^  man  monier  * 
worbette  $fted)te  Stnberer  antaften  uttb  uttter  bie  güße  tre* 
tett  bürfe.  Qeber  Angriff  auf  ba3  9ted)t  ift  inbirect  eitt 
Angriff  auf  bte  Religio«  uttb  matt  Brauet  nidjt  ju  befürdj* 
ten,  ba^  ber  $apft,  ber  ba§u  ba  ift,  bte  Sntereffett  ber  fRe^ 
ligiott  §u  fdjü&ett  uttb  §u  oert^eibigen,  jemals  bie  $efdjä* 
bigung  berfetben  gut^eißett  ober  gar  ba§u  aufforberu  werbe. 

SBenn  er  bett  obettgebad)tett  (77.)  Sa|  cettfurtrt,  fo  fjat 
<er  ttid)t  uttfere  beutfdjett  paritätifdjett  Staaten  im  Sluge  unb 
nodj  weniger  verlangt  er,  ba^  in  biefen  Staaten  bie  pro= 
teftanttfdjett  ßottfeffiottett  unterbrücft  unb  irjrer  einmal 
erworbenen  fötfyte  beraubt  werben  fotten;  —  tnelmefjr 


2tc$te§  ©efprädj.  251 

fcejteijt  ftdj  biefer  Sa|,  wie  audj  ber  barauffolgenbe  78. 
unb  beren  ßenfur  auf  foldje  Staaten,  rate  j.  23.  ber  neutta* 
Hernie,  mo  bte  fatljotifdje  Religion  bisher  bte  allem  be= 
redjtigte  noar  ober  nod)  ift.  Unb  roenn  biefe  Säfse  fo  be* 
^ogen  raerben,  ftel)e  tdj  nidjt  einen  2Iugenbli<f  an,  i^re 
ßenfur  meinerfetts  aufrichtig  §u  untertreiben. 

2öer  bie  fatl)olifd)e  Religion  für  bte  einzig  raafyre 
unb  ooßfommene  Religion  fjält  (unb  dm  anbere  Heber* 
^eugung  fann  boäj*roeber  ber  $apft  nodfj  fonft  irgenb  ein 
ßatfjotif  ber  Söelt  fjaben),  ber  fann  eS  im  eigenen  3nter* 
«ffe  beS  Staates  nidjt  für  roünfdjenSroertl)  galten,  ba% 
bk  fatl)olifd)e  Religion  baf  wo  fie  bi^t)er  atfeinberedjtigte 
Staatsreligion  war,  eS  p  fein  aufhöre.  £)enn  bajs  ber 
Staat  ftdj  bei  ber  religiöfen,  confeffionellen  ©tn^eit  feiner 
Angehörigen  an  fidj  beffer  befinbe,  als  bei  ber  religiöfen 
unb  confeffionellen  $ef$tebenl)eit  berfet&en,  baS  unterliegt 
bod)  moljl  feinem  Sroetfel.  3$  V*9e  an  fid;  befinbet  fidj  ber 
Staat  bei  ber  religiöfen  ©inljett  feiner  Staatsangehörigen 
beffer,  benn  einer  Uniformirung  ber  Staatsangehörigen  in 
ber  igärefie  ober  im  SdjtSma,  rtrie  fie  jefjt  5. 53.  in  fo  großem 
HUtajgftabe  in  ^tufjlanb  betrieben  rairb,  einer  folgen  ©e* 
waltanmenbung  gegen  Söaljrljett  unb  Sftedjt  miß  id)  genug 
nid)t  baS  Söort  reben.  Sie  ift  ein  jnriefadjeS  §immel* 
fdjreienbeS  Unredjt;  in  2lbfidjt  auf  religiöfe  £>inge  ift  jebe 
{^eraaltamoenbung  ober  jebe  üjr  gletdjfommenbe  §anblung 
ober  23el)anblung,  felbft  wenn  fie  §u  (fünften  ber  magren 
Religion  gefd)tel)t,  fdjreienbeS  Unrecht;  fie  i^it  aber  ein 
boppelt  fdjreienbeS  Unredjt,  wenn  fie  im  ©teufte  ber  ßüge, 
beS  SdjiSma  ober  ber  §ärefie  aefd)tel)t.  2ln  bem  9at|en, 
ben  an  fol$eS  boppelteS  Unrecht  bem  Staate  einbringt, 
tnöd)te  id)  roentgftenS  feinen  %ty\l  §aben.     Unfer  gatt 


252  Stentes  ©efe>räd&. 

aber  ift  ein  anberer.  $)er  $apfi  mutzet  burdj  bie  ßenjur 
ber  genannten  @ä|e  ben  SfteQierungen  ber  ©taaten,  wo 
bte  fatyolifdje  Religion  bi^^er  als  bte  alleinberechtigte 
StaatS^Religion  galt,  nidjt  ju,  baj3  fte  2lnberSgtäubige  mit 
Gewalt  ober  Sift  fatljoltfdf)  machen  fotlen,  nod)  würben  biefe 
Regierungen,  wenn  fie  fi<#  bodj  §u  einer  folgen  ©ewattmafc 
regel  oerftänben,  bamit  gegen  bk  2öal)rl)eit  Partei  ergreifen 
nnb  ber  objeetioen  Unwafjrfjeit  ober  Süge  in  bie  £anb  ar? 
beiten.  £)te  lat^olifd^e  $ird)e  Ijat  ein^iemtid)  l)ol)eS  2ltter 
unb  fte  war  fcfjon,  als  alle  bte  6taaten  nod)  nidjt  waren, 
in  benen  fie  bis  jefct  als  bie  allein  berechtigte  galt  unb 
als  foldje  im  23eft§e  gewiffer  $itä)ti,  $orred)te  ober  $rä* 
rogatioen  ift,  bie  fie  niä)t  gerabe  auf  bem  2öege  gefunben 
ober  auf  Raub  genommen,  fonbern  bie  fie  fidj  trielmetyr 
treu  unb  reblid)  oerbient  fjat.  @ie  fjat  bei  ber  erften 
©rünbung,  Drbnung  ober  Reubilbung  btefer  <&taattn  ge* 
rabe  nid)t  bie  geringften  ober  fd)ledjteften  £)ienfte  geleiftet 
Unb  wenn  fie  bafjer  aud)  für  bie  2öol)ltf)aten  unb  ®e* 
feljenfe,  womit  bie  dürften  ober  bie  Regierungen  btefer 
©taaten  fie  auSgeftattet  unb  bie  fie  iljr  in  aller  ^orm 
Rechtens  oerliefyen,  nid)t  unbanfbar  ift,  fo  barf  fie  bodj 
aud)  il)ren  2öot)ttl)ätern  fagen,  bafc  biefe  felbft  oon  iljr  mefjr 
empfangen  unb  nod)  täglich  empfangen,  als  fie  iljr  gege* 
hen  fjaben.  ®tc  regieren  oermöge  ber  Gewalt,  bie  i^nen 
©Ott  anvertrauet,  über  bie  Seiber  il)rer  Untergebenen, 
unb  wenn  es  tjod)  fommt  über  bereu  ^erjen  burd)  Qu* 
neigung  unb  %kbt  £)ie  $irdje  aber  t>erleil)t  ilmen  ein 
IjötjereS  unb  würbigeres  Slnfe^en,  benn  fie  errietet  tfjnen 
einen  %f)xon  im  ©ewiffen  il)rer  Untergebenen  unb  ber 
%fyxon,  ber  tfmen  fyier  errietet  wirb,  ift  fefter  unb  bauer- 
Ijafter  als  berjenige,  ben  ©ewalt  ober  $rad)t  aufbauet 


m^  ®efpräd&.  253 

@ie  ernennt  bie  rechtmäßigen  Könige  ober  dürften  für 
©tettoertreter  ©otte3  in  ber  Regierung  ber  Golfer  unb 
tjerletljt  bem  ©eljorfam  unb  ber  (£l)rfurdjt  gegen  fte  einen 
religtöfen-  ^arafter;  benn  ben  SHenft  ©otte3  unb  bie 
©§tfurä)t  gegen  ben  Äönig  ernennt  fie  unb  teljrt  fte  er* 
Jennen  als  jroei  oerraanbte  unb  unzertrennlich  mit  einan* 
ber  oerbunbene  $flid)ten,  naä)  ben  SBorten  be3  1)1.  $etru3 : 
„gurrtet  @ott  unb  e^ret  ben  $önig." 

Slufle^nung  unb  Empörung  gegen  bie  rechtmäßigen 
gürften  unb  Regierungen  galt  tljr  baljer  auä)  ftets  als 
Stufle^nung  unb  Empörung  gegen  ©ottes  Drbnung,  unb 
fo  oiel  oon  ifyx  abging,  fjat  fie  immer  felbft  ben  leifeften 
©ebanfen  baran  in  ben  §er§en  ber  ©laubigen  §u  erftiden 
gefugt.  lXnb  in  ber  Zfyat  finb  diejenigen,  roeldje  in  allen 
Säubern  unb  Reiten  ber  Resolution  unb  i^ren  reoolutio* 
nairen  SBeftrebungen  bienen,  nidjt  bie  treuen  unb  folgfamen, 
fonbern  trielmel)r  bie  feljr  unfolgfamen  Mnber  ber  SHrdje. 
60  mar  e3  oon  Anfang  an  unb  fo  mirb  e3  and)  fünftig^in 
bleiben.  Söeldje  fäjredtid)e  guten  v]at  nidjt  bie  fäixfye  bnxfy 
gemalt  unb  melden  £>rud,  raet$e  ungerechten  Rationen 
unb  Verfolgungen  fyat  fie  triebt  im  Saufe  biefer  3^ten  in 
ben  oerfdjiebenen  Staaten  oon  ©eiten  ber  weltlichen  fflafyU 
Ijaber  ju  befielen  gehabt?  £>at  fie  aber  jemals  ©emalt 
mit  ©ewalt  abgemeljrt  ober  menn  etwa  bie  £)inge  auf's 
Sleufjerfte  gekommen,  gegen  bie  ungerechten  23ebränger  bie 
galjne  ber  Empörung  aufgepflanzt,  ober  fold&eS  tfyren 
^inbern  tlmn  feigen  ?  Rein,  fie  fagte  raotjl,  menn  grau* 
fame  SDefpoten  unb  tnranmfdje  Wlafyfyahev  bie  ©eraiffen 
Inebeln  wollten  unb  ungerechte  ber  Religion  jumiber* 
laufenbe  Slnorbnungen  unb  &efe$le  erliegen:  „$ftan  muß 
©ott  meljr  ge^ordjen,  als  ben  9ftenf$en";  weil  man  ben 


254  2ld&te§  ©efpräd). 

äftenfdjen,  nämlicl)  ben  menföltdjen  Dbrigfeiten,  nur  ge* 
§ord)en  muß,  tnfofern  fie  ©otteS  Stellvertreter  finb  unb 
weil  fie  in  Slnorbnung  von  fingen,  bie  gegen  ©ott  unb 
©enriffen  finb,  nic^t  Stellvertreter  ©otteS  fein  fönnen,  beS* 
§alb  fann  unb  barf  man  ilmen  audj  in  folgen  fingen 
nidfjt  a^ordjen;  aber  nie  fagte  fie  babei  fyxen  £inbern: 
empört  eud)  gegen  eure  ungerechten  unb  graufamen  23e* 
bränger  unb  werfet  üjr  ^odj  von  @u$-  Sie  fagte  ilmen: 
leibet  ©eraalt,  aber  übt  feine  ©ewalt;  fterbet  für  eure 
Religion  unb  türmtet  diejenigen  nidjt,  bie  nur  ben  £eib 
tobten  ftmnen,  —  aber  leimt  eud)  gegen  fie  nidjt  auf. 
So,  wie  gefagt,  Ijat  bie  $irä)e  p  allen  3^iten  gelehrt  unb 
fo  l)at  fie  aud)  ge^anbelt;  fie  ijat  bie  Ungerechtigkeit  nie 
gutgeheißen ,  aber  fie  l)at  fie  lieber  gelitten,  als  fie  felbft 
geübt;  fie  Ijat  immer  wie  jener  alte  ßirdjenfdjriftfteller 
P  i|ren  Verfolgern  gefagt:  neque  terreinus  neque  ti- 
memus,  wir  machen  ©ud)  nid)t  fürdjten,  mir  fürdjten  @u$ 
aber  aucl)  nidjt;  fie  §at,  olme  iljrer  eigenen  Auctorität  unb 
ben  Redjten  ©otteS  etwas  p  vergeben,  immer  bie  ftaat* 
lidfje  5luctorität  burdj  SBort  unb  £l)at  unterftüfct,  ftetö 
feftljaltenb  an  bem  5Befe§Ie  i^re^  Stifters:  „^ebet  bem 
$aifer,  tvaS  beS  $aiferS  ift,  aber  gebet  audj  ©ott,  was 
©otteS  ift."  SöefonberS  aber  erwies  fie  ftd)  immer  al£ 
eine  befonbere  Söo^lt^äterin  ber  Staaten  burd)  unermübete 
Ausbreitung  magrer  cljriftlidjjer  Sugenben,  benn  biefe  finb 
immer  unb  überall,  man  mag  fagen,  tvaS  man  will,  bie 
heften  unb  einzig  faltbaren  Stufen  eines  Staates.  Sftit 
9tücffid)t  auf  foldje  geiftige  2Bol)ltl)aten,  bie  bie  «fHrdje  ben 
Surften  unb  Regierungen,  bie  fie  in  i^ren  Staaten  m* 
gelnnbert  wirfen  ließen,  fo  reicpdj  gefpenbet  Ijat,  erfdfjeinen 
bie  seitlichen  ©üter,  Rechte  unb  Vorreite,  womit  man 


2lc$te<B  ©efpräd).  255 

im  Saufe  ber  fteit  fie  aulgeftattet,  nid^t  all  pure  $e* 
fcljenfe,  fonbern  all  feljr  wol)loerbiente  Belohnungen,  unb 
ba  ber  SBefifc  berfetben  t§r  gleidjfam  verbrieft  unb  beftegelt 
ift,  fo  möchte  idj  bodj  wiffen,  wie  e!  ftdj  mit  ber  ®e* 
redjtigfeit  reime,  fie  fo  ofme  weitere!  il;re!  angeftammten 
rechtmäßigen  $efi$e!  ju  berauben  unb  fie  gleidjfam  nacft 
r»or  bie  £§üre  p  fegen.  £)enn  barum  rjanbett  e!  fi$ 
bod)  im  ©runbe  nur,  e!  ift  bie!  ba!  @ingige,  wenigften! 
ba!  ^ädjfte  unb  @auptfäd)tic$fte,  mal  bie  moberne  Staat!* 
red)tllel)re  mit  ber  2lnfed)tung  biefer  „^ttemberecfjttgung" 
ber  fatl)olifd)en  $trd)e  in  jenen  Staaten  bereden  will, 
e!  foll  mit  ben  ©ütern,  Siebten  unb  $orred)ten  ber  £irdje 
grünblid)  aufgeräumt  ober,  roa!  man  fo  fagt,  tabula  rasa 
gemadjt  werben;  bie  $trd)engüter  —  fo  motten  e!  biefe 
9ied)t!tel)rer  unb  fo  oerfterjt  unb  ixU  man  ir)re  Se^re 
praftifdj  —  bie  Äirdjengüter  alfo  fließen  einfad)  in  ben 
Staat!fädel ,  bie  geiftlidjen  Stiftungen  u.  bergt,  werben 
einfadj  fäfutarifirt,  bie  Ätöjter  unb  Atrien  wanbelt  man 
in  $af erneu  um,  bie  armen  Drben!;üMnner  unb  Drben!* 
grauen  wirft  man  einfad)  au!  tljrem  23efi£trjum,  bie  Sßor* 
rechte  unb  Immunitäten  be!  $leru!  finbet  man  nidjt  merjr 
nad)  bem  geitgef^made  unb  man  beteiligt  fie  einfadj,  olme 
baß  man  e!  ber  9ttüt)e  wertf)  Ijiette,  beffentwegen  mit  bem 
$irdjenoberl)aupte  ftd)  gu  benehmen;  bie  Verträge  unb 
(Soncorbate,  bie  man  mit  bem  1)1.  Stuhle  abgesoffen  §at, 
bie  oerle^t  man  ober  gerreißt  fie,  wie  einen  uunügen 
$apier^ge§en,  htrj,  bie  „nid)t  alleinberechtigte"  unb  bie 
„twttig  red)tlofe"  fatfjolifdje  Äirdje  finb  im  Sinne  biefer 
neuen  Staat!red)tltel)re  eine  unb  biefelbe  Sad)e.  IXnb 
ba$  curiofefte  ift  nod),  ba%  man  erwartet,  ber  rjl.  SSater 
fotte  für  bie   £enfer!btenfte ,   bie  man   an   ber  Mrdje 


-256  2ld&te§  ©efpräd&. 

leiften  null,  obenbrein  audj  nodj  ein  Vertrauensvotum 
aufteilen. 

So  alfo,  §err  Sommer  cien^atlj,  oerplt  es  fidj  mit 
einem  ber  a^tgtg  Sä§e,  beffen  ßenfur  Slmen  fo  anftögtö 
ift  unb  ber  idj  nur  mit  oollfommenfter  Uebergeugung  UU 
pfCtd^ten  fann,  -ftidjt  triel  anberS  ift  es  mit  ber  Senfur 
be^  folgenben  Sa§eS:  „3n  lobenswerter  Söeife  fei  in 
geroiffen  fatljoltfd&en  Säubern  bur$  ein  ®efefc  beftimmt 
morben,  ba$  ben  ©inmanberern  bortfelbft  bte  öffentliche 
Ausübung  iljreS  SultuS,  melier  es  audj  fei,  geftattet  fein 
fotte."  £)enn  biefer  Sa£  läuft  ungefähr  auf  baffelbe 
IjinauS,  tote  ber  Sa§  t>om  religionslofen  Staate.  %)mn 
ob  tdj  fage,  ber  Staat  muffe  religionslos  unb  gegen  jebe 
Religion  feiner  Bürger  gleichgültig  fein,  ober  ob  iü)  fage, 
ber  Btaat  muffe  alle  Secten,  fie  mögen  nodj  fo  irreligiöfen 
unb  offenbar  unfittli^en  Se^ren  Imlbigen,  unb  alfo  ettoa 
greibenfer  ober  Hormonen  fein,  ru^ig  gewähren  laffen 
unb  bie  öffentliche  Ausübung  i^reS  (MtuS  iljnen  geftatten : 
betbeS  ift  fo  jtemltdj  baffelbe.  SJttt  bem  reltgtonSlofen 
Staate  fällt  bafjer  biefer  Sa£  oon  ber  obrigfettltdjen  ®e* 
ftattung  ober  £>ulbung  ber  öffentlichen  Ausübung  aller 
ettoa  nod)  fo  unäjriftlidjen  Suite  gang  oon  felbft  Iber 
fagen,  ber  Staat  bürfe  nt$t  bk  öffentliche  Ausübung  aller 
möglichen,  wie  immer  gearteten  religiösen  ober  irreligiöfen 
(Suite  bulben,  unb  fagen,  er  muffe  alle  anbern  Suite  außer 
bem  fat^olifdjen  unterbrücfen,  ift  nodj  lange  nid)t  baffelbe. 
®er  $apft  oertoirft  ben  Sa§,  ba$  ber  Staat  alle  mög* 
liefen,  wie  immer  gearteten,  religiöfen  ober  irreligiöfen 
Suite  bulben  muffe  ober  bürfe,  unb  er  bulbet  befanntlidj 
in  9tom  es  felbft,  ba$  bk  guben  eine  Spagoge  Ijaben, 
unb  bafc  bk  $rotefianten,  Stnglifaner  unb  fdjtSmatifdjen 


2td&te§  ©eforäd&.  257 

Muffen  gotte3bienftftd)e  3nfammenftinfte  galten,  antfj  t§re 
eigenen  ($otte3ätfer  u.  bergt,  befi^en.  ®eratffen3fret* 
§ eit  nnb  (8eratffen3fredjljett  finb  eben  ein  paar  gan§ 
t>erfd)iebene  2)inge;  nnb  mit  ber  erfteren  Brandt  man 
nid)t  antf)  bie  (entere  p  geftatten,  biegrecpeit  berjenigen, 
bk  „gum  S)edf  mantel  ber  Söo^eit  bie  grei^eit  migbrandjen"*), 
nm  bk  xoafyxe  greift  ju  jerftören. 

Sie  fefjen,  §err  ©ommercien^at^,  in  bem  roüften 
(Selärm  nnb  (Sefdjrei  ber  liberalen  treffe  über  bie  g> 
nannte  päpftlidje  @nct)cttca  nnb  bie  i^r  beigefügte  (Senfnr 
ber  adjtjtg  ©ä'ge  mar  entroeber  fefyr  menig  SSerftanb 
ober  fe^r  triel  böfer  SSiEe. 

©er  ©ommercien^atl^.  Qd)  fe^e  aber  aud), 
ba%  @ie  ein  gemanbter  geäjtfünftler  finb  nnb  alle  Qitbe, 
bie  man  gegen  Sfyre  ©a$e  fü^rt,  gefdjidt  abppariren  miffen. 

2)  er  §ofrat§.  2)a3  £ob  eine3  gedjtfünftte  ift  ein 
feljr  groeibentigeS.  Q  <§  bagegen  fpenbe  ^nenf  £err  23ifd)ojv 
für  Mt$,  rvaä  6ie  nn3  gefagt,  ein  üoHe^  £ob  au§  trenetn 
bentfdjen  bergen.  Unb  pm  Sobe  füge  tdj  pgteid)  ben 
Sln^brud  be3  SanfeS.  3a,  ftetS  merbe  ify  3f)nen  banf* 
bar  fein  für  fo  t)ie(  Slnfflämng  nnb  ^eleljrnng,  nnb  be* 
fonber£  merben  mir  3§re  mannen,  patriottfdjen  nnb  loyalen 
©efinnnng^^enfeemngen  ftet3  nntjergejglidj  fein. 

3$-  3n'3  Sieb:  „3$  bin  ein  $renße,  miE  ein 
^renjse  fein"  ftimme  id)  atferbingS  'gern  ein.  3$  §abe 
aber  in  biefer  £infiä)t  bod)  nod)  einige  2öünfdje.  grei 
finb  mir  ®atf)o!üen  in  ^renfjen,  benn  nadj  ber  $erfaffnng 
orbnet  nnb  vermaltet  bie  fat^olifdje  £ird)e  i§re  angelegen* 
Seiten  fetbft  --  nnb  bk  greift  ift  bte  erfte  ^ebtngnng 


*)  1.  ^etri  2,  16. 
3tteiie§  Bifäjöfli^eg  SBort.  17 


258  SCd^ied  ©efpräd^. 

unfereS  2öo^)tbefinben^.  £)ie  $erfuä)e  einer  gewiffen  gartet, 
bie  uns  üerfaffungSmäßtg  gewäfjrleiftete  gretljett  uns  wteber 
gu  entstehen,  ftnb  mir  gwar  woi)l  befannt,  aber  an  bem 
angeftammten  ®eredjtigfeit§  *  ©imte  unfere£  rtttertidjen 
Königs  werben  foldje  $erfu$e  fidjertidj  fd&ettern,  unb  be3* 
§alb  formen  wir  gang  unbeforgt  fein.  28a3  tdj  aber  aufter* 
bem  ttodEj  wünfdje,  ift  bie  ebenfalls  üerfaffung^mägtg  gang 
uupartbeitidj  unb  in  allen  fünften  burdjgufüljrenbe$p  arttät 
Unb  wenn  idj  enbtid),  ^ier  unter  un$,  nocb  einen  fefjr 
innigen  aber  audj  feEjr  fiilmen  Söunfdj  au3fpredjen  barf, 
fo  wäre  e£  ber,  baft  ba3  gange  liebe  ^reuftentanb  vom 
fR^ein  bi^  an  ber  Kernel  ©tranb  fid)  mit  bem  fatfjolt* 
fdjen  Stfftttel*  unb  Einleite  fünfte,  bem  Stuhle  be£  $. 
Petrus,  wtebert)eretnigte,  unb  bafj  tiefet  fat§oltf$e 
tpreufjen  an  ber  (Spi^e  3)eutfdjlanb3  —  „benn  ba3  gange 
S)eutf($lanb  muft  e£  fein"  —  feine  moralifdjen  Eroberungen 
bi3  batjin  fortfe|te,  bag  bas  .gange  £)eutfdjlanb  wieber  ein 
in  fidj  einiget,  großes  unb  mädjtigeS  £)eutfdjlanb  fein 
tgirb ,  geeinigt  in  Einem  (glauben  unb,  felbft  erprobt  im 
©etjorfam  gegen  (SfjriftuS  unb  feinen  §ödjftett  ©teEfoer* 
treter  auf  Erben,  ber  gangen  2Mt  bie  ©efefee  be3  $el)or* 
famS  biftirenb.  Gelfert  (Sie  mit,  lieber,  ebter  §err  £of* 
ratl),  baft  biefer  mein  le^ter  unb  Ijödjfter  patriotifdjer  Söunfdj 
batb  Söafjrfjeit  werbe,.  bieS  allein  ift  eine  Aufgabe,  bie 
unfer  unb  aller  ädjten  Patrioten  würbig  ift,  alles  Rubere 
ift  eitel;  Reifen  <Sie  Inergu  mit  buräj  SHat^  unb  £§at, 
befonberS  aber  bur<^  ®ebet.  SDenn  was  3Jlenf($en  ni<$t 
mögltdj  fdjeint,  @ott,  bemSIllmädjttgen,  ift  es  gewifc  möglidj. 
Ueber  ba§  SIngefiäjt  beS  £ofrat§3  verbreitete  ftdj  auf 
einmal  ein  ftiHer  Ernft,  ©raf  Julius  fdjien  anwerft  vet* 
gnügt  unb  ber  Eommeräen^atl)  bradj  in  ein  gelles  $e* 


2ld)te§  ®efpräd&.  259 

Carter  an§.  9JHr,  erttrieberte  idj  t§m  in  einem  erregten 
S£one,  ift  bte  ©adje  gar  nidjt  §um  ßadjen,  fonbern  fte  ift 
mir  purer,  fettiger  ©ruft.  £)ie  beiben  anbern  nitften  mir 
^eifalir  aber  eine  ruhige  gortfü^mng  be3  ©efpräd^e^  war 
nnn  nidjt  meljr  möglidj.  D^ne^in  war  e3  fd)on  jiem* 
tiäj  fpät  geworben  unb  ba  idj  am  anb^vn  borgen  ftfjon 
in  aller  grülje  aufbredjen  wollte,  üerabfdjiebeten  nrir  unl 
fdjon  an  biefem  Slbenbe  unb  natürlidj  unter  attfeiti= 
gern  lebhaften  ^änbebrud;  unb  bm  roedfjfelfeittgen  ©ruße 
eine^  balbigen,  froren  2Bteberfe^en3. 


17 


SMjang  jum  fünften  ®eforätf)e. 


$te  Erklärung  bes  ^orßanto  ber  |ttärktfd)en  Prebiger- 
GTonferenj  t)om  26.  ^uguft  1864. 

Sie  am  25.  2luguft  b.  $•  oerfammefte  $rebigerconferen§  ber 
©rafftfjaft  2ftarf  fjat  ben  untersetdjneten  $orftanb  §u  folgenber  @r* 
Härung  beauftragt  unb  befajloffen,  biefelbe  bura;  W  Sofalblätter 
gur  gröjjtmöglittjften  $enntnifj  ber  eoangeltfäjen  <3Hauben3genoffen 
SU  bringen. 

Ser  §err  33tfd(jof  ber  Siöcefe  Sßaberborn  Dr.  (Sonrab  Martin 
fjat  fict)  gemüßigt  gefefjen,  ein  biftt)öflia;e3  SBort  an  bie  ^ßroteftanten 
Seutf djlanbä ,  sunädjft  yan  btejenigen  feiner  Siöcefe ,  alfo  aua)  ber 
®raffa>ft  SJiarf,  ju  rieten.  Sie  et),  $irdje  ift  e§  groar  gewohnt, 
in  fatijoliftfjen  (Sontrot)er3fd)rtften  unb  btfajöfliajen  Hirtenbriefen 
alte  äöafjrfjeit  unb  ©eredjttgfeit  gegen  bie  et).  $trdje  §u  »ermiffen 
unb  mufc  e§  toieEeic^t  nad)  ben  bisherigen  Erfahrungen  als  einen 
befonberen  2lft  ber  Solernna  Betrauten,  raenn  bie  Äatfjolüen  nur 
aufgeforbert  werben,  für  bie  Ausrottung  ber  $e|er  gu  beten.  Ser 
öerr  SBifdjof  Martin  t)erftd)ert  im  Vorworte,  ber  Söafjrljeit  unb  b^n 
^rieben  bienen  §u  rootfen,  unb  mufj  e3  bafjer  boppelt  befremben, 
wenn  alte  längft  nriberlegten  SSornmrfe  [unb  SSerbädjtigungen  ber 
eo.  $ird}e  nnebert'eljren ,  aKe  3Kipräuaje  ber  röm.  Äiräje  oerbedt 
unb  mit  allen  (Säjemgrünben  t>ertl)eibigt  werben  unb  £err  Dr.  9ftar* 
tin  felbft  bie  ©giften^  einer  et),  ßirtfje  läugnet ,  unb  nur  oereingelte 
^Jroteftanten  unb  nur  irregeleitete,  oerbtenbete,  abtrünnige  unb  un* 
gefjorfame  ßinber  ber  röm.  ßtrdje  fennt.  Sßir  wollen  unb  tonnen 
in  btefer  ©rftärung  btm  öerrn  SSifdjof  in  feinen  ungfaublidjen  @r= 


Slnfjang  jutn  fünften  @efpräd&.  261 

^fangen  t)on  Unterrebungen  mit  et).  Pfarrern,  ©uperintenbenten, 
Dbergerid()t§rätf)en ,  Sfteg^ierungSrätljett  unb  ©bedeuten,  in  feinen 
SBerbädEjtigungen  ber  et),  ^ircfje,  foroie  in  ber  SSert^eibigwng  ber  fa* 
t^oTifd^en  SDtferanj,  ^nquifttion,  ^ßapfttfjum,  §eiligenüere^rung 
u.  f.  xü.  nid^t  folgen,  ftimmen  oielmeljr  feinem  eigenen  äßorte  ju: 
„2Ba§  fjtfft  e§,  fotdtje  @<pben  &u  oertufd[)en?  £)a§  2Sertufa)en  ift 
rjter  roie  überalt  ein  SBerpfufdEjen." 

SBtr  oerroafjren  un§  aber  im  tarnen  ber  et).  Ätrd&e  unb  ber 
$ira)e  unferer  $rot>in&  gegen  fotgenbe  S3erbätf)tigungen  unb  @nt* 
ftettungen:  3fta$  <5.  52  unb  53  be§  Btfd^öfC.  Söorteö  $at  bie  !at§o= 
lifaje  ßirdfje  im  S^re  1848  jur  a3efa;roia)tigung  ber  ©türme  unb 
jur  SBieberfjerfteEung  ber  erf fütterten  ftaatlidpen  Drbnung  ba§ 
2ßefenttia;fte  beigetragen.  Saffetbe  erinnert  an  bie  Hirtenbriefe  ber 
SBifd&öfe  unb  bie  ^efuitenmiffion,  unb  fjabe  nur  ein  einziges  mutfji* 
ge§  $ixtinrooxt  eine§  ^arbinal  2)iepenbrocf  roie  ein  roa§re§  $auber* 
roort  gegen  bk  berliner  ©teuer4krroetgerer  geroirft.  2öir  erfennen 
bie  patriotifd^en  ©efinnungen  unb  ben  df)riftlid()en  (Sinn  eineö  2)ie* 
penbrocf,  —  ben  nidfjt  blo3  MugEjeit  abgehalten  fyaben  roürbe,  ein 
äfjnttcfjeä  bifdf)öflidf)e§  Söort,  roie  e§  ftd&  §err  Martin  erlaubt,  an 
"bie  Sßroteftanten  Seutfajlanbä  ju  ridEjten,  —  rotttig  an,  unb  finb 
aua)  üon  ber  patrtotifajen  ©efinnung  be§  Sifa)of§  von  fünfter  unb 
be§  2lmt§t)orgänger§  be§  §errn  Dr.  SDlartin  gern  überzeugt,  roiffen 
un§  aber  nia;t  ju  entfinnen,  bajj  j.  33.  afte  Stfcpfe  be§  preufjtfdEjen 
Btaat§,  namentlia;  ber  mit  ©nabe  überpufte  ÄarbmaI*@räbifdEjof 
t>on  $öln  im  S«^e  1848  in  einem  Hirtenbriefe  ber  ftaattiajen  Um* 
fturjpartei  entgegengetreten  unb  bie  $at§oItfen  feiner  ©iöcefe  jur 
£reue  gegen  ifjren  unb  feinen  ßönig  unb  Herrn  aufgeforbert  ptte, 
unb  noa)  m'el  roeniger  ift  un§  oon  SSerbienften  ber  ^efuitenmiffion 
etroaZ  Mannt  3Baö  aber  gibt  bei  biefen  ungemeffenen  2obfprüdjen 
bem  H^k  SBtfajofe  ein  9tea)t  gu  behaupten :  „2Iber  von  allen  euem 
proteftantifd&en  ^rebigern  ober  Dberprebigem  ift  bamatö  gegen  bm 
ffteüorutionöfturm  fein  SOßort  geprebigt,  roa§  üjn  befäjroidEjttgt  rjätte 
ober  roa§  aua;  nur  über  bie  oier  $irdE)enroänbe  rjinauSgeftungen." 
SDafj  bie  et).  ©eiftltdEjfett  in  ^reufjen,  inSbefonbere  in  äBeftfalen  unb 
S^eintanb  in  jenen  ©türmen  feft,  mutf)ig  unb  treu  ju  üjrem  Könige 
unb  Herrn  unb  jur  ftaatficfjen  Drbnung  unb  aufjerplb  ber  $tra)e 
geftanben,  bajj  bie  gefe|Ud)en  Organe  nnb  Vertreter   ber  ÄirdEje 


262  2InI)ang  sunt  fünften  ©efpräct). 

unfern  ^roüins ,  bie  Sßrooinsialfnnobe,  in  non  allen  ßan^eln  »er^ 
lefenen  Hirtenbriefen  unb  ©rlaffen,  fia)  an  bie  ©emeinben  getoanbt 
unb  ber  IXmfturapartei  entgegengetreten  ftnb,  baä  fönnte  unb  fottte 
£err  Dr.  äftartm  nnffen.  Unb  mnn  nur  nid&t  iljnen  allein,  fonbern 
oor  allem  ber  feften,  fixeren  &anb,  roomtt  baä  Sflmtfterium  bie  ge* 
loderten  £ügel  be§  ©taatöregimentä  ergriff,  bm  in  unferem  SBoISe 
oorljanbenen  patrtottfdjen  ©inn ,  ber  £tebe  unb  Slnfjänglidtfeü  an 
unfer  angeftammteä  $önig3ljau§  unb  ber  gewichtigen  ©timme  t>te= 
ler  einflußreicher  2Ränner  auty  in  unferer  ^rooinj  baZ  SSerbienft 
ber  Söteberljerfteltung  ber  Drbnung  gufdjreiben,  fo  tonnen  rair  bod& 
bm  Slntljeil,  ben  &err  Dr.  Martin  ber  Jatl)olifd|en  Ätra>  auftreibt, 
minbeftenö  autf)  für  unä  in  2lnfprudj  nehmen.  @§  finb  @ntfiellun= 
gen  ber  et).  $ird)enleJjre,  bie  fiel)  ber  ehemalige  ^rofeffor  berS§eo= 
iogte,  33ifa;of  Dr.  Martin  (©.  25—30)  in  feinem  bifcpflid&en  äßorte 
erlaubt,  ^iernaa;  foll  e§  lutl).  $trc§enleljre  fein :  „£)er  in  $bam 
gefallene  2Kenfa;  Ijat  burdj  bm  ©ünoenfall  alle  3  eingebüßt,  toaS 
bm  2Jlenfd)en  aum  2ßenfd&en  madjt,  er  fann  nicfjt  einmal  ba$  2)a* 
fein  eines  perfönlidfjen  ®otte§  ober  bie  UnfterblicPeit  ber  @eele  er* 
lernten,  al3  notJjtoenbtge  golge,  er  lann  ntdjt  mel)r  bie  §anb  au3* 
ftrecfen,  $euer  ober  äßaffer,  ®utt$  ober  SBöfeS  gu  mahlen,  fonbern 
er  muß.  äßanbelt  i^n  bie  fletfcpdje  Suft  an,  fo  mu%  er  nötigen* 
big  ©tyebrudj  treiben;  befttmmt  tlm  3iaa)luft,  fo  mu%  er  feinen 
9^äa)ften  morben;  ergreift  ifyn  bie  Segierbe  nad)  frembem  ©ute,  fo 
lann  er  aua;  biefer  nttfjt  roiberfteljen.  @tatt,  ba^  el)emal§  ba% 
Sia)t  ber  Vernunft  unb  ber  ©nabe  in  tym  leuchtete,  ift  er  jefct  mit 
tfjierifdjer  SBIinbljeit  gefd&lagen;  ftatt  baß  er  el)emal§  einen  guten 
äBtHen  Ijatte,  ift  er  jefct  feinem  SDßißen  nadj  ein  emgefleifdjter  Teufel. 
Unb  biefe  teuflifdje  Soweit  ftetft  fo  tief  in  ilnn,  ba^  fie  aua;  nid)t 
burdj  bie  allmächtige  (Snabe  (£§riftt  befiegt  werben  fann."  SGßir 
lönnen  bem  §errn  33ifa;of  Ijier  nur  ernriebern:  2öer  ba%  als  et). 
$trd)enle§re  ober  notljmenbige  Folgerung  berfelben  aufteilt,  bm 
mangelt  <§  enttoeber  an  jebem  SSerftänbniffe  ber  et).  SBafjrljeit,  ober 
er  miß  bie  äßa^r^eit  nia)t  erlernten,  unb  in  beiben  gäßen  mürbe 
jebe  Erörterung  überflüffig  fein. 

9tidfjt  jur  SSerroa^rung,  fonbern  um  bie  3ßaljrl>eit3ltebe  unb  ben 
©tanbpunlt  be§  §errn  33ifa;of§  ju  bejeid^nen,  führen  toir  enblic§  an, 
baß  berfelbe  ©.  13  fagt:  „S)a§  Häuflein  ber  ©^riftuögläubigen  un* 


Sn^ang  junt  fünften  ©efprcttt).  263 

ter  ben  ^ßroteftanten  fd^milst  immer  meljr  jufammen.  3$  fenne 
Orte,  wo  üon  18,000  (Simoofjnew  nur  nocf)  32—34  Kirchgänger 
unb  2IBenbmaf)l3empfänger  finb.  Upcfj  unb  Ba^er,  unb  rate  bie 
Sßrebiger  ber  freien  ©emeinben  Ijeifjen,  gewinnen  con  £ag  §u  Sag 
me§r  Anfänger,  unb  an  nieten  Orten  ift  e§  bcujin  gefommen,  bafj 
bie  Saufe  ber  hinter  burdjgefyenbg  nur  notf)  in  golge  unb  2lnraen* 
bung  polizeilicher  B^ongSma^regeln  uou>gen  rotrb,  fo  bajj,  wenn 
ber*  ^oliaeiftaat  feine  fdjüfcenbe  §anb  von  bem,  raa§  man  proteftan* 
tifdt>e  Kirche  nennt,  surücfjöge,  Mb  vom  ß^riftent^ume  feine  ©pur 
meljr  übrig  fein  roürbe."  lieber  feine  Berechtigung  ju  feinem  Bifdjö* 
flicken  SBort  fagt  berfelBe:  „Bon  @otte§  =  unb  3ftecl)t3raegen  hin  idj 
Bifd&of  ber  ©iöcefe  ^aberborn,  b.  §.  niajt  btofj  ber  Katljolifen  biefer 
©töcefe,  fonbem  aEer  Triften,  bie  innerhalb  ber  ©rengen  berfelben 
raol)nen,  raelc§em  Befenntniffe  fie  aucl)  angehören  mögen/'  2lucf) 
biefe  finb,  nacf)  bm  Bifdjofe,  an  bie  ©efefce  ber  römifd&en  Kirche, 
an  tfjre  @fjegefe£e,  an  ifjre  ©*fe£e  über  bie  Heiligung  tljrer  gefte 
fo  gut,  raie  an  ifjre  gaften  unb  2lbftinen3gefe|e  gebunben.  SDttt 
folgen  Behauptungen  raiE  Dr.  Martin,  ber  bie  et).  Ätrc^e  in  3il)em* 
lanb  unb  äöeftfalen  au%  eigener  Slnfdjauung  fennt,  b^m  ^rieben 
unb  ber  2BaIjr§eit  bienen,  fo  feinen  ©an!  für  baZ  freunblicfje  @nt* 
gegenfommen  fo  nieler  eoangelifcfjer  Triften  Bei  feinen  S^unbreifen 
beraeifen.  Unb  raenn  rair  bie  erfte  Behauptung  @.  13  für  eine 
Säufcljung  unb  Unraaljrljett  erflären,  fo  möchte  man  nad)  ber  le£te* 
ren  meinen,  bem  £errn  Bifdjofe  fei  bie  ©efd&idjte  oon  brei  %a§v* 
Ijunberten  unbefannt  geblieben  unb  er  fjabe  fein  bifdjöfliclieä  äßort 
ntd&t  im  %afyvt  1864,  fonbem  im  3<*ljre  1516  ertaffen. 
©eoeläberg  unb  bitten,  ben  26.  Stuguft  1864. 

©er  Borftanb  ber  3Kärf.  ^rebiger^onferenj. 
©er  ^rooinjialfnnobal^räfeg :    ©er  ^rooinjialfnnobat^ffeffor: 
gej.  21 1  b e  r  t ,  Dr.  ber  Sfjeologte.     gej.  ß  ö  n  i  g ,  Dr.  ber  Geologie. 


n. 

fiUxm  (Entgegnung  nom  10.  j&fptembn:  1864. 

©er  Sßorftanb  ber  2#ärJifdf)en  $ßrebiger=Berfammlung  §at  gegen 
mein  „  bifcpflid£je§  SEort"  unter  bem  26.  v.  3ft.  eine  in  ber  @lber* 


264  2lnljang  jum  fünften  ©efpräa;. 

felber  Rettung  erfcfyienene  unb  in  mehrere  Stätter  übergegangene 
„©rftärung"  abgegeben,  bie  midEj  ju  folgenber  Entgegnung  fceranlafjt: 

1.  So)  fann  e§  nur  fefjr  besagen,  bajj  ber  »erefjrliclje  SSorftanb 
meine  im  ©etfte  ber  2kht  abgefaßte  ©dEjrift  in  einem  gerabe  ent* 
gegengefefcten  ©eifte  aufgenommen  fjat.  @§  fam  mir  roatyrlitt)  niä;t 
in  ben  ©inn,  irgenb  ^emanben  gu  »erleben.  Unb  rote  im  ©eifte 
djriftlid&er  Siebe,  fdjrteb  tä;  jugleia;  2Me3  mit  beutfajer  (Sfjrltcpeit 
unb  Offenheit  nac!)  meiner  geroiffen^aften  Ueberjeugung.  2)ie  in 
ber  genannten  „©rftärung"  enthaltene  SSerbädEjtigung  meiner  äöatyr* 
$ett3Itebe  roeife  icf)  bafjer  mit  ©ntfajiebenfjett  gurücf.  gtt)  fann  9Ue* 
tnanben  groingen,  bie  in  meine  ©äjrtft  mit  eingeflodfjtenen  Unter* 
Haltungen  mit  oerfajiebenen  e^renroert^en  ^roteftanten  gu  glauben, 
—  ia)  fann  aber  audf)  üftiemanben  btö  Siedet  einräumen,  biefe 
Unterhaltungen  für  ungtaubltaj  aussehen,  unb  für  bie  ©adfje 
fetbft  bleibt  e§  ftd)  ofjnefjtn  gteia),  ob  bk  Unterhaltungen  fo  gepflo* 
gen  finb,  ober  niajt. 

2.  SDen  patriotifdjen  (Sinn  ber  proteftantifajen  ^rebtger  I)abe 
idEj  in  meiner  ©ajrift  nirgenb§  toerbääjtigt ;  ttf)  fyaht  audfj  nirgenbS 
gefagt,  bafj  fie  fta;  in  ben  SHeoolutionöftürmen  beS  ^a§re§  1848 
untätig  oerljaften  Ratten.  Slber  ia;  roteberfjote ,  »on  einem  prote* 
ftantifajen  Hirtenbriefe,  ber  fo  eingefa;nitten  fjätte,  roie  ber  bes 
fei.  ©arbinalä  ©iepenbrocf  gegen  bie  berliner  ©teueroerroeigerer, 
f)abe  idfj  nirgenbä  ettoa§  gefefjen. 

3.  Sie  Sefd&utbigung ,  afö  §ätte  icf)  „bie  eoangeltfaje  £e§re" 
entfteUt,  trifft  nudf)  eben  fo  roenig.  SSon  einer  „eoangeltfttjen  Seljre" 
a(§  fötaler  fjabe  id)  überhaupt  nid&t  gerebet  unb  fonnte  baoon  nitfjt 
reben,  'aa  fta;  befanntliä)  mele  als  reä)t  eljrenroertf)  geftenbe  Sßrote* 
ftanten  an  bie  fnmboltfd&en  SBüd&er  ntc$t  für  gebunben  erachten. 
£at  bodE)  ber  Dberfirajenratfj  oon  Saben  nodEj  gang  iüngft  erftärt, 
bafj  audjj  ein  proteftantifajer  Sefjrer  ber  Geologie  felbft  auf  hen 
(flauten  an  bie  ©ottgett  (Sfjrifti  md&t  üerpftiäjtet  roerben  tonne. 

2)af[  aber  bie  au$  meinem  23ud&e  in  ber  „ßrftärung"  üerftüm* 
melt  mitgeteilten  <5ä£e,  bie  fta)  auf  bie  reformatortfdfje  SKedEjtferti* 
gungglefjre  begießen  (ju  benen  jeboa),  rote  id)  auSbrücflidE)  fagte,  bie 
heutigen  ^roteftanten  ftdf)  ntd&t  benennen)  rotrfttdEj  nur  einfache  Fol- 
gerungen au3  ber  reformatortfa)en  £el)re  com  „unfreien   Söttfen" 


Slnljang  jutn  fünften  ©efpräd).  265 

i>e8  gefallenen  3Äenfd^en  ftnb,  liegt  bod)  für  jeben,  ber  benfen  famt, 
auf  ber  £anb. 

4.  2>ie  2lrt,  nrie  id&  in  2lbfta;t  auf  bie  proteftantifd&en  Triften 
meiner  Stöcefe  mein  §irienamt  njafjmefjmen  $u  tonnen  glaubte, 
braud&tVm  meljrgebattjten  SSorftanbe  ebenfalls  feine  @orge  §u  ma* 
djen.  2)ura;  ©ebet  unb  fadjgemäjje  S3elel)rung  fügt  man  -ifttemanben 
Unredjt  ju. 

5.  ©tatt  mitt)  ju  befd&ulbigen ,  ta)  §ätte  hk  „9Jtipräud£je  ber 
römifa)en  ßirdlje  oerbedt  unb  mit  ©djeingrünben"  oertl^eibigt ,  ptte 
ber  oereljrte  SSorftanb  meine  ©rünbe  felbft  nubertegen  fotten.  £)a§ 
J&lofje  Sefjaupten  unb  SBefdfjulbtgen  ift  freilief)  feljr  leidfjt. 

©cljltefslia;  bemerfe  id&,  bafj  ia;  für  mein  liebeootteä  SBemüljen, 
«bie,  tooljlgeftnnte  ^ßroteftanten  (benn  nur  an  folaje  roenbete  id)  mid&) 
über  bie  gangbaren  SBorurtljeile  gegen  bie  fjeilige  fatljolifcfje  Seljre 
aufklären ,  roett  eljer  2)anf  al§  Säbel  oerbient  ju  Ijaben  glaube. 
$luv  inbem  man  eljrlia)  ber  2Ba§rl)eit  bient,  bient  man  aua)  bem 
^rieben,  nitt)t  bem  falfcf)en  unb  faulen,  aber  hm  roafjren.  2)od[j 
tröfte  ia;  mid)  bamit,  bafj  nidEjt  aUe  ^roteftanten,  bie  meine  ©d&rift 
Xefen  werben,  gerabe  fo  beulen,  roie  bie  9Jtttglieb"er  „ber  3Jlär!ifa;en 
3ßrebiger»5Berf  ammlung. " 

Sitte  SBlätter,  roeldje  bie  „©rflärung"  be§  oft  gebauten  23or* 
ftanbes  abgebrutft,  werben  freunblia;  erfud&t,  audEj  biefe  „(Sntgeg* 
nung"  aufnehmen. 

^ßaberborn,  hen  10.  «September  1864. 

Dr.  Äonrab  Martin, 
33ifa>f  uon  Sßaberborn. 

III. 

$te  Entgegnung  non  Dr.  albert  unb  Dr.  £önig  twm 

28.  September  1864. 

SDer  £err  23tfcljof  Dr.  Martin  in  ^ßaberborn  Ijat  eine  ©ntgeg* 
nung  Dom  10.  September  auf  unfere  ©rfTärung  com  26.  2luguft 
tjeröffentltdEjt,  bie  un§  ju  folgenber  ©egenerllärung  oerantafjt: 

1)  £err  Dr.  Martin  befragt,  bafj  feine  „im  ©elfte  ber  2khe" 
abgefaßte  ©d&rift  oon  un§  in  einem  entgegengefefcten  ©elfte  aufge* 
nommen  fei,  beteuert,  er  Ijabe  Wiemanben  »erleben  motten  unb  nur 


266  2Inl)ang  %um  fünften  ©efpräclj. 

„im  (Seifte  d?rtftlid£)er  Siebe  unb  beutfd&er  ©Ijrlicpeit  unb  Offenheit 
nad&  gennffenljafter  Ueber^eugung"  gefd&rieben.  2Bir  glauben  £errn 
Dr.  9Jlartin  nacfygenriefen  ju  §aben,  ba%  er  bie  einfachen  Sßflidjten 
ber  SCßa^r^eit  nnb  ©ered&tigfeit  gegen  bie  eoangeufaje  Äird^e  unb 
iljre  Seljren  oerle^t  Ijat ,  unb  muffen  eS  ilmx  überlaffen,  ob  bantit 
djriftlidEje  Siebe  $u  befteljen  oermag.  äßenn  berfelbe  in  bem  non  uns 
gebrausten  2IuSbrucfe  „unglaubhafte  Unterrebungen"  eine  Sßer- 
bäcfjtigung  feiner  2Baljrljeit3ltebe  erbliät,  fo  moEen  nur  eS  gern 
erflären ,  bafj  mir  es  aßerbingS  nidE)t  bejroeifeln,  bafj  biefen  Unter* 
rebungen  etnmS  ^^atfäd^lic^eä  gu  ©runbe  liegen  mag,  roenn  aua) 
bie  glücftidje  ^antafte  be§  §errn  Dr.  Martin,  roeldfje  ü;m  oorfpiegelt, 
von  ©otteg  unb  9*ecf)tg  roegen  23ifdfjof  ber  ©oangelifdfjen  feines 
SprengelS  &u  fein,  ben  Unterrebungen  ifjr  eigentümliches  ©epräge 
gegeben  fjaben  mag,  unb  fagen  mit  i^m,  für  bie  ©aaje  felbft  bleibt 
eS  oljneljin  gleichgültig,  ob  bie  Unterljanblungen  fo  gepflogen  loorben 
finb  ober  nid&t.  2luS  bemfelben  ©runbe  motten  nur  über  anbere 
Unterhaltungen,  rao  ber  £err  SifdEjof  nidjt  fo  glücflia;  mar,  feine 
©egner  ju  roiberle^en,  feine  2JUtt§eitungen  machen.  2)ie  äöaljrljeitS* 
liebe  beS  §erm  Martin  fyahm  mir  in  $rage  geftellt  unb  bebauern, 
fie  abermals  in  grage  ftellen  ju  muffen,  roenn  ber  $err  Martin  be* 
fyavupttt,  „baS  Häuflein  ber  (SljriftuSgläubtgen  unter  ben  Sßroteftanten 
fd&nülät  immer  meljr  jufammen.  %ü)  fenne  Orte,  roo  oon  18,000 
@tnn>ol)nern  nur  noa)  32  bis  34  Kirchgänger  unb  2Ibenbmal)lS= 
(Smpfänger  finb.  Ufyltcf)  unb  Saljer,  unb  nrie  bie  ^ßrebiger  ber 
freien  ©emeinbe  l)eifjen,  gewinnen  oon  Sag  ju  Sag  meljr  Slnljänger, 
unb  an  nielen  Orten  ift  eS  ba^in  gefommen,  bafj  bie  Saufe  ber 
Äinber  burd&geljenbS  in  $olge  unb  Slmoenbung  polizeilicher  3nmng§= 
maßregeln  oottjogen  wirb."  2Bir  behaupten,  bai  biefe  ©ä£e  beS 
£errn  Martin  eben  fo  oiele  Unma^r^eiten  als  äöorte  enthalten. 

3öir  nriffen  nid&t,  roo  bie  galjl  ber  (SfjriftuSgläubtgen  gröjjer  ift, 
in  ber  eoangelifcljen  ober  fatljolifcfjen  Kirche.  3Jitt  SSerme^rung  ber 
Älöfter,  ber  ^efuiten,  bem  harten*  unb  §eiltgenbienfte  toäd^ft  aber 
bie^aljl  ber  (SljriftuSgläubigen  ma;t.  2ßenn  ftd&  §err  Martin 
auf  baS  übrigens  ni<f)t  richtig  angeführte  ©utatf)ten  beS  Dber*ßir$en* 
raitjS  in  33aben  begießt,  fo  möge  er  aus  eoangelifdHird&lid&en  Säte 
fdjrtften  erfe^en,  mie  biefeS  ©utad^ten  beurteilt  ift.  2ßäl;renb 
vtö  feilte  %uä)  3^enanS  in  granfreia;  in  200,000  ©jemplaren  oer^ 


Mjang  311m  fünften  ©efpräa;.  267 

breitet  wirb,  Ijaben  fia)  auf  htm  Kirchentage  ju  SUtenburg  fämmt* 
lia)e  900  Seputirte  au§  allen  Steilen  ber  eöangelifd&en  Kirdje  ein* 
mütljig  gu  bem  @§riftu§  ber  Kira)e  unb  ber  ©oangelien  befannt. 
§err  Martin  fagt  in  feinem  bifajöfliajen  2Borte:  „%n  metner  äBirf* 
famfett  aB  afabemtfajer  £el>rer  an  ber  fogenannten  parttätifdjen 
Unioerfität  3U  33onn  fehlte  e§  mir  weber  an  (Gelegenheit  noa;  an 
gutem  Tillen,  meine  Kenntniffe  proteftantifdjen  SBefenS  gu  erweitern, '* 
unb  fe£en  mir  Ijinju:  an  biefer  (Gelegenheit  §at  e§  iljm  aua;  in  ber 
^rooins  Sßeftfalen  niajt  gefegt.  2ln  (Gelegenheit  niajt,  aber  an 
gutem  ^Bitten,  fonft  müfjte  Dr.  SDiartin  eä  wiffen,  bajj  in  ben  eoan= 
geltfajen  ©emeinben,  wo  er  gelebt  fyat,  unb,  bürfen  mir  ^injufügen, 
faft  in  allen  (Gemeinben  beiber  ^romnjen  (5l)riftu3  unb  nur  (Sfjriftug, 
ber  ©fjrtftuä  ber  Ktraje  unb  ber  @oangelien  geprebigt  wirb,  ba% 
firajliäjer .  6inn  in  ben  meiften  (Gemeinben  lebt,  unb  Ufilia;  unb 
Salier  in  iljnen  feine  2ln§änger  jaulen,  ©benfo  ftfjmilgt  bie  galjl 
biefer  SInljänger  in  3Jtagbeburg  unb  bm  wenigen  Orten,  wo  fie  @tn* 
gang  gefunben,  mit  jebem  Sage  jufammen.  3Bir  f orbern  ben  £erm 
23tfa;of  auf,  nur  einen  Ort  ju  nennen,  er  will  mehrere  fennen, 
wo  üon  18,000  ©eelen  nur  32—34  Kirajen*  unb  SlbenbmafjlSgänger 
finb,  oon  ben  tnelen  Orten,  bie  er  fennen  will,  nur  ©inen,  wo 
bura)gef)enb§  bie  Saufe  nur  in  $o!ge  polijeitid&er  gwangSmafc 
regeln  ftattfinbet.  %n  9tl)einlanb  unb  SBefifalen  fommen  unferes 
SSiffenS  überhaupt  gäHe,  wo  bie  Saufe  in  ^olgepoltäeilidjergwangS* 
maßregeln  ftattfinbet,  faum  jemals  oor.  Unb  £err  Dr.  Martin  will  im 
(Sieifte  d&riftlitf>er  Siebe  mit  &eutfa)er  @§rltd)feit  unb  Offenheit  naa) 
gewtffenfjafter  Ueberjeugung  gef abrieben  Ijaben! 

2)  2)erfelbe  erflärt,  er  fyahe  ben  patriotifajen  ©inn  ber  proteftan* 
iifdjen  Sßrebiger  —  eoangelifd&e  (Geiftlid&e,  Pfarrer  unb  ^aftoren 
fenne  er  md)t  —  nia)t  üerbädjtigen  wollen,  aber  er  wiffe  oon  feinem 
proteftantifdjen  Hirtenbriefe,  ber  fo  tief  eingefdjniiten  Ijätte,  al§  ber 
be§  ßarbinal  2)iepenbrocf.  Sei  aller  2lnerfennung  be3  patriottfdjen 
unb  ajriftliajen  @inne§  be§  ©arbinal  2)iepenbrocf  ift  e§  eine  arge 
©elbfttftuf djung ,  wenn  £err  Martin  glaubt,  bajj  biefer  Hirtenbrief 
wie  ein  wahres  Zauberwort  gegen  bie  poltttfajen  ©teueroerweigerer 
in  Berlin  gewirft  tjabe,  unb  wir  muffen  nochmals  wieberljolen,  bafj. 
wir  »on  ä()niitt>n  Hirtenbriefen  be§  @r§bifa)of§  uon  Köln  unb  ber 
übrigen  SBifdjöfe  be§  ^reufnfdjen  »Staats  nidjtä  wiffen.    Zauberworte 


268  Sln&ang  $um  fünften  @efpräd&. 

tmt  bie  eoangelifd&e  $ira)e  ntcfjt,  baä  SSerbtenft,  bie  ©türme  Jener 
$ett  befdjmid&tigt  $u  fyaten,  fann  fie  eben  fo  wenig  al§  bie  fatfjoltftt)e 
$ira;e  in  Slnfprudf)  nehmen;  aber  fte  §at  nia)t,  rote  bie  Sftömifd&e 
^irdEje  ^um  großen  Sfjette,  in  jenen  Sagen  gefdEjmtegen ,  unb  bie 
Hirtenbriefe  ber  beiben  ^rotrin^ialftmoben ,  bie  ©rflärungen  be§  im 
$aljre  1848  t-erfammeften  £trd(jentage§  &u  SBittenberg,  ber  bie  9Uts* 
fajreibung  eine§  Bufc  unb  33ettage§  in  allen  eoangeüfdfjen  $trd)en 
»eranlafjte ,  fjaben  meEjr  at3  ber  Hirtenbrief  be§  ©atbinat  Siepen* 
brocf  unb  ber  übrigen  Bifdfjöfe  geroirft.  Herr  Dr.  Martin  fie^t 
freiließ  nur  in  ber  fat^olifa^en  Ätrdfje  unb  in  ben  ^efuiten  bie  fefte 
©runbfoge  atter  ftaatliajen  Drbnung,  nnb  mir  ©oangelifttje  finb  es 
gemo^nt,  biefe  aller  ©efdEjiajte  unb  ©rfaljrung  fiofjnfpreajenbe  Un= 
roa^r^eit  ftetS  roteberfjolen  ju  pren.  2öir  rotffen  eS,  e§  ^anbelt  fttfj 
-in  ber  gegenwärtigen  «Seit  um  fragen,  mobei  beibe  Eirenen  beteiligt 
finb,  um  bte  eraige  ©runblage  in  @taat  unb  $trd(je,  ob  Dbrtgfett 
ttnb  ©efe£  über  bem  9Jtenfdjen  ober  unter  u)m  fteljen;  beibe  fyahen 
tüefelbe  Aufgabe,  bie  Religion,  ba§  ©oangelium  in  bie  SebenSbe* 
wegung  ber  ©egenmari  hineinzubringen  unb  fie  &u  einer  läuternben 
unb  ^eiligen  -ERadEjt  gu  machen;  unb  mo  ba$  bie  fatfjoftfaje  ^iraje 
-unb  iljre  Organe  mit  un$  tf)un,  ba  motten  mir  e§  gern  unb  t>öHig 
anerfennen.  ttltramontane  BifdEjöfe  unb  ^efuiten  finb  aber  noa) 
ttiemalS  eine  @tüfce  ber  ftaatlid&en  Drbnung  geraefen.  ®ine  Bürg* 
fdmft  für  SCufredfjterfmltung  ber  ftaatttdjen  Drbnung  ift  überhaupt 
bie  tatrmttfd&e  ßirdfje  niajt.  Sie  föeootutton  §at  i^ren  9iunbgang 
tmrdEj  alle  fatljolifdjen  Sänber  gemalt,  unb  roaZ  fjat  bie  fatpüfdje 
ßirdje  ttyun  können  unb  motten,  um  SRuEje  unb  Drbnung  raieber  Ijer* 
aufteilen?  SBer  *>at  ba§  geuer  ber  Sfteoolutton  in  bem  ungtütfftdjen 
5ßolen  angejünbet?  2Ber  läjjt  Italien  nia;t  gur  Sftulje  fommen? 
Unb  menn  bie  fat^o!ifct)e  $ira;e  ^auberraorte  gegen  ben  2lufru§r 
ijat,  marum  menbet  fie  $tu3  IX.  gegen  feine  eigenen  Untertanen 
niajt  an?  3ßa§  mürbe  au§  bem  Sßapfte  unb  feinen  ©arbinäten 
merben,  menn  fia;,  um  mit  bem  Sßorte  Dr.  2Jtortin3  ju  reben,  ber 
'^ottjeiftaat ,  $ran?reid)  mit  feinen  Bajonetten,  üon  bem,  mas  man 
SHömifdje  $irtf>e  nennt,  gurü^öge? 

3)  Ser  £err  SBifd^of  Dermalst  fia)  gegen  ben  Bormurf  einer  ©nt* 
ftettung  ber  eoangetiftt)en  £ef>re  unb  behauptet,  bafj  bie  in  feiner 
^ajrift  aufgeführten  Säfce  nur  oerftümmelt  mitgeteilt  unb  einfädle 


Slnijang  jum  fünften  ©efpräc^.  269 

Folgerungen  au§  ber  reformatorifajen  Seljre  feien.  $aa)  £erw 
Dr.  [Martin  ift  e3  eoangeltfdje  Se^re:  „£>er  in  2lbam  gefallene 
2Kenftf>  Ijat  bura)  biefen  «SünbenfaU  alleä  eingeölt,  wa§  ben 
Hflenfd&en  jutn  3Kenfd&en  madjt.  S)a§  Siajt  feiner  Vernunft 
ift  in  iljm  gänjlic^  oerfmftert,  fo  bafj  er  !eine  einzige  religiöfe 
SBaljrfjeit  meljr  erfennen  fann,  nic^t  mal  ba§  £  afein  eineä  per* 
fön  liefen  ©otteä  ober  bie  Unfterblid&feit  ber  <3eele";  wäljrenb 
W  Sefenntmffe  ber  etmngeltfd&en  ßtrclje  in  ttebereinftimmung  mit 
bem  göttlichen  Söorte  nur  lehren:  „2>ie  urfprünglicfje  SSottfommen* 
J^eit  be§  3Jienfa;en,  naef)  welker  er  ©ott  redfjt  ernennen,  waljrljaft 
lieben  unb  auZ  Siebe  ifim  geljorajen  lö'nne,  worin  ba%  (Sbenbitb 
(Uotteä  beftanb,  fei  oerloren  gegangen,  unb  er  fönne  oon  -Statur 
!eine  waljre  ©otte3furd)t,  leinen  magren  ©tauben  an  ©ott  Ijaben." 
Staa;  §errn  3Rartin  ift  e§  eoangelifc^e  Se^re:  „2)er  2Jlenfd()  ift  mit 
tfjierifcfjer  SBlinbljett  gefcfjlagen,  er  ift  in  feinem  SBiEen  ein 
eingefteifcfjter  Teufel.  £>iefe  teuflifdEje  Soweit  ftecüt  fo  tief 
in  ilmt,  baft  fie  audE)  nitf)t  burdEj  bie  allmächtige  ©nabe 
(SJjrifti  beftegt  werben  fann.  (sein  Sßitfe  ift  fo  gefnedjiet,  bafj  er 
nidEjt  meljr  feine  feanb  auSftrecfen,  $euer  ober  SBaffer, 
<&uti$  ober  23öfe3  wäljten  fann,  eine  geheime  unb  unwtberfteljlidje 
■iftotliwenbigfeit  zwingt  ifjn,  unb  er  mag  fia)  ftellen  wie  er  will,  er  fann 
ftdf)  btefer  ©efaljr  niajt  entstehen",  wäljrenb  fia)  bie  eoangeltfcfjen 
Selenntniffe  auSbrücflicl)  gegen  bie  Meinung  tjerwaljren,  al§  ob  bie 
(Srbfünbe  bie  ©ubftanj  be§  3Jienfa;en,  fein  Seib,  feine  «Seele  ge* 
worben,  unb  e§  tnelmeljr  au§fprea;en,  bafj  fie  nur  etwa§  $rembe3, 
nur  in  bie  ©ufcftanj  §ineingefommene3  fei.  33on  bem  freien  Sitten, 
fagt  2lrtilel  18  ber  2lug§burgifa;en  ©onfeffion,  wirb  gelehrt,  bafj 
ber  Sflenfa)  etltrfiermafjen  einen  freien  SQßiEen  fjat,  äufjerlia)  ehrbar 
§u  (eben  unb  §u  mahlen  unter  ben  Singen,  fo  bie  33er* 
nunft  begreift;  aber  oljne  ©nabe,  §ülfe  unb  äßirlung 
beö  f).  ©eifte§  oermag  ber  3Jienfa)  nia)t,  ©Ott  gefällig 
SU  werben,  ©ott  I)er§Ua}  #u  fürchten  ober  ju  glauben  ober 
bie  angegebene  böf  e  Suft  au§  bem  bergen  ju  werfen,  fonbern  f  o  l  a;  e  3 
gefd&ieljt  burdf)  ben  §.  ©eift,  welcfjer  burd)  ©otteS  äöort 
gegeben  wirb."  Sie  Apologie  ber  2Iug3burgifd(jen  ©onfeffion  fefct 
^inju:  „2)er  3Jlenfa)  fann  von  Statut  o^ne  §ülfe  ber  göttlichen  ©nabe 
einigermaßen    bürgerliche    ©ered^tig!eit   ober   äßerfgered^tigleit  bt* 


270  2lnl)ang  §um  fünften  ©efprädE). 

mirfen,  oon  ©ott  reben,  ©ott  eine  genuffe  SBereljrung  burd&  äußere 
SBerfe  beroetfen,  ber  Dbrtgfeit,  ben  ©Item  gefjordjen,  bei  ber  Sßafjl 
eineö  äußerlichen  3Ber?e§  fann  er  feine  §änbe  oom  3Korbe,  vom 
2)iebftaf)le  enthalten.  SSon  ben  guten  SBerfen  fagt  ber  Strttfel  20 
ber  2tug3burgifd)en  Gonfeffion :  „£ier  wirb  gelehrt,  bafj  gute  3Ber!e 
follen  unb  muffen  gefdEjeljen,  nicfjt  bafj  man  barauf  oertraue,  ©nabe 
"oamit  ju  oerbienen,  fonbem  um  ©otteSmillen  unb  ©ort  ju  Sob,  ber 
©laube  ergreift  atte&eit  allein  ©nabe  unb  Vergebung  ber  ©ünben. 
Unb  bieraeil  burd^  ben  ©lauben  ber  f) .  ©etft  gegeben  mirb,  fo  mirb 
aud&  ba$  $ers  gefdjicft,  gute  SBerfe  ju  tljun."  ®ie  23e* 
fenntnifjfcliriften  ber  eoangeltfajen  ^ira)e  befagen  alfo  ba§  wolle 
©egentljeil  t)on  bem,  ma§  ber  £>err  23tftt)of  behauptet,  unb  e§  mar 
ber  gelinbefte  SluSbrucf,  ben  mir  ju  mahlen  oermod&ten,  menn  mir 
erklärten,  Dr.  Martin  Ijabe  bie  2ef)ve  ber  eoangelifc^en  $ird&e  ent* 
■ftettt,  unb  e§  muffe  tl)m  entraeber  an  jeglichem  S3erftänbniffe 
ber  eoangelifdfjen  £el)re  ober  an  bem  guten  SBillen,  fie  oerfteljen  ju 
rooEen,  fehlen,  gaft  nodf)  ärger  als  bie  SefdEjulbigung  Hingt  bie 
@ntfdf)ulbigung ,  meltt)e  er  ber  eoangeltfdjen  ^ira)e  ober,  ba  eine 
folcfje  nacfy  i^m  nid&t  egiftirt,  ben  sproteftanten  ju  ©ute  kommen 
läßt.  $on  einer  eoangelifdjen  Se^re,  fagt  er,  f)abe  er  nicfjt  gerebet 
unb  niapt  reben  fönnen,  ba  fiel)  befanntlidf)  triele  al§  rea;t  efjremoertl) 
geltenbe  $roteftanten  an  bte  fumboltfdEjen  SSüdjer  md&t  für  gebunben  er* 
arteten  unb  fia)  bie  heutigen  ^roteftanten  $u  ber  reformatorifd&en 
3iecf)tfertigung3lel)re  nicf)t  meljr  befännten.  SBir  tonnten  bemfelben 
ermibern,  bafj  fia)  bie  eoangelifaje  Ätrctje  niemals  oon  i^ren  93e* 
Jenntniffen  loSgefagt  Ijat,  bafj  auf  biefelben  nocf)  gegenroärtig  bie 
©eiftltd&en  oerpflidEjtet  roerben;  e3  fann  aber  Jgerrn  Dr.  9Jlartin  bie 
1H§eimfcf)s2Beftfälifcfje  $irdE)ett*Drbnung  nidjt  unbef  annt  fein,  beren 
erfter  *J3aragrapl)  lautet:  „Sie  eoangelifd^e  $ird(je  SGßeftfalen§  unb 
ber  3ftt)etnprooin5  grünbet  fia)  auf  bie  Ij.  ©cljrift  2Uten  unb  Neuen 
£eftament3,  alä  bte  alleinige  unb  ooUfommene  9tta;tfc§nur  ifjre§ 
©taubeng ,  tljrer  Seljre  unb  tfjreS  £eben§ ,  unb  er Jennt  bie  fort* 
bauexnbe  ©eltung  tljrer  SBefenntniffe  an" ;  unb  mürbe  berfelbe,  wenn 
er  ©inftajt  oon  ben  Sertjanblungen  ber  $rei§=  unb  ^ßrotringtalfunoben 
nehmen  mollte,  ftd)  baoon  überzeugen  tonnen,  mie  fia)  aUe  ©emein* 
ben  in  iljren  gefe|lia;en  Organen  freubig  ^u  biefem  ©lauben  be* 
lennen.     3Son  i^rer  9iec^tfertigung§le§re  benennt  namentlich  noa) 


2(nljang  jum  fünften  ©efpräa).  271 

I;eute  bie  eogl.  ßtrdfje  mit  £ut§er  in  ben  ©d&maKalbtfd&en  2irttfeln: 
„unb  auf  biefem  Slrtifel  fteljt  2Ute§,  rcaä  mir  nribet  ben  $apft, 
teufet  unb  alle  äßelt  lehren  unb  bef  ernten."  Slber  §err  Dr.  Martin 
ftcat  mdjt  blofce  Behauptungen  auf,  er  weift  feine  Behauptungen  &u 
begrünen:  „eine  eogl.  Äirdjenletyre  gießt  eä  nidjt  meljr;  benn  Diele 
al§  eljremoertl)  geltenbe  ^ßroteftanten  Ijaben  fia)  baoon  loSgefagt, 
aua;  ber  Dberfirdjenratl)  ju  Baben."  £at  bie  Jat§.  ftiraje  unb 
$trä;enleJ)re  aufgehört,  als  im  Jafjre  1793  ein  ganjeS  fat§olifdje§ 
£anb  com  d&riftlittjen  ©(außen  abfiel,  aß  am  7.  9*ooem5er  ber  Btfcj)of 
©obet  Don  5pari§  mit  feinen  ^ßrieftern  oor  ben  ©djranfen  be§  ©on* 
oent§  erfa)ien,  um  gu  erftären,  bafj  i^re  gange  bisherige  Sefjre  unb 
iljr  £tben  eine  Säufdjung  getoefen?  3Bo  ift  etraaS  2Iel>nlttt)e3  in 
einem  eoangelifdjen  £anbe  gefajeljen?  SGöie  Diele  tttd^t  blo£  für 
efjremoertl)  geltenbe,  fonbern  ma^r^aft  eljremoertlje  Jatfjolifdje  Triften 
qkU  e§,  bie  mit  bem  ©lauben  iljrer  $trdje  verfallen  finb,  ober  ftd) 
bodj  in  tieffter  Seele  beö  2Jtarten*  unb  &eiltgenbienfte3,  ber  Reliquien* 
oereljrung,  be§  Unfuges  mit  Wallfahrten  utd)  2lbtajj,  ber  ^utoleranj 
unb  $erfolgung§fud)t  ber  9lömifdjen  $ird>e  fd)ämen!  SBie  Diele 
Bifajöfe  unb  ©eiftlidje  mag  e§  geben,  meldte  an  bie  Sledjtljeit  be§ 
SHotfeg  ju  Srier,  ber  ©ebeine  ber  fogenannten  ^eiligen  brei  Könige, 
ber  11,000  Jungfrauen  unb  ber  Heiligtümer  in  Slawen  glauben, 
5U  benen  ba§  Bolf  in  ©paaren  ^inroanbert,  um  2lblafj  für  feine 
©ünben  ju  empfangen!  äBaljrlidf),  toer  in  einem  gläfernen  §aufe 
rooljnt,  ber  follte  fia;  pten,  mutwillig  Steine  auf  ba$  £)aa)  be§ 
yiatyhaxn  gu  werfen.  Sie  eoangelifdje  $tra;e  fann  äötberfprüdje 
gegen  firajlidje  Se^ren  in  iljrer  3Jlitte  nad)  ujrem  principe  bulben, 
fie  Dertraut  ber  9Jlad)t  ber  eoangeltfajen  SBaljrliett  unb  ber  ädjten 
tljeologifajen  äßiff enf d^aft ,  unb  fu$t  fie  tnnerlidj  ju  überroinben. 
Sie  allem  fann  mit  ben  3Md)ten  be3  Unglaubens  kämpfen  unb 
©laube  unb  äöiffenfrfjaft  oermitteln.  Sie  römiftfje  Äirdje  fann  nur 
mit  iljrer  äußeren  Autorität,  mit  iljrem  Roma  locuta  est,  mit  Sann* 
fluten  antworten,  2Biberfprüa;e  unterbrütfen ,  aber  nia;t  löfen. 
Sdjetterfjaufen  unb  ©diniert,  bie  fefer  ber  Smjuifttion  finb  t>k 
SBaffen,  womit  9*om  gefämpft  Ijat  unb  nod)  fortbauernb  kämpfen 
mürbe,  wenn  tljm  bie  2Jiad)t  ba$u  nia;t  fehlte,  ^erbinanb  IL, 
piltpp  II.,  bie  SHömifd&e  Sftaria,  bie  2Ilba'3  waren  bie  getreueften 


272  Slnfjang  jutn  fünften  ©efpräa;. 

©öfjne  ber  SRömifd^en  ^äpfte  unb  bie  Zöglinge  unb  äßßerfjeuge  ber 
von  bem  £errn  S3ifd^ofe  fo  gelobten  Sefuiten. 

4)  £r.  Dr.  Martin  roiU  uns  bie  ©orge  barüber  benehmen,  wie  er 
in  Slbfidjt  auf  bie  proteftantifcfjen  ©giften  feiner  SDiöcefe  fein  SBifd^ofS* 
atnt  führen  merbe.  Ungegrünbete,  tJjöriajte  2lnfprüa)e  fönnen  fein  33e* 
forgnifc,  fonbern  ein  Säbeln  ober  23ebauern  erregen.  3ßof)t  aber  $ätte 
Dr.  SJtortin  fia)  bura;  unfere  (Srftärung  oeranlafjt  füllen  fönnen ,  e§ 
näfjer  &u  begrünben,  bafj  er  oon  ®otte§*  unb  9?ea)t§megen  SBifdjof  aua; 
ber  Csoangelifd&en  in  feinem  ©prengel,  unb  biefe  an  feine  gaften,  2lb* 
ftinenjgefe^e  unb  fonftigeftr$Uc§e$erorbnungengebunben  mären.  SBir 
fucfjen  »ergebend  bafür  eine  93egrünbung  im  göttlichen  SBorte ,  ober  in 
einem  befteljenben  menfajftd&en  Sftecfjte,  glauben  un§  aber  in  ben  %e* 
banfengang  be§  £errn  23ifdE)of3  hinein  oerfe|en  ju  fönnen.  2)a  bie 
römifdje  (Eurie  ben  2lug§burger,  meftfcUifajen  unb  Sßarifer  ^rieben 
unb  bie  Slbfdfjaffung  ber  bifd&öflidEjen  ®eria;t§barfeit  nid;t  anerfannt 
§at,  ber  ^ßapft  im  tarnen  ©otteS  rebet  unb  tyanbelt,  fo  ift  Dr.  Martin 
noa)  fjeute  33ifd)of  aEer  ©etauften  in ' feiner  Siöcefe,  unb  mürbe  er 
auf  biefen  ©runb  f)tn,  mettetc^t  autt)  bie  meltttaje  ^errfdjaft  in  ber 
2)iöcefe  Sßaberborn  ju  übernehmen,  ntajt  abgeneigt  fein.  2)afj  ber* 
felbe  einftmeilen  feine  ©djrttte  tf)ut,  fia;  in  feinen  firajltdjen  SSer^ 
orbnungen  ©eljorfam  $\  »erftfjaffen,  bafür  finb  mir  nur  ben  &taat%* 
gefefcen  SDanf  barfett  fcfjulbig.  Oh  ber  23ifd)of ,  menn  biefe  @efe£e 
e§  ifjm  mögtia)  matten,  nur  ©ebet  unb  fadfjgemäfse  Mehrung  an* 
menben  mürbe,  um  bie  ©oangelifttjen  in  ben  6a)oofj  ber  $ira)e 
gurütfjufü^ren,  miffen  mir  natürlich  ntajt.  @§  ift  an  mafjgebenber 
lat^olifajer  ©tette,  wie  behauptet  mirb,  bie  Sofung  auggegeben, 
bie  ©raffajaft  9Jtarf  fatfjoiifcfy  gu  madjen,  unb  merben  ba%u  bie 
Mittel,  raie  2)irection  fat^olifa^er  Arbeiter  in  bie  ©raffajaft  9Jiarf 
unb  anbere,  oon  ber  Sftömifctyen  ^irdje  mit  gemofjnter  ^tugfjeit  ge* 
map.  Slua)  ba$  bifdpfltd&e  SGßort  »erfolgt  biefen  Bmecf,  ob  mit 
Älugfjeit,  ba8  muffen  mir  unbefdEjabet  ber  SInerfennung  berfonftigen 
ßlugljett  beg  23tfa;ofS  bezweifeln.  äBiH  ber  §err  SSifc^of  eJjrlitf)  ber 
SBafjrfjeit  unb  bem  ^rieben  bienen,  ma$  mir  oon  §er§en  münfd&en, 
fo  genügen  ba%u  3Serfia;erungen  SDeutfc^er  @f)rlta)feit  unb  3Baf)r= 
fjaftigfeit  ober  ber  Siebe  unb  be3  ^riebenS  niajt,  nia;t  Soafte  oor 
einer  gemifcljten  ©efellfd&aft,  meldte  ^rieben  unb  eintragt  afymen 
fonbern  ber  £err  Sifa^of  möge  erüären,  ba%  er  bie  eoangelifc^e 


Stnfjang  jum  fünften  ©efpräcfj.  273 

töircfje  at§  eine  djrifttitf)  gteid^öered^tigte  im  ©taate  anerkenne,  bie 
©etfttidljen  feiner  2>iöcefe  anroetfen,  M  Eingebung  gemifajter  (Sljen 
nicfjt  meljr  ba%  SSerfpredjen  einer  fattjotifcljen  $inbererä;.ef)ung  ju 
forbern,  ijnen  »erbieten,  bie  ©eratffen  itn  2ktd)tftirt)te  ju  bebrängen, 
bm  $atf)ottfen  in  gemifajter  Efje,  roetdje  itjre  ßinber  ganj  ober  ttjeit= 
roeife  eoangelifct)  erstehen  taffen,  ©aframent  unb  etjrlid[)e§  SBegräb* 
nifj  gu  oerfagen,  iljnen  gebieten,  ben  ©cljmäljungen  unb  Säfterungen 
unb  SSerläumbungen  ber  eoangettfcTjen  $trd(je  auf  ^an^eln  unb  im 
$8eia;tftut)te  ein  Enbe  &u  machen,  bann  roirb  £err  Dr.  Martin  trief* 
teiajt  nic^t  bie  Billigung  ber  SfiömifdEjen  GEurte  unb  ber  ^efuiten, 
aber  aller  roofytgefinnten  gläubigen  Triften  alter  33e!enntniffe  er- 
langen,  ber  3Baljrt)ett,  bem  ^rieben  unb  bem  SHutjme  ®otte§  bienen. 

©ajliefitict)  ertauben  mir  e§  un§,  ben  £erm  SBifajof  unb  bie 
Sefer  auf  ba§  uon  einem  ©eifttiajen  ber  ©oefter  Siöcefe  an  ben 
SBifajof  gerichtete,  in  ©oeft  erfajienene  ©enbfctjretben  aufmer!fam 
gu  machen. 

2tua;  mir  Bitten  unfererfeitö  biejenigen  23lätter,  meiere  bie  Ent* 
gegnung  be§  &erm  33ifd)of§  aufgenommen  fyaben,  unfere  Entgegnung 
aufzunehmen. 

©eoetSberg  unb  SB  Uten,  ben  28.  (September  1864. 
gej.  Dr.  Stlbert.  gej.  Dr.  $önig. 

IV. 
jMnnt  „letzte  <Mlänttt0"  twm  6.  ßciobtx  1864. 

SDie  neue  „Entgegnung",  n>o&u  fia)  £r.  Dr.  Sltbert  unb  £r. 
Dr.  ßönig  buro)  meine  Ernriberung  auf  tljre  Erklärung  vom 
26.  Stuguft  oeranlafjt  gefunben  §aben,  raubt  mir  teiber  aEe  Jpoff= 
nung  auf  eine  ruhige  unb  frieblidEje  SSerftänbigung  mit  benfelben. 
2>enn 

1.  nrieberljoten  fie  in  biefer  „Entgegnung''  ttjre  früheren  unbe* 
grünbeten  SSormürfe  gegen  mid&,  o§ne  biefelben  audf)  nur  im  min* 
beften  beffer  begrünbet  &u  Ijaben.  3Jtögen  fie  immerhin  bie  3atjlen* 
angaben,  bie  ia)  an  einer  ©teile  meines  Suc^eö  gemacht,  für  un* 
richtig  Ratten;  ia)  meifc,  bafc  biefelben  richtig  finb.  Safc  aber  bit 
Drte,  worauf  fiel)  biefe  Stngaben  be^ie^en  unb  bie  ict)  gu  nennen 
mittj  Jjier  ntd&t  für  uerpflicijtet  galten  fann,  rfjeinifcf)  *  raeftfätifclje 
Bweiteö  bi}d)öfU$e3  SBort.  is 


274  Slnljang  gum  fünften  ©efpräd). 

überhaupt  preufnfäje  feien,  Ijabe  id)  nirgenbs  gefagt.  Uno  fce= 
treffenb  jene  fo  angefochtenen  ©ä£e  in  meiner  ©äjrift,  bie  fiel)  auf 
bie  reformatortfclje  $ed)tferttgung§=£el)re  begießen,  fo  tyatte  \d)  biefelben 
at§  einfache  Folgerungen  au$  ber  reformatorifdjen  £el)re  oom  „un= 
freien  2Btllen"  be§  gefallenen  Sftenfdjen  tnngeftettt:  fie  Ijaben  aber 
loeber  bie  ©djrtft  i*utl)er'§  t>om  „unfreien  äBilten"  (de  servo  ar- 
bitrio)  in  Slbrebe  geftellt,  nocf)  bk  behauptete  $olgertc!)tigfeit  roiber* 
legt,  fonbern  fjaben  t>^n  Streitpunkt  einfadf)  umgangen.  2)te  ©ac§e 
bleibt  alfo  gerabe,  mie  fie  mar. 

2.  2Iber  aucfj  ber  gange  £on,  morin  fiel)  bie  „Entgegnung" 
Ijält,  matynt  mid;,  bafj  e§  für  mid)  geit  fei,  mit  Männern,  bie  einen 
folgen  £on  anftimmen,  bie  Erörterungen  einfad)  abzubrechen.  §of)n, 
Spott  unb  SSerfc^mä^ung  finb  äßaffen,  beren  id£)  midj  nicf)t  bebtenen 
barf  unb  mag.  ©egen  bie  ©cfjmäljungen,  ungerechten  $orurtf)eile  unb 
$ormürfe,  mie  fie  in  bev  „Entgegnung"  roieberfeljren ,  —  „fatljo* 
lifdje  Sntolerans",  bie  „Scheiterhaufen  unb  Sanierter  ber  römifd^en 
$ircf)e",  „bie  tefer  ber  ^nquifition"  u.  f.  m.  —  mar  meine  Schrift 
^auptfäd^tic^  gerietet,  %d)  fef)e  je|t,  bafs  id)  fie  für  bie  SSerfaffer 
ber  „Entgegnung"  oergeblicfj  gefdjrieben,  fo  gut,  mie  für  ben  unge* 
nannten  SSerfaffer  be§  an  mid)  gerichteten,  gu  Soeft  erfd^ienenen, 
Senbf$reiben§,  morauf  ftemi$  am  Scfyluffe  iljrer  Entgegnung  oermei* 
f en,  ba  mid)  gletdEj  W  erfte  Seite  biefe§  Senbfd)reiben3  über§eugt  l>at, 
bafj  ic|  e§  l)ter  nid)t  mit  einer  Sßiberlegung,  fonbern  mit  einer  orbt* 
nären  Sd)mäljfd)rtft  &u  t^un  Ijätte.  E§  tf)ut  mir  bte§  Ijeraltd)  leib; 
aber  td)  oerfi^ere  Ue  genannten  Ferren,  bajj  ber  bittere  %on  ifjrer 
Entgegnung  in  mir  bie  2kht  gegen  fie  ntdfjt  au§gelöfcfjt  §at.  2)er 
2Babrl>ett  fann  unb  barf  idE)  nictjtä  »ergeben,  aber  bie  Siebe  roerbe 
id)  mit  ©otte§  SSetftanb  aud^  gegen  bie  ©egner  ber  2BaI)rt)eit  ftetä  be* 
magren,  unb  id)  mürbe  mid^  glüdlicl)  fcp^en,  menn  id)  balb  ©elegen* 
Jjett  fänbe,  fie  and)  gegen  bie  oereEjrten  SSerfaffer  ber  Entgegnung 
betätigen  ju  tonnen.  %d)  mürbe  iljnen  bann  geigen,  bafj  iaj  nidjt  bloö 
üor  „einer  gemifd^ten  (SefeEfdjaft  ^rieben  unb  Eintragt  atljmenbe 
£oafte"  ausbringe,  fonbern  bafc  idfj  non  bergen  bemütjt  bin,  immer 
unb  überall  i>k  3fialjmmgen  be§  Slpoftelä  $u  erfüllen :  galtet,  fo  oiel 
an  euclj  liegt,  ^rieben  mit  allen  3ftenfd)en.  33i§  je^t  menigftenä,  glaube 
idj,  Ijat  noa;  fein  Sßroteftant,  mit  bem  id)  in  nähere  perfönlic^e  33e= 
rü^rung  gekommen  bin,  (unb  es  finb  beren  unjä^lige)  über  Mangel 


2lnf)ang  tum  fünften  ®efyrädfj.  275 

an  frtebfertiger  ©efinnung  »on  meiner  ©eite  ftd^  irgenb  &u  Beilagen 
llrfadfje  gehabt.  Unb  id[j  Bin  üBer^eugt,  reblicfje  unb  roo^Igefinnte  ^ßro* 
teftanten  werben ,  wenn  fie  meine  nenefte  Schrift  „ein  BifdjöftidEjeS 
SCßort"  felBft  unBefangen  lefen  unb  prüfen  (njoju  id)  fie  nochmals  mit 
Ijerjli^er  SieBe  einlebe),  aud)  in  biefer  ©djrift  meine  t)erföf;nltc^e  ©e* 
finnung  nidljt  oerleugnet  finben.  Sftur  fie  §at  mia}  jur  STBfaffung 
meiner  ©d^rift  Bewogen  unb  Bei  ber  nnrftidfjen  2töfaffun<$>  berfelBen 
mia)  geleitet. 

2)te  gefaxten  SBtätter,  meföje  bie  „Entgegnung"  aufgenommen 
JjaBen,  erfud>  ttf>,  aud&  biefe  meine  „lefcte  ©rflärung"  aufyu* 
nehmen. 

SßaberBorn,  am  6.  DctoBer  1864. 

Dr.  ßonrab  Martin, 
Sifajof  t)on  ^aberBorn. 

V. 

#ie  Mecenftatt  meines  „btfdjöfUdjen  Woxtts"  im  $aUYfd)en 

lolksblatte. 

—  @in  Bif  dfjöflidOeS  Sßort  an  bie  Sßroteftanten 
Seutfd^Ianbö,  junädDft  an  biejenigen  metner  Sttöcefe,  üBer  bie 
gnrifdjen  uns  Beftelienben  (SontrooerSpunfte  oon  Dr.  $onrab9Jlar* 
tin,  SBifdjof  mm  ^aberBorn.  (2  33änbe,  in  tintm  geheftet:)  I.  2)te 
Seljre  non  ber  ftird&e.  II.  SDie  Seljren  ber  ßirclje.  SßaberBorn 
1864  Bei  ©cpningl).  —  @m  23ud(j,  ba§  feit  feinem  Jürgen  ©rfdjjei* 
nen  Bereits  jiemlid^  mel,  BefonberS  in  3eüfd()riften  oon  ftä)  fjat  reben 
machen.  Unb  e§  fcmnte  ja  niajt  anberS  fein;  oBrooltf  merftoürbig, 
bafj  mit  antworten  am  eifrigften  biejenigen  geraefen  finb ,  an  bie 
ber  SBerfaffer  ganj  auSbrütflttt;  fein  SBort  nitf)t  gerietet  §at.  £>er 
Jjodjnmrbtge  SSifd^of  Benennt  in  ber  SSorrebe  unb  ©inleitnng  („Unfer 
©tanbputift"),  bafj  er  junäcfjft  gur  SlBrae^r  uon  Angriffen  fdfjretBe, 
unter  benen  er  Dr.  §afen'§  neueres  „£anbBud(j  ber  proteftantifcJjen 
^olemif"  tyernorljeBt;  bafj  er  bamit  „aBer  nidjjt  BloS  ber  SBaljrfjeit, 
fonbem  au$  bem  $  rieben  bienen  motte";  ftdD  üBerfjauut  nidjt  an 
bie  gteicfjgtlttgen  unb  glauBenöfeinblid^en  unter  ben  Sßroteftanten 
roenbe,  fonbem  an  bie  bie  SBaEjrljeit  lieBenben  unb  fud&enben;  er 
oerfiajert  biefe  feines  „aufricf)tigften  yerfönlitfien  SBofjIrooEenS",  baä 
ityn  aBer  eBen  aua)  ju  „aller  Offenheit"  treiBe;  erroeift  mit  2lBfd(jeu  aUe 

18* 


276  %tif)a\iQ  aum  fünften  ©efpräa). 

„^rofelntenmacljerei",  b.  \  jebe  „gewaltfame  §erübergwingung  ober 
burcf)  unerlaubte  äftittel  ber  $erfüljrung,  §erüberloctung  unb  herüber* 
fdDmeidjehmg  (jemanbeö)  ju  einer  anbern  Religion",  unb  e&en  fo 
alle  ^ntolerang,  bie  man  in  2Ba()rljeit  fo  nennen  tonne,  oon  fid^. 
@r  geigt,  bafj  er  aua;  in  proteftantifajen  Greifen  woljl  oertraut  ift, 
felbft  bei  \>en  proteftantifdfjen  ^ßrofefforen  (©efeniuS,  Slwlutf,  Seo) 
ßottegia  &ef)övt  Ijat ;  er  ^eigt  ftdlj  al§  ein  —  and)  im  ©inne  ber  SBett 
—  gebilbeier  9Kann,  ber  ©oetlje  citirt,  ber  ©nglanb  Befugt  Ijat, 
u.  f.  tu.,  unb  burd)  ba§  gange  Sud^  felbft  al§  einen  feiner  ©eban* 
Un  unb  äßorte  woljl  mächtigen,  ja  al§  eben  fo  gewanbten  als  fväf* 
tigen  ©cfjriftfteller.  2llle§  biefeS,  foltte  man  meinen,  müjjte  bem 
23u$e  eine  günftige  Stufnafjme  erwecken.  2lllein  e§  getyt  aua)  fo* 
gleich  baSjenige,  mag  noifjwenbig  bie  Volenti!  weäen  muft,  barauS 
Ijeroor.  Ser  23ifcf)of  will  —  babei  bleiben  mir  junäd^ft  ftefjen  — 
überzeugen,  bocl)  eben  ju  bem  gwecf,  jene  bie  SBaljrtjeit  lieben* 
ben  Sjkoteftanten  zur  römifdjen  $irtt)e  Ijerübersufüljren.  @r  rebet 
3U  iljnen  als  SBifd^of  (als  33ifa;of,  &u  beffen  ©prengel  unfere  gange 
^rooinj  @aa;fen,  Wittenberg  „bie  Sßiege  ber  Deformation"  etnge* 
ftfjloffen,  gehört)  unb  benennt  mit  jener  Offenheit,  bie  er  wirflid)  in 
anerfennenSwertljer  äßeife  übt:  ,$d)  fyabe  (bagu)  ntdtjt  bloS  baS 
Deaji,  fonbern  nermöge  meines  oberljirtlidEjen  2lmieS  and)  bie  ^ßflidjjt. 
Senn  oon  ©otteS  unb  DecfjtS  wegen  bin  id(j  33ifd(jof  ber  Stöcefe 
^aberborn,  b.  I).  nidfjt  bloS  ber  ^atljolüen  biefer  Stöcefe,  fonbern 
atter  (Sfjriften,  bie  innerhalb  ber  ©renken  berfelben  wohnen.  .  . 
Sie  ßrrdfje  ernennt  alle  einmal  giltig  ©etauften  für  ü)re  ßinber  an, 
meHeid&t  für  iljre  irregeleiteten,  wevblenbeten,  ungeljorfamen  unb  ah* 
trünnigen  ßinber,  aber  boti)  immer  nod)  für  iljre  $inber,  Ue  iljrer 
©eridOtSbarfeit  unterworfen  finb.  Saljer  plt  fie  biefelben  aua)  nod) 
an  iljre  ©efefce  gebunben.  .  .  SieS  finb  (fefct  ber  SBtfdEjof  mit  Dedjt 
rjinzu)  allbekannte  Singe,  unb  wie  man  aua;  barüber  benlfen  mag, 
man  iann  niajtS  baran  änbem."  allein,  abgefeljen  baoon,  bafj  bie 
grofje  SJle^r^a^l  ber  ^proteftanten  oon  biefen  iljnen  wemgftenS  fjin* 
länglidf)  befannt  fein  fönnenben  Singen  bod^,  nermöge  ibrer  oöllig 
anberen  ©ebanlengänge,  wie  oon  etwa§  ganj  Unge^euerliajen  frap> 
pirt  wirb,  abgefe^en  baoon  muffen  bod^  aud^  wir  fagen,  ba%  biefe 
„Singe"  fofort,  unb  gwar  in  i^rer  Sßa^r^eit  wie  in  Üjrer  Un= 
wa^r^eit,  in  bm  Mittelpunkt  ber  gangen  befte^enben  (Sontrooerfe  §u 


2tnl)ang  ^um  fünften  ©efprädf).  277 

führen  geeignet  finb.  äßir  wollen  aufy  bie  fic^  naljeliegenbe  $rage 
nidjt  weiter  »erfolgen,  06,  wenn  bk  getauften  ^roteftauten  felbfioer^ 
ftänbltdfj  ber  „©eridjtsbarfeit  ber  ßirdje"  ebenmäßig  wie  bie  ßatljo* 
lifen  unterworfen  finb,  biefe  (oon  ber  ^Serfon  be3  33tfd(jof3,  feinen 
Intentionen  unb  perfönltd&en  ©fjaraftereigenfdjaften  ganj  abgefetjen, 
welche  einem  §iftoriftf)en  Drgani§mu3  oon  ber  ehernen  ©onfequeng 
jener  ßirclje  gegenüber  gar  nidjt  in  Setrac^t  fommen)  ob  alfo  biefe 
ßirdje  nid^t  audfj  gegen  bie  „ungeljorfamen"  ßinber,  fobalb  fie  bie 
2Kacf)t  ba%u  f)ätkf  Mittel  ber  ßudfjt  —  fagen  wir:  ßirdjensucfjt,  aber 
e3  eröffnet  ficfj  aucf)  ba  fofort  bie  ßfaft  über  bie  $rage,  weites  bie 
göttlicfj  gefegten  ÄenngeidEjen  unb  ©renken  ber  Äirdjenäucfjt  —  wteber 
anwenben  würbe?  —  eine  $xaa,e,  bk  für  bie  grofje  5öle^rja^t  ber 
^roteftanten  —  unb  ntdjjt  ganj  ojjne  ©runb  —  aBbalb  eine  feljr 
weite  bunf  le  ^erfpectwe  eröffnet.  3Bir  fagten :  wir  fteljen  fofort  im 
9Kittelpunfte  ber  Gontrooerfe  audE)  burdfj  ba§,  m$  Sßaljrljett  an 
jenem  ©tanbpunft;  unb  —  wir  woKen  einmal  ben  nicfjt  unwichtigen 
$unft,  bafj  wir  IjtftortfdE)  nidEjt  jur  SDiöcefe  ^aberbom  gehören, 
unb  bafj  e§  fidE)  alfo,  wie  barauS  gleich  in  bie  2lugen  fpringt,  um 
eine  unterbrochene,  neue  unb  nityt  meljr  öfumemfaje  ®ef$i$te  l)an* 
belt,  bei  (Seite  laffen  unb  füljnlitt)  einftimmen:  ja  ber  SSifd^of  9Jiar= 
tin  wäre  wirflief)  unfer  Sifc^of,  —  fobalb  er  bem  SBorte  ©otteö  unb 
ber  burdEj  ©eine  fänabe  offenbarten  eoangelifdfjen  SBa^rljeit  bie  ootte 
©Ijre  gäbe.  Sßeil  er  ba$  aber  nidjt  tljut  (feinem  ganzen  Silbungö* 
gange  nadE),  ntdE)tau§  bewußter  ©teifung  gegen  bie  SCBaljrljeit)  ntdEjt 
tljut:  fo  finb  wir  eben  „oon  ©otteS  unb  !Rec|tö  wegen''  ^roteftan^ 
ten,  Sßroteftanten  gegen  eine  irrenbe,  weil  unbufjfertige,  unbujjferttge, 
weil  fidf)  für  unfehlbar  Ijaltenbe,  fiel)  für  unfehlbar  ^altenbe,  weil  in 
einem  äußeren  3Jled£jani3mu3  —  meinetwegen  Organismus  — ben 
@df)werpunft  ber  (§ntfdf)eibung  legenbe,  in  einen  äufsern  Organis- 
mus ben  ©dfjwerpunft  legenbe,  weit  oon  ber  Xiefe  berjenigen  eoan= 
gelifdEjen  äBaljrljett,  welche  uns  gum  ^roteftiren  jwtngt  nid^t  burdE)= 
brungene,  ja  biefelbe  abweljrenbe  unb  abweifenbe  $trd)e.  Unb  ba  ift 
ber  3Jtitielpun!t  ber  (Sontrooerfe. 

Sin  ben  ^nfyalt  beS  SudEjeS  im  ©in^elnen  ein^uge^en,  würbe  23o* 
gen  erforbern  (unb  melfadE)  barauf  hinauslaufen,  bafj  es  ber  S5f.  mit 
ber  $enntntfj  unb  banadE)  audE)  ber  SBefämpfung  beS  ^roteftan* 
tiSmuS  etwas  ju  letcfjt  mad^t)  —  wir  fcpefjen  e§  nidEjt  au$;  für 


278  Slnljang  gum  fünften  ©efpräd^. 

Ijeute  mollten  wir  e§  nur  in  biß  9tetf)e  ber  ben  SBolföblattlefern  notfj* 
menbiger  SBeife  ju  nennenben  Büdjer  einreiben,  unb  o§ne  bafj  nur 
e§  mollten,  finb  mir  oorläuftg  menigfien§  in  ber  £auptfad[je  bie* 
jentge  2lntmort,  bie  man  allerbingg  von  einem  2lngerebeten  er* 
märten  fann,  nidfjt  fajulbig  geblieben.  @§  mar  biejenige,  bie  audEj 
fd&on  au%  bem  feit  lange  bargelegten  6tanbpunft  be§  $olf3blatte§ 
Ijersorging.  25em  Ijodfjroürbigen  23ifdj)ofe  aber  reiben  mir  über 
bie  trennenben  ©ontrouerfen  tjinüber,  menn  er  fie  annimmt,  al§ 
einer  Sflitftreiter  im  ©tauben  an  unfern  Ijod&gelobten  #errn  unb 
Jpeilanb,  freunblici)  bie  $anb.  ©ein  SBucf)  fteHt  un§  iljm  jebenfattä 
niajt  ferner,  fonfcem  näljer;  unb  mie  mir  niajt  jraeifeln,  bajj  e§  au§ 
einem  aufnötigen  SBtllen  Jjertmrgegangen  ift,  mirb  e§  —  audEj  in 
ßampf  unb  SBiberftanb,  mie  menfdjlid(je  Strien  unb  SBege  finb,  — 
nur  @ute3  tljun  fönnen.    2)a§  bitten  mir  ©ott. 

VI. 

$ie  lecen(ron  meittea  „biftyöfUdjen  WoxUz"  in  fcer  |rit- 

fdjrift  für  lutyertfdje  plagte.    jtol)rg.  1865.  IV. 

2.  Dr.  ßonr.  Martin,  93if#of  n.  ^aberborn,  ©in  &if<pfud&e8 
2Bot*t  an  bie  Sßroteftanten  S)eutfd[)lanb§ ,  junäajft  an  Diejenigen 
meiner  2)iöcefe,  über  bie  jmifa^en  un§  befteljenben  (Sontrooergpunfte. 
2.  unoeränberte  Slufl.  Sßaberborn  ($.  ©dEjöninglj)  1864. 
2  <E$fe.    Seber  227  @.    8.*) 

Sie  römifaje  ßird&e  l)ält  ftdfj  ntd&t  blo§  für  bie  allein  feiig* 
mad&enbe,  fonbern  au^  für  bie  alleinige,  unb  fo  galten  fiel)  aud^ 
bie  römifa>fatljoltfct)en  SBifd&b'fe  gufammt  bem  $apft  für  gefegt  nid^t 
bloS  über  bie  römifdfj*fat(joIifd(jett  Ätrdfjenglieber  iljrer  2)iöcefen, 
fonbern  über  2We§ ,  maZ  in  benfelben  nur  cfjriftlid&en  tarnen  fyat, 
<3$i3mattfer  unb  £äretifer  ebenfomoljl,  als  £atl)0lifcl)e.  ßraft  biefer 
Slnfajauung  erläßt  ber  §err  Stfd&of  Martin  non  ^aberborn  oor« 
liegenbe  ©ncnclica  an  bie  ^roteftanten  feine§  ©prengel§.  äßir 
tonnten  bie§  einfach  gefeiten  fein  laffen,  ofjne  e§  irgenb  gu  be* 
aajten.    2)enn  ba  mir  unfererfeUS  meber  innerlia;  noa;  äu^erlid^ 


*)  ©ine  eiitgetyeufcere,  öon  einem  9ftita*l>eiter  jugefagte  SBeun-edjung  toitb 
hoffentlich  mit  nä$fiem  folgen  fönnen.  2>.  9teb. 


ftnljang  %um  fünften  ©efpräcr).  279 

mit  ber  getftliajen  Surtsbiction  beS  £errn  33ifc^ofg  von  Sßaberborn 
(refp.  be3  ^ßapftes)  e^roaS  gu  tlmn  Ijaben,  —  innerlich  nidjjt,  weil 
mir  mit  unferm  33e!enntniffe  in  bem  spapfttljum  als>  folgern  (bem 
üermeintlid&en  ©telloertreter  be3  alleinigen  £aupie3  feiner  $irä)e, 
bem  $erfhtd£)er  beS  SBorteS  oon  ber  Rechtfertigung  allein  um  ßtjrifti 
mitten  im  ©lauben  unb  bem  blutbefleckten  9Jtörber  oon  galjllofen 
©paaren  treuer  ©giften)  2lntia;rift  unb  in  ber  gangen  römifd^en 
§terard(jie  pompam  antichristi  erfennen  unb  bemgemäfj  lieben  unb 
efjren,  äufjerlid)  nicr)t,  roeil  burclj  ben  SlugSburger  Religion^*  uno 
ben  Seftpfjälifcrjen  ^rieben  alle  2lug3burger  ©onfeffionSoerroanbte 
2)eutfa)lanb3  üoUftänbig  unb  rein  con  atter  geifttidfjen  $uri3bictton 
fatljolifd)er  SBifajöfe  objectit>  fircfjen*  unb  ftaatSredjjtlid;  gefc^ieben 
unb  emancipirt  finb  — ,  fo  ger)t  un§  jenes  bifdfjöflidje  äßort  fo  gut 
etroaS  an,  als  eine  Drbonnang  ber  englifdjen  Könige  bie  grangofen 
ober  ber  frangöfifdjen  bie  ©nglänber.  ©S  loljnt  alfo  eigentlich  ber 
SJlütye  gar  nia)t,  bergleidjen  anmafjtiaje  ©rläffe  anberS  ju  beljan- 
beln,  als  einfaa)  unb  ooUftänbig  ju  ignoriren.  £>a  inbefj  ber  §err 
SSifdjof  con  ^paberborn  mit  ©mplwfe  aud)  unfer  §alle  feinem 
(Sprengel  unb  uns  £attifcl)e  feinen  £>iöcefanen  gu^ä^tt,  ba  er  tnS= 
befonbere  t)or  ^aljren  eine  B^it  lang  audfj  auf  ^alliftfier  Uninerfität 
ftubirt  ju  Jjaben  befennt,  unb  %§.  1.  ©.  10  f.  anfd&aultdfje  3ölit=- 
Teilungen  über  bamalige  §allifcr)e  Geologen,  (UefeniuS,  2Begfcr)ei* 
ber,  %f)oluü,  aucr)  £eo,  maa;t  unb  felbft  „auct)  mit  mehreren  an= 
beren  afabemifajen  £efjrern  an  biefer  Unioerfttät,  bk  px  ben  untern 
©ottljeiten  jaulten ,  . .  X^ilo ,  ©uertcfe ,  %uty ,  in  trielfaajen  perfön* 
liefen  äSerfeljr  getreten  gu  fein"  befennt  (mooon  freiließ  menigftenS 
ber  Unterzeichnete  aud&  nicr)t  baS  Slllerminbefie  rceifj,  fo  bafj  ber 
oielfacrje  perfönlidje  SSer!e^r  ficfjer  mol)l  nur  auf  baS  herausfallen 
auS  ber  ecclesia  visibilis  in  bie  invisibilis  beruljt) :  fo  gekernt  uns 
auf  baS  lange  äßort  ber  2lnfpraa)e  ein  JurgeS  perfönlidjeS  Eecepisse. 
SaS  „  btfdjbflidfje  äßort"  foH  ün  irenifdjeS  2Bort  friebltdjer 
2luSeinanberfefcung  unb  SSerftänbigung  fein,  unb  märe  eS  baS 
mirflidj),  er)rlicr),  oerftänbig,  grünblicr),  gelehrt,  nur  mürben  ntct)t - 
bie  Seiten  fein,  bie  baffelbe,  möchte  eS  oon  einem  23ifcf)of  ober  oon 
einem  ©cfjulmeifter ,  oon  einem  Geologen  ober  oon  einem  ©djufter 
ausgegangen  fein,  banfbar  beljergigenb  annehmen,  äßie  mottten  mir 
über  foldje  frieblid&e  SluSeinanberfefcung  auS  Um  50lunbe  ober  ber 


280  Stnfjang  junt  fünften  ©efpräa;. 

^eber  etne§  2Jlicfjael  ©ailer,  eine§  3Kartin  S8oo3  un§  gefreut,  nue 
Diel  baxatö  getont  l)aben!  8ene§  friebUaje  freunblid&e  ©efid^t  be§ 
§errn  Sßifd&ofS  Martin  aber  ift  nur  ein  tauforifajeS  2tu§§ängef3)üb, 
unter  meinem  fitf)  nid&tS  als  ber  ftarrfte,  oerrottetfte,  unnaä)gtebtgfte 
ungelefjrigfte  unb  unbelefjrenbfte  $omam§mu§  oerfiecft,  ber  felbft 
ntdEjtä  lernt  unb  ntd(jt§  »ergibt,  unb  aua;  ma)t3  ju  teuren  unb  uer* 
geffcn  ju  machen  »erftefjt,  unb  roeld(je§  unter  bem  ©dtjeine  ber  ©fjr* 
liajfeit,  SSerftänbtgifeit,  ©rünblid&feit  unb  (Mefjrfamfett,  Une!)rUa> 
feit,  9tta;tuerftanb,  $lacpeit  unb  Sgnoranj  oerbirgt.  £>I)ne  ^raeifel 
wirb  ja  bie  gtatte,  in  $onig  getauchte  §eber  be§  $errn  S3ifc^of§ 
gar  manä)  einen  armen,  faben,  fad(mnftmbigen  ^roteftanten ,  gar 
mandjeS  äöeiblein  in  feinen  Werfer  gefangen  Ijetmfüfjren.  Sßenn 
er  aber  tiermeint,  buraj  feine  fteten  freunbliajen  Slnreben:  „3!jr 
guten  Sßroteftanten  ,"  „iljr  geliebten  proteftanttfäjen  $reunbe"  zc, 
bie  ftctS  auf  ben  SßroteftantiSmuS  faajltdj,  oft  pfmifcf)  unb  fjämifa) 
gehäuften  SSorrcürfe  ber  SUbernfjett,  be§  ttnftnnö,  ber  SSerbre^tfjeit 
k.  gu  oerbecfen;  roenn  er  oermeint,  burtf)  fein  reajt  rigorofeö  tyo* 
d&en  auf  feine  SBtfajofgautorität  gegenüber  feinen  SDtöcefanen  unb 
auf  ba$  alteinige  dietyt  ber  ratfjolifd&en  ßiräje  („Qtnn  von  ©otte§* 
unb  SReajtSroegen  bin  ia;  $8ifdE)of  ber  ©töcefe  ^ßaberborn,  b.  §.  nicfjt 
blo§  ber  ßatfjottfen  biefer  SDiöcefe,  fonbern  alter  Stiften,  bie  in* 
nerfjalb  ber  ©renken  berfelben  rootjnen"  I.  8;  „Unb  barauf  mufj 
e§  bocf)  ftfjliefjltdj  IjntauggeJjen ,  bafj  $I)r  bie  Ätrcfje,  bie  fatljottfdlje 
$tra)e,  al§  bie  Äirdje  ©fjriftt  unb  jmar  al§  bie  allein  &u  fHec^t  be* 
fteljenbe  $irtfje  ©Ijrifti  roieber  anerfennt"  I.  32)  in  greller  petitio 
principii  ben  roafjrbaft  geminnenben ,  »erfö^nenben ,  uerftänbigen 
Xon  angefangen  §u  §aben;  roenn  er  oermeint,  burclj  feine  langen 
glatten  Weben,  bie  er  auf  felbftgefäEigft  benoteten  bifajöfliajen 
Reifen  in  ©ifenbatmrcaggonä ,  an  SBirtptafeln  u.  f.  n>.  fabe  ober 
umoiffenbe  proteftanttfcfye  ^egierunggrätfie,  Dberbürgermeifter,  Spre* 
biger,  ©uperintenbenten ,  SSarone,  ja  felbft  (oerftorbene)  tfjeolo* 
logiftfje  ^ßrofefforen  u.  f.  ro.  anpren  unb  fie  Ijalb  bann  fajon  ju 
^reuje  frtedEjenb  anpren  läfjt,  grünblic^e  SBeroeife  geführt  $u  l)aben ; 
wenn  er  oermeint,  fo  grobe  ^gnoranj  in  feine  SBeroeife  oerroeben 
g*  bürfen,  wie  I,  25—27.  29  in  ber  f)ier  unb  überaß  ofjne  aße§ 
SSerftänbniffeS  beö  äÖefenS  non  lebenbigem  ©lauben  aufg  ^»lumpfte 
farrtftrenben  3^"«"Ö  ^er  (ut^erifc^en  Se^re  ,t)on  ber  ©rbfünbe 


Stnljang  sunt  fünften  ©efpräd).  281 

unb  bem  gefangenen  SSillen,  unb  ber  reformtrieu  oon  ber  ©naben* 
roaljl;  rote  I,  82  in  ber  SarfteHung  ©uftau  SIbolplj  al§  eine§  „nur 
heute*  unb  lernbegierigen  ©robererg;"  rote  I,  96  in  ber  Angabe, 
bafj  ©entilig  unb  ©reH  „tljre  Äefcerei"  mit  bem  Seben  gebüßt  unb 
„bafj  Sutljer  felbft  bie  Sobeäftrafe  für  bte  ße^eret  gut  'gelten;" 
rote  I,"  145  in  ber  exorbitanten  SSefjauptung :  „3rotfcf)en  ber  erften 
©rfdjaffung  ber  äßelt  au§  9Ud&t§  unb  jrotftfjen  bem  erften  Xageroerfe 
ift  Raum  genug  für  Saufenbe  unb  Millionen  oon  3^^ren  unb  für 
alle  möglichen  ©ntroicf  fangen ,  ©ooluttonen  ober  Resolutionen ;" 
roie  I,  157  in  bem  <3a|e:  „@o  lange  2ut§er§  unb  ©alotng  Seljre 
treu  geglaubt  würbe,  gab  e§  in  ber  proteftantifd&en  ßirdje  feine 
^oefte,  feine  §iftorie,  feine  Sßljilofopljte ;"  roie  I,  172  in  bem  aller 
gefa;ia;tlia;en  2Bal>rljett  in§  Slngefiajt  fpeienben  @a£e:  „(Selbft  bie 
eigentliche  ©runblefjre  be§  ^ßroteftantigmu§ ,  biejenige,  um  bereu 
roitten  man  bie  Soöreifjung  oon  ber  3Jiutterfira)e  für  geboten  §telt, 
bie  8ef)re  oon  ber  Rechtfertigung  burd)  ben  ©tauben  allein,  finbet 
gegenroärtig  auf  feiner  einzigen  Se^rfanjel  einer  beutfajen  ttntoer= 
fität  einen  'gelehrten  Vertreter  meljr;"  roie  II,  51-  in  bem  gleicher* 
roetfe  aller  notorifd&en  SBirftidjfeit  in§  2lngeftc§t  fd)lagenben  <Sa|e: 
„Unter  ©uren  neueren  namhaften  Geologen  ftefjt  man  fiaj  üer= 
gebeng  nad)  einen  tarnen  um,  ber,  roenn  aua;  nur  au§  Sötttteib, 
fiel)  ber  alten  luüjerifd&en  2lnfia;t  uorn  SIbenbmaljle  noa)  anjuneljmen 
unb  fie  rotffenfajaftlidj  ju  »ertljeibigen  roagte;"  roie  II,  55  in  ber 
alg  „ben  fraget  auf  ben  Äopf  treffenb"  bezeichneten  S)arfteUung  be§ 
Unterfdjtebeg  ber  römifdjen  unb  lutljerifd&en  $lbenbmal)tgle!)re  alg: 
f atljoltfd)  „bieg  ift  mein  Seib,  bieg  ift  mein  93lut,  unb  Sut^er :  bieg 
roirb  mein  Seib  unb  bieg  roirb  mein  SBlut  fein;"  roie  JX,  70  in 
bem  monftröfen  ©afce:  „Sag  Verbot  ber  Kommunion  unter  $roei 
©eftalten  ift  natürlich  nur  bigciplinärer  Statur ,  bag  bie  $tra;e . . 
fidjer  aufgeben  roirb,  roenn  fie  bie  $eit  baju  gekommen  glaubt,  unb 
roenn  namentlich  bie  ^rrle^re,  öaf[  bie  Kommunion  unter  ©iner 
©eftalt  eine  SSerfümmerung  unb  SSerftümmelung  beg  ^eiligen  <sa= 
cramentg  unb  bie  Kommunion  in  groei  ©eftalten  etroag  Rotljroen* 
btgeg  fei,  oottftänbig  roirb  befiegt  unb  befeitigt  fein;"  rot«  n,  76 
in  ber  Stnfüljrung  „fdron  beg  Zeitigen  ^uftinug  alg  Beugen  für 
Sflejsopfer;"  toie  II,  97  in  bem  (bocl)  unroiafürttdj  bag  «erhalten 
©Ijrtftt  gegen  bie  ©ljebrecl)ertn  frttifirenben)  6a£e:  „gür  ein  Söeib, 

18** 


282  Hnljang  ginn  fünften  ©efprätf;. 

baZ  einen  ©Ijebrucf)  Begangen  §at,  ift  e3  recijt  gut,  wenn  üjr  bie 
Vergebung  nid^t  allgu  letäjt  gemalt  wirb,  unb  wenn  fie  für  bie 
ftrafbare  fmnlicfje  Suft  audE)  einen  gehörigen  finnltd;en  @cl)mer$  unb 
eine  fdfjmergljafte  Süße  auf  fiel)  gu  nehmen  l)at;"  wie  n,  120  in 
ber  Verwerfung  ber  $riefterel)e  mit  bem  unerhörten  Argument-. 
„Sföuß  icf),  um  ein  guter  geiftlidEjer  SSater  meiner  ©emeinbe  gu  fein, 
il)r  audO  baZ  SSetfptel  eine§  guten  fleifd[)licl)en  (foll  Reißen:  leiblichen) 
93ater§  geben,  fo  müßte  id)  aviti)  ^fyvfymatyx ,  ©d&neiber,  SBMer 
u.  f.  w.  fein,  um  Stilen  burdE)  mein  33etfpiel  ju  geigen;"  wie  II,  126 
in  ber  unermeßlich  feilten  SIbweifung  ber  allein  richtigen  2lu3le* 
gung  ber  ©teile  1  Xhn.  3,  2;  wie  II,  207  in  ber  SBeljauptung, 
ba^  gu  8utl)er§  geit  bie  ©einen  „fopfunter  fopfüber  in  ben  ßlje* 
ftanb  fprangen  ;"  wie  II,  217  in  ber  23egei$nung  ber  proteftantt* 
fd^en  S)ia!oniffen^nftitut§  als  „eine§  armfeligen  oerMppelten  unb 
nerlümmerten  ©tümperwerleS" ;  wie  II,  174  in  ber  Argumentation 
für  bie  Wlafyt  ber  $ürbiite  ber  SJlaria  auö  bcm  ,,©d()riftbeweife"  be3 
23eifpiel3,  „welcf)e3  eine  un$  für  taufenbe  gilt",  be§  burdE)  fie  „er* 
flehten  erften  3ßunber§  %e\u  gu  (Sana";  wie  n,  123  in  ben  Sßorten: 
,ffian  erinnert  fia),  weltf)  einen  ©canbal  ber  ©tngug  be§  englifdOen 
33ifd()of3  ®obat  in  $erufalem  \am\nt  äßeib  unb  Äinbern  erregt  fyat", 
wo  ber  unfdOulbige  ©obat  mit  Slleganber  üermedOfelt  ift;  wie  i,  17 
unb  II,  180  in  ber  fd^amlofen  SeJjauptung,  bafj  fdE)on  „Sutljer  (unb 
ba§  fjeißt  bodE)  ber  Reformator  Sutfjer)  baZ  oor  einigen  %af)vtn 
beclartrte  Sogma  »on  ber  unbefleckten  ©mpfängniß  Solana  in  fo 
ftar!en  Ausbrüchen  oertljeibigt  l)at,  wie  e§  nur  irgenb  menfajen* 
möglich  ift";  wie  n,  6  in  ber  bie  lädEjerlicljfte ,  fester  unglaubliche 
Unwiffenljeit  unb  bamit  gugleidO  bem  angeblich  Slngerebeten  gegen* 
über  bie  Unwafjrfjeit  btefe§  ganzen  25eri$te§  felbft  fcanbolöä  bloß 
legenben  «Stelle  einer  langen  Rebe  be§  £erm  23ifdf)of3  an  ben  feit* 
bem  abgefd&tebenen  eoangeltfdDen  ^rofeffor  ber  Geologie  §affe  in 
33onn:  „(§§  ift  3l)nen,  lieber  £err  College,  fo  gut  wie  mir  Mannt, 
wie  AmSborf,  ber  ehemalige  23tfc!)of  twn  Raumburg  unb  naa> 
!)erige  $reunb  unb  Anhänger  £utf)er§"  ic,  wonach  ber  £err 
SSifd&of  weiß,  AmSborf  fei  t)or  feinem  Zutritt  gur  Reformation 
S8tfc§of  »on  Raumburg  'gewefen!  ic.  2c.  —  wenn  er  in  fold&er 
ÜBeife  vermeint,  gegen  ben  $roteftanti3mu§  überhaupt  unb  an  fia; 
etwas  erkämpft  unb  gewonnen  gu  l)aben:  fo   befinbet  er  fiel)  im 


2luljaug  tum  fünften  ©efpräcl).  283 

Srrtljum.  Unterzeichneter  roenigftenä  befennt,  fetne§tl)eil3  auü) 
ntdfjt  im  Slllermtnbeften  huta)  ba§  bifcfjöfliclje  Sßort  irritirt 
tüorben  gu  fein.  SBtelmeljr,  ob  aua)  in  gerftüfteter  unb  vertretener 
firdjltd&er  ©emeinfdjaf t ,  ob  auü)  perfönltd)  ftrd)ltd)en  SSefenntniffeä 
Fjalber  w  aller  SBeife  jurüdgefe^t  unb  oerroorfen,  ob  audE)  be§ug3* 
weife  in  ber  berüljmteften  beutfd(H»roteftantifdE)en  Unioerfttätsftabt 
fester  oljne  bit  3Jtöa,Iid&feii,  rein  proteftantifd(Hntl)erifd(je3  äöort  nur 
geprebtgt  &u  pren  (htnn  von  htm  ©inen  ber  gn>et  oereljrten  2flän* 
ner,  bie  bort  in  biefem  SSejug  attein  etroa  in  SBetracfjt  fommen,  be= 
richtet  ber  £err  Sifd&of  oon  ^paberBorn  felbft,  I,  65  —  btöcret  ge> 
nug?  —  fein  greuliches  £inüberfä;ielen  nacl)  diom,  unb  ber  2tn* 
bere,  ber  nrirflid)  in  reformatorifdjer  ©nergie  ($5erecf)tig?ett  attein  au§ 
htm  ®lauht\v  prebigt,  pflegt  leiber  meift  fofort  burd&  allerlei  Sfte* 
ftriction  mit  ber  Stufen  nrieber  nieber^urei^en,  wa3  er  eben  mit 
ber  3ted)ten  mächtig  gebaut,  fo  ba%  natürlich  aud;  bit  ©emeine  mit 
htm  (Segen  ber  Soia-fide-^rebigt  nid^t  überftrömt  roirb),  —  \tbtn* 
nod)  in  aU  folgern  Santmer  unb  ©lenb  fann  er  unb  lüirb  er,  fo 
lange  nod;  ein  Dbtm  in  ifjm  tft,  nur  jubeln,  bafs  er,  ©Ott  Sob  unb 
unb  unferm  95ater  Martin  ®a\\t !  bie  ©ine  Sßerle  gefunben  Ijat,  über 
bie  er  att  jene  gepriefene  ftra;lic§e  £errltc§lfeit  eine§  „anbern  @van* 
geliumä"  für  hinüber  unb  ßotlj  ($$il.  3,  7.  8.),  ja  für  „t>erfiud&t" 
((Bai  1,  8)  adjtet,  mxb  htm  ganzen  33tfd(jof§*2Borte  an  bie  Sßrote* 
ftanten  feiner  2)iöcefe  gegenüber,  ba§  oon  Anfang  bi§  ju  @nbe 
oI;neljin  nur  ein  unfreiwilliger  ©ommentar  ju  benQui  s'excuse  s'ae- 
cuse  ift,  nur  anbetenb  mit  $aulu§  jauchen:  „SSir  finb  o  treuer 
erlauft!  SDarum  nie  ber  SÖienfäjen  Anette!"  Unb  bamit  @ott 
befohlen  l  (©.) 


Suialt 


©eite 

SBottoort •  3 

(SrfieS  ©efyrci(fy 5 

ßtoeiteS  ©etyräcf>      29 

©ritte«  ©efrtä$ 59 

33ierte8  ©efyrä<$ 91 

günfteS  ©efarad?      123 

©e$$te$  ©efrrädj 157 

©iebenteS  ©eft>rä$ 186 

2l$te$  ©efttädj 229 

2(nljang  snm  fünften  ©efaxädje 260 


©eite  130  Seile  12  t>on  unten  lies :  „i$te8"  ftatt  „i$ren". 
„     141      „     6     „       „     ift  „fteunbUtfer  ober"  8«  Preisen. 


®rud  bon  S3ät  &  Hermann  in  Seibjiö- 


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